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Patentierbarkeit gentechnischer Veränderungen von Organismen

©2001 Diplomarbeit 113 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Rechtssicherheit bezüglich des Schutzes der gewerblichen Anwendung biotechnologischer Erfindungen hat aufgrund der schnellen Entwicklung und häufig direkten Anwendbarkeit dieses Forschungsgebietes auf der einen und der hohen Investitionskosten auf der anderen Seite eine große praktische Bedeutung.
Viele Probleme der Patentierung gentechnisch veränderter Organismen sind durch die Erteilungspraxis (DPMA und EPA) und höchstrichterliche Entscheidungen in Zusammenhang mit der Patentierung von Mikroorganismen und konventionell gezüchteten Tieren und Pflanzen gelöst worden (z.B. Offenbarung durch Hinterlegung, Abgrenzung zur Entdeckung bei Naturstoffen, Patentierbarkeit biologischer Systeme an sich).
Andere, bekannte Probleme haben durch die Möglichkeiten der Gentechnologie eine neue Dimension erhalten, die erst bei der Patentierung konkreter gentechnischer Produkte und Verfahren zu Tage trat. Hier wurde eine Lösung durch eine an die speziellen Bedingungen angepasste richterliche Rechtsfortbildung angestrebt (z.B. Abgrenzung zum Sortenschutz). Obwohl auch hier die Bedeutung einer übereinstimmenden Auslegung der vorhandenen Regelungen durch nationale und europäische Institutionen klar erkannt wurde, konnte nicht immer eine einheitliche Rechtsanwendung und damit Rechtssicherheit erreicht werden (z.B. Äquivalenzlehre).
Spezielle Probleme, die ausschließlich auf bestimmten Eigenarten gentechnischer Erfindungen beruhen, können, insbesondere im Hinblick auf Rechtseinheit im europäischen Binnenmarkt, nur durch Änderung des materiellen Rechtes befriedigend gelöst werden (z.B. EST-Teilsequenz-Problematik, ethische Dimension der gentechnischen Manipulation des Menschen, Schutzumfang eines Patentes im Hinblick auf die biologische Vermehrung gentechnisch veränderter Organismen, Abhängigkeit bei sequenzbezogenen Patenten).
Die Biotechnologierichtlinie von 1998 greift dem gemäß nach Möglichkeit bewährte Prinzipien aus der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA auf (z.B. Definition der Pflanzensorte nach UPOV, Patentierbarkeit von Verfahren, die auf höhere taxonomische Gruppen von Tieren oder Pflanzen angewendet werden können) und schreibt deren Beachtung verbindlich fest. Zum anderen werden neue praxisorientierte Lösungen zur Regelungen bisher ungeklärter Sachverhalte entwickelt und festgeschrieben (z.B. Verpflichtende Angabe der biologischen Funktion im Patentantrag für eine DNA-Sequenz, weitgehende Ausdehnung des Schutzumfanges für […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4480
Markweg-Hanke, Manuela: Patentierbarkeit gentechnischer Veränderungen von Organismen /
Manuela Markweg-Hanke - Hamburg: Diplomica GmbH, 2001
Zugl.: Braunschweig, Technische Universität, Diplom, 2001
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1. Inhalt
1
1 Inhaltsverzeichnis
1 Inhaltsverzeichnis... 1
2 Abkürzungen
und Allgemeines ... 5
3
Gesetzliche Regelungen und internationale Übereinkommen zum gewerblichen Rechtschutz
biologischer Erfindungen ... 6
3.1 Generelle
Regelungen ... 6
3.2 Mikrobiologie... 7
3.3 Sortenschutz ... 7
3.4 Biotechnologie ... 8
3.5 Bioethik ... 8
3.6
Arznei- und Pflanzenschutzmittel ... 8
4
Voraussetzungen der Patentfähigkeit nach dem deutschen Patentgesetz und dem EPÜ unter
Berücksichtigung der besonderen Eigenschaften biologischer Objekte... 9
4.1 Der
Erfindungsbegriff ... 9
4.1.1 Biologische
Erfindungen und technische Natur ... 9
4.1.2
Abgrenzung zur Entdeckung... 10
4.1.3
Lehre zum technischen Handeln ... 10
4.1.4 Reproduzierbares
Ergebnis ... 11
4.2 Neuheit ... 12
4.2.1 Vorbenutzung
von Naturstoffen... 12
4.2.2 Zugänglichkeit
bei Vorbenutzung ... 13
4.2.3 Vorbeschreibung ... 14
4.3 Erfinderische
Tätigkeit... 16
4.3.1 Aufgabe-Lösungs-Ansatz
(Problem-Solution-Approach)... 16
4.3.2 Begründete
(angemessene) Erfolgserwartungen ... 17
4.3.3 Weitere
Anzeichen
erfinderischer Tätigkeit... 18
4.4 Kenntnisse
und
Verständnis
des Durchschnittsfachmann ... 19
4.5 Gewerbliche
Anwendbarkeit ... 20
4.6 Offenbarung ... 21
4.6.1 Anspruchsumfang
und
Ausführbarkeit... 21
4.6.2 Identische
Wiederholbarkeit... 23
4.6.3 Unzumutbarer
Aufwand... 23
4.6.4 Hinterlegung... 24
4.7 Gesetzlich
geregelte
Ausnahmen von der Patentierung ... 24
4.7.1 Pflanzensorten und Tierarten... 24
4.7.2
Im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren... 26
4.7.3 Mikrobiologische
Verfahren und deren Erzeugnisse ... 28
4.7.4
Verstoß gegen die guten Sitten und die öffentliche Ordnung... 29
4.7.4.1 Die
Öffentliche Ordnung... 30
4.7.4.2 Die
Guten Sitten... 31
4.7.4.3 Ethische Aspekte im weiteren Umfeld der Erfindung... 33
5
Inhalt der Patentanmeldung nach deutschem Patentgesetzes und EPÜ unter Berücksichtigung der
besonderen Eigenschaften biologischer Objekte ... 34
5.1
Antrag auf Erteilung des Patents mit kurzer Bezeichnung der Erfindung ... 34

1. Inhalt
2
5.2 Patentanspruch ... 34
5.3 Beschreibung
der
Erfindung ... 35
5.4 ,,product-by-process-Anspruch"... 37
5.4.1 Voraussetzungen ... 37
5.4.2 Schutzumfang... 38
5.5 Zeichnungen ... 38
5.6 Hinterlegung ... 39
5.7 Gewerbliche
Anwendbarkeit ... 40
5.8 Einheitlichkeit ... 40
6
Patentkategorien für biologische Erfindungen... 42
6.1
Lehren, wie mit Hilfe toter Materie auf den Ablauf des biologischen Geschehens eingewirkt wird... 42
6.2
Lehren, wie die tote Materie mit Hilfe biologischer Mittel beeinflußt wird ... 42
6.3
Lehren, bei denen mit Hilfe biologischer Mittel auf den Ablauf des biologischen Geschehens
eingewirkt wird ... 42
7
Patentrechtliche Schutzbereiche bei der Erzeugung von und beim Umgang mit gentechnisch
veränderten Organismen... 43
7.1
Schutz einer spezifischen Nukleotidsequenz... 43
7.1.1 Erzeugnispatent ... 43
7.1.1.1 Neuheit ... 43
7.1.1.1.1 Absolute
Neuheit ... 43
7.1.1.1.2 Neuheit in Bezug auf Naturstoffe ... 44
7.1.1.1.3 Neuheit in Bezug auf Vorveröffentlichungen ... 45
7.1.1.1.4 Neuheit
bei
überschneidenden Teilsequenzen ... 46
7.1.1.1.5 Auswahlerfindungen ... 46
7.1.1.2 Erfinderische
Tätigkeit... 46
7.1.1.3 Teilsequenzen: EST- und SNP-Problematik ... 47
7.1.1.4 Gewerbliche
Anwendbarkeit, Zeitpunkt der Offenbarung ... 48
7.1.1.5 Klarheit der Ansprüche ... 50
7.1.1.6 Schutzbereich ... 51
7.1.1.7 Abhängigkeit ... 52
7.1.1.8 Ethische Bedenken bezüglich einer ,,Monopolisierung des Lebens" ... 52
7.1.1.9 Nacharbeitbare
Offenbarung,
Wiederholbarkeit, Sequenzvariationen und Wirtsspektrum... 53
7.1.1.10 Versuchsprivileg... 55
7.1.2 Anwendungspatent... 56
7.1.2.1 Aktuelles
Beispiel: Gene als Impfstoffe... 56
7.2
Schutz eines Verfahrens im Rahmen der Herstellung von gentechnisch veränderten Organismen ... 57
7.2.1 Schutz
des
Arbeitsverfahrens ... 57
7.2.2
Schutz des unmittelbaren Erzeugnisses eines patentierten Verfahrens ... 58
7.3
Schutz eines Verfahrens zum Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen ... 59
7.4
Schutz des Genproduktes (Protein), das von einem gentechnisch veränderten Organismus gebildet
wird ... 60
7.4.1 Erzeugnispatent
(eigenständiger Sachschutz) ... 60
7.4.1.1 Neuheit und erfinderische Tätigkeit ... 60
7.4.1.2 Nacharbeitbare
Offenbarung ... 61
7.4.2
Abgeleiteter Sachschutz für das unmittelbare Erzeugnis eines patentierten Verfahrens (hier
Herstellung des Genproduktes durch die Verwendung des gentechnisch veränderten Organismus
in einem patentierten Herstellungsverfahren)... 62
7.4.3 Anwendungspatent... 62
7.5
Schutz eines spezifischen gentechnisch veränderten Organismus... 63
7.5.1 Erzeugnispatent
(eigenständiger Sachschutz) ... 63

1. Inhalt
3
7.5.1.1 Besonderheiten zum Schutzumfang gentechnischer Erfindungen in Folge der
Biotechnologierichtlinie ... 63
7.5.1.2 Besonderheiten bezüglich der Patentierung gentechnisch veränderter Mikroorganismen ... 63
7.5.1.2.1 Begriffsbestimmung... 63
7.5.1.2.2 Neuheit... 64
7.5.1.2.3 gesetzliche
Patentierbarkeitshindernisse: Patentierungsausschluß biologischer Methoden
zur Züchtung und Rückausnahme mikrobiologische Verfahren und deren Erzeugnisse ... 64
7.5.1.2.4 Schutzbereich... 64
7.5.1.3 Besonderheiten bezüglich der Patentierung gentechnisch veränderter Pflanzen... 65
7.5.1.3.1 Allgemeine
Patentierbarkeitsvoraussetzungen... 65
7.5.1.3.2 Neuheit... 65
7.5.1.3.3 Erfinderische
Tätigkeit... 65
7.5.1.3.4 Offenbarung ... 65
7.5.1.3.5 Gesetzliche
Patentierungshindernisse ... 66
7.5.1.3.5.1 Patentierungsausschluß im wesentlichen biologischer Züchtungsverfahren... 66
7.5.1.3.5.2 Patentierungsausschluß von Pflanzensorten... 66
7.5.1.3.5.2.1 Vorhandensein
von zwei Schutzsystemen ... 66
7.5.1.3.5.2.2 Strenge Abgrenzung der Systeme oder Überschneidungen ... 68
7.5.1.3.5.2.3 Historische Betrachtungsweise ... 68
7.5.1.3.5.2.4 Spätere
Praxis... 70
7.5.1.3.5.2.5 Sortendefiniton... 71
7.5.1.3.5.2.6 Beschreibung... 71
7.5.1.3.5.2.7 Neuheit... 72
7.5.1.3.5.2.8 Unterscheidbarkeit ... 72
7.5.1.3.5.2.9 Homogenität... 72
7.5.1.3.5.2.10 Beständigkeit... 72
7.5.1.3.5.2.11 Taxonomische
Einheit... 73
7.5.1.3.5.2.12 Gesamtgenom ... 75
7.5.1.3.6 Erzeugnisse
mikrobiologischer Verfahren... 77
7.5.1.4 Besonderheiten bezüglich der Patentierung gentechnisch veränderter Tiere ... 78
7.5.1.4.1 gesetzliche
Patentierbarkeitshindernisse... 78
7.5.1.4.1.1 Patentierungsausschluß von Tierarten... 78
7.5.1.4.1.1.1 Historische
Auslegung ... 78
7.5.1.4.1.1.2 Berücksichtigung der aktuellen naturwissenschaftlichen Entwicklung ... 79
7.5.1.4.1.1.3 Auslegung am Gesetzeszweck ... 79
7.5.1.4.1.1.4 Auslegung am Wortsinn... 80
7.5.1.4.1.1.5 Auslegung
an
der Gesetzessystematik ... 80
7.5.1.4.1.1.6 Auslegung
als Interessenausgleich... 81
7.5.1.4.1.2 Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten ... 82
7.5.1.4.2 Schutzumfang ... 82
7.5.1.4.3 Mikrobiologisches
Verfahren ... 83
7.5.2 Anwendungspatent... 83
7.5.3
Abgeleiteter Erzeugnisschutz für das unmittelbare Erzeugnis eines patentierten Verfahrens... 84
7.6
Die Patentierung gentechnischer Veränderungen mit Bezug zum Menschen ... 84
7.6.1
Gesetzlicher Patentierungsauschluß: nicht gewerblich anwendbar (§5Abs.2 PatG/Art.52Abs.4
EPÜ)? ... 84
7.6.1.1 Erzeugnisschutz in der Gentherapie ... 84
7.6.1.2 Verfahrensschutz in der Gentherapie ... 85
7.6.2 Gesetzlicher Patentierungsausschluß: Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten
... 85
7.6.2.1 Auslegungsfaktoren... 85
7.6.2.2 Erzeugnispatent ... 86
7.6.2.2.1 Sachschutz für gentechnisch veränderte Menschen? ... 86
7.6.2.2.2 Sachschutz für gentechnisch veränderte somatische, menschliche Zellen und Gewebe... 86
7.6.2.2.2.1 Patentierbarkeit ... 86
7.6.2.2.2.2 Schutzumfang ... 87
7.6.2.2.3 Sachschutz für gentechnisch veränderte menschliche Keimzellen ... 88
7.6.2.2.4 Sachschutz für isolierte menschliche DNA... 88
7.6.2.2.4.1 Voraussetzungen ... 88
7.6.2.2.4.2 Schutzumfang ... 89
7.6.2.3 Verfahrenspatent ... 89

1. Inhalt
4
7.6.2.3.1 Konkretisierung
der
unbestimmten Begriffe in der Biotechnologierichtlinie ... 89
7.6.2.3.1.1 Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen (Art.6 Abs. 2a) ... 89
7.6.2.3.1.1.1 Genetische
Ausstattung des Klons ... 89
7.6.2.3.1.1.2 Reproduzierendes
oder therapeutisches Klonen... 90
7.6.2.3.1.1.3 Menschliches
Lebewesen... 91
7.6.2.3.1.2 Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens
Art.6 Abs.2b Biotechnologierichtlinie ... 92
7.6.2.3.1.3 Verwendung von Embryonen zu industriellen oder gewerblichen Zwecken
Art. 6 Abs. 2c Biotechnologierichtlinie ... 93
7.6.2.3.1.3.1 Definition des Embryos ... 93
7.6.2.3.2 Verwendung embryonaler Zellen... 93
7.6.2.3.3 Andere Verfahren, die möglicherweise gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung
verstoßen... 94
7.6.2.3.3.1 Erzeugung
von
Embryonen... 94
7.6.2.3.3.2 Unethische Entstehung der Erfindung, z.B. Modalitäten der Entnahme von
Gewebeproben ... 95
7.6.2.3.3.3 Unethische Verwertung der Erfindung ... 96
7.6.2.3.3.4 Erzeugung von Chimären... 96
8 Zusammenfassung... 98
9 Anhang ... 99
9.1 Literaturverzeichnis ... 99
9.2 Fundstellen... 104
9.2.1 Nationale
Rechtsprechung... 104
9.2.2 Europäische
Rechtsprechung ... 105
10 Erklärung... 108

2. Abkürzungen und Allgemeines
5
2 Abkürzungen
und
Allgemeines
Der Begriff Biotechnologie beschreibt allgemein die Anwendung biologischer
Systeme für einen technischen Zweck. Die Biotechnologische Erfindung
umfaßte in der Vergangenheit im wesentlichen die Auswahl und den Einsatz
geeigneter Organismen und die Bestimmung optimierter Reaktionsbedingungen
für den angestrebten Erfolg.
Die Gentechnologie hat in jüngerer Zeit die Herstellung von Organismen mit
neuartigen oder verbesserten Eigenschaften für einen speziellen Zweck
ermöglicht. Neuere Erfindungen mit biotechnologischer Zielsetzung machen
selbstverständlich von diesen zusätzlichen Möglichkeit Gebrauch, deshalb
wird der Begriff ,,biotechnologische Erfindung" in dieser Arbeit als Synonym
für ,,Erfindungen, die gentechnisch veränderte Organismen erzeugen,
umfassen, enthalten oder anwenden" gebraucht.
Abl.EPA Amtsblatt des Europäischen Patentamtes (Jahr, Seite)
ABl.EU
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Jahr, Ausgabe/Seite)
AusfO Ausführungsordnung
BGBl.
Bundesgesetzblatt (Teil, Jahr, Seite)
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
(Band, Seite)
Bl.
Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen (Jahr, Seite)
BPatGE
Entscheidungen des Bundespatentgericht (Band, Seite)
DNA
(Desoxyribonukleinsäure) Träger der Erbinformation
cDNA
(copy DNA) durch reverse Transkription aus mRNA hergestellte DNA
DPMA
Deutsches Patent- und Markenamt
EPA Europäisches
Patentamt
EPÜ
Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente von 5.10.73
EschG Embryonenschuztgesetz
EST
(expressed sequence tags) kurze DNA-Sequenzen, die bei der
Herstellung von cDNA isoliert werden können
ff. folgende
GRUR
Gewerblicher Rechtschutz und Urheberrecht (Jahr, Seite)
GRUR Int. Gewerblicher Rechtschutz und Urheberrecht, internationale Ausgabe
Mitt.
Mitteilungen der deutschen Patentanwälte (Jahr, Seite)
NJW
Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite)
PatG Deutsches
Patentgesetz
RL Richtlinie
RiLi
Richtlinien für die Prüfung im europäischen Patentamt ­
herausgegeben vom EPA
mRNA
(Boten-Ribonukleinsäure) wird durch Transkription der genomischen
DNA erhalten und ist Vorlage für die Translation, also die
Expression des kodierten Proteins
Sequenz Reihenfolge der Basen in DNA und RNA bzw. der Aminosäuren in einem
Protein
SNP
(single nucleotide polymorphyms) bestimmte Basensequenzen
innerhalb des Genoms, die in einer Population besonders häufig von
einem Austausch einer bestimmten Base betroffen sind
SortSchG Sortenschutzgesetz

3. Gesetzliche Regelungen
6
3 Gesetzliche Regelungen und internationale Übereinkommen zum
gewerblichen Rechtschutz biologischer Erfindungen
Da das Patentrecht als gewerbliches Schutzrecht im Rahmen der
internationalen wirtschaftlichen Verflechtung zunehmend grenzübergreifende
Aktivitäten regeln sollte, wurden schon frühzeitig internationale
Übereinkommen zur gegenseitigen Anerkennung und zur Vereinheitlichung der
nationalen Gesetze geschlossen. Die entsprechenden Regelungen sind in
Deutschland entweder unmittelbar gültig oder wurden durch Änderungen des
Patentgesetzes oder durch eigenständige Gesetze kodifiziert.
3.1 Generelle
Regelungen
·
Die Pariser Verbandsübereinkunft (convention d'union pour la protection
de la propriété industrielle), Stockholmer Fassung vom 14.7.67, in
Deutschland in Kraft getreten am 19.9.1970
1
, ermöglicht den Erwerb von
Patentschutz in den Verbandsstaaten dadurch, daß die Priorität der
ersten Anmeldung innerhalb von 12 Monaten auch für weitere Anmeldung
derselben Erfindung in anderen Staaten anerkannt wird.
·
Der Internationale Patentzusammenarbeitsvertrag (PCT: patent co-
operation treaty) vom 19.6.1970, in Deutschland in Kraft getreten am
24.1.1978
2
, eröffnet die Möglichkeit einer internationalen
Patentanmeldung. Dabei sind Anmeldung und Neuheitsrecherche
vereinheitlicht, die Patenterteilung obliegt den nationalen
Institutionen nach den jeweiligen Regeln.
·
Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) vom 5.10.1973, in Deutschland
in Kraft getreten am 7.10.1977
3
, umfaßt neben der einheitlichen
Anmeldung auch die sachliche Prüfung der Patentierbarkeit und die
Erteilung eines Patent(bündels) für alle beantragten Mitgliedsstaaten.
Im Zuge der Verpflichtung zur Rechtsangleichung wurde das deutsche PatG
1980 umfassend geändert.
·
Die Ausführungsordnung
4
zum Europäischen Patentübereinkommen (AusfO EPÜ)
ist Bestandteil des EPÜ (Art.164(1)). Für biotechnologische Erfindungen
wichtig sind insbesondere die neuen Bestimmungen vom 16.Juni 1999, in
Kraft getreten am 1.9.1999
5
.
·
Das Patentgesetz in der Fassung vom 16.12.1980
6
, zuletzt geändert durch
das Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit der Richter und Gerichte vom
22.12.1999, in Kraft getreten am 1.1.2000
7
, regelt den Patentschutz mit
Wirkung für Deutschland.
·
Das Gemeinschaftspatentübereinkommen (GPÜ von 1975/1989) ist noch nicht
in Kraft getreten. Es eröffnet die Möglichkeit, das aus dem EPÜ folgende
Patentbündel durch ein einheitlich geltendes EU-Patent mit einheitlichem
Verletzungsrecht zu ersetzen. An das GPÜ wurden bereits die §§9-11 PatG
angeglichen.
·
Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen
Eigentums vom 15.12.93(TRIPS: trade related aspects of intellectual
property rights)
8
als Teil des GATT ist in Deutschland zum 1.1.95 in
Kraft getreten.
Das EPÜ gestattet eine nationale Nichtigkeitserklärung des erteilten
Patentes nach den in Art. 138, 139 genannten Gründen. Diese
Nichtigkeitsgründe sind die nachträgliche Ausdehnung des Schutzbereiches,
1
BGBl II 1970, S. 293f. und 1073
2
BGBl II 1978, S.11
3
BGBl II 1977, S.792
4
BGBl II 1976, S.915
5
ABl.EPA 1999, S.545-587
6
BGBl I 1981, S.1
7
BGBl I 1999, S.2598
8
ABl.EU 1994 L336/213

3. Gesetzliche Regelungen
7
die Anmeldung durch einen nichtberechtigten, und die nach EPÜ zulässigen
Einspruchsgründe:
·
Mangelnde Neuheit Art. 54, 55
·
Mangelnde Erfindungshöhe Art. 56
·
Mangelnde gewerbliche Anwendbarkeit Art. 57
·
Der Gegenstand ist keine Erfindung, sondern z.B. eine Entdeckung Art. 52
(2)
·
Keine Patentierbarkeit, z.B. biologisches Verfahren zur Züchtung Art.53
·
Mangelnde Offenbarung Art. 100 b), Art.83
Patente für Erfindungen, die nach dem EPÜ als europäisches Patent mit
Geltung für Deutschland erteilt werden, werden im Nichtigkeitsverfahren
also nach dem deutschen Patentgesetz geprüft (Art. 138 EPÜ). Entscheidungen
der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes im Verlauf des
Erteilungsverfahrens, z.B. Rücknahme eines Patents aufgrund eines
Einspruchs, werden dagegen ausschließlich nach europäischem Recht
entschieden, der nationale Rechtsweg ist nicht gegeben
9
. Deshalb müssen für
die Möglichkeit einer rechtsbeständigen Patentierung sowohl das EPÜ als
auch das PatG geprüft und gegebenenfalls in ihrer Auslegung durch die
Gerichte verglichen werden.
Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, wird angestrebt, daß der Kreis der
patentfähigen Erfindungen derselbe ist, gleichgültig, ob ein Patent mit
Wirkung für Deutschland nach deutschem PatG oder nach EPÜ beantragt wird
10
.
Das PatG wurde daher dem EPÜ im Wortlaut angeglichen, im Einzelfall sind
jedoch unterschiedliche Auslegungen von wortgleichen gesetzlichen
Regelungen zu beachten. Dies betrifft insbesondere die Auslegung
unbestimmter Rechtsbegriffe, die für die Patentierung biotechnologischer
Erfindungen von besonderer Bedeutung sind
11
. So war der BGH einem in
Nichtigkeitsverfahren bereit, bewährte Prinzipien des nationalen Rechts
(hier die Beurteilung des Offenbarungsgehaltes einer Bereichsangabe zum
Molekulargewicht im Patentantrag) entgegen der Rechtsprechung des EPA auch
für ein Europäisches Patent mit Geltung für Deutschland anzuwenden
12
3.2 Mikrobiologie
Der Budapester Vertrag über die internationale Anerkennung der Hinterlegung
von Mikroorganismen für die Zwecke von Patentverfahren (BV vom 28.4.1977),
in Deutschland in Kraft seit 20.2.1981
13
stellt den rechtlichen,
institutionellen und organisatorischen Rahmen der Hinterlegung und regelt
die Abgabe von Proben durch die internationalen Hinterlegungsstellen.
3.3 Sortenschutz
·
Das Internationale Pflanzenschutzabkommen (Union pour la protection des
obtentions végétales UPOV vom 2.12.1961), letzte Revision vom
19.3.1991
14
, in Deutschland in Kraft getreten am 24.4.1998 eröffnet als
Alternative zum Patentschutz einen besonderen Schutz des Saatguts für
Pflanzensorten.
·
Das Sortenschutzgesetz vom 11.12.1985
15
, zuletzt geändert durch
SortenschutzÄndG vom 17.7.1997
16
, regelt Voraussetzungen und Umfang des
Sortenschutzes in Deutschland. Die Definition der Sorte ist im Hinblick
auf den Patentierungsausschluß von Pflanzensorten nach §2 Nr.2 PatG von
Bedeutung.
9
BayVerwG München, Aktz. M29K97.8476, GRUR Int. 2000, 77
10
BT-Ds.7/3712 v.2.6.1975, S.27
11
Busche GRUR Int. 1999, 299
12
Inkrustierungsinhibitoren BGH GRUR Int. 2000, 770
13
BGBl II 1980, S.1531
14
BGBl II 1998, S.258
15
BGBl I 1985, S.2170
16
BGBl I 1997, S.1854

3. Gesetzliche Regelungen
8
·
Die EG Ratsverordnung 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz
vom 27.4.1994
17
schließt die Patentierung einer Sorte, die Gegenstand
eines gemeinschaftlichen Sortenschutzes ist, aus (Art.92).
3.4 Biotechnologie
·
Die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
6.7.98 über den Schutz biotechnologischer Erfindungen
18
(Biotechnologierichtlinie), in Kraft getreten am 30.Juli 1998, ist bis
zum 30.Juli 2000 in nationales Recht umzusetzen.
·
Gesetzentwurf der Bundesministerin der Justiz zur Umsetzung der
Biotechnologierichtlinie
19
Der Gesetzentwurf wurde zwischenzeitlich (Oktober 2000) von der
Bundesregierung verabschiedet. Die Biotechnologierichtlinie wird dabei
z.T. wörtlich, z.T. durch Änderungen der entsprechenden bestehenden
Paragrafen im deutschen PatG umgesetzt. Auf eine detaillierte
Darstellung der Regelungen wird hier verzichtet, da sie erst nach
Abschluß der Gesetzgebungsverfahrens sinnvoll erscheint.
Wegen der besonderen Brisanz der ethischen Fragestellung soll aber
darauf hingewiesen werden, daß der neugefaßte §2 explizit auf die
Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes Bezug nimmt.
·
Das deutsche Embryonenschutzgesetz
20
(EschG)vom 13.12.1990 definiert
einige auch für das Patentrecht bedeutsamen Begriffe, wie Embryo,
Klonen, Chimären, Veränderung der Keimbahn, und ihre strafrechtliche
Einordnung.
3.5 Bioethik
·
Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im
Hinblick auf die Anwendung in Biologie und Medizin vom 4.4.1997 in
Orvieto (Bioethikkonvention)
21
einschließlich des Zusatzprotokolls zum
Verbot des Klonens vom 12.1.1998 in Paris (Klonprotokoll)
22
·
Entwurf der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta der
Grundrechte), vorgelegt Brüssel 28.9.2000
23
3.6 Arznei- und Pflanzenschutzmittel
·
Supplementary Certificate of protection, laut EG-Verordnung Nr.1768/92
vom 18.6.1992 für Arzneimittel und EG- Verordnung Nr.1610/96 vom
23.7.1996 für Pflanzenschutzmittel. Berücksichtigt in Art.63(2)b)EPÜ und
§49aPatG
17
ABl.EU 1994 L227/1
18
ABl.EU 1998 L213/13
19
im Internet unter http://www.bmj.bund.de
20
BGBl I 1990 S. 2747
21
Englischer Originaltext im Internet unter
http://conventions.coe.int/treaty/EN/cadreprincipal.html
22
Englischer Originaltext im Internet unter
http://conventions.coe.int/Treaty/en/Treaties/HTml/168.html
23
Deutscher Text im Internet unter http://www.bmj.bund.de/mrechte/charta.pdf

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
9
4 Voraussetzungen der Patentfähigkeit nach dem deutschen Patentgesetz
und dem EPÜ unter Berücksichtigung der besonderen Eigenschaften
biologischer Objekte
4.1 Der Erfindungsbegriff
Entsprechend Art. 27 des TRIPS-Übereinkommenkommens sehen das PatG und das
EPÜ eine generelle Patentierbarkeit für Erfindungen auf allen Gebieten der
Technik vor. Die gesetzlich genannten Voraussetzungen, Neuheit,
erfinderische Tätigkeit, gewerbliche Anwendbarkeit und ausreichende
Offenbarung und ihre Anwendung in der Rechtsprechung sind in der Literatur
ausführlich diskutiert, so daß hier nur zu den besonderen Aspekten bei
biotechnologischen Erfindung Stellung genommen werden soll.
Der Begriff der Erfindung ist in §1 PatG (Art.52 (1) EPÜ) nicht
abschließend definiert. §1 Abs.2 und 3 PatG (Art.52 (2) EPÜ) enthalten zur
Erläuterung lediglich eine beispielhafte Aufzählung von Negativbeispielen.
Von besonderer Bedeutung für das Verständnis biotechnologischer Erfindungen
ist dabei die Abgrenzung zur Entdeckung (siehe unten), die nicht
patentierbar ist. Das Patentamt hat es jedoch immer verstanden, unter
Berücksichtigung der wirtschaftspolitischen Ziele des Patentschutzes den
Erfindungsbegriff entsprechend der Fortentwicklung der Naturwissenschaft
und Technik dynamisch auszulegen
24
. Dies ist auch sinnvoll, da sich das
Patentrecht ja gerade mit einer Materie befaßt, die durch den jeweils
neuesten Stand von Wissenschaft und Technik und damit durch eine permanente
Weiterentwicklung geprägt ist.
4.1.1 Biologische Erfindungen und technische Natur
Das deutsche Patentgesetz wurde ursprünglich für den Bereich der ,,toten
Technik" konzipiert, Lebewesen kamen in den Fassungen vor 1978 nicht vor.
So soll im Patentantrag das technische Gebiet, in das eine Erfindung
gehört, angegeben werden (§5Abs.2Nr.1 PatAnmVO). Auch das EPÜ (R29 Abs.1
AusfO) geht selbstverständlich von einer Kennzeichnung des
Patentgegenstandes durch ,,Angabe der technischen Merkmale der Erfindung"
aus.
Verfahren, in denen lebende Materie benutzt wird, wurden allerdings schon
lange patentiert, z.B. Herstellung von Sauerteig oder Essig. Auch
Züchtungsverfahren für Pflanzen wurden patentiert, so lange die
entsprechende Pflanzensorte nicht im Artenverzeichnis zum
Sortenschutzgesetz aufgenommen und damit von der Patentierung ausgenommen
war
25
. Es stellte sich daher zunächst die Frage, ob auch Lebewesen per se
einem Sachanspruch zugänglich sind. Dies hat das BGH in seiner ,,Rote Taube"
Entscheidung
26
für höhere Tiere prinzipiell bejaht. Ein Sachschutz für
Mikroorganismen ist ebenfalls prinzipiell möglich, zunächst
27
jedoch noch
unter der Voraussetzung der wiederholbaren Neuzüchtung. Die Neufassungen
des deutschen PatG im Jahr 1978 und 1981 haben durch die explizite Nennung
der Mikrobiologie diesen grundlegenden Entscheidungen Rechnung getragen.
Die Beschwerdekammer des EPA stellte unter Hinweis auf Art.52(1), Art.53b),
R28 und R28a fest, daß ,,ein genereller Ausschluß von Erfindungen auf dem
Gebiet der belebten Natur ... dem europäischen Patentübereinkommen nicht zu
entnehmen" ist
28
. Ebenso ist die Tatsache, daß Folgegenerationen von neuen
Pflanzen das direkte Produkt eines biologischen Prozesses darstellen
können, kein Patentierungshindernis, da Erfindungen, die biologische
24
Strauss GRUR 1992, 252
25
z.B. Usambaraveilchen BGH GRUR 1975, 654
26
rote Taube BGH GRUR 1969, 672
27
Bäckerhefe BGH GRUR 1975, 430; ebenso noch Bakterienkonzentrat BGH GRUR 1981, 263
28
T49/83 Vermehrungsgut/Ciba Geigy Entscheidungsgrund 2

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
10
Elemente enthalten nicht grundsätzlich von der Patentierung ausgeschlossen
sind, sondern nur in den in Art.53b EPÜ geregelten Fällen
29
.
4.1.2 Abgrenzung zur Entdeckung
Die Entdeckung bereichert das menschliche Wissen, eine Erfindung das
menschliche Können
30
. Viele biologische Objekte, Organismen, ihre
Stoffwechselprodukte, Enzyme, DNA oder somatische Zellen, kommen in
identischer Form in der Natur vor. Ihr erstmaliges bekannt Werden, das
,,Auffinden eines bereits Vorhandenen, das bisher noch unbekannt war"
31
, ist
keine Erfindung, sondern eine Entdeckung (§1 Abs2 Nr1 PatG). Wie chemische
Naturstoffe
32
sind sie als solche deshalb nicht patentfähig. Es fehlt hier
an einem Einsatz von Naturkräften zur Ereichung eines überschaubaren
Erfolges. Die Entdeckung eines in der Natur vorkommenden Stoffes wird aber
dann zur Erfindung, wenn auf der Basis der Entdeckung ein
Herstellungsverfahren angegeben wird
33
. Die bisher nicht bekannte
Erscheinungsform z.B. eines Stoffwechselproduktes von Mikroorganismen, die
in der Natur so nicht gebildet oder sofort wieder verändert wird, ist
ebenfalls eine Erfindung
34
. Auch die Bereitstellung eines neuen
Mikroorganismus durch selektive Züchtung ist patentierbar, es kann u.U.
sowohl Sachschutz für den Mikroorganismus selber als auch Verfahrensschutz
für das Züchtungsverfahren gewährt werden
35
. In Zusammenhang mit der
Patentierung eines neu gezüchteten Tollwutvirus hat der BGH ausgeführt, es
,,genügt ...in der Regel zur Abgrenzung gegen eine nicht patentfähige
Entdeckung, daß der Anmelder den von ihm beschrittenen Züchtungsweg
beschreibt"
36
. Für gentechnisch veränderte Organismen ist die Abgrenzung zur
Entdeckung regelmäßig unkritisch, da diese Organismen in der zu
patentierenden Form in der Natur nicht vorkommen. Für Teile von Organismen,
insbesondere DNA-Sequenzen (Gene) und deren Genprodukte biete sich eine
analoge Anwendung der Praxis bei Naturstoffen an. Beansprucht werden kann
regelmäßig aber nur der künstlich hergestellte Stoff, nicht das identische
Naturvorkommen (im Gegensatz zum ansonsten absoluten Stoffschutz, bei dem
der Erzeugnisschutz unabhängig vom Herstellverfahren jedes erfindungsgemäße
Erzeugnis umfaßt).
In Art.3 Abs.2 der Biotechnologierichtlinie
37
wird klargestellt betont, daß
auch biologisches Material, das in der Natur schon vorhanden war,
Gegenstand einer Erfindung sein kann, wenn es mit Hilfe eines technischen
Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder neu hergestellt
wird. DNA-Sequenzen sollen also in dieser Beziehung wie Naturstoffe
behandelt werden. Aufgrund der besonderen ethischen Problematik in
Zusammenhang mit der Gentechnik am Menschen wird in Art.5 Abs.2
ausdrücklich betont, daß dies auch für Teile, insbesondere Gene und
Teilgene, des menschlichen Körpers gilt.
4.1.3 Lehre zum technischen Handeln
Eine allgemeine Begriffbestimmung der ,,Erfindung" nach der Rechsprechung
des BGH als ,,Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer
Naturkräfte zur unmittelbaren Erreichung eines kausal übersehbaren
Erfolges" ist heute allgemein anerkannt
38
.
Die ,,Lehre" wird verstanden als Regel oder Handlungsanweisung für die
Lösung eines technischen Problems. Dies erfordert nicht nur eine Idee, die
Erfindung muß vielmehr konkret zu Ende gedacht werden und technisch
realisierbar (ausführbar) sein. Ein besonderer Aspekt der Ausführbarkeit
29
Entscheidung der Einspruchsabteilung des EPA vom 15.2.1993, Pat.Nr. 242236 Patent für
Pflanzliche Lebensform/Greenpeace
30
Schatz GRUR Int. 1997, 588
31
Benkard §1 PatG RN96
32
Naturstoffe (Antanamid) BPatG GRUR 1978, 238 ; Menthonthiole BPatG GRUR 1978, 702
33
RiLi C-IV.2.3
34
Thermothiocin GRUR 1973, 463
35
Lactobazillus bavaricus BPatG GRUR 1978, 586
36
Tollwutvirus BGH GRUR 1987, 231
37
98/44/EG vom 6.7.98
38
Benkard §1 PatG, RN45

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
11
ist die technische Brauchbarkeit, d.h. die Erfindung muß tatsächlich eine
Lösung des gestellten Problems liefern
39
. Eine Erfindung ist fertig, wenn
der Erfinder einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem angewendeten
Mittel und der erstrebten Wirkung angegeben hat
40
.
Aufgabe ist bei biologischen Erfindungen deshalb i.d.R. die Bereitstellung
eines Lebewesens oder eines Teils davon, mit den gewünschten, vom Stand der
Technik abweichenden Eigenschaften. Die Erfindung ist fertig, wenn das
angestrebte Lebewesen tatsächlich der Öffentlichkeit zugänglich ist (siehe
auch Hinterlegung).
Der Begriff der ,,Technik" beinhaltet den Einsatz von Naturkräften außerhalb
der menschlichen Verstandestätigkeit. Die BGH-Entscheidung ,,Rote Taube"
41
stellt klar, daß auch die planmäßige Ausnutzung biologischer Naturkräfte
und Erscheinungen für den Patentschutz in Frage kommt, allerdings unter
strengen Anforderungen an die Wiederholbarkeit (s.u.)
Beim Verfahrenspatent ist das Vorliegen einer Lehre zum technischen Handeln
unmittelbar einsichtig.
Da bereits die bisherigen nationalstaatlichen und europäischen Regelungen
die Patentierung von lebendem Material nicht grundsätzlich ausschließend
(Erwägungsgrund 15) und gleichzeitig die Mitgliedstaaten aufgrund des
TRIPS-Abkommens verpflichtet sind, Patentschutz für Produkte und Verfahren
in allen Bereichen der Technologie zu gewährleisten (Erwägungsgrund 12)
stellt Art.3 Abs.1 der Biotechnologierichtlinie
42
klar, daß Erfindungen, die
aus biologischem Material bestehen oder sich auf dieses beziehen generell
patentiert werden können, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen
erfüllen.
4.1.4 Reproduzierbares
Ergebnis
Der ,,planmäßige Einsatz" der Naturkräfte setzt voraus, daß die Wirkung
einer Naturkraft bekannt ist und mit hinreichender Regelmäßigkeit auch
eintritt. Die Idee der ,,Beherrschbarkeit" der Naturkräfte beinhaltet also
eine Gesetzmäßigkeit, die die praktische Durchführung und beliebige
Wiederholbarkeit einschließt. Die Ausführbarkeit der Erfindung muß
unabhängig vom Zufall sein
43
. Dies betrifft sowohl den Erzeugnisschutz für
einen Organismus als auch den Verfahrensschutz für das Züchtungsverfahren.
Der BGH hat die Patentierbarkeit von Züchtungsverfahren generell anerkannt,
gleichzeitig aber gefordert, daß die Zuchtergebnisse genetisch identisch
sein müssen
44
. Dies ist aufgrund der genetischen Komplexität insbesondere
höherer Organismen ohne den Einsatz gentechnischer Verfahren weder zu
erreichen noch nachzuweisen. Gleichzeitig führt die natürliche
Schwankungsbreite auch bei genetisch identischen Individuen zu durchaus
unterschiedlichen makroskopischen Ausprägungen eines Merkmals. Benkard
45
befürwortet eine Orientierung an den Erfordernissen der Praxis bei den
Anforderungen an den Grad der Übereinstimmung, d.h. eine phänotypische
Beschreibung des Züchtungsmaterial, die auch gelegentliche Fehlschläge
toleriert. Für den Bereich der Pflanzenzüchtung stellt das deutsche
SortSchG unter praktischen Erwägungen auf die äußere, phänotypische
Identität im Mittel einer Population ab (siehe Sortenschutz).
Für Mikroorganismen ist ein Sachschutz möglich, wenn der Erfinder einen
nacharbeitbaren Weg zur Erzeugung aufzeigt
46
. Das BPatG hat die
Wiederholbarkeit eines mehrstufigen Züchtungsverfahrens bereits dann als
ausreichend betrachtet, wenn auf der Basis phänotypischer Merkmale
verschiedene Stämme derselben Mikroorganismenart (die also nicht genetisch
39
Brauchbarkeit wurde verneint bei einem immunologischen Untersuchungsverfahren, das der
Fachmann mit den in der Patentschrift vorgeschlagenen Mitteln nicht ausführen konnte. Antigene
Nachweis BGH Bl. 92, 308
40
Benkard, §1 PatG, RN52
41
Rote Taube BGH GRUR 1969, 672
42
98/44/EG vom 6.7.98
43
Benkard §1 PatG, RN72
44
Rote Taube BGH GRUR 1969, 672
45
Benkard §2PatG RN12
46
Bäckerhefe BGH GRUR 1975, 430

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
12
identisch sind) isoliert werden können
47
und weicht insofern von der vorher
üblichen strengeren Auffassung ab.
Bei Verfahren, die auf dem Einsatz spezieller Mikroorganismen beruhen, z.B.
um ein bestimmtes Stoffwechselprodukt dieser Organismen herzustellen, wird
die Hinterlegung einer vermehrungsfähigen Probe anstelle eines
nacharbeitbaren Verfahrens zur Herstellung des Organismus als ausreichend
betrachtet
48
. Die eigentliche Durchführung des Verfahrens, d.h. die
künstliche Vermehrung der Mikroorganismen unter den im Patent geschützten,
technischen Bedingungen erfolgt ohne Zweifel nach vorhersagbaren
Gesetzmäßigkeiten und entspricht damit voll dem geltenden
Erfindungsbegriff. Auch für den Patentschutz eines neuen Mikroorganismus
als solchen kann die Möglichkeit einer wiederholbaren Neuzüchtung durch
Hinterlegung ersetzt werden
49
, so der BGH in Abweichung von der bisherigen
Rechtsprechung. Die Fähigkeit von Mikroorganismen zur identischen
Selbstvermehrung wird damit als Grundlage für einen eigenständigen
Sachschutz anerkannt. Die Hinterlegung einer vermehrungsfähigen Probe bei
einer unabhängigen Hinterlegungsstelle bietet die Möglichkeit, die
Erfindung unabhängig vom Erfinder auszuführen. Es handelt sich um ein
echtes Sachpatent, das den Erfindungsgegenstand unabhängig vom gewählten
Herstellungsweg schützt. Die direkte Vermehrung einer derartigen Probe
entspricht zudem wesentlich stärker den Anforderungen der Praxis als die
Nacharbeitung eines oft langwierigen Selektionsprozesses.
Wenn allerdings der Gegenstand der Erfindung gerade in dem
Züchtungsverfahren gesehen wird, ist es gerechtfertigt, die
Wiederholbarkeit eben dieses Verfahrens zu verlangen
50
.
Das EPA hat von Beginn an die Hinterlegung als Nachweis der
Wiederholbarkeit bei Erzeugnisansprüchen an Mikroorganismen anerkannt
51
.
4.2 Neuheit
Prüfungsmaßstab für die Schutzvoraussetzung der Neuheit ist der Stand der
Technik (§3Abs.1 PatG/Art.54 EPÜ). Obwohl im Gesetz nicht ausdrücklich
erwähnt, ist als Maßstab dessen, was der Öffenlichtlichkeit zugänglich
gemacht worden ist, der Fachmann zugrunde zu legen
52
. Abgestellt wird dabei
auf die Kenntnisse des Durchschnittsfachmanns zum Prioritätszeitpunkt
(erste Anmeldung). Die tatsächlichen Kenntnisse des Erfinders sind nicht
relevant. Dabei dürfen verschiedene Entgegenhaltungen nicht mosaikartig
zusammengestellt werden, sondern jede muß gesondert mit der Erfindung
verglichen werden
53
. Neuheitsschädlich sind nach §3 Abs.1S.2 PatG
Beschreibungen und Benutzungshandlungen. Vorbenutzungen betreffen die
Zugänglichkeit der patentbegründenden Eigenschaften bei real existierenden
Erzeugnissen (Naturprodukte, künstlich hergestellte Produkte) oder
tatsächlich ablaufenden Verfahren. Vorveröffentlichungen können neben den
für biotechnologische Erfindungen typischen mündlichen (Vorträge) und
schriftlichen (Fachzeitschriften) wissenschaftlichen Publikationen auch
andere Patentanmeldungen sein.
4.2.1 Vorbenutzung von Naturstoffen
Neuheit im patentrechtlichen Sinn unterscheidet sich u.U. von Neuheit im
materiellen Sinn. Es gehört nur das zum Stand der Technik, was der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Eine Erfindung, deren
Gegenstand nur einzelnen (oder niemandem) bereits vorbekannt war, an deren
Nutzung die Öffentlichkeit deshalb bisher nicht Teil haben konnte, kann
also patentiert werden. In der Natur bereits vorkommende, aber bisher
unbekannte Stoffe oder Organismen sind also im patentrechlichen Sinn neu.
47
Lactobacillus bavaricus BPatG GRUR 1978, 586
48
Antibiotischer Wirkstoff BPatG GRUR 1987, 288
49
Tollwutvirus BGH GRUR 1987, 231
50
Tollwutvirus BGH GRUR 1987, 231
51
Teschemacher GRUR Int. 1981, 357
52
Elektrische Steckverbindung BGH GRUR 1995, 330 Leitsatz 1
53
Terephtalsäure GRUR 1980, 283; RiLi C-IV 7.1

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
13
Die unerkannte Existenz eines Stoffes in der Natur macht ihn noch nicht zu
einer neuheitsschädlich vorbenutzten Sache
54
, denn kein Sachverständiger
kann ihn im Sinne einer technischen Lehre Nutzen. Die Neuheit der
technischen Lehre kann dann z.B. in der erstmaligen Bereitstellung des
reinen Stoffes nach einem wiederholbaren Verfahren (chemische Synthese,
Isolierung) bestehen
55
. Stoffe in diesem Sinne sind chemische Verbindungen
wie DNA oder Proteine, aber auch Organismen. Wenn der Stoff selbst
erfinderisch ist (z.B. wegen überraschender vorteilhafter Eigenschaften)
ist auch die Herstellung mit einem an sich bekannten Verfahren (chemisches
Analogieverfahren) zulässig
56
. Auch eine aus der natürlichen Spontanflora
nach einem selektiven Züchtungsverfahren gewonnene Mikroorganismenart kann
u.U. patentierbar sein
57
. Voraussetzung der Neuheit ist aber, daß die Art
bis dahin verborgen, also weder beschrieben noch in Reinkultur erhältlich,
war
58
.
Der Begriff der ,,Erzeugung" eines Mikroorganismus ist nicht begrenzt im
Sinne einer aufbauenden Synthese (wie bei chemischen Naturstoffen), einer
,,Urzeugung" oder beschränkt auf die Erzeugung genetischer Veränderungen
durch induzierte Mutationen zu verstehen, sondern beschreibt vielmehr auch
andere menschliche Manipulationen, denen allein es zu verdanken ist, daß
der bis dahin verborgene Mikroorganismus zu Tage tritt
59
.
4.2.2 Zugänglichkeit bei Vorbenutzung
Eine offenkundige Vorbenutzung liegt vor, wenn beliebige Dritte, damit auch
Fachkundige, die Möglichkeit hatten, ausreichende Kenntnis von der
Erfindung zu nehmen. Der Fachmann muß die technische Lehre ohne Kenntnis
direkt aus dem Anmeldegegenstand erkennen können
60
. Bei biotechnologischen
Erfindungen erschließt sich das Wesen der Erfindung i.a. nicht durch bloßes
ansehen. Vorbenutzung liegt nach BGH aber auch vor, wenn dazu eine
Untersuchung des Erzeugnisses notwendig ist, auch wenn dabei das Erzeugnis
zerstört wird, sofern für die Vornahme einer derartigen Untersuchung ein
,,Anlaß" besteht
61
. Eine in einer vorbenutzten Sache (hier Buccublätteröl als
Gemisch einer Vielzahl identifizierter und noch unbekannter chemischer
Verbindungen) verborgene Erfindung (hier p-Menth-3-on-thiol-(8)) ist nicht
offenkundig, wenn die zur Erkennung der Erfindung notwendigen
Untersuchungen die Erfindung erst nach komplizierten geistige Anstrengungen
erfordernde Überlegungen (hier Identifizierung, Strukturaufklärung und
Bestimmung der Eigenschaften eines bestimmten Spurenstoffes) offen zu Tage
treten lassen
62
.
Nach einer Entscheidung der großen Beschwerdekammer des EPA ist die innere
Struktur einer Sache der Öffentlichkeit zugänglich und gehört damit zum
Stand der Technik, wenn die Sache selbst zugänglich ist, dem Fachmann eine
Analysemethode zur Verfügung steht, mit der auch verborgene technische
Merkmale aufgefunden werden können, diese Analyse ohne unzumutbaren Aufwand
durchgeführt werden kann und das Erzeugnis auf der Basis dieser
Informationen und der allgemeinen Fachkenntnisse reproduziert werden kann,
ein besonderer Anlaß für die Durchführung einer derartigen Prüfung muß
dagegen nicht bestehen
63
. Dies gilt für chemische Stoffe und alle anderen
Erzeugnisse. Die Frage des unzumutbaren Aufwandes ist noch nicht eindeutig
geklärt. Eine chemische Substanz (hier das Polypeptid Pertactin) in einem
Gemisch ist nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht zugänglich, wenn es
54
Menthonthiole BPatG GRUR 1978, 702; Naturstoffe BPatG GRUR 1978, 238
55
Naturstoffe BPatG GRUR 1978, 238
56
Menthonthiole BPatG GRUR 1978, 702 Entscheidungsgrund III 4
57
Lactobacillus bavaricus BPatG GRUR 1978, 586
58
Lactobacillus bavaricus BPatG GRUR 1978, 586
59
Lactobacillus bavaricus BPatG GRUR 1978, 586
60
BPatGe 21, 67
61
Kalifornia Schuhe BGH GRUR 1956, 73 Leitsatz 46
62
Menthonthiole BPatG GRUR 1978, 702 Entscheidungsgrund III 1
63
G1/92 Öffentliche Zugänglichkeit, Schlußfolgerung 1 und 2

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
14
keine sicheren Nachweismöglichkeiten zu ihrer eindeutigen Identifizierung
in Anwesenheit der anderen Substanzen gibt
64
.
Ebenso ist eine in einer bekannten Genbank enthaltene DNA-Sequenz zwar
vorhanden, nicht aber zugänglich und damit neu, wenn zu ihrer Isolierung
noch erheblicher Aufwand notwendig ist, weil die zur Identifizierung
notwendigen spezifischen Hybridisierungssonden nicht offenbart sind
65
. Die
Zusammensetzung eines Impfstoffes gehört nicht zum Stand der Technik, auch
wenn dieser bereits für klinische Tests eingesetzt wurde, wenn der Fachmann
ihn zwar reproduzieren kann, jedoch nicht über die Methoden verfügt, die
inneren und äußeren Merkmale des reproduzierten Impfstoffes mit denen des
ursprünglichen Erzeugnisses zu vergleichen, und wenn die Methode der
Herstellung eine hohe Wahrscheinlichkeit für Variationen dieser Merkmale
bietet
66
.
Typisch für biologische Erfindungen ist auch oft das Vorliegen von
inhärenten Eigenschaften. Solche verborgenen Wirkungen oder Eigenschaften
werden nicht unmittelbar augenfällig, sondern sind erst unter gezielt
gewählten äußeren Bedingungen (besondere Tests) erkennbar. Derartige
Wirkungen können als technisches Merkmal für ein Anwendungspatent gelten,
da sie der Öffentlichkeit nicht zuvor zugänglich gemacht worden sind
67
. So
wurde ein bekanntes fungizides Mittel als Mittel zur Regulation des
Pflanzenwachstums beansprucht. Obwohl bereits vorhanden, wäre die
wachstumsregulierende Wirkung der Substanz nur dann neuheitsschädlich
offenbart, wenn an den zur Pilzbekämpfung behandelten Pflanzen unübersehbar
ein abnormes Wachstumsverhalten sowie eindeutig ein kausaler Zusammenhang
zwischen der Behandlung und dem Wachstumsverhalten erkennbar gewesen wäre
68
.
Dies gilt auch, wenn die bekannte und die inhärente Wirkung (Fungizid und
Wachstumsregulation) durch die gleiche technische Realisation der
Verwendung (Besprühen von Nutzpflanzen) erzielt werden
69
. Auch gentechnisch
veränderte Organismen können neben den zunächst interessierenden
Eigenschaften ev. weitere Fähigkeiten, z.B. zur Bildung einer interessanten
Substanz, besitzen, die nur unter bestimmten Testbedingungen erkennbar
werden. Ebenso könnte eine geschützte genomische DNA-Sequenz für weitere,
bisher unbekannte (z.B. erst durch Spleißen entstehende) Peptide oder
Teilproteine kodieren, die andere Funktionen als das ursprünglich
beanspruchte Genprodukt haben. Inhärenz muß allerdings sicher nachgewiesen
werden, sie darf nicht nur möglich oder wahrscheinlich sein
70
.
4.2.3 Vorbeschreibung
Zwischen dem in der Natur vorhandenen, aber noch gänzlich unbekannten und
dem komplett in allen Eigenschaften charakterisierten Erzeugnis als
Extrempunkte ist entsprechend dem Fortgang der wissenschaftlichen Forschung
aber ein fließender Übergang der öffentlichen Zugänglichkeit typisch.
Deshalb ist in jedem Einzelfall eine sorgfältige Untersuchung des Standes
der Technik notwendig.
Ein z.B. in einem Patent vorbeschriebener Gegenstand muß anhand der
Beschreibung herstellbar sein, aber nicht schon faktisch hergestellt
71
. Eine
chemische Verbindung, deren Name oder Formel in einem Dokument erwähnt
worden ist, ist aber nur dann als bekannt anzusehen, wenn ihre Herstellung
bzw. Abtrennung aus der Natur aus den offenbarten Angaben zusammen mit dem
allgemeinen Fachwissen möglich war
72
. Ein ,,allgemeingültiges Rezept für das
Standardverfahren" ohne ausführliche Versuchsdaten über den tatsächlichen
Ablauf der einzelnen Verfahrensschritte im konkreten Fall, die auch
64
T780/95 Antigenic Preparation/Evans medical Der Nachweis von Pertactin beruhte auf einem
besonderen Aminosäureverhältnis, dies konnte aber nicht bestimmt werden, wenn sich in dem
Gemisch noch andere Polypeptide mit abweichender Aminosäurezusammensetzung befanden.
65
T301/87 Alphainterferone/Biogen Entscheidungsgrund 5.4
66
T977/93 Canine coronavirus vaccine/American Home Products Entscheidungsgrund 11.1-11.3, 12
67
G6/88 Mittel zur Regulierung des Pflanzenwachstums/Bayer Begründung 3
68
T208/88 Wachtumsregulation/Bayer Entscheidungsgrund 3.1 und 3.2
69
T231/85 Triazolylderivare/BASF
70
T639/97 Erythropoietin/Genetic Institute Entscheidungsgrund 15
71
Alphaaminobenzylpenicillin BGH GRUR 1978, 690 Leitsatz 1
72
RiLi C-IV 7.3

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
15
Auskunft über spezielle Änderungen und Anpassungen des Verfahrens geben,
ist dagegen keine neuheitsschädliche Offenbarung der gentechnischen
Herstellung eines Proteins, dieses ist damit noch nicht öffentlich
zugänglich
73
. Diese Problematik betrifft z.B. auch Sequenzvariationen der
DNA oder eines Proteins, die in einer älteren Patentanmeldung beansprucht
werden.
Es stellt sich daher die Frage nach dem Offenbarungsgehalt der älteren
Patentanmeldung. Im deutschen Patentrecht ist hier die Äquivalenzlehre von
Bedeutung.
Äquivalenz liegt vor, wenn im wesentlichen gleiche Aufgaben mit sowohl
gleichwirkenden wie auch naheliegenden Mitteln gelöst werden. Insbesondere
bei der Beurteilung einer Vorbeschreibung einer Erfindung stellt sich die
Frage, was der Fachmann einer Veröffentlichung entnimmt. Die Richtlinien
des EPA zur Prüfung von Patentanträgen nehmen Äquivalente aus der
Neuheitsprüfung heraus
74
. In der Rechtsprechung des EPA wird deshalb aus
einer Vorverlautbarung nur das berücksichtigt, was sich für den Fachmann
beim Lesen zweifelsfrei ergibt
75
. So ist allgemein eine Gruppe von
Stoffgemischen (para-Phenyldiamine), die nicht von der in einer
Vorveröffentlichung offenbarten Formel (meta-Verbindungen) abgedeckt ist,
dem Fachmann nicht dadurch offenbart, daß er aufgrund seiner allgemeinen
Fachkenntnisse vermuten oder von dieser Gruppe erwarten könne, daß sie
dieselben Eigenschaften (hier Fähigkeit zur Haarfärbung) aufweist wie die
tatsächlich offenbarte Gruppe
76
. Diese Entscheidung hat Bedeutung für den
Schutzumfang bei Sequenzvariationen der DNA im Rahmen der Degeneration des
genetischen Codes oder Austausch einzelner Aminosäuren in einem Protein
z.B. mit ähnlicher Seitenkette. Für den BGH sind Äquivalente nach neuerer
Rechtsprechung dann neuheitsschädlich, wenn sie für den Fachmann
selbstverständlich oder nahezu unerläßlich zu ergänzen sind, oder er sie
bei aufmerksamer Lektüre ohne weiteres erkennt und in Gedanken gleich
mitliest
77
. In der Literatur wird die Anwendung des Äquivalenzprinzips auf
chemische Verbindungen allerdings i.a. abgelehnt, da für diese ein
absoluter Stoffschutz erteilt wird, unabhängig von etwaigen
Funktionsangaben im Patent. Für einen auf die technische Wirksamkeit einer
Substanz bezogenen Vergleich fehlt daher die Grundlage
78
.
Ansprüche, die sich auf DNA- oder Aminosäuresequenzen (als Sonderfall
chemischer Verbindungen mit Relevanz für diese Arbeit) beziehen, enthalten
aber i.a. auch Funktionsangaben: für DNA-Sequenzen ist dies nach der
Biotechnologierichtlinie zwingend vorgeschrieben, und weit gefaßte
Ansprüche in Bezug auf die Sequenzvarianten eines Proteins werden i.a.
durch die Beschreibung funktioneller Merkmale gestützt (siehe auch unten).
Meyer-Dulheuer befürwortet die Anwendung der Äquivalenzlehre bei der
Bestimmung des Schutzbereiches biotechnologischer Erfindungen, da hier
ausgehend von einem konkreten Beispiel besonders viele Erzeugnisse mit
gleicher oder ähnlicher Wirkung (biologisch äquivalent) abgeleitet werden
können
79
.
Auch bezüglich des Offenbarungsgehaltes einer numerisch definierten
Bereichsangabe unterscheiden sich nationale und europäische Rechtsprechung.
Der BGH (hier Molekulargewicht eines Polymers)sieht im Regelfall alle
Zwischenwerte als offenbart an während nach Auffassung der Beschwerdekammer
des EPA zu prüfen ist, ob ,,der Fachmann unter Berücksichtigung aller ihm
bekannten Gegebenheiten ernsthaft erwägen würde, die technische Lehre des
bekannten Dokumentes" im Überschneidungsbereich zwischen alten und neuen
Ansprüchen anzuwenden
80
. Ähnliche Fragen stellen sich in der Gentechnologie
73
T81/87 Prä-Pro-Rennin/Collaborative Entscheidungsgrund 17
74
RiLi C-IV. 7.2 Die Neuheitsprüfung beschränkt sich auf den Gegenstand, der sich unmittelbar
und eindeutig aus dem Dokument ergibt.
75
T167/84 Kraftstoffeinspritzventil/Nissan
76
T281/85 ­3.3.1 nicht veröffentlicht; zitiert bei Turrini, GRUR Int.1991, 447
77
Elektrische Steckverbindung BGH GRUR 1995, 330
78
Benkard §14 PatG RN 53; Bruchhausen, GRUR Int. 1991, 413
79
Meyer-Dulheuer, GRUR 2000, 179
80
Inkrustierungsinhibitoren BGH GRUR Int. 2000, 770 Entscheidungsgrund IV1b

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
16
bei der Frage der Neuheit eines Teilgens oder Teilproteins, das
Überschneidungen mit der Sequenz einer älteren Patentanmeldung aufweist.
In Einzelfällen kann es vorkommen, daß eine zuverlässige Abgrenzung der in
der Erfindung beanspruchten Erzeugnisse gegen den Stand der Technik nur
durch das Herstellverfahren möglich ist (product-by-process Ansprüche,
siehe unten).
4.3 Erfinderische Tätigkeit
Neuheit und erfinderische Tätigkeit müssen nacheinander geprüft werden. Nur
wenn Neuheit bejaht wird, stellt sich die Frage nach erfinderischer
Tätigkeit. §4 PatG (Art.56 EPÜ) regelt, wann erfinderische Tätigkeit
vorliegt, auf der jede Erfindung beruhen muß. Maßstab ist wiederum der
Stand der Technik, der sich aus den Kenntnissen des Durchschnittsfachmanns
ergibt. Im Gegensatz zur Neuheitsprüfung ist hier jedoch eine mosaikartige
Betrachtung der Gesamtheit aller öffentlich zugänglichen Lehren
vorzunehmen
81
.
Eine Neuheit (Erzeugnis oder Verfahren), die sich in naheliegender Weise
aus dem Stand der Technik ergibt, ist keine Erfindung sondern normale
technische Entwicklung. Allerdings ist es unzulässig, ,,in den zur
Beurteilung der Neuheit und der Erfindungshöhe heranzuziehenden Stand der
Technik Erkenntnisse hineinzuinterpretieren, die erst die Lehre des Patents
gebracht hat"
82
. Auch beim EPA soll eine rückschauende Betrachtungsweise,
die von den Erkenntnissen der Erfindung unzulässig Gebrauch macht (ex-post-
facto-Analyse), vermieden werden
83
.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Leistung muß die Erfindung als
ganzes betrachtet werden, es dürfen nicht lediglich Teilaspekte isoliert
untersucht werden
84
.
Das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit muß im Einzelfall beurteilt werden.
Die Entscheidungsbeispiele liefern nur Hinweise auf die generelle
Vorgehensweise und auf bestimmte Anzeichen/Hinweise für erfinderische
Tätigkeit, die von der Rechtsprechung entwickelt worden sind, da sich der
zugrundeliegende Stand der Technik ja u.a. mit jeder veröffentlichten
Patentanmeldung ändert.
Nicht naheliegend kann sowohl das Produkt einer genialen Eingebung sein,
wie auch das Ergebnis umfangreicher, systematischer Versuchsreihen.
Nach allgemeiner deutscher Rechtsprechung ist eine technische Lehre nicht
erfinderisch, wenn der Stand der Technik erfolgversprechende Versuche nahe
legt
85
. Das Gelingen von Versuchen ohne begründete Erfolgserwartungen, z.B.
die Bereitstellung eines neuen Mikroorganismus auf einem gut durchforschten
Gebiet, auf dem nicht vorauszusehen war, daß sich noch unbekannte Stoffe
finden ließen, die vorteilhafte Eigenschaften besitzen, und zu dessen
Gewinnung ein mehrstufiges Gewinnungsverfahren zu entwickeln war, ist
erfinderisch
86
.
Das Erfordernis der erfinderischen Leistung kann bei einer geschützten
Pflanzengesamtheit auch dadurch erfüllt werden, daß diese Leistung das
Ergebnis einer planmäßigen, langwierigen und schwierigen Züchtungsverfahren
mit großem Arbeitseinsatz darstellt
87
.
4.3.1 Aufgabe-Lösungs-Ansatz
(Problem-Solution-Approach)
Das EPA geht bei der Prüfung nach dem ,,Aufgabe-Lösungs-Ansatz"
88
vor.
81
Rohrschelle BGH GRUR 53, 120, seitdem ständige Rechtsprechung; RiLi C-IV. 9.7
82
Sauerteig BGH GRUR 1989, 899
83
RiLi C-IV 9.9
84
So beurteilt das BGH eine Entscheidung des BPatG als fehlerhaft, das die Polyploidisierung,
den erhöhten Wirkstoffgehalt und weitere positive Eigenschaften von Kamillenpflanzen jeweils
isoliert betrachtet als nicht erfinderisch beurteilt hatte. Tetraploide Kamille BGH GRUR 1993,
651
85
Polymerisationsbeschleuniger BGH GRUR 1965, 138
86
Hier eine neue Art von Milchsäurebakterien, die zu mehr als 75% die wertvolle L(+)Milchsäure
bilden, nicht das Racemat, durch eine mehrstufige selektive Züchtung. Lactobacillus bavaricus
BPatG GRUR 1978, 586
87
Tetraploide Kamille BGH GRUR 1993, 651, Entscheidungsgrund IV 4b
88
RiLi C-IV 9.5

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
17
Ausgangspunkt ist der nächstliegende Stand der Technik, auf dessen Basis
werden die Unterschiede zwischen diesem und der beanspruchten Lehre
bestimmt. Der nächstliegende Stand der Technik sollte i.a. auf den gleichen
Zweck bzw. die gleiche Wirkung abzielen wie die Erfindung, weil dies die
wenigsten strukturellen und funktionellen Änderungen erforderlich macht,
denn sonst kann er den Fachmann nicht in naheliegender Weise zu der
beanspruchten Erfindung führen. Danach muß vom Stand der Technik aus die
objektiv gestellte (und durch die Erfindung gelöste) Aufgabe bestimmt
werden. Zuletzt ist zu entscheiden, ob es vom Stand des Fachmanns aus
naheliegend war, genau die festgestellten, unterscheidenden Merkmale zur
Lösung der Aufgabe auszuwählen. Im Gegensatz dazu wird nach ständiger
Rechtsprechung des BGH bei der Bestimmung des technischen Problems der
Stand der Technik nicht berücksichtigt, sondern von der Erfindung ausgehend
das objektiv gelöste Problem bestimmt
89
.
Die sogenannte ,,could-would" Rechtsprechung des EPA stellt darauf ab, ob
der Fachmann zur Lösung eines Problems die im Patent beanspruchte Lösung
tatsächlich mit begründeter Erfolgserwartung gewählt hätte, nicht darauf,
ob er die Lehre des Patents hätte ausführen können
90
.
4.3.2 Begründete (angemessene) Erfolgserwartungen
Begründete Erfolgserwartungen setzen voraus, daß bereits ausreichende
Informationen darüber vorliegen, daß ein Projekt innerhalb eines
akzeptablen Zeitraumes erfolgreich abgeschlossen werden kann
91
. Der
Durchschnittsfachmann ist nicht kreativ
92
, für die Frage nach begründeten
Erfolgserwartungen geht er davon aus, daß eine Hypothese bezüglich etwaiger
Hindernisse, die der erfolgreichen Durchführung eines Vorhabens im Wege
stehen, durch Fakten begründet sein muß
93
. Wissenschaftliche Versuche, deren
Durchführbarkeit und Ergebnisse völlig unvorhersehbar sind, gehören aber
nicht zur normalen Entwicklung im Bereich der Tätigkeit des
Durchschnittsfachmanns
94
.
Versuche außerhalb des allgemeinen Fachwissens sind nicht vorhersehbar und
deshalb erfinderisch, wie bei der Zusammensetzung eines rekombinanten DNA-
Moleküls zur Expression eines heterologen Proteins in E.coli. Die DNA-
Sequenz des gewünschten Proteins wurde mit einer Teilsequenz für ein
extrazelluläres bakterielles Protein in bestimmter Weise fusioniert, so daß
das von der transformierten Zelle gebildete Protein zum einen vor dem Abau
durch intrazelluläre Proteasen geschützt war und zum anderen aus der Zelle
ausgeschieden wurde, so daß es leicht zu reinigen war
95
. Die Funktion von
Leadersequenzen in Bakterien für den Transport zur und den Einbau in die
Membran (nicht Ausscheidung) war zwar bekannt, ebenso der Schutz eines
heterologen Peptids vor endogenen proteolytischen Enzymen durch Fusion mit
bakterieller beta-Galaktosidase, ein neues Verfahren wird aber nicht
zwangsläufig dadurch naheliegend, daß zu seiner Ausführung bekannte
Werkzeuge in geeigneter Kombination verwendet werden
96
.
Sind die Versuche zwar eventuell naheliegend, bestehen aber nach dem Stand
der Technik keine begründeten guten Erfolgserwartungen, ist ihre
Durchführung erfinderisch, denn für den Durchschnittsfachmann besteht ja
kein Anlaß, derartige Versuche zur Lösung einer Aufgabe in Betracht zu
ziehen
97
.
Der Durchschnittsfachmann auf dem Gebiet der DNA-Rekombinationstechnik
würde, angesichts des Wissens, daß schon geringfügige strukturelle
Änderungen eines Vektors, eines Proteins, einer DNA-Sequenz oder der
Bedingungen eines Reinigungsverfahrens drastische Änderungen des
89
Vossius, GRUR 1993, 345
90
z.B. T249/88 Milchproduktion/Monsanto Entscheidungsgrund 7 und 8; Lancon, GRUR Int. 1998,
227
91
T296/93 Herstellung von Hepatitis B Antigenen/Biogen Entscheidungsgrund 7.4.4
92
T500/91 Human immune interferon zitiert in T207/94
93
T207/94 Humanes beta Interferon/Biogen Entscheidungsgrund 34
94
T500/91 Human immune interferon Entscheidungsgrund 2.2
95
T60/89 Fusionsproteine/Harvard
96
T60/89 Fusionsproteine/Harvard Entscheidungsgrund 3.2.6
97
T694/92 Modifizieren von Pflanzenzellen/Mycogen Entscheidungsgrund 28.5

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
18
Ergebnisses mit sich bringen können, kein unkalkulierbares Risiko eingehen
wollen und deshalb bei Änderungen im Vergleich zum Stand der Technik sehr
vorsichtig vorgehen
98
. Er hielte ein Mittel, das sich auf einem benachbarten
Forschungsgebiet (Expression in Bakterien) als geeignet erwiesen hat auch
für geeignet zu einer Übertragung in sein eigenes Fachgebiet (Expression in
Hefe)
99
. Ebenso besteht für die Expression eines Säugerproteins in Pflanzen
begründete Erfolgserwartung, wenn ein funktionierendes
Transformationssystem bei Pflanzen mit bakteriellen Genen zur Verfügung
steht und die erfolgreiche Transformation mit einem Säugergen ohne
Offenbarung der Methode berichtet wird
100
. Jedoch kann, wenn die Übertragung
einer neuen Technik von einem Forschungsfeld auf ein anderes anstelle von
Routinearbeit wissenschaftliche Forschung erfordert, erfinderische
Tätigkeit angenommen werden
101
.
Begründete Erfolgserwartungen beruhen auf einer wissenschaftlichen
Bewertung der vorliegenden Faktoren (hier bekannte Eigenschaften des zu
exprimierenden Gens und des Wirtsorganismus), sie dürfen nicht mit der
Hoffnung auf Erfolg verwechselt werden, die lediglich Ausdruck eines
Wunsches des Experimentators ist
102
. Der bloße Bericht über laufende
Versuche (die natürlich von den Beteiligten mit verständlicher Hoffnung auf
Erfolg durchgeführt werden) ohne Darstellung von Ergebnissen und mit
Verweis auf ähnliche, bisher negativ verlaufende Experimente begründet für
einen zuhörenden Durchschnittsfachmann keine Basis für eine verläßliche
Prognose des Erfolges bei der Durchführung entsprechender eigener
Versuche
103
.
Wenn mehrere Forscherteams an demselben Ziel arbeiten, liegt es zwar nahe,
ein entsprechendes Forschungsvorhaben zu starten, eine angemessene
Erfolgserwartung bedingt dies jedoch nicht.
Auch wenn sich theoretisch die Wahl einer bestimmten Methode als der
erfolgversprechendste Lösungsansatz identifizieren läßt, liegen angesichts
der absehbaren praktischen Schwierigkeiten, die zu überwinden sind, keine
angemessenen Erfolgserwartungen vor
104
.
4.3.3 Weitere Anzeichen erfinderischer Tätigkeit
Erfinderisch ist die Überwindung besonderer Schwierigkeiten wenn die
Vorgänge wissenschaftlich noch nicht so weit bekannt sind, daß die
erforderlichen Mittel zur Lösung theoretisch ausreichend vorher bestimmt
werden können, oder sie leicht experimentell abgeleitet werden können
105
,
z.B. bejaht vom EPA bei der Auswahl eines geeigneten Plasmides aus der
Gattung Streptomyces
106
, da Plasmide nur selten in Streptomyces vorkommen,
nicht alle für gentechnische Anwendungen geeeignet sind, und in der
Literatur keine Parameter für die Erkennung geeigneter Plasmide und keine
Methoden zur Isolierung bekannt waren. Wenn nur bekannt war, daß
eukaryotische DNA in Bakterien unter Kontrolle eines homologen (also
bakteriellen) Regulons transcribiert wird, ist die geglückte Expression
(also Transcription und Translation) eines eukaryotischen Proteins
erfinderisch
107
, da dafür weitere schwierige Probleme zu lösen waren: Der
passende Einbau der codierenden DNA in dem Leseraster des Regulons, da eine
Verschiebung des Rasters zu Nonsense-Fragmenten bei der Translation führt.
Die Auswahl der DNA für ein Polypeptid, das groß genug ist, um den
proteolytischen Enzymen in der Zelle zu widerstehen, so daß es in
isolierbarer Form hergestellt wird, wodurch die erfolgreiche Translation
98
T455/91 Expression in Hefe/Genentech Entscheidungsgrund 5.1.3.3
99
T455/91 Expression in Hefe/Genentech Entscheidungsgrund 5.1.3.3
100
T338/97 Molecular farming/Calgene
101
T0441/93 Cloning system for Kluyveromyces species/Gist-Brocades Entscheidungsgrund 33
102
T207/94 Humanes beta Interferon/Biogen Entscheidungsgrund 31; ebenso T296/93 Herstellung
von HBV-Antigenen/Biogen Entscheidungsgrund Nr.7.4.4; insoweit nicht veröffentlicht, jedoch
zitiert in T694/92
103
T694/92 Modifizieren von Pflanzenzellen/Mycogen, Entscheidungsgrund 28.8
104
T923/92 Humaner t-PA/Genentech Entscheidungsgrund 51ff
105
Benkard §4 PatG RN15
106
T162/86 Plasmid pSG2/Hoechst Entscheidungsgrund 10
107
T292/85 Polypeptidexpression/Genentech I Entscheidungsgrund 6

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
19
überhaupt erst nachweisbar ist. Kleinere Peptide wären nämlich einfacher zu
synthetisieren und nachzuweisen gewesen, hätten aber zum Fehlschlag wegen
Abbau in der Wirtszelle geführt. Die Tatsache, daß diese Plasmide nicht
naheliegend sind, verleiht auch den anderen beanspruchten Gegenständen
hinsichtlich ihrer Herstellung und Verwendung zur Herstellung von
Polypeptiden und immunogenen Substanzen erfinderische Tätigkeit
108
.
Die Überwindung eines bis zum Anmeldetag allgemein verbreiteten
,,technischen Vorurteils" der einschlägigen Fachwelt ist erfinderisch, denn
auch hier würde der Durchschnittfachmann die Verwendung der Lehre des
Patentes nicht zur Lösung des Problems in Betracht ziehen
109
. Dies wurde vom
BGH bejaht bei einem Verfahren zur Herstellung von Sauerteig, dessen
charakteristischer Schritt im Aussäuern des Teiges bis zur Einstellung der
Stoffwechselaktivität der Sauerteigbakterien besteht, die es nach den
Vorstellungen der Fachwelt bisher zu vermeiden gegolten habe
110
.
Das Überraschungsmoment wird anerkannt beim Auftreten einer unerwarteten
zusätzlichen Wirkung z.B. ein modifiziertes Plasmid, das zu einer Erhöhung
der Proteinexpression für eine bekannte rekombinante DNA um ca. das
100fache im Vergleich zu bisherigen Ergebnissen führte
111
. Die tatsächliche
Isolierung eines Phycomyces Stammes mit besonders hoher Astanxanthinbildung
kann überraschend sein angesichts der zufälligen Wirkung mutagener
Verfahren
112
. Ebenso überraschend ist die Möglichkeit, eine einzelne
chemische Verbindung, die mit technischen Mitteln einfach und preiswert
hergestellt werden kann, als Ersatz für ein natürliches Aroma verwenden zu
können, und sie zudem für weitere neue vorteilhafte Anwendungsmöglichkeiten
einzusetzen
113
.
Die bahnbrechende Wirkung einer Erfindung, wenn ein lang bestehendes
Bedürfnis (angezeigt hier durch eine Vielzahl von Gruppen, die erfolglos
auf dem gleichen Gebiet forschen) durch die Erfindung befriedigt wird ,
wird erkennbar an einer großen Zahl von Veröffentlichungen, die sich die
Erfindung zu Nutze macht, weist auf erfinderische Tätigkeit hin
114
.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit muß bei Vorliegen von
begründeten Erfolgserwartungen aber auch den tatsächlichen Schwierigkeiten
Rechnung getragen werden, wenn der Antragsteller solche geltend macht
115
.
Erwartet der Fachmann dagegen eine zwar arbeitsaufwendige, aber relativ
unkomplizierte Durchführung und können auch keine tatsächlich bestehenden
Probleme nachgewiesen werden, ist die Klonierung und Expression eines
bestimmten Gens nicht erfinderisch
116
.
Nicht erfinderisch ist der Einsatz von neu hergestellten monoklonalen
Antikörpern zur Aufreinigung von Immunglobulinen aus Milch anstelle der im
Stand der Technik bekannten monospezifischen, polyklonalen Antikörper, da
deren verbesserte Spezifität vorhersehbar und der Herstellungsweg im
Prinzip bekannt war
117
.
4.4 Kenntnisse und Verständnis des Durchschnittsfachmann
Die Qualifikation des Durchschnittsfachmanns richtet sich nach dem Gebiet
der Technik, dem die Erfindung angehört
118
. Bei modernen biotechnologischen
Erfindungen ist der Durchschnittsfachmann regelmäßig ein in Lehre und
Forschung tätiger Wissenschaftler. Betrifft die Erfindung mehrere
Fachgebiete, z.B. Biochemie, Zellphysiologie, Mikrobiologie, kann auch eine
108
T292/85 Polypeptidexpression/Genentech I Entscheidungsgrund 6.12
109
RiLi C-IV Anlage: Anleitung zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit 4.
110
Sauerteig BGH GRUR 1989, 899
111
T301/87 Alpha interferone/Biogen Entscheidungsgrund 7.1.4
112
T737/96 Astaxanthin/DSM N.V. Entscheidungsgrund 12
113
Menthonthiole BPatG GRUR 1978, 702 Entscheidungsgrund III 2
114
T292/85 Polypeptidexpression/GenentechI Entscheidungsgrund 6.10
115
T207/94 humanes beta Interferon/Biogen
116
T386/94 Chymosin/Unilever Entscheidungsgrund 42
117
T499/88 Immunglobuline/Unilever; ebenso T906/91 Hybridoma/DuPont
118
Benkard §4 PatG RN11; RiLi C-IV. 9.6

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
20
gemischte Forschergruppe (Team
119
) angenommen werden. Auch wenn nur wenige
Forscher auf einem Gebiet tätig sind, dürfen nicht die Kenntnisse eines
Nobelpreisträgers gefordert werden (ebenda).
Dieser (fiktive) Fachmann verfügt über Mittel und Fähigkeiten zur
Durchführung von Routinearbeiten oder Versuchen
120
. Zu seinen Fähigkeiten
gehören die Kenntnisse aus seinem ordnungsgemäßen Ausbildungsgang und das
entsprechende Allgemeinwissen, also bei einem Mikrobiologen auch Kenntnisse
z.B. in Botanik oder Zellphysiologie. Der Öffentlichkeit zugänglich ist
alles, was auch andere Fachkundige benutzen können
121
. Neben
Standardlehrbüchern, Monografien und Nachschlagewerken können bei
Erfindungen, die ein Gebiet betreffen, das so neu ist, daß das einschlägige
Wissen noch nicht Eingang in Lehrbücher gefunden hat, auch Angaben in
Patentschriften und wissenschaftliche Veröffentlichungen zu berücksichtigen
sein
122
. Für die Biotechnologie sind daher neben anderen Patentschriften
insbesondere wissenschaftliche Veröffentlichungen, in Form von Vorträgen,
persönlicher Kommunikation, Postern sowie Artikel in Fachzeitschriften von
Bedeutung. Von besonderer Wichtigkeit ist schließlich auch das
Erfahrungswissen, d.h. Maßnahmen die sich erst beim praktischen Vollzug
einer Lehre herausbilden, z.B. Anwendung eines Verfahrens im Labor.
Da die Kenntnisse und das Verständnis des Durchschnittsfachmanns auf dem
betreffenden Gebiet von zentraler Bedeutung für die Beurteilung der
Neuheit, der erfinderischen Tätigkeit, der Offenbarung und des
Anspruchsumfangs sind, erfordert ihre Bestimmung besondere Sorgfalt. Wenn
das Patent eine ,,im Tatsächlichen schwierige Materie aus dem biologischen
Bereich" betrifft, empfiehlt es sich, einen Sachverständigen zu Rate zu
ziehen
123
.
Für den Bereich des EPÜ gilt das Prinzip des einheitlichen
Offenbarungsbegriffs, d.h. bei derselben Erfindung ist ein identisches
Niveau von Fachwissen anzuwenden wenn es um Fragen der ausreichenden
Offenbarung, der Erfindungshöhe, der Neuheit und der Priorität bzw. der
unzulässigen Erweiterung geht
124
.
4.5 Gewerbliche
Anwendbarkeit
Patentfähige Erfindungen müssen nach §5 Abs.1PatG (Art.57 EPÜ) irgendeiner
praktischen Verwertung in einem Gewerbebetrieb zugänglich sein
125
. Es wird
nicht beurteilt, ob eine derartige Nutzung wirtschaftlich sinnvoll ist. Der
Gewerbebegriff des PatG umfaßt die Erzeugung, den Vertrieb oder den
Transport von Gütern aller Art, die Urproduktion und die Erbringung von
Dienstleitungen
126
. Somit läßt sich auch bereits für biotechnologische
Erfindung auf DNA-Ebene eine gewerbliche Anwendung in der Forschung
(Auftragssynthese bestimmter Nukleotidsequenzen, Benutzung als
Hybridisierungssonde zur Erforschung von Krankheiten,
Verwandtschaftsbeziehungen, Lokalisierung des Gesamtgens u.ä.) problemlos
ableiten. Die führt zu Problemen bei Ansprüchen auf Teilgenbereiche (siehe
EST-Problematik).
Für biologische Erfindungen besonders bedeutsame Bereiche sind aufgrund des
Zusammenhangs mit lebenden Objekten die Landwirtschaft, der
Nahrungsmittelsektor, sowie die Heilkunde.
Nicht gewerblich anwendbar, und damit auch nicht patentierbar, sind
Verfahren zur chirurgischen, diagnostischen oder therapeutischen Anwendung
am Körper von Mensch oder Tier (§5Abs.2 S.1 PatG; Art.52Abs.4 S.1 EPÜ). Als
wichtige Rückausnahme für biotechnologische Erfindungen muß jedoch §5 Abs.2
S.2 PatG (Art.52Abs.4 S.2 EPÜ) erwähnt werden, der die dabei eingesetzten
Stoffe und andere Erzeugnisse explizit als gewerblich anwendbar definiert.
119
T60/89 Fusionsproteine/Harvard Entscheidungsgrund 2.2.4
120
RiLi C-IV 9.6
121
Benkard §4 PatG RN6
122
RiLi C-II 4.1
123
Tetraploide Kamille BGH GRUR 1993, 651 Entscheidungsgrund 1
124
Brandi-Dohrn et al.1998, S.120
125
Trioxan BGH GRUR 1972, 80
126
Benkard §5 PatG RN4

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
21
Die Beschwerdekammer des EPA hat auch die Auffassung einer
Prüfungsabteilung zurückgewiesen, daß die von einem chemischen Stoff
erzeugte physiologische Wirkung auf Mensch und Tier ihrer Natur nach im
wesentlichen biologisch ist, und deshalb nicht als gewerblich anwendbar
gilt
127
. Die Problematik der Abgrenzung von ,,Verfahren am menschlichen
Körper" in Zusammenhang mit Verfahren zur somatischen Gentherapie bei der
Behandlung von Erbkrankheiten am Menschen wird unten näher beleuchtet.
Die Patentierungsausnahme der chirurgischen Behandlung am Körper des Tieres
ist nach einer Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA jedoch nicht
gegeben, wenn der chirurgische Eingriff nur ein Teilschritt des gesamten
(beanspruchten) Verfahrens ist und in einem späteren Verfahrensschritt
erfindungsgemäß dasselbe Tier getötet wird, um Gewebeproben zu entnehmen
128
.
4.6 Offenbarung
Obwohl die Offenbarung einer Erfindung erst in §35 Abs.2 PatG (Art.83, 84,
R29 EPÜ) in Zusammenhang mit den verfahrensrechtlichen Erfordernissen einer
Patentanmeldung genannt wird, ist sie doch zugleich ein Element des
Materiellen Rechts. Nur das, was in der ursprünglichen Anmeldung offenbart
ist, kann Patentschutz erlangen. Die Erfindung muß von anderen, nicht
beanspruchten Sachverhalten eindeutig abgegrenzt werden können.
Gleichzeitig ist die Offenbarung die Basis für die Prüfung auf Neuheit und
erfinderische Tätigkeit.
Der Inhalt der Offenbarung ist ferner von großer praktischer Bedeutung für
die Bestimmung der Priorität bei nachträglichen Änderungen (§38PatG;
Art.123 EPÜ).
Hauptort der Offenbarung ist die Beschreibung und der Anspruch. Das
spezifisch Neue der Erfindung wird damit der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht.
Die Erfindung muß so deutlich und vollständig offenbart werden, daß sie
nachgearbeitet werden kann. Die Ausführung der offenbarten Lehre muß das
erfindungsgemäße Erzeugnis liefern, und das muß auch nachweisbar sein. Die
ausreichende Offenbarung der beanspruchten Lehre ist Voraussetzung jeder
Patenterteilung.
Eine unzureichende Offenbarung kann auf verschiedenen Mängeln beruhen:
·
fehlende Angaben zur Ausführung der eigentlichen Lehre des Patentes,
wenn diese Lücken nicht durch das allgemeine Fachwissen ohne
unzumutbaren Aufwand ergänzt werden können,
·
mangelnde Zugänglichkeit von Erfindungskomponenten, wenn diese nicht
ausreichend beschrieben, nicht allgemein verfügbar oder nicht korrekt
hinterlegt worden sind,
·
mangelnde Reproduzierbarkeit, wenn die im Patentantrag beschriebene
Lehre zwar ausführbar ist, aber nicht das erfindungsgemäße Ergebnis
liefert,
·
mangelnde Ausführbarkeit, wenn die im Patentantrag beschriebene Lehre
zwar ausführbar ist, aber keine Methode zum zuverlässigen Nachweis des
erfindungsgemäßen Ergebnisses zur Verfügung steht.
4.6.1 Anspruchsumfang und Ausführbarkeit
Für die Beurteilung der Nacharbeitkeit einer Offenbarung (hier Klonierung
und Expression von Erythropoietin in Säugerzellen) sind die Kenntnisse und
Fähigkeiten des Fachmanns durchschnittlichen Könnens maßgeblich
129
. Für die
Ausführung sind sowohl der Offenbarungsgehalt des Patentes als auch das
allgemeine Fachwissen des Durchschnittsfachmanns heranzuziehen
130
. Ein
127
T144/83 Appetitzügler/Dupont Entscheidungsgrund 6
128
In T182/90 Durchblutung/See-Shell wird mit Hilfe von implantierten Mikrokügelchen, die mit
einem Farbstoff oder enzymatisch markiert sind und sich aufgrund ihrer Größe im Gewebe
ablagern die Durchblutung dieses Gewebes bestimmt.
129
Erythropoietin BPatG GRUR Int. 1995, 338 unter Hinweis auf Haftverband BGH Bl.f.PMZ 1991,
159
130
RiLi C-IV 4.9

4. Voraussetzungen der Patentfähigkeit
22
Vorschlag, den der Durchschnittsfachmann nur mit großen Schwierigkeiten
verwirklichen kann, ist keine ausreichend offenbarte Lehre
131
.
Art und Umfang der Offenbarung müssen sich nach der Wesenart des
Fachgebietes richten. Dabei ist u.a. das entsprechende allgemeine
Fachwissen und der Aufwand für die Umsetzung einer schriftlichen Anweisung
in die Praxis zu berücksichtigen. Der BGH hat für die Herstellung neuer
Stämme von Streptomyces aureofaciens, die selektiv ein Antibiotikum
produzieren, den Verweis auf an sich bekannte mutagene Verfahren wie UV und
chemische Mutagene sowie die Selektion ohne Angaben zu den
Reaktionsbedingungen und den Selektionsbedingungen als nicht mit
hinreichender Aussicht auf Erfolg ausführbar beurteilt
132
.
Wenn die Ansprüche weit gefaßt sind, liegt eine ausreichende Offenbarung in
der Regel (unter besonderen Bedingungen sind Ausnahmen zulässig) nur vor,
wenn mehrere Beispiele oder Ausführungsalternativen beschrieben werden, die
den gesamten beanspruchten Bereich abdecken
133
. Die Anforderungen an die
ausreichende Offenbarung dienen aber nicht dem Zweck, Perfektionisten
zufrieden zu stellen, sondern sollen den Fachmann in die Lage versetzen,
die Erfindung unter normalen Bedingungen auszuführen
134
.
Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer des EPA ist eine Erfindung
ausreichend offenbart, wenn dem Fachmann mindestens ein Weg zu ihrer
Ausführung eindeutig aufgezeigt wird
135
, z.B. kann ein gentechnisch
veränderter Organismus erzeugt werden, entweder indem das beschriebenen
Herstellverfahren nachgearbeitet wird, oder indem eine Probe von
hinterlegtem biologischen Material dieses Organismus vermehrt wird.
Unter Umständen ist es unerheblich, wenn einige Varianten einer weit
definierten Erfindungskomponente nicht verfügbar sind, so lange dem
Fachmann aufgrund der Offenbarung oder seines allgemeinen Fachwissens
geeignete Varianten bekannt sind, die für die Erfindung dieselbe Wirkung
haben
136
. Ebenso konnte in T19/90 im Patent ein nacharbeitbares
Ausführungsbeispiel in Mäusen offenbart und auf dieser Basis die Anwendung
in allen nicht menschlichen Säugern beansprucht werden
137
. Ausreichend
offenbart und durch die Beschreibung gestützt ist auch ein Anspruch auf
,,transformierbare lebende Zellen, ausgewählt aus der Gruppe der Pilze,
Hefen, Bakterien und Säugerzellen", wenn die Ausführungsbeispiele nur
Escherischia- (Bakterium) und Saccharomyces-Stämme (Hefe) anführen, denn es
wäre unbillig, die Ansprüche auf die mit Beispielen belegten Stämme zu
beschränken und alle künftig möglicherweise verwendeten auszuschließen
138
.
Zweifel an der Ausführbarkeit müssen begründet sein. Die bloße Tatsache,
daß ein Anspruch weit gefaßt ist (hier: Einbau einer aktivierten
Onkogensequenz in das Genom nicht menschlicher Säuger im allgemeinen,
Ausführungsbeispiel Maus), ist an sich noch kein ausreichender Grund zu der
Annahme, daß das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung nicht erfüllt
ist. Nur wenn ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtet Zweifel
bestehen, kann ein derartiger Einwand gegen die Offenbarung im Sinne des
Art.83 EPÜ erhoben werden
139
. Die bloße Aufzeichnung eines Reaktionsschemas
zur Umsetzung eines organischen Moleküls mit Hilfe eines mikrobiellen
Enzyms (hier: Hefe Carboxypeptidase Y) ist dagegen keine ausreichende
Offenbarung, wenn nicht auch ein experimenteller Erfolgsnachweis
131
Erythropoietin BPatG GRUR Int. 1995, 338 unter Hinweis auf Doppelachsaggregat BGH GRUR
1980, 166
132
7-Chlor-6-demethyltetracyclin BGH GRUR 1978, 162
133
RiLi C-II 4.9
134
T301/87 alphainterferone/Biogen Entscheidungsgrund 4.13
135
ähnlich Polyesterfäden BGH GRUR 1991, 518 Leitsatz 2. U.U. ist es sogar akzeptabel, wenn
die Ansprüche auch Varianten umfassen, die nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Dabei ist im
Einzelfall zu berücksichtigen, das Verhältnis tauglicher zu untauglichen Ausführungen, die
Verfahren, taugliche Varianten zu erkennen und die Möglichkeit, untaugliche Varianten durch
die Formulierung der ansprüche auszuschließen.
136
T292/85 Polypetidexpression/Genentech I Entscheidungsgrund 3.1.5
T301/87 Alpha-Interferon/Biogen
T60/89 Fusionsproteine/Harvard
T19/90 Krebsmaus/Harvard II
137
T19/90 Krebsmaus/Harvard II Entscheidungsgrund 3.8
138
T81/87 Prä-Pro-Rennin/Collaborative Entscheidungsgrund 4
139
T19/90 Krebsmaus/Harvard II Entscheidungsgrund 3.3

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832444808
ISBN (Paperback)
9783838644806
DOI
10.3239/9783832444808
Dateigröße
694 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig – unbekannt
Erscheinungsdatum
2001 (September)
Note
1,3
Schlagworte
dann-sequenzen eu-richtlinien lebewesen patentgestz stammzellen
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Titel: Patentierbarkeit gentechnischer Veränderungen von Organismen
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