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Die realitätsnähere Bewertung der Schadenrückstellungen des Versicherers im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 und ausgewählte Konsequenzen für die Handels- und Steuerbilanz

©2001 Diplomarbeit 91 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Kaum ein Gesetzgebungsverfahren hat in den letzten Jahren so viel Aufsehen erregt wie das des „Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002“(StEntlG). Obwohl die eingeführten Neuregelungen in Fachkreisen und unter den Betroffenen zu ausgiebigen Diskussionen und teilweise massiven Druck der Branche geführt haben, sind erhebliche Bedenken gegen diese Maßnahmen und Änderungen verblieben.
Auf der verzweifelten Suche nach immer neuen Einnahmequellen sind die Schadenrückstellungen der deutschen Vers.-wirtschaft (~ 125 Mrd. DM), welche immerhin ungefähr 77% der Bilanzsumme ausmachen, für den Fiskus dadurch in besonderem Maße in das Interesse gerückt.
Mit der Einführung des o.a. Gesetzes sollte offenbar u.a. vermieden werden, daß angeblich überbewertete Schadenrückstellungen (10 %), die zu umfangreichen stillen Reserven führen, weiterhin gebildet werden können. Dabei bleiben die Rückstellungen zwar unverändert steuerfrei, jedoch wird deren Höhe stark beschnitten.
„Die Auflösung nicht (mehr) benötigter versicherungstechnischer Rückstellungen erhöhen den steuerlichen Gewinn. Der wesentliche Streitpunkt bei steuerlichen Betriebsprüfungen ist regelmäßig das Maß an Vorsicht bei den Schätzungen“. Die Gefahr liegt darin, daß der Steuerpflichtige nun weniger kaufmännische Vorsicht walten läßt.
Darüber hinaus soll eine Abzinsung der gebildeten Rückstellungen vorgenommen werden.
Beide Hauptbestandteile dieses lex novis korrigieren die bisherige handels- und steuerrechtliche Bilanzierung erheblich und erschüttern maßgebliche Bilanzierungsgrundsätze.
Gang der Untersuchung:
Die vorliegende Arbeit soll den Charakter und den hohen Stellenwert der Schadenrückstellungen in Bezug auf Handels- und Steuerbilanz erörtern. Dabei werden die aktuellen Gegebenheiten der legislativen und der exekutiven Umsetzung hervorgehoben und beleuchtet.
Es folgt eine Analyse der speziellen Bilanzierungs- und Bewertungsprobleme in Abhängigkeit von der Gesetzesvorlage. Dadurch soll eine Vergleichbarkeit zwischen der bisherigen und der künftigen Vorgehensweise möglich werden, um die Abweichungen und Auswirkungen insbesondere sachlich als auch mathematisch zu erfassen. Beispielhafte Erläuterungen sollen ergänzend dazu beitragen, daß die Ergebnisse der Umsetzung des Gesetzes in der Praxis veranschaulicht werden.
Ein ausgewähltes Kernstück der Arbeit stellt schließlich die Kritik und die aufgeworfenen Fragen wie Probleme im Zusammenhang mit der Einführung des […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4625
Keller, Tom: Die realitätsnähere Bewertung der Schadenrückstellungen des Versicherers im
Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 und ausgewählte
Konsequenzen für die Handels- und Steuerbilanz / Tom Keller -
Hamburg: Diplomica GmbH, 2001
Zugl.: Köln, Fachhochschule, Diplom, 2001
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2
Vorwort ... 4
1. Einleitung ... 5
1.1 Problemstellung ... 5
1.2 Ziel und Gang der Untersuchung ... 6
2. Schadenrückstellungen ... 7
2.1 Definition und Hintergrund von Rückstellungen ... 7
2.1.1 Sonderregelung für Versicherungen ... 10
2.1.2 Einordnung und Phasen der Schadenrückstellung ... 12
2.1.3 Zusammensetzung ... 13
2.1.4 Kennzahlen ... 15
2.1.5 Besonderheiten ... 17
3. Bilanzierung ... 18
3.1 Bilanzierung von Schadenrückstellungen ... 18
3.1.1 Handelsrechtliche Betrachtung ... 20
3.1.2 Gewinn- und Verlustrechnung(GuV) ... 21
3.1.3 Steuerrechtliche Beobachtung ... 22
3.1.4 BAV-Verordnung BerVersV/RechVersV im VAG ... 23
3.1.5 IAS/US-GAAP-Prinzipien/Internationaler Vergleich
25
3.2 Bewertung/Ansatz ... 27
3.2.1 Vorsichtsprinzip/Höchstwertprinzip ... 28
3.2.2 Grundsatz der Einzelbewertung ... 29
3.2.3 Variante der Gruppen-/Pauschalbewertung ... 30
3.2.4 Zeitaspekt als Bewertungsproblem bei Lohn-/
Preissteigerungen ... 32
3.2.5 Abwicklungsergebnisse ... 35
4 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG) ... 37
4.1 Gesetzentwurf und Intention ... 37
4.1.1 BMF-Schreiben vom 5.5.2000 ... 39
4.1.2 Modifizierung des § 6 Abs.1, Nr.3a, Bst.a) EStG . 41
4.1.3 Novellierung des § 20 Abs.2 KStG/Minderungsbetrag 44
4.1.4 Abzinsungsgebot/BMF-Schreiben 16.8.00 ... 47
4.1.5 Steuerstundende/Gewinnmindernde Neubewertungs-
rücklage/Aktivierung latenter Steuern ... 50
4.2 Probleme/Auswirkungen/Interpretation ... 54
4.2.1 Methodische/Inhaltliche Mängel ... 62
4.2.2 Vergleich Abzinsung/Nichtabzinsung ... 67

3
4.2.3 Monetäre Darstellung/Konsequenzen für
Versicherungsunternehmen und Fiskus ... 70
5. Zusammenfassung/Schlusswort ... 74
6. Abkürzungsverzeichnis ... 77
7. Literaturverzeichnis/Fundstellen ... 83
8. Erklärung ... 88

4
Vorwort
Da der Verfasser dieser Arbeit in der Praxis seit 1994 im Be-
reich Sach-Großschaden des zweitgrößten Versicherers tätig
ist und die Arbeit mit der Thematik ursprünglich im Zusammen-
hang steht, war das Interesse, diese Arbeit zu erstellen, be-
sonders ausgeprägt, so dass eine Vertiefung in die Literatur
über den Umfang dieser Arbeit weit hinausging.

5
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Kaum ein Gesetzgebungsverfahren hat in den letzten Jahren so
viel Aufsehen erregt wie das des ,,Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002"(StEntlG).
Obwohl die eingeführten Neuregelungen in Fachkreisen und un-
ter den Betroffenen zu ausgiebigen Diskussionen und teilweise
massiven Druck der Branche geführt haben, sind erhebliche Be-
denken gegen diese Maßnahmen und Änderungen verblieben.
Auf der verzweifelten Suche nach immer neuen Einnahmequellen
sind die Schadenrückstellungen der deutschen Vers.-wirtschaft
(~ 125 Mrd. DM), welche immerhin ungefähr 77 % der Bilanzsum-
me ausmachen
1
, für den Fiskus dadurch in besonderem Maße in
das Interesse gerückt.
Mit der Einführung des o.a. Gesetzes sollte offenbar u.a.
vermieden werden, daß angeblich überbewertete Schadenrück-
stellungen(10 %)
2
, die zu umfangreichen stillen Reserven füh-
ren, weiterhin gebildet werden können.
Dabei bleiben die Rückstellungen zwar unverändert steuerfrei,
jedoch wird deren Höhe stark beschnitten.
1
Vgl. Festschrift KPMG Nordtreu 1997, Dr.Helmut Perlet, Seite 107
2
Vgl. FS KPMG Nordtreu, Seite 108

6
,,Die Auflösung nicht (mehr) benötigter versicherungstechni-
scher Rückstellungen erhöhen den steuerlichen Gewinn. Der we-
sentliche Streitpunkt bei steuerlichen Betriebsprüfungen ist
regelmäßig das Maß an Vorsicht bei den Schätzungen"
3
.
Die Gefahr liegt darin, daß der Steuerpflichtige nun weniger
kaufmännische Vorsicht walten läßt.
Darüber hinaus soll eine Abzinsung der gebildeten Rückstel-
lungen vorgenommen werden.
Beide Hauptbestandteile dieses lex novis korrigieren die bis-
herige handels- und steuerrechtliche Bilanzierung erheblich
und erschüttern maßgebliche Bilanzierungsgrundsätze.
1.2 Ziel und Gang der Untersuchung
Die vorliegende Arbeit soll den Charakter und den hohen Stel-
lenwert der Schadenrückstellungen in Bezug auf Handels- und
Steuerbilanz erörtern.
Dabei werden die aktuellen Gegebenheiten der legislativen und
der exekutiven Umsetzung hervorgehoben und beleuchtet.
Es folgt eine Analyse der speziellen Bilanzierungs- und Be-
wertungsprobleme in Abhängigkeit von der Gesetzesvorlage.
Dadurch soll eine Vergleichbarkeit zwischen der bisherigen
und der künftigen Vorgehensweise möglich werden, um die Ab-
weichungen und Auswirkungen insbesondere sachlich als auch
mathematisch zu erfassen.
3
Vgl. Farny, Seite 130

7
Beispielhafte Erläuterungen sollen ergänzend dazu beitragen,
daß die Ergebnisse der Umsetzung des Gesetzes in der Praxis
veranschaulicht werden.
Ein ausgewähltes Kernstück der Arbeit stellt schließlich die
Kritik und die aufgeworfenen Fragen wie Probleme im Zusammen-
hang mit der Einführung des StEntlG dar, auf die besonders
ausführlich eingegangen wird.
2. Schadenrückstellungen
2.1 Definition und Hintergrund von Rückstellungen
Rückstellungen sind zunächst ungewisse Bilanzposten der Pas-
sivseite. Sie nehmen künftige Risiken vorweg und sind eine
Methode der Aufwandserfassung.
4
Nach §§ 242 u. 246 HGB hat der Bilanzierende sämtliche Schul-
den auf der Passivseite der Bilanz unterschieden nach Ver-
bindlichkeiten und Rückstellungen auszuweisen.
Die bloße Möglichkeit einer Inanspruchnahme oder eines Ver-
lustes genügt nicht.
Es muß vielmehr mit einer ernsthaften Inanspruchnahme gerech-
net werden können. Rückstellungen und Schulden sind nur auf-
grund ihrer Ungewissheit zu differenzieren.
Die betreffende Verbindlichkeit muß mit einiger Wahrschein-
lichkeit bereits bestehen oder noch entstehen.
Die künftigen zur Tilgung der ungewissen Verbindlichkeit zu
leistenden Ausgaben müssen wesentlich bereits im abgelaufenen
oder vorausgegangenen Wirtschaftsjahren verursacht worden
sein.
5
4
Vgl. Schmalenbach 1961, S.171
5
BFH, BStBl. 1983 II, Seiten 361, 375, 670, BStBl. 1984 II, Seite 263

8
Sie dienen somit der richtigen Erfolgsermittlung und Perio-
denabgrenzung und haben sinngemäß Schuldcharakter.
Während jedoch bei den ausdrücklich als Verbindlichkeiten be-
zeichneten Passivposten die Schuld prinzipiell dem Grunde und
der Höhe nach feststeht, sind die in den Rückstellungen er-
faßten künftigen Ausgaben ­ auch im Zeitpunkt ­ nicht be-
kannt.
Hierzu zählen z.B.: Pensions-/ Alterungs-/ oder Steuerrück-
stellungen.
Die (Nichtsteuerlichen) Vorteile dieser Rückstellungen liegen
auf der Hand. So werden liquide Mittel im Unternehmen gebun-
den, die sonst als Gewinnausschüttung/Entnahme das Unterneh-
men verlassen hätten oder einbehalten worden wären (Thesau-
rierung). Rückstellungen sind somit ein Instrument der
Selbstfinanzierung.
Da den Rückstellungen meist ungenaue Sachverhalte zugrunde-
liegen, müssen die zu passivierenden Beträge geschätzt wer-
den.
Die Höhe dieser Rückstellungen geben daher sehr unterschied-
liche Bilder ab.
So vermitteln z.B. besonders pessimistische (Hohe) Rückstel-
lungen dem Bilanzleser den Eindruck, dass das Unternehmen al-
le Risiken berücksichtigt hat und dadurch z.B. die Kreditwür-
digkeit dieser soliden Bilanz ggf. fördert.
Sicherlich darf hier nicht übersehen werden, dass es hier Er-
messensspielräume bei der Bildung derartiger Gewinnermitt-
lungsposten gibt.

9
Das aus dem Grundsatz der Vorsicht abgeleitete Impari-
tätsprinzip besagt, dass der Kaufmann sich in dubio immer är-
mer rechnen sollte als reicher, da der Gläubigerschutz Vor-
rang vor etwaigen spekulativen Erwägungen haben sollte.
6
Wür-
de gegensätzlich gehandelt, so würde das Eigenkapital als
Haftungskapital - bei Unterreservierung - belastet.
Ergo handelt es sich um künftige innerbetriebliche Maßnahmen,
die zu Vermögensverminderungen in der Zukunft führen, jedoch
in vergangenen Perioden realisierte Gewinne betreffen.
7
Nach Coenenberg
8
ist zu unterscheiden zwischen Rückstellungen
aufgrund einer Verpflichtung gegenüber Dritten (Statische In-
terpretation), die aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung,
z.B. Garantierückstellung, oder aber nach der wirtschaftli-
chen Verpflichtung, wie etwa Kulanzrückstellungen entstanden
sind und den Rückstellungen für Aufwendungen (Dynamische In-
terpretation) wie die Rückstellung für unterlassene Aufwen-
dungen für Abraumbeseitigung.
Rückstellungen dürfen erst dann aufgelöst werden, wenn der
Grund für ihre Existenz ­ wirtschaftlich/rechtlich - entfal-
len ist
9
oder mit einer Inanspruchnahme nicht mehr zu rechnen
ist.
6
Vgl. Adolf G.Coenenberg, Jahresabschluss-/analyse, 16.Aufl.,1997-
Seite.236
7
Vgl. Coenenberg, Seite 237
8
Fn. 7 Ebenda, Seite 238
9
§ 249,Abs.3 HGB

10
2.1.1 Sonderregelung für Versicherungen
Für Schäden, die bis zum Abschlußstichtag eingetreten oder
verursacht, aber noch nicht erledigt sind, ist im Jahresab-
schluss von Schaden- und Unfallversicherungsunternehmen eine
Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle
zu bilden.
10
Der Schadeneintritt ist als rückstellungsbegründendes Ereig-
nis festzuhalten. Gesonderte Regelungen finden sich im
§ 341 g HGB.
Für Versicherungsunternehmen ist die Bedeutung der Rückstel-
lung für diese noch nicht abgewickelten Versicherungsfälle
(Schadenrückstellungen/Schadenreserven) aufgrund der An-
spruchshäufigkeit enorm.
Sie sind geradezu idealtypisch unter den vers.-technischen
Rückstellungen, da die Passivseite der Bilanz die Besonder-
heit ­ Stochastizität ­ abbildet und daher dem Versicherungs-
geschäft eigentümlich ist.
11
Um dies zu veranschaulichen, sollte die nachstehende statis-
tische Erhebung von 1999
12
herangezogen werden:
10
Nr.28, Abs.1 Ziff.3 RRVU
11
Jochen Zimmermann, Rechtssystematische Überlegungen zum Ansatz der
SRst. in Handels- und Steuerbilanz, Mannheim 1991
12
Vgl. GB BAV von 1999, Teil B

11
Mio.DM
(1)
Bilanzsumme
216.783
(2)
Eigenkapital
41.559
(3) Jahresüberschuss
395
(4) Schadenrückstellung ­ netto -
85.445
(4)in
%
von
Zeile (1)
39
Zeile (2)
205
Zeile (3)
21631
Die Versicherer sind verpflichtet, die laufenden Versiche-
rungsverträge zu erfüllen. Daran sind neben den Versiche-
rungsnehmern auch geschädigte Dritte und das Bundesauf-
sichtsamt für das Versicherungswesen(BAV) ­ Gläubigerschutz ­
interessiert, ferner im Interessenkonflikt auch Aktionäre,
Fiskus und Arbeitnehmer, da Dividenden, Beitragsrückerstat-
tungen und Steuerzahlungen dieser anderweitigen Verwendung
entzogen werden.
,,Ohne die erforderliche Rückstellungsbildung ergäbe sich also
ein überhöhter Gewinn und damit eine angesichts der ausste-
henden Belastung ungerechtfertigte Substanzminderung durch
Gewinnausschüttung und Steuerzahlungen
13
."
Die Bewertung der Schadenrückstellung als die hohe Schule der
Bilanzpolitik
14
ist daher ideal geeignet, die Vornahme von Bi-
lanzverschleierungen und Fälschungen vorzunehmen
15
, obwohl
dies handels- und steuerrechtlich nicht legitim ist.
13
Dr.H.Perlet 1986
14
Farny, D.: Versicherungsbilanzen, 1975 ­ Seite 49
15
Gürtler, M.: Erfolgsrechnung, 1958 ­ Seite 75

12
Diese Terminologie wird dadurch unterstützt, daß die Versi-
cherer in ihren Formulierungen zum Geschäftsbericht gerne
zweideutige Formulierungen wählen, wie z.B. ,,Stärkung der Re-
servekraft", ,,konservative Dotierung", ,,kräftiges Abschmelzen
der Schadenreserven"
16
.
Die erwachsende Unsicherheit des Bilanzanalytikers wird hier-
durch kommentierend unterstützt, daß im Zweifel gerade Versi-
cherungsunternehmen mit scheinbar günstigen Schadenkennzahlen
als relativ finanzschwach angesehen werden müssen
17
.
2.1.2 Einordnung und Phasen der Schadenrückstellung
Der Versicherer schiebt einen nicht unwesentlichen Betrag an
bereits entstandenen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit noch
entstehenden Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen vor
sich her, die aus Prämien der Vergangenheit gedeckt werden
müssen
18
.
Eine Unterteilung sachlich-chronologischer Art der noch offe-
nen Schäden ist vorzunehmen nach gemeldeten und noch nicht
gemeldeten Schäden. ,,Nicht gemeldete Schäden sind definito-
risch dem Grunde und der Höhe nach ungewiss und können grund-
sätzlich nur aus Erfahrungswerten abgeleitet werden, sog.
Spätschäden
19
."
Bereits gemeldete Schäden können ferner nach unbekannten De-
terminanten, bezogen auf die Leistungspflicht dem Grunde und
der Höhe nach und zusammenwirkend, eingeteilt werden.
16
Dr.H.Perlet in Rst.f.n.n.abgewickelte Vers.-fälle in Handels- u. St.-
bilanz, 1986 ­ Verlag Vers.-wirtschaft e.V.
17
Harlandt. H. (Kfz-Haftpflicht-Vers., VW 1983) ­ Seite 227
18
Farny, D. in Finanzwirtschaft, VerR 1966 ­ Seite 288
19
Dr.H.Perlet, Seite 40

13
Bezogen auf den Zeitpunkt der Realisierung eines Schadens ist
eine Abgrenzung der Rückstellungen möglich in:
Bis zum Bilanzstichtag eingetretene und spätestens zur Bil-
anzerstellung gemeldete (Normalfall) und noch nicht gemeldete
Schäden (Nachmeldungsschäden), sowie am Stichtag durch den
Eintritt des Vers.-falles verursacht, aber noch nicht einge-
treten sind (Spätschäden im engeren Sinne). Dabei werden die
letztgenannten ceteris paribus zusammengefaßt
20
.
Bei den Spätschäden, auch IBNR-Rückstellungen (Incurred but
not reported) genannt, ist auf Erfahrungskurveneffekte der
Vergangenheit zu achten.
21
2.1.3 Zusammensetzung
Die am Bilanzstichtag bilanzierten Schadenrückstellungen des
selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäftes setzen sich
wie folgt zusammen:
a) Teilschadenrückstellung für am Bilanzstichtag bekannte
Versicherungsfälle
b) Teilschadenrückstellung für Renten-Versicherungsfälle
c) Teilschadenrückstellung für Spätschäden
- getrennt nach bekannten und unbekannten Spätschäden -
d) Teilschadenrückstellung für Schadenregulierungsaufwendun-
gen
20
VUBR, Nr.I P 3.3.1, Abs. 5/Boetius, Handbuch der vt. Rst.(1996)
21
BDO, Interne Mitteilung/Memorandum vom 13.11.00

14
Die Schadenrückstellung stellt zunächst den Betrag dar, den
der Schuldner (VU) aufbringen muß, um die Verbindlichkeit zu
begleichen (Rückzahlungsbetrag). Dieser Betrag ist der Scha-
denersatzbetrag als Gegenwert, den der Versicherer nach Ver-
trag bzw. Schadenereignis (voraussichtlich) zu leisten hat.
Bei der Bemessung der Schadenrückstellung sind Aufwendungen
für die Schadenregulierung zu berücksichtigen, die bei der
Abwicklung zu erwarten sind
22
, also auch Schadenermittlungs-
und Schadenbearbeitungsausgaben
23
.
Zu den Schadenermittlungskosten zählen u.a. Sachverständigen-
kosten, Reguliererkosten oder Gutachten; Schadenbearbeitungs-
kosten sind interne Kosten, die bei der Abrechung/Regulierung
der Schäden entstehen.
Der BFH betrachtet das anders; er vertritt die Auffassung,
daß lediglich Rückstellungen für Schadenermittlungskosten als
Rückstellungen für ungewisse Schulden zulässig sind.
24
Ferner enthalte das VVG keine Vorschrift, wonach der Versi-
cherer zur Schadenbearbeitung (Innenschuld) verpflichtet sei.
Diese Kosten der Leistungsbereitschaft sollen rechtlich vom
einzelnen Vertrag unabhängig und deshalb eine unzulässige
Aufwandsrückstellung sein.
25
In der Literatur wurden die Auffassungen sehr kontrovers dis-
kutiert, da auch davon ausgegangen werden kann, daß Schaden-
bearbeitungskosten leistungsbezogen periodisiert werden kön-
nen und ein Verzicht auf Passivierung zu einem Verstoß gegen
das Realisationsprinzip führen würde.
26
22
Nr.28, Abs. 8 RRVU
23
Vgl. VerBAV 1972, Seite 164
24
BFH vom 19.01.1972, BStBl 1972 II, Seite 392/395
25
VVG, Ebenda sowie Höring. G.: Schadenregulierung, VW 1957, S.153 ff.
26
Vgl. Dr.Perlet (1986), Seite 80 ff.

15
Eine homogene Auffassung vertritt Boetius in den Kommentie-
rungen zum § 20 KStG, wonach von den gesamten Schadenregulie-
rungsaufwendungen ausgegangen wird, weil der Wortlaut des
§ 341 g HGB eine eingrenzende Auslegung nicht zulässt (...
gesamten Schadenregulierungsaufwendungen...).
27
,,Schadenbearbeitung und Schadenermittlung sind wirtschaftlich
notwendige Leistungen zur Erbringung der Schadenhauptleis-
tung, so dass die Schadenregulierung insgesamt als wirt-
schaftliche Schuld anzusehen ist. Die Notwendigkeit wird le-
diglich in den Schadennebenleistungen gesehen, die im unmit-
telbaren Interesse des Versicherungsnehmers liegen."
28
Ferner sind diese Gemeinkostenanteile nicht durch den Versi-
cherungsbetrieb als solchen, sondern maßgeblich durch den
einzelnen Schadenfall entstanden und ohne diese Kosten wäre
eine ,,Herstellung" der Leistungserbringung nicht möglich.
29
Jedoch werden in der Praxis lediglich Schadenregulierungs-
/ermittlungsaufwendungen (Außenschuld) passiviert und akzep-
tiert.
30
2.1.4 Kennzahlen
Als Orientierungshilfe, Darstellung von Rechenschritten und
als wesentliches Mittel im Rahmen der analyseorientierten
Prüfung der Schadenrückstellung dienen verschiedene Übersich-
27
Boetius in HHR Lfg.184 Juni 1996, K 36, Anm. 110
28
Boetius in HHR, Anm. 111
29
Anmerkung 112 in HHR von Boetius/www.drsc.de, PosPap., S. 17, Pkt.81
30
BMF-Schreiben vom 5.5.2000, BStBl 2000 I, Seite 487,488 /EStG § 5,
Abs.6/§ 341, Abs. 1, Satz 2 HGB/ BFH III R 76/66 v. 10.5.1972: BStBl
II 72,823/BMF-Schreiben v. 2.2.1973(DStZ,Ausg.B 1973, S.74-75)

16
ten und Kennzahlen um u.a. eine Vergleichbarkeit von Daten
möglich zu machen.
Teilweise basieren diese Informationen auf Vorschriften aber
auch mathematischen Erfahrungswerten. Dazu gehören u.a. Ab-
wicklungsgeschwindigkeiten, durchschnittliche Schadenaufwen-
dungen oder Durchschnittsbetrag der zurückgestellten Schäden.
So setzt sich zum Beispiel die Schadenrückstellung f.e.R.
am Anfang des Wj. wie folgt zusammen
31
:
Brutto-Schadenrückstellung am Anfang des Wj.
./. Rückstellung für Schadenregulierungsaufwendungen am
Anfang des Wj.
./. Anteil der Rückversicherung an der Brutto-Schadenrück-
stellung am Anfang des Wj.
+ Anteil der Rückversicherung an der Rückstellung
für Schadenregulierungskosten am Anfang des Wj.
= Rückstellung f.e.R. am Anfang des Wj.
Eine weitere Möglichkeit einer Kennzahl ist die Darstellung
einer Schadenquote; sie hat die Funktion, eine prozentuale
Aussage über die Schadenbelastung eines Bestandes, eines Ver-
trages oder einer Kundenverbindung zu treffen. Diese Quote
ist u.a. Entscheidungshilfe für den Risikoträger, ob ein wei-
teres Engagement in einem ausgewählten Segment noch rentabel
ist und sich ein Underwriting profitabel durchsetzen läßt.
Folgendes Beispiel:
Schadenzahlungen 20 Mio. DM X 100 = 166,66 %
Prämieneinnahmen 12 Mio. DM
31
BMF-Schreiben vom 5.5.2000, BStBl 2000, Teil I, Seite 489

17
Da das Ergebnis klar darstellt, daß hier überproportionale
Schadenbelastungen im Verhältnis zu Prämienerträgen vorlie-
gen, ist zu erwägen, ob sich dieser Bestand ,,noch rechnet".
2.1.5 Besonderheiten
Sowohl in den einzelnen Sparten und Zweigen als auch in den
Produktarten und Innovationen der Versicherungswirtschaft
liegen einzelne besondere Merkmale als auch Gefahren, die
sich u.a. auch in der zeitlichen Bearbeitung manifestieren,
respektive entsprechende Auswirkungen auf nachfolgende Bi-
lanzjahre haben.
So ist zwar der Versicherungsfall bzw. der Anspruch zeit-
punktbezogen, jedoch der Zeitraum der Schadenentstehung/ -und
bearbeitung nicht determinierbar, so daß gebildete Schadenre-
serven häufig über mehrere Jahre duch die Bilanzen ,,gezogen"
werden.
Ein Paradebeispiel für diese Feststellung ist regelmäßig die
Haftpflichtversicherung (Sog.,,Long-Tail-Geschäft"), in der
zwischen kausalem Ereignis und Eintritt des Schadens meist
mehrere Jahre liegen, obwohl zwischenzeitlich vielleicht so-
gar die Verträge schon gekündigt sind (Sog. ,,First claims-
made-Deckung").
Besonders eindrucksvoll äußerte sich dies im sog. ,,Contergan-
Fall": Im Oktober 1957 kommt das Medikament Contergan
(Schlafmittel) in den Handel und führt in den Folgejahren zu
Mißbildungen bei Neugeborenen. Bis Dezember 1970 wird ein

18
Mammutprozess u.a. gegen die Schädigerfirma Grünenthal ge-
führt.
32
Diese Forderungen gegen die Produkthaftpflichtversicherer
müssen in voller Höhe über mehrere Prozessjahre hinweg passi-
viert bleiben. Die versicherungstechnischen Folgen sind
höchstmögliche Spätfolgeschäden, die unter Berücksichtigung
der Vorjahreserfahrungen zu reservieren sind. Weitere Auswir-
kungen resultieren aus geändertem Anspruchsverhalten, Preis-
steigerungen, neuen Schadenbildern oder geänderter Judikatur
während der Rückstellungsdauer.
Diese besondere Spätschadenproblematik wirkt sich insbesonde-
re auf die Schwankungsrückstellung (§ 341 h HGB) aus, die
hier ausgleichende Funktion hat. Weitergehende Erläuterungen
und Überlegungen ex definitione sollen jedoch nicht Thema
dieser Arbeit sein.
3. Bilanzierung
3.1 Bilanzierung von Schadenrückstellungen
Die Bilanz als Vermögensübersicht-/ und gliederung dient der
Kapitalerhaltung und spiegelt auch die Schuldenlage des Un-
ternehmens wieder.
,,Die traditionellen Aufgaben des Jahresabschlusses, Dokumen-
tation und Selbstinformation, entspringen dem Bemühen, die
Gläubiger wie den Kaufmann selbst durch rechtzeitige Informa-
tion vor den Folgen eines drohenden Konkurses zu schützen."
33
,,Er erfüllt seine Schutzfunktion dadurch, daß über den Ver-
bleib von Geld und Gütern Rechenschaft abgelegt wird"
34
und
ggf. eine Prognose durch Vergleich der Vorjahresbilanzen und
der Anhang-Informationen möglich wird.
32
www.contergan.de
33
Vgl.Dr.H.Perlet, 1986

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832446253
ISBN (Paperback)
9783838646251
DOI
10.3239/9783832446253
Dateigröße
538 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Hochschule Köln, ehem. Fachhochschule Köln – Wirtschaft
Erscheinungsdatum
2001 (Oktober)
Note
1,4
Schlagworte
handelsrecht abzinsung steuerrecht
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Titel: Die realitätsnähere Bewertung der Schadenrückstellungen des Versicherers im Rahmen  des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 und ausgewählte Konsequenzen für die Handels- und Steuerbilanz
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