Entwicklung einer Social Marketing-Konzeption für Tagespflegeeinrichtungen
Zusammenfassung
Burn-Out, strukturelle Gewalt, Pflegenotstand und demographischer Wandel sind Kernbegriffe, mit denen Medien die momentane Situation in der Altenpflege beschreiben. Wer die Probleme in der Altenhilfe kennt, weiß auch, dass ein großer Handlungsbedarf besteht.
Pflegestudiengänge und wissenschaftliche Zeitschriften gelten als Hinweise, die auf Lösungen für Probleme in der Pflege hoffen lassen. Dennoch überfordert sich die Pflege als akademische Disziplin selbst, wenn sie sich von anderen wissenschaftlichen Disziplinen abgrenzt. Zumal Pflegende zunehmend administrative Aufgaben bewältigen müssen. Insbesondere für leitende Pflegekräfte gewinnt die Betriebswirtschaft an Bedeutung. Es ist notwendig das vorhandene Wissen aufzugreifen, um aus den vorhandenen Erfahrungen zu profitieren. Qualitätsmanagement wird bereits vom Gesetzgeber vorgeschrieben und auch den Begriff Marktorientierung findet man immer häufiger in den Pflegezeitschriften. Diese ökonomischen Überlegungen sind auf die Einführung der Pflegeversicherung zurückzuführen, die den Pflegemarkt für Anbieter attraktiver macht. Der daraus resultierende Wettbewerbsdruck und der demographische Wandel in Deutschland sind Bedingungen, die Marketing in der Altenhilfe erforderlich machen. Obwohl die Tagespflegen Pflegebedürftige sinnvoll fördern und die Angehörigen entlasten, sind ein Viertel der Tagespflegeplätze unbesetzt. Studien zeigen, dass bei nachlassender Intensität des Marketings die Nachfrage nach der teilstationären Betreuung sinkt. Nach Christa müssen diffus positionierte Einrichtungen sich mit einer Nutzerstruktur vertraut machen, die eine gerontologisch anspruchsvolle Arbeit nicht mehr ermöglicht. Demnach besteht die Gefahr, dass es bei den Mitarbeitern und Kunden zu Motivationsverlusten kommt. Die Einrichtungen verlieren folglich stark an Ansehen in der Öffentlichkeit.
Ein Umzug ins Heim ist für alte Menschen mit vielen Verlusten verbunden. Sie verlieren neben ihrer vertrauten Umgebung häufig auch ihre Intimsphäre. Dies lässt sich besonders oft bei einer Unterbringung in Mehrbettzimmer feststellen. Birk bestätigt 1992 in ihrer Studie, daß sich durch die Inanspruchnahme einer gerontopsychiatrischen Tagespflege eine vollstationäre Versorgung vermeiden lässt. Die Tagespflege bietet viele Chancen für hochbetagte Senioren. Sie bietet Schutz und eine sichere Versorgung. Die Gäste können Kontakte pflegen und Freundschaften schließen, ohne aus ihrer vertrauten Umgebung […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Einleitung
1 Begriffsbestimmung
1.1 Marketing
1.1.1 Social Marketing
1.1.2 Dienstleistungsmarketing
1.2 Tagespflege
2 Situationsanalyse
2.1 Analyse der externen Situation
2.1.1 Umfeld
2.1.1.1 Ökonomische Faktoren
2.1.1.2 Soziodemographische Faktoren
2.1.1.3 Soziokulturelle Faktoren
2.1.1.4 Technologische Faktoren
2.1.1.5 Politisch-rechtliche Faktoren
2.1.2 Zielgruppenanalyse
2.1.3 Absatzmittler/ -helfer
2.1.4 Mitbewerber
2.1.5 Pflegemarkt
2.2 Analyse der internen Situation
2.2.1 Finanzielle Situation
2.2.2 Organisationsmerkmale
2.2.2.1 Trägerschaft
2.2.2.2 Anbindung
2.2.2.3 Platzzahl
2.2.2.4 Öffnungszeiten
2.2.2.5 Leistungen
2.2.3 Qualitätssicherung in Tagespflegen
2.2.3.1 Strukturqualität
2.2.3.2 Prozeßqualität
2.2.3.3 Ergebnisqualität
3 Marketingkonzeption einer Tagespflege
3.1 Festlegung der Marketingziele
3.1.1 Übergeordnete Ziele
3.1.2 Handlungsziele
3.2 Strategische Marketing-Planung
3.2.1 Kundenorientierte Strategien
3.2.1.1 Marktfeldstrategie
3.2.1.2 Marktstimulierungsstrategie
3.2.1.3 Marktparzellierungsstrategie teilweise
3.2.1.4 Marktarealstrategie
3.2.2 Konkurrentenorientierte Strategien
3.2.3 Kooperationsorientiertestrategie
3.3 Taktische Marketing-Planung
3.3.1 Produktpolitik
3.3.1.1 Produktinnovation
3.3.1.2 Produktvariation
3.3.1.3 Produktelimination
3.3.1.4 Produktmarkierung
3.3.1.5 Servicepolitik
3.3.2 Kommunikationspolitik
3.3.2.1 Werbung
3.3.2.2 Öffentlichkeitsarbeit (Public Relation)
3.3.2.3 Verkaufsförderung
3.3.2.4 Persönlicher Verkauf
3.3.3 Entgeltpolitik
3.3.3.1 Ansätze zur Preisfindung
3.3.3.2 Konditionenpolitik
3.3.4 Distributionspolitik
3.3.4.1 Planung der Absatzkanäle
3.3.4.2 Planung der Marketing-Logistik
4 Kontrolle der Marketingaktivitäten
Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland
Abbildung 2: Anteil der Tagespflegegäste mit dementiellen Beeinträchtigen
Abbildung 3: Kontaktaufnahme zu Tagespflege (Mehrfachnennungen)
Abbildung 4: Relevante Versorgungseinrichtungen für Pflegebedürftige
Abbildung 5: hypothetisches Stärken- Schwächen Profil
Abbildung 6: Durchschnittliche Kostenstruktur der Tagespflegen des Wohlfahrtswerks 1998 –Soll Daten-
Abbildung 7: Einteilung der Tagespflegen nach Trägerschaft
Abbildung 8: Prozentuale Aufteilung der Tätigkeitskomplexe
Abbildung 9: Die Konzeptionspyramide (Ebenen, Festlegungen und Fragestellungen)
Abbildung 10: Zielpyramide
Abbildung 11 Logo Arbeitswohlfahrt
Abbildung 12: Zielprogramm der Unternehmung
Abbildung 13: Marktfeldstrategien im Dienstleistungsmarketing
Abbildung 14: Die vier Basisalternativen der Marktparzellierung
Abbildung 15: Kooperationsmöglichkeiten
Abbildung 16: Das Produkt Tagespflege
Abbildung 17: Beispiele für Zusatzleistungen von Tagespflegen
Abbildung 18: Mögliche PR-Maßnahmen
Abbildung 19: Die Ebenen der Verkaufsförderung
Abbildung 20: Erfolgskriterien für den Verkaufserfolg
Abbildung 21: Gesamt- Auslastung der Tagespflegen in Abhängigkeit von der Höhe des Gesamt- Entgelts je Tag in Pflegestufe I
Abbildung 22: Hypothetische Ausführungskontrollanalyse für Tagespflegen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Hypothetischer Bedarf an Tagespflegeplätzen im Jahr 2000
Tabelle 2: Leistungsempfänger nach Leistungsarten und Pflegestufen der sozialen Pflegeversicherung (2. Halbjahr 1996)
Tabelle 3: Anbindungsformen
Einleitung
Burn-Out, strukturelle Gewalt, Pflegenotstand und demographischer Wandel sind Kernbegriffe, mit denen Medien die momentane Situation in der Altenpflege beschreiben. Wer die Probleme in der Altenhilfe kennt, weiß auch, daß ein großer Handlungsbedarf besteht.
Pflegestudiengänge und wissenschaftliche Zeitschriften gelten als Hinweise, die auf Lösungen für Probleme in der Pflege hoffen lassen. Dennoch überfordert sich die Pflege als akademische Disziplin selbst, wenn sie sich von anderen wissenschaftlichen Disziplinen abgrenzt. Zumal Pflegende zunehmend administrative Aufgaben bewältigen müssen. Insbesondere für leitende Pflegekräfte gewinnt die Betriebswirtschaft an Bedeutung. Es ist notwendig das vorhandene Wissen aufzugreifen, um aus den vorhandenen Erfahrungen zu profitieren. Qualitätsmanagement wird bereits vom Gesetzgeber vorgeschrieben und auch den Begriff Marktorientierung findet man immer häufiger in den Pflegezeitschriften. Diese ökonomischen Überlegungen sind auf die Einführung der Pflegeversicherung zurückzuführen, die den Pflegemarkt für Anbieter attraktiver macht. Der daraus resultierende Wettbewerbsdruck und der demographische Wandel in Deutschland sind Bedingungen, die Marketing in der Altenhilfe erforderlich machen. Obwohl die Tagespflegen Pflegebedürftige sinnvoll fördern und die Angehörigen entlasten, sind ein Viertel der Tagespflegeplätze unbesetzt.[1] Studien zeigen, daß bei nachlassender Intensität des Marketings die Nachfrage nach der teilstationären Betreuung sinkt.[2] Nach Christa müssen diffus positionierte Einrichtungen sich mit einer Nutzerstruktur vertraut machen, die eine gerontologisch anspruchsvolle Arbeit nicht mehr ermöglicht.[3] Demnach besteht die Gefahr, daß es bei den Mitarbeitern und Kunden zu Motivationsverlusten kommt. Die Einrichtungen verlieren folglich stark an Ansehen in der Öffentlichkeit.
Ein Umzug ins Heim ist für alte Menschen mit vielen Verlusten verbunden. Sie verlieren neben ihrer vertrauten Umgebung häufig auch ihre Intimsphäre. Dies läßt sich besonders oft bei einer Unterbringung in Mehrbettzimmer feststellen. Birk bestätigt 1992 in ihrer Studie, daß sich durch die Inanspruchnahme einer gerontopsychiatrischen Tagespflege eine vollstationäre Versorgung vermeiden läßt.[4] Die Tagespflege bietet viele Chancen für hochbetagte Senioren. Sie bietet Schutz und eine sichere Versorgung. Die Gäste können Kontakte pflegen und Freundschaften schließen, ohne aus ihrer vertrauten Umgebung gerissen zu werden.
Vielen Tagespflegen fehlen sinnvolle Konzepte, wodurch sie eine strategisch sinnvolle Planung der nach außen gerichteten Aktivitäten verpassen. Ansätze wie Kunden-, Ergebnis- oder Prozessorientierung lassen sich leicht auf Pflegeeinrichtungen übertragen. Daher kann jede Einrichtung ihre eigene Situation systematisch verbessern.
Die vorliegende Arbeit wendet Marketing auf den teilstationären Bereich der Altenhilfe an. Dieses Wissen kann Tagespflegen helfen, ihre Position auf dem Pflegemarkt zu verbessern. Die vorliegende Untersuchung liefert relevante Kriterien, die zur Entwicklung einer Marketingkonzeption notwendig sind. Sie dient als Handlungsanleitung für die Pflegepraxis. Die vorliegende Studie untersucht den aktuellen Stand der Tagespflege, den Einfluß verschiedener Marketingkonzepte, lohnende Ziele für die Tagespflege und potentielle Möglichkeiten, diese Ziele umzusetzen und zu kontrollieren.
1 Begriffsbestimmung
1.1 Marketing
Der Marketingbegriff stammt ursprünglich aus Amerika. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Marketing in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt und als die Lehre vom Absatz oder als Absatzwirtschaft verstanden. Die Menschen wirtschafteten in den 50er Jahren mit nur wenigen Mitteln. Es herrschte ein Nachfrageüberhang. In diesem Zusammenhang sprach man von Käufermärkten. In den 70er Jahren vollzog sich ein Wandel. Das Angebot überstieg die Nachfrage und es entwickelte sich dadurch ein Verkäufermarkt.[5] Folglich gewannen die Marketingaktivitäten eines Unternehmens an Bedeutung.
Der Marketingbegriff wird in der Betriebswirtschaftslehre weit gefaßt und teilweise unterschiedlich ausgelegt. Es lassen sich drei grundlegende Begriffsversionen unterscheiden: Marketing als Absatzpolitik, Marketing als marktorientierte Unternehmensführung oder Marketing als das Management von Austauschprozessen.[6] Die vorliegende Arbeit sieht Marketing als:
„die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele verwirklicht werden.“[7]
Im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelte sich die absatzwirtschaftliche Forschung weiter. Kotler erweiterte den traditionellen Marketingbegriff. Demzufolge können Individuen, Gruppen, sowie Organisationen jeder Art Marketing praktizieren.[8] Zudem begann Ende der 60er Jahre in der Betriebswirtschaftslehre eine Entwicklung, die zum einen als „Deepening“, und zum anderen als „Broadening“ des Marketings bezeichnet wird.
In diesen Ansätzen wird die Kontrolle des Zielsystems im traditionellen Marketing gefordert. Es sollen neben wirtschaftlichen auch ökologische bzw. soziale Faktoren in das Marketing einbezogen werden. Aspekte der Umweltveränderung wurden in das sogenannte „Öko-Marketing“ aufgenommen. Das Human Concept of Marketing greift vermehrt auch humanistische Aspekte des Marketings auf und fordert humanitäre und ethische Ziele in Marketingkonzeptionen.[9] Dies veränderte das Marketing, da bis zu diesem Zeitpunkt Absatzwirtschaft vornehmlich am Gewinn eines Unternehmens orientiert war. Zeitgleich zu den Vertiefungsansätzen wurden die Erweiterungsansätze entwickelt. In diesem Zusammenhang spricht man vom „Broadening“ des Marketings.
Puschert unterscheidet zwischen organisations internen und organisations externen Austauschbeziehungen. Die organisationsinternen Austauschbeziehungen betreffen beispielsweise das Beschaffungsmarketing, wozu u. a. die Mittelbeschaffung (Fundraising) zählt. Unter den großen Bereich der organisationsexternen Austauschbeziehungen „... fallen alle Versuche, das (Profit-) Marketing auf nichterwerbswirtschaftliche Organisationen zu übertragen“.[10] Hierzu lassen sich u. a. die von Kotler stammenden Konzepte des Generic und des Social Marketings zählen. Im Generic Marketing Konzept orientiert man sich an allen Austauschvorgängen zwischen den verschiedensten gesellschaftlichen Gebilden. Der Begriff Social Marketing wird in der Betriebswirtschaftslehre unterschiedlich aufgefaßt, daher erscheint es sinnvoll, ihn im nächsten Gliederungspunkt gesondert zu betrachten.
1.1.1 Social Marketing
Der Begriff Social Marketing wird häufig im Zusammenhang mit Sozio-Sponsoring verwendet. Kommerzielle Unternehmen stellen den gesponserten Organisationen Finanzmittel, Sachmittel bzw. Fachpersonal zur Verfügung und als Gegenleistung bezieht der Sponsor sein Engagement in seine Kommunikationspolitik.[11] Soziale Organisationen nutzen beispielsweise häufig Busse, die von Unternehmen stammen. Diese Unternehmen gebrauchen den Bus als Werbefläche, um ihr soziales Engagement zu demonstrieren.
Kotler versteht Social Marketing als Marketing, das sich für soziale Ziele oder Ideen in Form von Sozialkampagnen einsetzt:
„Wir meinen damit ein von einer Gruppe (Mittler des Wandels) betriebenes systematisches Bemühen mit dem Ziel, andere (die Zielgruppe) zur Annahme, Änderung oder Aufgabe bestimmter Vorstellungen, Einstellungen, Gewohnheiten und Verhaltensweisen zu bewegen.“[12]
Sozialkampagnen bedienen sich gesellschaftlich relevanter Themen, wie die zunehmende Ausländerfeindlichkeit in der Bevölkerung. Social-Marketer bezwecken, mit Kampagnen dagegen vorzugehen. Die Gesundheitskampagne mit dem Ziel den Zigarettenkonsum zu verringern, läßt sich als weiteres Beispiel anführen.
Unter Social Marketing versteht man auch Marketing, das nichtkommerzielle Organisationen betreiben. In der vorliegenden Arbeit greife ich daher auf folgende Definition von Bruhn und Tilmes zurück:
„Social Marketing ist die Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle von Marketingstrategien und –aktivitäten nichtkommerzieller Organisationen, die direkt oder indirekt auf die Lösung sozialer Aufgaben gerichtet sind.“[13]
1.1.2 Dienstleistungsmarketing
Der Begriff Dienstleistungsmarketing lehnt sich stark an dem Begriff der Dienstleistung an. In der Literatur gibt es keine einheitliche Definition. Daher soll für die vorliegende Arbeit die Begriffsbestimmung von Meffert und Bruhn gelten, welche die Dienstleistung in drei Phasen unterteilt:
„Dienstleistungen sind selbständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind. (Potentialorientierung) Interne und externe Faktoren werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert. (Prozeßorientierung) Die Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen oder deren nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen. (Ergebnisorientierung)“[14]
Dienstleistungen weisen ferner Besonderheiten auf, welche das Marketing stark beeinflussen. In diesem Zusammenhang ist die Immaterialität von Dienstleistungen, die Integrativität, die Qualitätsschwankung und die fehlende Lagerfähigkeit zu nennen.[15]
Durch den immateriellen Charakter der Dienstleistungen ist die eigentliche Kernleistung nicht greifbar.[16] Es ist trotzdem ein Sachleistungsanteil bei der Erbringung der Dienstleitung vorhanden. Für Tagespflegen besteht die Sachleistung u.a. in der Ausstattung der Räumlichkeiten.
Integrativität bedeutet, daß der Dienstleister ein Teil der Dienstleistung ist. Der Beschäftigte kann die Dienstleistung nur in Kombination mit den Kunden erbringen. In der Pflege verdeutlicht sich diese Situation durch den sehr engen Kontakt der Pflegenden mit dem Kunden. Daraus läßt sich die Forderung nach einem freundlichen Umgang mit den Kunden ableiten.
Die Qualität der Dienstleistung unterliegt hohen Schwankungen. Die zu erbringende Leistung ist von den Personen, vom Zeitpunkt, vom Ort und vom Kunden abhängig.[17] Einige Pflegende können mit Senioren gut umgehen. Infolgedessen nehmen die Kunden lieber an therapeutischen Maßnahmen teil und somit ist eher mit einem Therapieerfolg zu rechen. Doch auch solche Pflegende können emotional unausgeglichen sein und daher nicht jedesmal ein notwendiges Vertrauensverhältnis zu den Dienstleistungsempfängern aufbauen. Um diese Schwankungen auszugleichen sind qualitätssichernde Maßnahmen notwendig.
Dienstleistungen lassen sich zudem nicht lagern. Folglich geht eine nicht angebotene und nicht abgesetzte Dienstleistung unwiederbringlich verloren. Aufgrund dieser Gegebenheit sind Marketingaktivitäten für Dienstleistungen von höher Priorität.[18]
1.2 Tagespflege
Die Tagespflege zählt neben der Nachtpflege zu den teilstationären Betreuungsformen. Die Gäste kommen morgens von zu Hause und gehen abends wieder dorthin. Tagespflegen ermöglichen pflegebedürftigen alten Menschen somit, lange in den eigenen Häuslichkeiten zu bleiben und ein Leben mit einem hohen Maß an Selbständigkeit zu führen. Mit Hilfe des teilstationären Angebots läßt sich eine teurere vollstationäre Versorgung vermeiden oder hinauszögern. Pflegende erbringen in dieser Betreuungsform pflegerische, therapeutische und medizinische Leistungen. Hierbei verfolgt man das Ziel, die vorhandenen Ressourcen der Gäste zu erhalten bzw. wiederzuerlangen.
Die Tagespflegen unterscheiden sich anhand unterschiedlicher Anbindungsformen. In Solitäreinrichtungen besteht keine räumliche Verknüpfung zu anderen Betreuungsformen. Die Anbindung an Altenheime bzw. Sozialstationen stellt eine weitere Organisationsform dar. Das soziale Dienstleistungsangebot der Tagespflegen unterscheidet sich von gerontopsychiatrischen Tagesklinken. In Tageskliniken werden unter ärztlicher Leitung Patienten über einen bestimmten Zeitraum behandelt. Die dabei anfallenden Kosten tragen vor allem die Krankenkassen.[19] Der Begriff Tagespflege wird auch häufig mit eingestreuten Plätzen in stationären Einrichtungen in Verbindung gebraucht. Die Gäste werden hierbei in Altenheimen auf Stationen tagsüber betreut. Dieses Betreuungskonzept ist in vielen Altenheimen anzutreffen. In der vorliegenden Arbeit verstehe ich Tagespflege hingegen als umfassenderes Betreuungskonzept, das speziell an den Bedürfnisse der Tagesgäste orientiert. Es gilt demnach folgende Definition:
„Tagespflege ist die teilstationäre Pflege und Versorgung pflegebedürftiger alter Menschen in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung durch qualifiziertes Personal während des Tages, an einigen oder allen Wochentagen. Dabei wird vorausgesetzt, daß einerseits die häusliche Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt werden kann, andererseits die Betreuung und Versorgung in der eigenen Häuslichkeit während der Nacht, am Morgen und Abend und gegebenenfalls am Wochenende sichergestellt sind.“[20]
2 Situationsanalyse
Die Situationsanalyse klärt die Frage: „Wo stehen wir?“. Sie agiert als Ausgangspunkt für die darauffolgenden Schritte einer Marketingkonzeption.
Bei dieser Analyse betrachtet der Social-Marketer die objektiven Fakten eines Unternehmens. Zum einen untersucht er anhand einer Unternehmungsanalyse das interne Analysefeld und zum anderen fixiert er mit Hilfe einer Markt- und Umweltanalyse das externe Analysefeld.[21] Der Erfolg einer Marketingkonzeption hängt stark von der Qualität dieser Ergebnissen ab.
2.1 Analyse der externen Situation
Die externe Situationsanalyse besteht aus mehreren unterschiedlichen Analysen. Der Social-Marketer betrachtet hierbei zuerst die Einflüsse aus der Umwelt, die auf eine Einrichtung einwirken. Darum geht er auf Bedingungen ein, welche die Nutzer, Mitbewerber oder Absatzhelfer/ -mittler betreffen.
2.1.1 Umfeld
Bei dieser Analyse geht es darum, bedeutende wichtige Rahmenbedingungen aufzuzeigen, die auf die Tagespflegen nachhaltig Einfluß nehmen. Der Social-Marketer schätzt zukünftige Entwicklungen und Trends, die im Zusammenhang mit der angebotenen sozialen Dienstleistung stehen sollen ein.[22] Die Teilbereiche dieser Umwelt lassen sich in ökonomische, demographische, technologische, soziokulturelle und politisch-rechtliche Faktoren gliedern.
2.1.1.1 Ökonomische Faktoren
Die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes läßt sich mit Hilfe der 1967 gesetzlich festgelegten Ziele beurteilen. Dieses magische Viereck besteht aus stetigem Wirtschaftswachstum, dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht, der Preisstabilität und einer hohen Beschäftigungsrate.
Deutschlands Wirtschaft wuchs im Jahre 2000 um 3,1%. Eine vergleichbar hohe Zuwachsrate war zuletzt 1989 erreicht worden. In der gesamten EU lag die Wachstumsrate bei ca. 3,5 %.[23] Ein hohes Wirtschaftswachstum wirkt sich positiv auf dem Gesundheitssektor aus. Dies ermöglicht dem Staat, mehr Geld in die sozialen Leistungen zu investieren. Die Politik kann daher vermehrt Gelder in den Sozialstaat mittels sozialer Leistungen investieren. Der Staat fördert momentan das Wirtschaftswachstum mit Maßnahmen wie der Steuerreform oder dem Abbauen der Staatsschulden. Ein wichtiger Impuls für das Wachstum läßt sich auf von den Exporte herleiten. Diese verzeichneten einen Zuwachs von 12,9%. Die Importe wurden lediglich um 10% ausgeweitet. Daher kann man ca. 1% des Wirtschaftswachstums auf den Außenhandel zurückführen.
Ferner stiegen die Konsumentenpreise in der BRD um 2,1% und im Euro-Raum um 2,3%. Im Vorjahr betrug die Preissteigerung 1,2 % im Euro-Raum und 1,1% in der BRD.[24] Die Preissteigerung ist für den Sozialstaat sehr bedeutsam. Denn um die soziale Gerechtigkeit weiterhin zu gewährleisten, erscheint es erforderlich, die Sozialleistungen am Preisindex anzupassen.
Die Wohlfahrt hat sich ab den 50er Jahren rasch entwickelt. Aufgrund des Wirtschaftswunders ist der Wohlstand in der Bevölkerung stark angestiegen, was zu einem Aufbau eines stabilen sozialen Sicherungssystems führte. Während früher noch viele ältere Menschen und vor allem Frauen von Armut betroffen waren, ist heutzutage für diese Gruppe das Armutsrisiko auf 1,5% gesunken. Hingegen weisen Arbeitslose und Alleinerziehende ein Armutsrisiko von 30% auf[25]. Die Arbeitslosenquote betrug im Jahr 2000 durchschnittlich 8,1% für Deutschland und 9% im Euro-Raum[26], somit ist die Arbeitslosigkeit spürbar zurückgegangen. Durch den Rückgang der Arbeitslosigkeit steigt die Anzahl der Beitragszahler. Der Staat kann diese Gelder wiederum für soziale Maßnahmen verwenden.
2.1.1.2 Soziodemographische Faktoren
Der demographische Wandel stellt einen sehr bedeutsamen Faktor für die Betreuungsstruktur im Altenhilfesektor dar. Mit Hilfe der Geburtenhäufigkeit lassen sich Aussagen über die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland treffen. Seit etwa 30 Jahren gebären die Deutschen wesentlich weniger Kinder, als für die zahlenmäßige Nachfolge ihrer Elterngeneration notwendig wären. Durchschnittlich müßten 1000 Frauen ca. 2000 Kinder bekommen, um den Bevölkerungsstand auf gleichem Niveau zu halten. Tatsächlich bringen 1000 Frauen nur 1400 Kinder zur Welt.[27]
Die Steigerung der durchschnittlichen Lebenserwartung erweist sich ebenfalls als bedeutsame Dimension im Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung. Frauen werden heutzutage durchschnittlich etwa 81 Jahre und Männer etwa 75 Jahre alt. Vor 100 Jahren mußten die Menschen damit rechnen, daß sie durchschnittlich 30 Jahre früher starben. In 50 Jahren hingegen kalkuliert man, daß die Lebenserwartung um 4 Jahre zunimmt.[28]
Nach Prognosen des Statistischen Bundesamtes werden wesentlich mehr ältere und weniger junge Menschen in Deutschland leben. Während heute 40 60-Jährige auf 100 Personen zwischen 20 und 59 Jahren kommen, werden es im Jahr 2050 etwa 80 sein.[29]
Die folgende Abbildung veranschaulicht den demographischen Wandel in Deutschland:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland
Quelle: Statistisches Bundesamt (2000a), S. 14
Eine Zuwanderung ausländischer Menschen im großem Maße böte eine Chance diesen Trend der alternden Gesellschaft entgegenzuwirken. Die Politik berät zunehmend über diese Möglichkeit.
Die demenzkranken Menschen sind die bedeutendste Zielgruppe für Tagespflegen. Die Anzahl der an demenzkranken Menschen in Deutschland beträgt momentan ca. 1,2 Mio. Davon leiden 800 000 an Alzheimer. Das sind 10-12 % in der älteren Bevölkerung. Von den 75-79- Jährigen ist jeder Zehnte betroffen, von den 80-84-Jährigen ist es jeder Fünfte, bei den 85-90-Jährigen jeder Vierte und bei den über 90-Jährigen ist jeder Dritte demenzkrank. In den Heimen sind 70-80% der Bewohner betroffen.[30] Zudem sind in der BRD strukturelle Verschiebungen festzustellen. Der Anteil der über 60-Jährigen steigt an. Das macht diese Altersgruppe für Dienstleistungsanbieter interessanter, da sich die Nachfrage von den Jungen zu den Alten verschieben wird. Dies wird zukünftig zu vielfältigeren Angeboten für ältere Menschen führen.
2.1.1.3 Soziokulturelle Faktoren
In Deutschland vollzieht sich neben einem sozio demographischen Wandel auch ein soziokultureller Wandel. Dieser drückt sich durch veränderte Wertvorstellungen in unserer Gesellschaft aus.
So nehmen die Formen der Familien- und der Lebensgestaltung viele Gestalten an. Die durchschnittliche Haushaltsgröße nimmt stetig ab. Während 1957 im früheren Bundesgebiet noch 2,9 Personen in den Haushalten wohnten, betrug 1991 die durchschnittliche Haushaltsgröße 2,27 Personen und im April 1999 ging sie auf 2,18 zurück.[31] Ältere Menschen können folglich immer weniger auf die von den Angehörigen erbrachte Pflege zurückgreifen. In der häuslichen Pflege überschreitet zudem der Pflegeaufwand häufig die Belastbarkeit der pflegenden Angehörigen. Dies führt trotz der vorhandenen Hemmschwelle, sich stationär in einem Altenheim behandeln zu lassen in zahlreichen Fällen zu einer Einweisung des Pflegebedürftigen in eine vollstationäre Einrichtung. Aufgrund der familiären Verpflichtung, worunter auch die häusliche Pflege fallen kann, arbeiten überwiegend Frauen Teilzeit. Das Statistische Bundesamt ermittelte 1999, dass 38% aller erwerbstätigen Frauen einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen aber nur es knapp 5% der Männer. Insgesamt sind 87% aller Teilzeitbeschäftigten Frauen.[32] Hier können teilstationäre Pflegeangebote helfen, zuhause pflegende Menschen zu entlasten.
2.1.1.4 Technologische Faktoren
Die Altenpflege arbeitete bisher mit eher geringem Technikeinsatz. Doch der Einsatz technischer Hilfsmittel gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die Einführung von EDV- gestützten Informationssystemen soll den wissenschaftlichen Fortschritt im diagnostischen und therapeutischen Bereich fortführen. Diese Systeme helfen, relevante Informationen auszutauschen. Entscheidungen im pflegerischen Bereich lassen sich durch den Abruf relevanter statistischer Daten unterstützten. Die administrativen Tätigkeiten nehmen außerdem zu. Die Pflegenden müssen sich neben ihrer Arbeit am Menschen auch mit der Benutzung von Informationstechnologie vertraut machen. Die Mitarbeiter müssen immer komplexere Aufgaben bewältigen. Die Pflege als wissenschaftliche Disziplin stellt die überlieferten Traditionen, die in der Praxis noch weit verbreitet sind in Frage. Durch überarbeitete Curricula werden die Pflegenden individualistischer, demokratiebewusster und handlungswilliger.[33]
Strumpfanziehhilfen, Hausnotrufgeräte, sensorgesteuerte Sturzmelder, Bildkommunikationsdienst oder intelligente Häuser sind weitere technische Hilfsmittel für das Alter. Diese technischen Angebote gewinnen auch im Zusammenhang mit der Förderung einer selbständigen Lebensführung an Bedeutung.[34] Diese technischen Hilfestellungen ermöglichen den Pflegebedürftigen einen längeren Aufenthalt in der häuslichen Umgebung und können in Kombination mit Tagespflegeeinrichtungen einen vollstationären Aufenthalt vermeiden.
2.1.1.5 Politisch-rechtliche Faktoren
Die Situation für die Tagespflegeeinrichtungen veränderte sich durch das Inkrafttreten der Pflegeversicherung am 1.4.1995. Während früher die Sozialhilfeträger für die Leistungserbringung nach dem Bundessozialhilfegesetz BSHG aufkamen, erbringt heute die Pflegeversicherung Leistungen für die Pflegebedürftigen. Die Sozialhilfe zog sich weitgehend aus der Finanzierung zurück.[35] Die Pflegeversicherung soll das im Alter anfallende Risiko ausgleichen. Etwa 1,7 Mio. Bürger in der Bundesrepublik Deutschland nehmen diese fünfte Säule der Sozialversicherung in Anspruch. Im Pflegeversicherungsgesetz gelten unter § 3 Satz 2 SGB XI die für die Tagespflege relevanten Grundsätze ambulant vor stationär und teilstationär vor vollstationär:
[...]
[1] Vgl. Nakielski (1997a), S.32
[2] Vgl. Hastedt (2000),S. 89, Kirchen (1998 b),S. 80ff
[3] Vgl. Christa (1997), S. 209
[4] Vgl. Birk (1992), S. 12ff
[5] Vgl. Weis (1993), S. 17
[6] Vgl. Fritz/von der Oelsnitz (1998), S.17 ff
[7] Meffert (1998), S.7
[8] Vgl. Bruhn/Tilmes (1994), S. 15
[9] Vgl. Bruhn/Tilmes (1994), S. 17 f
[10] Vgl. Puschert (1992), S. 281 ff
[11] Vgl. Arnold/Kultschytzky (1995), S. 15
[12] Kotler (1991), S. 18
[13] Bruhn/Tilmes (1994), S. 23
[14] Meffert/Bruhn (1997), S. 27
[15] Vgl. Bieberstein (1995), S. 53 ff, Kotler, Bliemel (1999), S. 723ff
[16] Vgl. Bruhn (1998), S. 21
[17] Vgl. Kotler, Bliemel (1999) , S. 725
[18] Vgl. Bieberstein (1995), S. 57
[19] Vgl. Winter (1997), S. 16
[20] Gennrich (2000), S. 19
[21] Vgl. Hauser (1997), S. 23
[22] Vgl. Beilmann (1995), S. 86f
[23] Vgl. Jennewein/Grünewald (2001), S. 1
[24] ebd., S. 1
[25] Vgl. Blanke (2000), S. 53
[26] Vgl. Jennewein/Grünewald (2001), S. 1
[27] Vgl. Statistisches Bundesamt (2000a), S. 7ff
[28] ebd., S. 9
[29] ebd., S. 15
[30] Vgl. Grond (1998), S. 368
[31] Vgl. Statistisches Bundesamt , (2000b), S. 44
[32] ebd. S. 44
[33] Vgl. Schröck (1995), S. 10
[34] Vgl. Naegele et al (1999), S. 39
[35] Vgl. Gennrich (2000), S. 16
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2001
- ISBN (eBook)
- 9783832445911
- ISBN (Paperback)
- 9783838645919
- DOI
- 10.3239/9783832445911
- Dateigröße
- 618 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt; Würzburg – Sozialwesen
- Erscheinungsdatum
- 2001 (Oktober)
- Note
- 2,0
- Schlagworte
- pflegemanagement altenhilfe
- Produktsicherheit
- Diplom.de