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NLP und Ethik

Erkenntnistheoretische Untersuchung zur Entwicklung eines ethischen Rahmens für das NLP-Modell

©2001 Seminararbeit 57 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Ausgehend von einer Status quo-Beschreibung des „Phänomens NLP“ aus den drei Perspektiven: was sieht der Interessierte, was der NLP- ablehnende Gegner, sowie der in der Szene und Terminologie des NLP Etablierte, wird gezeigt, wie überfällig ein klar reflektiertes Theoriefundament für das NLP-Modell ist, um Diskussions- und Glaubwürdigkeit dieses Modells zu gewährleisten und damit seinen Fortbestand und die Weiterentwicklung zu unterstützen.
Um diesem Ziel näher zu kommen, wird das NLP-Modell auf seine innere Konsequenz und, soweit in diesem Rahmen möglich, auf seine impliziten und expliziten Fundamente und Wurzeln hin untersucht. Dabei werden einerseits Inkonsequenzen in der logischen Theoriebildung und/oder terminologische Unschärfen aufgezeigt. Daraus folgen weitreichende Veränderungen in der Formulierung und besonders der Zuordnung der NLP-Vorannahmen, die bis heute die Funktion und den Anspruch einer weltanschaulichen Visitenkarte für das NLP und sein Selbstverständnis haben. Gerade durch diese Überprüfung der inneren Logik und konsequenten Anwendung des NLP auf sich selbst werden in der Folge neben den explizit geäußerten auch die impliziten ethischen Kriterien des NLP-Modells sichtbar.
Gang der Untersuchung:
Im Ggs. zu weitverbreiteter NLP-Veröffentlichungspraxis werden im Rahmen dieser Arbeit die eingenommene Perspektive und der erkenntnistheoretische Hintergrund für die Untersuchung benannt und in der weiterführenden NLP-Theoriebildung als verbindlich akzeptiert und angewandt. Als Basis sei hier benannt: Der Radikale Konstruktivismus ist der erkenntnistheoretische Ausgangspunkt, von dem aus zentrale Aussagen zur Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen aus der Kognitionstheorie, und der handlungstheoretische Ansatz von Miller, Pribram & Galanter herangezogen werden.
In der Weiterführung der Analyse wird das im NLP-Bereich nur unzureichend ausgearbeitete Theorem „Ökologie“, nachdem es in der NLP-Praxis angewandt wird, in der öffentlichen Diskussion in seiner apologetischen Verwendung schon überstrapaziert ist, und in der Theoriebildung dann doch eher Feigenblattfunktion hat, auf seine mögliche Tragweite hin untersucht.
Es folgt eine prozessorientierte Auslotung des Begriffes Ökologie, der ggf. in den Rang einer generativen Vorannahme gehoben wird, was im Rahmen des NLP-Modells unumschränkte Verbindlichkeit für alle Anwendungsbereiche bedeuten würde.
Durch eine anschließende Selbstanwendung des NLP auf sich selbst, […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Zusammenfassung

1. Die Kontroverse um NLP

2. Die Suche nach einer NLP-Ethik

3. Analyse der Wertmaßstäbe des NLP-Modells
3.1. Erkenntnistheoretischer Ausgangspunkt der Untersuchung
3.2 Inkonsequenzen im ursprünglichen NLP-Modell
3.3 Die graduelle Neuordnung der expliziten NLP-Vorannahmen
3.4 „Prozessuale Wirklichkeit“ als implizite NLP-Vorannahme
3.5 „Systemische Wirklichkeit“ als vernachlässigte NLP-Vorannahme

4 „Der Architekt“ als tragfähige Metapher
4.1. Der Mensch als soziales Wesen
4.2. Ökologie als ethischer Rahmenwert
4.3. Die Affinität des Ökologiegedankens zur Trias der Menschenrechte
4.4. Das Idealbild des ökologischen Handelns

5. Überprüfung des ökologischen NLP-Fundamentes anhand des gewonnenen Idealbildes

6. Das Gesamtbild eines ökologisch fundierten NLP-Modells

7. Konsequenzen und Ausblick

Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Mittels einer kurzen Status quo-Beschreibung des „Phänomens NLP“ aus drei Perspektiven, wird gezeigt, wie überfällig ein klar reflektiertes Theoriefundament für das NLP-Modell ist, um Diskussions- und Glaubwürdigkeit dieses Modells zu gewährleisten. Dafür wird das NLP-Modell auf seine innere Konsequenz und auf seine impliziten und expliziten Fundamente und Wurzeln hin untersucht und theoretische Defizite aufgedeckt. So werden neben den explizit geäußerten auch die impliziten ethischen Kriterien des NLP-Modells sichtbar. Es folgt eine Überarbeitung der NLP-Vorannahmen. In der Weiterführung werden aus der Neuformulierung - und Zuordnung der NLP-Fundamente ethische Kriterien entwickelt, die im NLP-Modell selbst grundgelegt sind und unabhängig vom einzelnen Anwender die Ziele der Arbeit nach dem NLP-Modell und die Grenzen der Anwendung deutlich machen. So zeigt dieser Artikel eine ökologische, d.h. ethisch fundierte Anwendung des NLP.

Schlüsselwörter:

NLP, Konstruktivismus, Menschenbild, Ethik

Abstract

Through a description of the status-quo of the "phenomenon NLP" from three perspectives the article shows the necessity of a logical reflected theoretical foundation for the NLP-model to guarantee the credibility and the discussibility of this model. For that, the NLP-model will be examined to its internal consequences and to its implicit and explicit foundations and roots. Theoretical deficiencies will be exhibited. It follows a revision of the preassumptions of the NLP. Based on this revision and new classification of the NLP-foundations, founded in a epistemology of radiacal-constructivism, essential ethical criteria of the NLP-model are explanated. They are founded in the NLP-model itself. So they´re able to show the aims and limits of working with NLP independent of the individual employers. By this way the article shows an ecological, that means an ethical founded employment of NLP.

Lange Zusammenfassung

Ausgehend von einer Status quo-Beschreibung des „Phänomens NLP“ aus den drei Perspektiven: was sieht der Interessierte, was der NLP- ablehnende Gegner, sowie der in der Szene und Terminologie des NLP Etablierte, wird gezeigt, wie überfällig ein klar reflektiertes Theoriefundament für das NLP-Modell ist, um Diskussions- und Glaubwürdigkeit dieses Modells zu gewährleisten und damit seinen Fortbestand und die Weiterentwicklung zu unterstützen.

Um diesem Ziel näher zu kommen, wird das NLP-Modell auf seine innere Konsequenz und, soweit in diesem Rahmen möglich, auf seine impliziten und expliziten Fundamente und Wurzeln hin untersucht. Dabei werden einerseits Inkonsequenzen in der logischen Theoriebildung und/oder terminologische Unschärfen aufgezeigt. Daraus folgen weitreichende Veränderungen in der Formulierung und besonders der Zuordnung der NLP-Vorannahmen, die bis heute die Funktion und den Anspruch einer weltanschaulichen Visitenkarte für das NLP und sein Selbstverständnis haben. Gerade durch diese Überprüfung der inneren Logik und konsequenten Anwendung des NLP auf sich selbst werden in der Folge neben den explizit geäußerten auch die impliziten ethischen Kriterien des NLP-Modells sichtbar.

Im Ggs. zu weitverbreiteter NLP-Veröffentlichungspraxis werden im Rahmen dieser Arbeit die eingenommene Perspektive und der erkenntnistheoretische Hintergrund für die Untersuchung benannt und in der weiterführenden NLP-Theoriebildung als verbindlich akzeptiert und angewandt. Als Basis sei hier benannt: Der Radikale Konstruktivismus ist der erkenntnistheoretische Ausgangspunkt, von dem aus zentrale Aussagen zur Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen aus der Kognitionstheorie, und der handlungstheoretische Ansatz von Miller, Pribram & Galanter herangezogen werden.

In der Weiterführung der Analyse wird das im NLP-Bereich nur unzureichend ausgearbeitete Theorem „Ökologie“, nachdem es in der NLP-Praxis angewandt wird, in der öffentlichen Diskussion in seiner apologetischen Verwendung schon überstrapaziert ist, und in der Theoriebildung dann doch eher Feigenblattfunktion hat, auf seine mögliche Tragweite hin untersucht.

Es folgt eine prozeßorientierte Auslotung des Begriffes Ökologie, der ggf. in den Rang einer generativen Vorannahme gehoben wird, was im Rahmen des NLP-Modells unumschränkte Verbindlichkeit für alle Anwendungsbereiche bedeuten würde.

Durch eine anschließende Selbstanwendung des NLP auf sich selbst, gemessen an dem konzeptimmanenten Rahmenwert Ökologie, werden in der Konsequenz zwei Schlußfolgerungen möglich:

- es gibt einen ethischen Rahmen des NLP-Modells als Ganzem, der seine Überzeugungskraft gerade dadurch hat, daß er aus der Theoriebildung des NLP-Modells entwickelt ist und somit nicht an die persönlichen ethischen Bezugsrahmen des jeweiligen Anwenders gebunden ist und außerhalb dessen das jeweilige Handeln schlicht und einfach nicht mehr durch den Titel NLP gedeckt wird.
- mittels dieser Grundorientierung ergeben sich konzeptimmanente Kriterien für die konkrete Anwendung von NLP-Interventionen, für angemessene Ausbildungskontexte, wie auch für die Selbstdarstellung des NLP im Reigen anderer Kommunikations- und Psychotherapieentwürfe.

NLP und Ethik:

Erkenntnistheoretische Untersuchung zur Entwicklung eines ethischen Rahmens für das NLP-Modell

1. Die Kontroverse um NLP

In den letzten Jahren wird von außen und zusehends auch durch inneren Druck in der NLP-Szene die Frage nach der Ethik gestellt. Es ist zum einen die eher direkt an den Anwender persönlich gestellte Frage: „Wird da nicht nur manipuliert?“, oder die grundsätzliche Frage an das NLP als solches, die manchmal in Form eines dumpfen: „NLP will sich doch nur gut verkaufen?“ erfolgt, oder die in differenzierter Kritik den unzulässig erscheinenden Methodeneklektizismus anmahnt und die noch dazu bestehende mangelnde Theoriereflexion moniert. Als Reaktion erfolgte an wenigen Stellen, besonders in der deutschsprachigen Literatur, eine wissenschaftliche Diskussion der kritisch-differenzierten Anfragen. (Eine ausführliche Zusammenfassung der Kritik und entsprechende Diskussion findet sich bei Weerth 1992, S.221-251; ebenso Bachmann 1991, S.205-227).

Im Gegensatz dazu taucht der generalisierte Vorwurf der Manipulation häufig konkret im direkten Gespräch mit Vertretern anderer Schul- und Fachrichtungen auf. Wobei negative persönliche Erfahrungen mit der bisher noch immer unübersichtlichen Szene von NLP-Anwendern und Anbietern, von denen zu oft kein persönlicher Hintergrund zugänglich ist, auch ein wesentlicher Faktor zuweilen sehr berechtigter Kritik an NLP ist. Der generalisierende und damit überzogene Schritt darum NLP als Ganzes abzulehnen, ist manchmal die Folge. So rückt neben manchen anderen, auch die allgemein formulierte Frage ins Zentrum: „Wie verhält sich NLP zu ethischen Fragestellungen?“

Bei NLP-Anwendern findet sich die weitverbreitete und nur selten reflektierte Vorstellung, daß NLP „nur“ ein Werkzeug sei, dessen ethischer Gehalt sich erst durch die Handhabung durch den Anwender ergebe (NLP-Aktuell, MULTIMIND 4/1995, S.52). In hohem Maße ist diese Interpretation des NLP-Modells und seiner Anwendungsmöglichkeiten von den Begründern selbst initiiert, da sie häufig von Techniken und Werkzeugen des NLP sprechen, denen sie zudem oftmals auch noch schier unbegrenzte Wirkungs- und Einsatzmöglichkeiten bescheinigen, z.B.: „Es gibt dem Leser Werkzeuge an die Hand, die ihn in die Lage versetzen, jede Verhaltensfolge, die er bei anderen Menschen beobachtet, zu analysieren, aufzunehmen oder zu verändern.“ (Dilts, et al. 1994, S.22f; vgl. ebenso Bandler und Grinder 19927, S.22-24).

Dementsprechend wird diese Frage nach ethischen Standards oder Grenzen in vielfacher Ausprägung den konkreten Anwendern gestellt, weil stillschweigend vorausgesetzt wird, daß zumindest dieser sich selbst ein irgendwie geartetes persönliches ethisches Gerüst für die Anwendung seines „per se“ neutralen „NLP-Werkzeugkoffers“ geschaffen habe. Dieser Anwender wird also im günstigsten Falle ein klares Welt- und Menschenbild ausbreiten: Weil der Mensch so voller Ressourcen sei und er seine Welt (Landkarte) doch so gestalten könne, wie er wolle (und welcher Mensch glaubt nicht, daß sich in dieser Welt ganz allgemein, oder in seinem persönlichen Leben im Besonderen etwas verändern, im Sinne von etwas verbessern ließe), darum sei es wohl auch das Beste, in dieser Welt mit Menschen „NLP zu machen“. Und er wird von der Landkarte als Modell der Wirklichkeit sprechen, von dem Menschen, der schon alles in sich trägt, was er braucht, und von der guten Absicht hinter jedem (!) Verhalten. Kurzum, er wird eine individuell formulierte Variante der NLP-Vorannahmen formulieren, die geprägt sind von der persönlichen Zitationsquelle, da die Vorannahmen bis heute nicht vereinheitlicht sind. Diese jeweilige Variante wird mangels Standardisierung mehr oder weniger durchwachsen sein mit individuell und biographisch begründeten ethischen Einsichten, Erkenntnissen und Reflexionen, d.h. es fließen explizit personabhängige Faktoren ein, die damit die ethische Plattform für die jeweilige per se wertneutrale NLP-Anwendung bildet. Hinter dieser Aussage steht der eher hilflose Versuch, allen „schwarzen Schafen“ zum Trotz, zumindest eine gewisse ethische Tragfähigkeit des NLP zu begründen, indem diese Tragfähigkeit per Vertrauensvorschuß an die Glaubwürdigkeit und Integrität der „weißen Schafe“ gebunden wird (zu denen sich die so Argumentierenden natürlich immer zählen).

Dieser kurz beschriebene Ablauf wird in dieser Form immer wieder zu finden sein, zumindest solange in der NLP-Szene selbst die neopositivistische Meinung vertreten wird, NLP sei ein neutrales Werkzeug und wie bei jedem Werkzeug bestimme eben der Handwerker, wofür er es benütze. Diese Aussage ist in renommiertesten Ausbildungsinstituten, in der NLP-Literatur und nicht zuletzt in den Veröffentlichungen der Zeitschrift MULTIMIND, insbesondere um die Rolle und das Verhalten Richard Bandlers immer wieder explizit zu finden. Ein weiterführender Blick zeigt allerdings, daß hier kein NLP-Spezifikum angesprochen ist: „Die Mehrheit der akademischen Psychologen glaubt, daß die psychologische Forschung wertfrei sei und daß ethische Fragen erst bei der Anwendung psychologischer Erkenntnisse eine Rolle spielen.“( Kriz, et al. 1987, S.237)

2. Die Suche nach einer NLP-Ethik

Innerhalb der NLP-Szene hatte den letzten, etwas tiefergehenden, öffentlich wahrnehmbaren Disput über NLP-interne Ethikmaßstäbe W.Woodsmall, einer der beiden Konstrukteure der menschlichen Zeitverarbeitungsstrategien (TIME-LINE) im NLP-Modell, durch seinen Artikel „Gefangenen-Dilemma“ (NLP-Aktuell, MULTIMIND 3/1995). ausgelöst. Woodsmall hatte dort die alles entscheidende Frage gestellt: „...ist Mißbrauch der Natur des NLP selbst inhärent?“ (NLP-Aktuell, MULTIMIND 3/1995, S.11) Seine Ausführungen gingen an das Herz des NLP-Modells, die Vorannahmen, von denen er drei als zu verwerfende identifizierte: „...die Idee der „Power“ (Macht), der Glauben, das Unbewußte sei positiv und der Glaubenssatz, daß alle gewünschten Zustände (desired states) auch wünschenswert seien.“ (NLP-Aktuell, MULTIMIND 3/1995, S.15) Zugleich forderte er, die Rolle der Ökologie klarer zu definieren, und vernünftige Normen zur ihrer Meßbarkeit zu ersinnen. Da es bis heute keine kanonisierte Fassung der Vorannahmen gibt (ein wesentlicher erkenntnistheoretischer Kritikpunkt), hat Woodsmall auf grundlegende Selbstdarstellungen im Rahmen der NLP-Szene Bezug genommen, z.B. den Buchtitel „Unlimited Power“ von Anthony Robbins.

Damit war kurzfristig eine Diskussion einzelner NLP-Vorannahmen möglich. Wie empfindlich der Bereich der Vorannahmen ist, zeigt allerdings der Sachverhalt, daß es auf diese Gedankenanstösse Woodsmalls gerade innerhalb der NLP-Szene kaum inhaltlich weiterführende Resonanz gab. Von einer umfassenden Diskussion seiner Anfragen mit entsprechenden Folgen für die Theoriebildung des NLP ist nur punktuell etwas zu bemerken. Die bisher auf der Diskussionsebene der Zeitschrift NLP-Aktuell MULTIMIND erfolgten Reaktionen zeigen einen eher apologetischen Charakter: Es folgte ein Artikel von H.Raab, die seine markanteste Zuspitzung in dem Appell „AD FONTES“ hat: Laßt uns nur richtig(!) an den NLP-Vorannahmen festhalten, die einen liebevollen und aufbauenden Geist in sich tragen! „Viel wichtiger noch scheint mir zu sein, daß wir als Anwender uns zu diesem Geist bekennen... Letztlich zählt immer, wie wir als Personen unseren Mitmenschen gegenübertreten, wie wir anderen gegenüber NLP „verkörpern“.“ (NLP-Aktuell, MULTIMIND 4/1995, S.53) Gegen diese Argumentation spricht schon, daß gerade die Überzeugungskraft der Vorannahmen gegen Woodsmalls Infragestellung derselben ins Feld geführt, d.h. mittels eines Zirkelschlusses eine Lösung angeboten wird, die sich selbst Vorannahme und Begründung ist. Auch hier wird, ohne es explizit zu benennen, die Instanz für die angemessene Anwendung eines „neutralen“ NLP in den entsprechenden Anwender hineinverlegt. Weitsichtig scheint mir der Leserbrief von K.Fontaine, (NLP-Aktuell, MULTIMIND 4/95, S.55), die in ihren Ausführungen zugleich Konsequenzen für eine gestreckte und in jedem Fall auch personbezogene NLP-Ausbildungspraxis ableitet. In einem Leserbrief (NLP aktuell 1/1996, S.60f) werden die Anfragen Woodsmalls sogar als Mißverstehen des NLP interpretiert. Er nehme eine der Grundannahmen, die Trennung von Verhalten und Absicht, nicht konsequent genug ernst. Zudem unterschätze er einen konsequent durchgeführten Ökologiecheck, d.h. ein exakte Überprüfung der Sozial- und eigenverträglichkeit persönlicher Ziele. Wie sehr W.Woodsmall sich durch seinen Beitrag zum Enfant terrible der NLP-Szene gemacht hat, zeigt eine Stellungnahme von Dr.Jürgen Leistikow in dem Artikel „Quo vadis NLP-Anwender?“(NLP-Aktuell, MULTIMIND 3/1996, S.28-33). Doch auch er wird der weitreichenden Fragestellung von Woodsmall durch seine, inhaltlich in weiten Teilen zwar ansprechenden, persönlichen NLP-Positionsbestimmungen nicht gerecht. Vielmehr bleibt er in der Quintessenz seiner Argumentation, wie viele andere auch, bei dem Status quo der Vorannahmen, dem NLP-Werkzeug-Gedanken stehen.

Überzeugende Ausnahmen sind die Ausführungen von F.A. Pesendorfer (NLP-Aktuell, MULTIMIND 3/1996, S. 25-27), der ein hohes Maß an Reflexion und Selbsterfahrung vom NLP-Anwender und grundlegende Theoriebildung anmahnt; ebenso die grundsätzlicher gehaltene „Visionsorientierte Veränderungsarbeit“ von Annegret Hallanzy (1997), sowie der Appell, scheinbare Superlativen durch Realismen zu ersetzen, um in Theorie und Praxis dem Anspruch von Integrität und Glaubwürdigkeit gerecht zu werden (Schnorrenberg 1997).

Zusammenfassend läßt sich die Frage nach Ethik im NLP und den ethischen Kriterien von NLP-Anwendern vorab in zwei Bereiche aufteilen:

A. Die Diskussion mit Vertretern anderer, insbesondere therapeutischer Schul-, bzw. Denkrichtungen. Ohne die jeweilige Berechtigung hier zu diskutieren, kann man zusammenfassen, daß insbesondere kritisiert wird:

- der mangelnde Forschungsstand, insbesondere die fehlende Validität der behaupteten Aussagen,
- willkürliche Methodenmischung mit mangelnder Theoriereflexion,
- natürlich auch manipulative Tendenzen in der Anwendung, sowie
- die reißerische Selbstdarstellung und aggressive Verkaufspolitik.

Nach persönlichen Erfahrungsberichten und entsprechenden Veröffentlichungen zu schließen, scheinen einige der Vorwürfe, besonders im Blick auf die Qualifikation der Anwender, durchaus Berechtigung zu haben (vgl. „NLP: Ein Erlebnisbericht“, von Britta Möller; EZW-Texte,Impuls Nr.40, I/1995).

B. Die Diskussion im NLP-Binnenraum:

Ein Blick durch die NLP-Veröffentlichungen und die Arbeitsfelder des Dachverbandes DVNLP zeigt, wie sehr Einigkeit darüber besteht, wie dringend eine Klärung von Menschenbild und Weltbild im NLP wäre, aus der heraus ethische Kriterien für die Anwendung von NLP herausgearbeitet werden könnten. Damit könnte deutlich gemacht werden, wie weit NLP gehen will und kann und wo definierte und offen ausgewiesene Grenzen sind, hinter denen Scharlatanerie oder die oft angemahnte Manipulation beginnt. Gerade die NLP-interne Diskussion um Wirken und Erscheinungsbild des einen NLP-Begründers Richard Bandler und dessen negativen Einfluß auf das Selbstbild von NLP, zeigen, wie sehr „in der Szene“ um allgemeinverbindliche ethische Standards und Kriterien gerungen wird (Leserbriefe in NLP-Aktuell, MULTIMIND 1,2,4/1995, 2/1996). Derzeit wird der Schwerpunkt ethischer Kriterienfindung allerdings auf die Erarbeitung und Verbindlichmachung von allgemeingültigen NLP-Ausbildungsstandards gelegt (vgl. NLP-Aktuell, MULTIMIND 2/1996, S.62)

Dieser zurecht von praktischen Notwendigkeiten und Erfordernissen ausgehende Impuls benötigt aber zugleich, die dem NLP-Modell inhärente Ethik herauszuarbeiten und daraus einen Rahmen kenntlich zu machen, außerhalb dessen das Wirken eines Anwenders schlicht und einfach nicht mehr durch den Titel NLP gedeckt wird.

Diese kurze Status quo-Beschreibung des „Phänomens NLP“ aus drei Perspektiven:

- der, des interessierten, ratsuchenden Fragers,
- der, des NLP-kritisch ablehnenden Gegners, sowie
- der, des „in der Szene und Terminologie des NLP Etablierten“

zeigt deutlich, wie überfällig ein klar reflektiertes Theoriefundament für das NLP-Modell ist, um Diskussions- und Glaubwürdigkeit dieses Modells zu gewährleisten und damit auch (jedoch nur im gegebenen Fall!) seinen Fortbestand und die Weiterentwicklung zu unterstützen.

3. Analyse der Wertmaßstäbe des NLP-Modells

Um diesem Ziel näher zu kommen wird das NLP-Modell hier auf seine innere Konsequenz und, soweit in diesem Rahmen möglich, auf seine impliziten und expliziten Fundamente und Wurzeln hin untersucht. So werden in der Folge, neben den explizit geäußerten, auch die impliziten ethischen Kriterien des NLP-Modells sichtbar. In der Weiterführung sollen diese Kriterien ihre Fundamente im NLP-Modell selbst haben und unabhängig vom einzelnen Anwender deutlich machen, womit man es bei NLP zu tun hat. Inwieweit sich durch diese Schritte der Theoriebildung Veränderungen im NLP-Modell selbst ergeben, wird sich in den weiteren Ausführungen zeigen.

3.1. Erkenntnistheoretischer Ausgangspunkt der Untersuchung

Um der wissenschaftlichen Transparenz willen, werden zu Beginn die eingenommene Perspektive und der erkenntnistheoretische Hintergrund benannt. Durch diesen Schritt wird der Erkenntnisweg transparent gemacht. Dies ist notwendig, da meines Erachtens Forschung gesellschaftlich gebunden und damit interessegeleitet, außerdem nicht objektiv oder neutral, sondern immer gesellschaftlich bedingte, sinnlich vermittelte, subjektive Konstruktion ist (vgl. Kriz et al. 1987, insbesondere S.43 und S.104):

Der radikale Konstruktivismus mit seiner Kybernetik zweiter Ordnung ist der erkenntnistheoretische Ausgangspunkt. Für diese erkenntnistheoretische Position stehen die Veröffentlichungen von Humberto Maturana und Francisco Varela, Ernst v. Glaserfeld, Heinz von Foerster (vgl. die beiden Aufsatzsammlungen von Schmidt 1987 u.1992). Von diesem Fundament aus werden zentrale Aussagen zur Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen aus der Kognitionstheorie, und der handlungstheoretische Ansatz von Miller, Pribram & Galanter (Miller et al. 1973) mit herangezogen. Sehr kurz zusammengefaßt heißt das:

- Der Mensch nimmt mittels seiner Sinne wahr.
- Mittels dieser Wahrnehmungen konstruiert er sich eine aktuelle Repräsentation der Wirklichkeit (Kognitionen). Der Mensch ist somit ein „Hypothesen generierendes und prüfendes Subjekt“ (Kriz et al. 1987). Dies geschieht allerdings dadurch, daß der Mensch sich selbst mittels seiner eigenen Wahrnehmungsfähigkeit wahrnimmt, d.h. rückbezügliche (in sich selbst verankerte) Entwürfe macht (Schmidt 1987, in (Hg) Schmidt, besonders S.13-48).
- Durch Kommunikation mit anderen, ebenfalls sich und ihre Wirklichkeit entwerfenden Menschen, entsteht eine soziale Wirklichkeit. (In dieser Frage besteht weitgehend Einigkeit über die Aussage der Sozialität des Menschen. Die Lösungsvorschläge dies konzeptionell zu erfassen gehen aber innerhalb des radikalkonstruktivistischen Diskurses verschiedene Wege, vgl. Schmidt: a.a.O., S.9-19).
- Damit ist menschliches Erkennen und darin begründetes Handeln immer subjektabhängig und somit interessegeleitet. Nach Groeben und Scheele haben das Wissen und die Erkenntnisse des einzelnen Menschen ihren Maßstab im Regulativ des interpersonellen Diskurses (Kriz et al. 1987, S.57)
- Aus diesen Vorgaben folgt, daß eine Trennung von Psyche und Soma der Sicht des Menschen nicht gerecht wird. Der Mensch ist vielmehr eine handelnde, psychosomatische Ganzheit, die sich in zirkulären Prozessen der Kognitionsbildung selbst generiert: „Meine These ist, daß das Ich ein in hochkomplexen, selbstreferentiell organisierten kognitiven System notwendig auftretendes Phänomen ist...Einige der Zustände des gesamten Systems erhalten auf besondere Weise eine Hervorhebung, die wir als Bewußtsein erfahren, oder besser: die wir selbst sind.“ (Roth 1987, S.250f, in Schmidt 1987)
- Über die autopoietische Subjektbildung hinaus gewinnt der Mensch sein Personsein in der Gemeinschaft, deren Teil er ist, die ihn über ein ICH hinaus als DU, als Gegenüber erkennt und anerkennt. (Die Sozialität des Menschen ist eine im Radikalen Konstruktivismus stark betonte Komponente des Menschseins. Vgl. z.B. Maturana 1992, S.299-302, in Schmidt 1992)
- Der Mensch ist auf die Zukunft bezogen, d.h. er handelt durch fortlaufende Wirklichkeitskonstruktion, und wirkt damit in seinem gegenwärtigen Kontext aktiv auf seine antizipierte Zukunft hin, deren Wirklichkeit er wieder nur je und je aktuell gegenwärtig erfahren kann (Roth 1987, S.252-254, in Schmidt 1987)

Nachdem der erkenntistheoretische Ausgangspunkt dargelegt ist, wird von hier aus zuerst die Frage gestellt, ob NLP ein in sich selbst logisches und konsequent durchgehaltenes Konstrukt ist. Wenn dem so ist, dann sind die NLP-internen Ziele auf ihren impliziten ethischen Gehalt hin zu hinterfragen und diesen gilt es dann ggf. auszuweisen und sodann als Meßlatte an die Praxis des NLP anzulegen. Wenn dem nicht so ist, bedarf das NLP vor diesem Schritt einer Überarbeitung seiner Vorannahmen.

3.2 Inkonsequenzen im urprünglichen NLP-Modell

Die Anfrage von Woodsmall nach NLP-inhärenten Faktoren für mißbräuchliche Anwendung, trifft meines Erachtens den Kern aller Anfragen an das NLP, macht doch schon seine Fragestellung völlig berechtigt deutlich, daß die Vorstellung einer Neutralität des „Werkzeugs NLP“ unangemessen und in den Folgen unkalkulierbar gefährlich ist. Von daher wird berechtigt gewarnt vor geschichtsloser Weltsicht und grenzenloser Expansion als inadäquaten Basismetaphern: „Die win-win-Formel als ethische Dimension verkommt, wenn das deklarierte Handlungsziel „victory“ ist.“ (Schnorrenberg, NLP-Aktuell, MULTIMIND 3/1995). Im folgenden soll zuerst gezeigt werden, wo die logischen Ungereimtheiten und unbenannten Implikationen innerhalb des NLP-Modells zu der Vorstellung einer scheinbaren Neutralität und Wertfreiheit führten.

Die erste Inkonsequenz liegt in den Schlußfolgerungen aus den konstruktivistischen Vorgaben, bzw. den Inkonsequenzen in deren Durchführung. Grundlage des NLP-Modells ist folgende Aussage: „Die Wirklichkeit als solche ist vom Menschen nicht objektiv, sondern nur subjektiv mit Hilfe kognitiver Repräsentationen (Modelle), im NLP sog. Landkarten, erkennbar und denkbar. Jeder Mensch hat sein eigenes Modell der Wirklichkeit, mit dessen Hilfe er sein Verhalten organisiert“ (Weerth 1992, S.25). Wesentlich an dieser Formulierung sind die Ausführungen zu den Bedingungen der Möglichkeit menschlichen Erkennens. Sehr wohl postulieren die NLP-Begründer eine Beobachterabhängigkeit, folgern dann jedoch den Rest ihrer Ausführungen mittels linearer Kausalketten eines quasi-neutralen Beobachters. In keiner Weise werden Reflexionen zu beobachterabhängigen Vorannahmen, Voraussetzungen und Zielen des NLP-Modells explizit benannt (Die Schnittstelle für den logischen Rückschritt auf das „alte“ Wissenschaftsmodell ist explizit zu finden bei Dilts et al.1994, S.30-32).

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832444662
ISBN (Paperback)
9783838644660
DOI
10.3239/9783832444662
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2001 (September)
Schlagworte
ethik konstruktivismus menschenbild
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