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Die Informatisierung von Gesellschaft und Wirtschaft und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen am Beispiel des Online-Journalismus

©2001 Diplomarbeit 162 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Gang der Untersuchung:
Der Weg in die Informationsgesellschaft ist gekennzeichnet durch den Prozess der Informatisierung. Mit Informatisierung ist der Prozess der Entwicklung und Verbreitung der IuK-Technologien gemeint.
Dementsprechend soll die Auswirkung der Informatisierung auf die Gesellschaft, und ihre Teilbereiche Wirtschaft und Arbeit dargestellt werden. Die Veränderungen werden anschließend im Kapitel 6 Infodealer am Beispiel des Online-Journalismus veranschaulicht. Nach einem theoretischen Überblick über die Entwicklung des Begriffs der Informationsgesellschaft, der Darstellung des empirisch fassbaren Wandels in den einzelnen Teilbereichen und einer Einführung des Wissens- und Informationsbegriffs (Kapitel 2) folgt im zweiten Teil der Arbeit eine Diskussion über den Wandel in den gesellschaftlichen Teilbereichen (Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeit, Kapitel 3-5).
In Kapitel 3 soll herausgearbeitet werden, was die technologischen Entwicklungen für die Gesellschaft bedeuten: Wird eine tiefe Kluft entstehen zwischen Wissenden und Nichtwissenden, Jung und Alt, technikversiert oder nicht? Droht der Gesellschaft eine Digitale Spaltung? In Kapitel 4 geht es um die wirtschaftlichen Veränderungen, die bedingt sind durch Globalisierung, Tertiärisierung und Informatisierung.
Gibt es die New Economy? Welche Aspekte hat die Internetökonomie, funktionieren Märkte nach neuen Mechanismen, wenn ja nach welchen? Die Veränderungen der Wirtschaft werden dementsprechend in Bezug auf die Arbeitsbeziehungen dargelegt.
Diese Aspekte werden in Kapitel 5 erörtert. Kommt es aus Rationalisierungsgründen zu einem massiven Arbeitsplatzabbau oder bringt die Informationsgesellschaft das erhoffte Beschäftigungswunder? Auch hier gibt es Gewinner und Verlierer und entsprechende Anforderungen an die jeweiligen Akteure.
Die im Theorieteil (Kapitel 2) herausgearbeitete Wissenszentrierung aller gesellschaftlichen Teilbereiche und der Wandel der Arbeitswelt führt zu dem Ergebnis, dass künftig der kompetente Umgang mit IuK-Technologien und das Filtern von Informationen zunehmende Bedeutung erfährt.
Dies soll exemplarisch im sechsten Kapitel am Beispiel des Online-Journalismus dargestellt werden. Unter der Überschrift Infodealer soll zum einen die Zentralität von hochwertigen Informationen anhand von Online-Publikationen deutlich gemacht und gleichzeitig ein Berufsprofil vorgestellt werden, das charakterisiert ist durch die Sammlung, Bewertung und Präsentation […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4362
Bertram, Eva: Die Informatisierung von Gesellschaft und Wirtschaft und ihre Auswirkungen auf
die Arbeitsbeziehungen am Beispiel des Online-Journalismus / Eva Bertram - Hamburg:
Diplomica GmbH, 2001
Zugl.: Bochum, Universität, Diplom, 2001
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2
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil - Einführung...4
1.
Einleitung ...4
1.1
Thematik ...5
1.2
Fragestellung der Arbeit und kurze Vorschau...7
2.
Theorie zur Informationsgesellschaft ...9
2.1
Informationsgesellschaft - Theorie ...10
2.1.1
,,Information economy"-Ansatz...11
2.1.2
Die postindustrielle Gesellschaft nach Bell ...12
2.1.3
Stadientheorien ...14
2.1.4
Zusammenfassende Kritik und eigene Definition ...16
2.2
Informatisierung ...21
2.2.1
,,Harter" Faktor: Technischer Wandel...21
2.2.2
,,Weicher" Faktor: Gesellschaftlicher Wandel...24
2.3
Information und Wissen als neuer Rohstoff...26
2.3.1
Unterscheidung zwischen Information und Wissen...26
2.4
Fazit: Die Informationsflut und ihre Reduktion ...29
Zweiter Teil ­ Informatisierung...33
3.
Soziokulturelle Auswirkungen der Informatisierung...34
3.1
Werte und Menschenbild...35
3.1.1
Normen ­ Werte ­ Kommunikation...35
3.1.2
Der vagabundierende homo connetcus ...40
3.2
User und Loser ­Chancen und Risiken ...40
3.2.1
Risiken ...40
3.2.2
Chancen...43
3.2.3
Neue soziale Ungleichheiten ­ Theorie ...44
3.2.4
Digitale Spaltung ­ Empirie ...47
3.3
Kollektive und Individuelle Anforderungen...51
3.4
Fazit: Vereinsamung vs. Zugehörigkeit ...56
4.
New or Old? ­ die Next Economy ...59
4.1
New or Old Economy? ...60
4.2
Die Next Economy ...62
4.3
Kundenbindung ­ E-Loyality ...69
4.3.1
Subjektive Barrieren ...70
4.3.2
Erfordernisse...71
4.4
Fazit: Neue wirtschaftliche Spielregeln...74
5.
Informatisierung der Erwerbsstrukturen...76
5.1
Aspekte der Informatisierung der Arbeitswelt ...77
5.1.1
Flexibilisierung...79
5.1.2
Wissenszentrierung...85
5.1.3
Chancen, Risiken, Anforderungen...89
5.2
Fazit: Das Ende der Arbeit oder Arbeit ohne Ende? ...93
Dritter Teil ­ Die Praxis ...100
6.
Die Infodealer...100

3
6.1
Charakteristika der Online-Zeitung...103
6.1.1
Merkmale von Online-Zeitungen im Vergleich zum Print-Produkt .103
6.1.2
Allgemeine Entwicklung von Online-Zeitungen...110
6.1.3
Fazit Online-Zeitungen ...119
6.2
Der Online-Journalist ...120
6.2.1
Aufgaben und Eigenschaften des Online-Journalisten:...121
6.2.2
Neue Berufsbilder im Journalismus: ...126
6.3
Die Online-Leser ...127
6.4
Fazit: Infodealer als zentrale Wissens-Protagonisten ...129
Vierter Teil ­ Zusammenfassung und Formalien ...135
7.
Zusammenfassender Ausblick ...135
7.1
Zusammenfassung...135
7.2
Diskussion der Ergebnisse...136
7.3
Ausblick ...140
8.
Anhang ...142
9.
Formalien ...144
9.1
Literatur...144
9.2
Zeitungen/Zeitschriften/etc. ...152
9.3
,,Linkografie": ...153
9.4
Abkürzungen und zu erklärende Wörter ...153
9.5
Abbildungsverzeichnis ...154
Diese Arbeit ist so aufgebaut, dass zu jedem Kapitel einleitend Fragen gestellt
werden, die am jeweiligen Ende beantwortet werden. Dies soll die Lesbarkeit
erleichern und für mehr Übersicht sorgen. Dementsprechend kann man den Inhalt
auch als Kurzversion lesen, indem man nur die jeweiligen Fragen und Antworten zu
den Kapiteln liest.
Inhaltsverzeichnis der zusammenfassenden Antworten:
Fragen und Antworten zu den Theorien der Informationsgesellschaft ...32
Fragen und Antworten zu den soziokulturellen Folgen der Informatisierung ...58
Fragen und Antworten zur Next Economy ...75
Fragen und Antworten zu den Erwerbs- und Unternehmensstrukturen...99
Fragen und Antworten zu den Infodealern...134

Erster Teil: Einführung Einleitung
4
Erster Teil - Einführung
1. Einleitung
,,Die Luft ist nicht mehr schwarz von Industrieabgasen, Arbeiter und Maschinen sind
nicht mehr von Ruß und Schmiere bedeckt. Das Fauchen der Hochöfen und das un-
ablässige Hämmern riesiger Maschinen sind nur noch als fernes Echo zu hören. Statt
dessen vernehmen wir das sanfte Surren der Computer, die über ihre Schaltkreise
und Datenpfade Informationen weitergeben und die Gaben der Natur in ein Füllhorn
von Gütern verwandeln"
(Rifkin 1995, 127).

Erster Teil: Einführung Einleitung
5
1.1 Thematik
Der Begriff ,,Informationsgesellschaft" hat in den vergangenen Jahren eine fast inflati-
onäre Entwicklung erlebt. Obwohl die Bezeichnung schon in den 60er Jahren entwi-
ckelt wurde, um ­ vor allem den weltwirtschaftlichen ­ Wandel zu beschreiben, ist er
erst in den vergangenen zehn Jahren in den sozialwissenschaftlichen Fokus gerückt.
Jetzt gehört er auch zum common sense im Sprachgebrauch der 90er Jahre, in ir-
gendeiner Form kann jeder etwas mit dem Begriff der Informationsgesellschaft anfan-
gen. Und der Ausdruck irgendeine Form ist dabei der Kern des Problems: Denn der
Begriff der Informationsgesellschaft wird verwendet, um ganz verschiedene Tatbe-
stände zu beschreiben, selten entsprechend eingegrenzt und nun auch im allgemei-
nen Sprachgebrauch als Synonym für moderne Gesellschaften per se benutzt. ,,Wie
ein sich selbst erklärendes ,Allzweck-Etikett' muss der Terminus Informationsgesell-
schaft dort herhalten, wo es Diagnosen an Schlüssigkeit mangelt, wo von Analyse auf
Prognose umgeschaltet wird. Geradezu verblüffend ist die Unbekümmertheit, mit der
die Diskrepanz zwischen der Tragweite des Begriffs und seiner definitorischen Un-
schärfe im jeweiligen Verwendungszusammenhang hingenommen wird, sowohl in
den Medien als auch in Teilen des Wissenschaftsbetriebes, von den Verfechtern einer
Informationsgesellschaft wie auch partiell von ihren Kritikern" (Hauf 1996, 11). Oliver
Hauf spricht von ,,definitorischem Brachland" (ebd., 70), Helmut Spinner sogar von ei-
ner ,,Eintopfauffassung der Informationsgesellschaft" (Spinner 1986, 100).
Aber was bedeutet Informationsgesellschaft? Lässt sie sich messen? Wodurch zeich-
net sie sich aus? Sind wir auf dem Weg oder leben wir schon in ihr? Wollen wir sie
und können wir sie überhaupt wollen?
Und wieso ist dieser Begriff Informationsgesellschaft gerade in der heutigen Zeit in al-
ler Munde? Sie scheint sich durch spezifische Kommunikationstechniken und die Art
der Informationsübertragung auszuzeichnen. Das ist jedoch prinzipiell kein Spezifikum
des 20. und 21. Jahrhunderts. Welche Bedeutung haben E-mail und Mobiltelekom-
munikation angesichts der Fackeltelegraphen der Griechen, der Volkszählung mit Hil-
fe des Rechenbrettes zur Zeit des Aristoteles, der Feuersignale der Japaner und der
Botenläufer der Inkas? Auch hier ging es um die Sammlung, Speicherung, Verarbei-
tung und den Transport von Informationen.
So gesehen war jede Gesellschaft auch immer eine Informationsgesellschaft, nur
dass jetzt Rauchzeichen, Buschtrommeln und Brieftauben durch Bits und Bytes er-
setzt werden. Der Begriff verliert seine Trennschärfe.
,,Von einer solchen Sichtweise her erscheint es banal, heutzutage von der ,Wichtigkeit
von Informationen für die Gesellschaft' oder einer ,Informationsgesellschaft' zu spre-
chen, da letzterer Begriff in gewisser Weise eine universelle Anwendung auf alle Ge-
sellschaften in allen Zeiten findet" (vgl. Streit 1993, 53 u. Kleinsteuber 1996). Kulturen
gründen seit jeher auf Wissen, Technik und Kommunikation. Das ist nichts Neues.
Zum anderen ist die Formulierung der Informationsgesellschaft nicht der einzige Ver-
such, moderne westliche Gesellschaften zu beschreiben und das Konzept der kapita-
listischen Industriegesellschaft abzulösen bzw. zu aktualisieren. Achim Bühl meint ei-
ne neue Kontinuität zu erkennen. ,,Angesichts der Tiefe des sich abzeichnenden sozi-

Erster Teil: Einführung Einleitung
6
alen Wandels wird in der Soziologie in zunehmendem Maße wieder über Gesellschaft
als Ganzes gesprochen. Nachdem der Gesellschaftsbegriff in den letzten Jahren ver-
loren zu gehen schien, erlebt er zur Zeit eine Art Renaissance" (Bühl 1996a, 159).
Der Begriff der Informationsgesellschaft steht damit in Konkurrenz zu anderen z.T.
populären Ansätzen, mit deren Hilfe versucht wird, den sozialen Veränderungen einen
Namen zu geben. Beispielhaft genannt seien hier:
Abbildung 1: Gesellschaftstypen
Dienstleistungsgesellschaft
Fourasié, 1949
Postindustrielle Gesellschaft
Bell, 1970
Risikogesellschaft
Beck, 1986
Kommunikationsgesellschaft
Schulz, 1990
Erlebnisgesellschaft
Schulze, 1992
Multioptionsgesellschaft
Gross, 1994
Virtuelle Gesellschaft
Bühl, 1996
Weltgesellschaft
Rost, 1996
Netzwerkgesellschaft
Castells, 2000
Quelle: eigene Darstellung
Je nach Ansatz werden unterschiedliche soziale Aspekte und Entwicklungen in den
Vordergrund gestellt. Durch die jeweilige Namensgebung soll verdeutlicht werden,
dass das Gesellschaftslabel Auswirkungen in allen gesellschaftlichen Funktionsberei-
chen hat. Diese Teilsysteme sind beispielsweise: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und
das soziale Zusammenleben.
Woran genau kann nun die Informationsgesellschaft festgemacht werden? Können
Komponenten wie Technikentwicklung und Informationsübertragung und -zugang
heute so prägend sein für ganze Gesellschaften, dass sie danach benannt werden
können?
Der Unterschied zu früheren Zeiten ist wohl zum einen in der schnellen globalen
Verbreitung und Nutzung dieser ,,neuen" Techniken zu sehen. Nie gab es Informatio-
nen in der derzeitigen Dichte, der Zugang zu ihnen war noch nie so einfach und In-
formationsübermittlung noch nie so schnell.
Der zweite Unterschied besteht darin, dass die Fortentwicklung von Wirtschaft, Tech-
nik und Gesellschaft zunehmend durch die Herstellung, Umsetzung und Verbreitung
von Information und Wissen erfolgt, und diese so zu determinierenden Produktions-
faktoren werden. Damit prägen sie auch Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeit. In die-
sem Sinne soll zunächst der Begriff der Informationsgesellschaft verstanden werden.
1
So gesehen weist die Informationsgesellschaft zwei Komponenten auf. Auf der einen
Seite stehen die technologischen Entwicklungen und ihre Verbreitung, die im Folgen-
den Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) genannt werden. Damit
sind alle technischen Einrichtungen, Anlagen und Geräte gemeint, die Daten be- und
verarbeiten, Leitungs- und Verbindungsnetze, die der Übermittlung von Daten dienen
sowie verschiedene Übermittlungsdienste. Der Begriff umfasst demnach Computer-
technik, Mikroelektronik, Unterhaltungselektronik, Nachrichtentechnik, Industrieelekt-
ronik und Bürotechnik und die Vernetzung derselben.
1
auf die genaue Theorie und Definition wird ausführlich in Kapitel 1 eingegangen

Erster Teil: Einführung Einleitung
7
Hier geht es vor allem um erweiterte Kommunikationsmöglichkeiten durch Verschmel-
zung von bisher getrennten Medien. Die Grenzen zwischen Text und Bild, zwischen
Sprache und Film brechen auf, Print verschmilzt mit Video, Audio und Grafik zu Mul-
timedia. Neu ist eine Art Interaktivität, in der das Individuum die Auswahl seiner Infor-
mationen mehr denn je selbst steuern kann (und muss). Flaggschiff dieser Entwick-
lung ist das Internet
2
. Die Vermittlung von Wissen erfolgt multidimensional und wird
gleichzeitig als Grundlage der Wissensgesellschaft gesehen. Parallel dazu ist die
Verbreitung der Informationstechniken in den privaten Haushalten in den letzten Jah-
ren kontinuierlich gestiegen.
3
Neben den technologischen Komponenten, die als harter Faktor, als eine Art Unter-
bau der Entwicklung zu sehen sind, gibt es noch die Frage nach den gesellschaftli-
chen Folgen und Herausforderungen (um in der Terminologie zu bleiben: den wei-
chen Faktoren und dem gesellschaftlichen Überbau): Wie verändern die Neuen Me-
dien unser soziales Zusammenleben und die Arbeit? Welchen Einfluss hat die zu-
nehmende Nutzung digitaler Technologie in Bildung, Erziehung, Gesundheit und Un-
terhaltung auf die Wirtschaft, die soziale Ordnung und den sozialen Umgang unter-
einander?
In der theoretischen Debatte werden oft polarisierende Thesen vertreten. Einerseits
wird euphorisch eine schöne neue Welt proklamiert. Demgegenüber stehen fast apo-
kalyptische Befürchtungen. Die eigene Positionierung wird somit fast zur Gesinnungs-
frage. Da stehen Internet-Shopping und E-Commerce dem Erlebniseinkauf gegen-
über, Telearbeit tritt an gegen standortgebundene Großraumbüros. Während die ei-
nen die multiglobale Kommunikation ausrufen, befürchten andere die Vereinzelung
des Individuums. Die grundlegende Frage lautet: Wer sind die Gewinner und Verlie-
rer, die User und Loser?
Diese und andere Fragen sollen in der vorliegenden Arbeit erarbeitet werden. Dabei
werden die technischen Entwicklungen (die ,,harten" Faktoren) nur kurz angerissen,
vielmehr findet eine Konzentration auf die ,,weichen" sozialen Faktoren statt.
1.2
Fragestellung der Arbeit und kurze Vorschau
Der Weg in die Informationsgesellschaft ist gekennzeichnet durch den Prozess der In-
formatisierung. Mit Informatisierung ist die Entwicklung und Verbreitung der IuK-
Technologien gemeint. Dementsprechend soll in der vorliegenden Arbeit die Auswir-
kung der Informatisierung auf die Gesellschaft, und ihre Teilbereiche Wirtschaft und
Arbeit dargestellt werden. Die Veränderungen werden anschließend im Kapitel 6 Info-
dealer am Beispiel des Online-Journalismus veranschaulicht.
Nach einem theoretischen Überblick über die Entwicklung des Begriffs der Informati-
onsgesellschaft, der Darstellung des empirisch fassbaren Wandels in den einzelnen
Teilbereichen und einer Einführung des Wissens- und Informationsbegriffs (Kapitel 2)
folgt im zweiten Teil der Arbeit eine Diskussion über den Wandel in den gesellschaftli-
chen Teilbereichen (Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeit ­ Kapitel 3-5).
2
siehe Exkurs: Geschichte und Bedeutung des Internet in Kapitel 2.2.1
3
Zahlen hierzu, siehe Kapitel 2

Erster Teil: Einführung Einleitung
8
In Kapitel 3 soll herausgearbeitet werden, was die technologischen Entwicklungen für
die Gesellschaft bedeuten: Wird eine tiefe Kluft entstehen zwischen Wissenden und
Nichtwissenden, Jung und Alt, technikversiert oder nicht? Droht der Gesellschaft eine
Digitale Spaltung? In Kapitel 4 geht es um die wirtschaftlichen Veränderungen, die
bedingt sind durch Globalisierung, Tertiärisierung und Informatisierung. Gibt es die
New Economy? Welche Aspekte hat die Internetökonomie, funktionieren Märkte nach
neuen Mechanismen, wenn ja nach welchen? Die Veränderungen der Wirtschaft wer-
den dementsprechend in Bezug auf die Arbeitsbeziehungen dargelegt. Diese Aspekte
werden in Kapitel 5 erörtert. Kommt es aus Rationalisierungsgründen zu einem mas-
siven Arbeitsplatzabbau oder bringt die Informationsgesellschaft das erhoffte Beschäf-
tigungswunder? Auch hier gibt es Gewinner und Verlierer und entsprechende Anfor-
derungen an die jeweiligen Akteure.
Die im Theorieteil (Kapitel 2) herausgearbeitete Wissenszentrierung aller gesellschaft-
lichen Teilbereiche und der Wandel der Arbeitswelt führt zu dem Ergebnis, dass künf-
tig der kompetente Umgang mit IuK-Technologien und das Filtern von Informationen
zunehmende Bedeutung erfährt. Dies soll exemplarisch im sechsten Kapitel am Bei-
spiel des Online-Journalismus dargestellt werden. Unter der Überschrift Infodealer soll
zum einen die Zentralität von hochwertigen Informationen anhand von Online-
Publikationen deutlich gemacht und gleichzeitig ein Berufsprofil vorgestellt werden,
das charakterisiert ist durch die Sammlung, Bewertung und Präsentation von Informa-
tionen. Es geht um folgende Fragen: Wie unterscheidet sich eine Online-Zeitung vom
Print-Produkt? Welche Anforderungen ergeben sich dadurch für den Journalisten?
Verliert der Journalist angesichts der Tatsache, dass alle Informationen zu jeder Zeit
im Internet zugänglich sind, seine Funktion? Verlieren Print-Produkte ihre Leser-
schaft? Und: Wie kann die Pressemoral der Kommerzialisierung der Netz-Inhalte
standhalten?
Zusammenfassend werden Strategien erörtert, die notwendig sind, um eine drohende
Digitale Spaltung der Gesellschaft zu vermeiden.

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
9
2. Theorie zur Informationsgesellschaft
,,Es ist nicht genug zu wissen, man muss es auch anwenden"
(Goethe).
,,Jeden Tag muss man von dem Naturrecht, Millionen Dinge nicht zu erfahren, erneut
Gebrauch machen"
(Peter Sloterdijk).
,,Reich ist wer weiß"
(unbekannter Autor).
,,Man sieht nur was man weiß"
(unbekannter Autor).
Fragen zur Theorie der Informationsgesellschaft
1. Woran kann der Begriff der Informationsgesellschaft festgemacht werden?
2. Woran kann die Informatisierung der Gesellschaft festgemacht werden?
3. Wodurch bekommen Information und Wissen eine so hohe Bedeutung in der
Informationsgesellschaft?
4. Was bedeutet ,,Informationsflut", und wie kann damit umgegangen werden?

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
10
2.1
Informationsgesellschaft - Theorie
Um mit dem Begriff der Informationsgesellschaft arbeiten zu können, sollen zunächst
seine theoretischen und praktischen Determinanten beschrieben werden. Dabei geht
es um die wichtigsten theoretischen Ansätze, die technischen und sozialen Bedin-
gungen der Informatisierung und die Bedeutung von Information und Wissen als neu-
er Rohstoff und Produktionsfaktor. Abschließend wird das Dilemma der Informations-
überflutung diskutiert.
Alle theoretischen Erklärungen zur Informationsgesellschaft stimmen grundsätzlich
darin überein, dass Informationen und dadurch Wissen bedeutsamer werden, und
zwar als Produktionsfaktor und Konsumgut, als Kontroll-, Herrschafts- und Steue-
rungsmittel (vgl. Bühl 1997, 33).
Dabei gilt in den meisten Theorieansätzen vor allem die sektorale Verschiebung als
entscheidender Hinweis für die Existenz der Informationsgesellschaft. Wurde in den
70er Jahren die Entstehung der Dienstleistungsgesellschaft behauptet, die die Indust-
riegesellschaft ablöst, so wurde dieser Ansatz spätestens in den 80er Jahren als The-
orie der Informationsgesellschaft erweitert. Hier werden die ,,Informationsarbeiter" im
Vergleich zu den in den anderen Sektoren Beschäftigten gezählt, und der Anteil der
Informationsindustrie am Bruttosozialprodukt. Dabei herrscht Uneinigkeit darüber, ob
die Informationsgesellschaft als Facette in die Dienstleistungsgesellschaft eingeht,
oder darüber hinaus, einen quartiären oder gar quintären Sektor darstellt.
Oft wird der gesellschaftliche Wandel zur Informationsgesellschaft auch nur durch die
Zunahme und Weiterentwicklung der IuK-Technologien beschrieben und deren
Einfluss auf die gesellschaftlichen Teilbereiche. Der Schwerpunkt liegt hier bei der
Analyse der Informationsproduktion, -verteilung und -vernetzung.
Aber auch gesellschaftliche Dimensionen werden diskutiert. Unter dem Stichwort
des gläserne Menschen geht es um die Gefahren der Freiheitseinschränkung, der
Manipulation und Fremdsteuerung durch den Einsatz modernen IuK-Technologien.
In anderen Ansätzen wiederum stellt der Vernetzungsgrad der Weltgesellschaft
und die Frage nach Raum und Körperlichkeit den indikativen Punkt dar. Nationen und
Wirtschaftsräume vernetzen sich immer enger und sind damit auch stärker als bisher
aufeinander angewiesen als bisher. Räumliche Distanzen verlieren an Bedeutung,
,,die Informationsgesellschaft wird transparenter und komplizierter zugleich" (Scha-
winsky 1999, 3). Dennoch weisen die theoretischen Ansätze mehr Differenzen als
Gemeinsamkeiten auf und legen unterschiedliche Schwerpunkte in der Betrachtung.
Je nach Fokus der Fragestellung gilt die Informationsgesellschaft als
ökonomisch messbarer Faktor,
nachindustrielle Gesellschaft,
Entwicklungsstufe in der Sektoren- und Stadientheorie,
neue Variante der Industriegesellschaft
neue Variante der Dienstleistungsgesellschaft,
Wissensgesellschaft.

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
11
2.1.1 ,,Information
economy"-Ansatz
Der Begriff der Informationsgesellschaft wurde erstmals geprägt durch die informati-
onsökonomischen Ansätze, bei denen technische und ökonomische Aspekte im Vor-
dergrund stehen. Die Vertreter dieses Ansatzes berufen sich hauptsächlich auf eine
sektorale Verschiebung der Erwerbstätigen wie in Abbildung 2 illustriert. Demnach ar-
beiten immer mehr Menschen im Informations-Sektor; die Sektoren Produktion,
Dienstleistung und Landwirtschaft sind gleichermaßen rückläufig oder stagnieren. Nur
im Dienstleistungssektor ist ein kleiner Aufschwung zu verzeichnen.
Abbildung 2: Das Vier-Sektoren-Modell
Quelle: BMB+F 1996, 17
Als Ursache gelten globale Entwicklungen in den 50er und 60er Jahren, die das welt-
wirtschaftliche Gefüge veränderten. Die Internationalisierung der Produktion und der
Absatzmärkte ließen völlig neue Perspektiven und Konkurrenzbeziehungen entste-
hen. In der Diskussion um die Folgen entstand Mitte der 60er Jahre in den USA und
in Japan der ,,Information economy-Ansatz" (vgl. Tauss et al. 1996, 20), dessen An-
nahmen besonders auf die Studien des Japaners Tadeo Umesao zurückgehen. Der
Anthropologe und Biologe wies in seiner 1963 vorgelegten Arbeit ,,Über Informations-
industrien" (vgl. Hensel 1990
4
) der Informationsindustrie eine Schlüsselrolle im Mo-
dernisierungsprozess zu, die vergleichbar sei mit der Schwerindustrie beim Übergang
von der Agrar- zur Industriegesellschaft.
Die US-Amerikaner Fritz Machlup und Marc Porat (vgl. Sonntag 1983) nahmen diesen
Ansatz auf und entwickelten daraus Methoden zur empirischen Analyse der Informati-
onsgesellschaft. Sie erweiterten das bislang übliche Drei-Sektoren-Modell um einen
vierten Sektor, der Wissensindustrie. In dieser Annahme gingen sie davon aus, dass
in der Informationsgesellschaft neben Arbeit, Kapital und Rohstoffen Information zum
entscheidenden Wirtschaftsfaktor würde. ,,Bereits 1967 meinte Marc Porat belegen zu
4
Die Primärliteratur von Umesao konnte nicht aufgefunden werden.

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
12
können, dass 50 Prozent der amerikanischen Arbeitskräfte im Informationssektor be-
schäftigt seien. Seine ökonomistischen Kategorien sind freilich diffus, so zählten bei
ihm RichterInnen und MieteneintreiberInnen zu den ,Information Workers' ­ nur bei
ÄrztInnen war er sich nicht ganz so sicher" (Kleinsteuber 1996, 26).
Auf der Grundlage der ,Information-economy'-Forschung verwendet auch die OECD
heute speziell die Wertschöpfung durch Informationstätigkeiten sowie die Anzahl der
Informationsarbeiter als Indikatoren für eine Informationsgesellschaft. Dementspre-
chend sind sowohl die USA als auch die Bundesrepublik schon seit längerer Zeit eine
Informationsgesellschaft (vgl. Hensel 1990).
Und wiederum auf Grundlage der OECD-Daten definiert Karl Deutsch die Informati-
onsgesellschaft als nationale Ökonomie, in denen mehr als die Hälfte der Berufstäti-
gen in überwiegend informationsorientierten Berufen tätig ist und in denen die Wert-
schöpfung aus diesen Beschäftigungen mehr als die Hälfte des Bruttosozialsproduk-
tes beträgt (vgl. Deutsch 1983, Hensel 1990, 9f; Tauss et al. 1996, 20f; Bühl 1997,
33f;). Dies kann statistisch allerdings kaum belegt werden, da eine Abgrenzung der
Informationsberufe bisher nicht verbindlich festgelegt ist.
5
2.1.2
Die postindustrielle Gesellschaft nach Bell
Daniel Bells Arbeit ,,The comming of the Post-Industrial-Society" von 1975 ist ein ent-
scheidender Beitrag zu den Theorien der Informationsgesellschaft. Aufgrund des fol-
genden Satzes wird er oft als Erfinder der Informationsgesellschaft dargestellt: ,,War
die Industriegesellschaft eine güterproduzierende, so ist die nachindustrielle Gesell-
schaft eine Informationsgesellschaft" (Bell 1985, 353). Bell distanzierte sich jedoch
später von dieser Vaterschaft, weil er den Begriff für zu eng hielt. Seine postindustriel-
le Gesellschaft enthalte auch Züge einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft
(vgl. Kleinsteuber 1996, 24). Der Begriff der postindustriellen Gesellschaft wird bei
Bell jedoch als abstrakter Begriff benutzt, der Wandel ist keine ,,deterministisch festge-
legte Bahn" (Bell 1985, 9), sondern nur eine von vielen möglichen Dimensionen der
Gesellschaft. Bell nennt dies ,,Als-ob-Fiktionen" (vgl. Bell 1985, 11). Es geht beim Mo-
dell der nachindustriellen Gesellschaft nicht um eine Realkategorie, sondern vielmehr
um einen gesellschaftlichen Idealtypus.
Bells analytisches Modell geht entgegen den informationsökonomischen Ansätzen
von einem multidimensionalen Wandel aus. Dieser wird für ihn durch zwei Entwick-
lungen deutlich: Zum einen nehme theoretisches Wissen zunehmend eine elementare
Stellung ein und werde dadurch zentraler Produktionsfaktor der postindustriellen Ge-
sellschaft. Das Wissen erlange seine Bedeutung durch die enorm gestiegene und sich
immer weiter differenzierende Wissensmenge, die für den Einzelnen nicht mehr zu
überschauen sei.
Zum anderen gewännen die Dienstleistungen gegenüber der Güterproduktion an Be-
deutung. Dienstleistungsarbeit bestehe danach künftig in erster Linie aus der Erzeu-
gung, Verarbeitung und Verteilung von Informationen (vgl. Bell 1985, 13 und 353).
Durch diesen Wandel verändern sich auch die maßgeblichen Achsen der Industriege-
sellschaft grundlegend. In Bells Terminologie ist dies das axiale Prinzip einer Gesell-
5
Siehe hierzu Kapitel 5.2

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
13
schaft. Das axiale Prinzip ist prägend für die jeweilige Wirtschafts- und Sozialstruktur.
Während Bell das Wirtschaftswachstum und damit Kapitalakkumulation und die ge-
samte dahinter stehende kapitalistische Institution des Privateigentums als axiales
Prinzip der Industriegesellschaft identifiziert, wird in der postindustriellen Gesellschaft
das theoretische Wissen zur entscheidenden Kategorie der Gesellschaft. ,,In der kapi-
talistischen Gesellschaft war diese axiale Einrichtung das Privateigentum, in der nach-
industriellen Gesellschaft wird es die zentrale Stellung des theoretischen Wissens
sein" (Bell 1985, 112). Er macht den Wandel zur postindustriellen Gesellschaft fol-
gendermaßen fest (vgl. Bell 1985, 32ff):
Abbildung 3: Wandel zur postindustriellen Gesellschaft nach Bell
1. Wirtschaftlicher Sektor: Übergang der güterproduzierenden Gesellschaft zur
Dienstleistungswirtschaft; Und Wandel der Dienstleistungen selbst: Agrargesell-
schaft
!
persönliche Dienstleistung, Industriegesellschaft
!
produktionsbezogene
Dienstleistung, postindustrielle Gesellschaft
!
informationsbezogene Leistungen
Vorindustriell
Industriell
Postindustriell
Primär
Sekundär
Tertiär, Quartär, Quintär
Extraktive Industrien
Güterproduktion
Dienstleistungen
Landwirtschaft, Berg-
bau, Fischerei, Wald-
wirtschaft
Verarbeitung, Fertigproduk-
tion
Tertiär: Verkehr, Erholung;
Quartär: Banken, Versi-
cherungen; Quintär: Ge-
sundheit, Ausbildung, For-
schung, Regierung
2. Berufsstruktur: Vorrang professionalisierter und technisch qualifizierter Berufe:
Trend weg von dem Industriearbeiter hin zum Angestellten mit Schwerpunkt von
akademisch und technisch qualifizierten Berufen.
Vorindustriell
Industriell
Postindustriell
Bauer, Bergmann, Fi-
scher, ungelernter
Arbeiter
Angelernter Arbeiter, Ingeni-
eur
Technische und akademi-
sche Berufe
3. Axiales Prinzip: Zentralität theoretischen Wissens als Quelle von Innovationen
und Ausgangspunkt der gesellschaftlich-politischen Programmatik
Vorindustriell
Industriell
Postindustriell
Traditionalismus, Be-
grenzung von Boden
und Ressourcen
Wirtschaftswachstum; staatl.
oder private Kontrolle der
Investitionsentscheidungen
Zentralität und Kodifikation
des theoretischen Wis-
sens
4. Zukunftsorientierung: Gesellschaftlicher Fortschritt und Reichtum sind nicht
möglich, ohne die bewusste und planvolle Entwicklung neuer Technologien.
Vorindustriell
Industriell
Postindustriell
Grundlagen der Technologie
Rohstoffe Energie
Information
Methodologie
,,Common sense", Erfah-
rung
Empirismus, Experiment
Abstrakte Theorie: Model-
le, Simulation, Entschei-
dungstheorie, Systemana-
lyse
5. Entscheidungsbildung: Schaffung einer neuen ,,intelligenten Technologie": Es
geht um Probleme der ,,organisierten Komplexität" (Bell 1985, 44) und nicht mehr
um die Dialektik zwischen Kapital/Arbeit, sprich: Güterproduktion. Bell spricht von
einer Gesellschaft von ,,Kopfarbeitern" (Bell 1985, 142).
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Bell 1985, 117ff

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
14
2.1.3 Stadientheorien
Mit den Stadientheorien wird die gesellschaftliche Entwicklung und der soziale Wan-
del als ein kontinuierlicher wellenförmiger Prozess betrachtet.
Historisch gesehen kann eine Reihe von Innovationszyklen festgemacht werden, die
immer wieder das wirtschaftliche Wachstum und die gesellschaftlichen Rahmenbe-
dingungen umgeformt haben. Diese zyklischen Schwankungen wurden erstmals 1926
von Nikolai Dmitrievich Kondratieff empirisch nachgewiesen (vgl. Kondratieff 1926),
deswegen wird in Bezug auf diese Basisinnovationen auch von Kondratieff-Wellen
gesprochen (vgl. Nefiodow 1996). Diese langfristigen Wellen der Konjunktur (40 bis
60 Jahre) beinhalten einen ganz fundamentalen Strukturwandel, d.h. dass ein
Kondratieffzyklus den Reorganisationsprozess einer ganzen Gesellschaft beschreibt.
Bedeutung bekam Kondratieffs These jedoch erst durch die innovationstheoretischen
Arbeiten von Joseph Alois Schumpeter, der daraus Konjunkturprognosen ableitete. Er
zeigte, dass die wirtschaftliche Entwicklung der letzten 200 Jahre durch eine Reihe
von bedeutenden technischen Basisinnovationen vorangetrieben wurde, und dass
sich diese Entwicklung in Zukunft fortsetzen werde (vgl. Schumpeter 1914 u. Abbil-
dung 4).
Abbildung 4: Die langen Wellen der Konjunktur und ihre Basisinnovationen
Quelle: Nefiodow 1996
Der fünfte Kondratieff ist der erste, der nicht mehr von Rohstoffen, Stoffumwandlun-
gen und Energie getragen wurde, sondern von Informationen. Basisinnovationen ka-
men hier aus der Informatik. So gesehen kann der Wandel zur Informationsgesell-
schaft als Resultat des inhärenten technischen Fortschritts und ­ in Anlehnung an Ne-
fiodow und die Kondratieff-Wellen ­ des basisinnovativen konjunkturellen Hochs ge-
sehen werden.
Vertreter dieses ,,Wellen-Ansatzes" ist Alvin Toffler mit der Wellenkamm-Sozialtheorie.
In seiner Studie ,,The Third Wave" (1980) bereitetet er Daniel Bells Herangehenswei-
se populärwissenschaftlich auf und stellt die Informationsgesellschaft in den Kontext
einer Stadientheorie. Geschichte wird gesehen als eine ununterbrochene Wellenbe-
wegung, und der Kamm jeder Welle führt zu Veränderungen. Diese ,,Veränderungs-
wellen" haben unterschiedliche Geschwindigkeiten, kollidieren miteinander, überlap-

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
15
pen sich und erzeugen auf diese Weise gesellschaftlichen Wandel, aber auch Span-
nungen und Konflikte (vgl. Toffler 1980).
Die Erste Welle wurde durch die Agrarrevolution hervorgerufen und bestimmte jahr-
tausendelang das Leben der Menschen, während die Zweite Welle ­ die Industrielle
Revolution ­ nur etwa 300 Jahre dauerte. Die Entwicklung gehe immer schneller, und
die Dritte Welle werde wahrscheinlich ,,innerhalb weniger Jahrzehnte über uns hin-
wegfegen. Wir, die wir den Planeten Erde gerade in diesem explosiven Moment der
Gärung bevölkern, werden daher noch innerhalb unserer eigenen Lebensspanne die
volle Wucht des Ansturms jener Dritten Welle zu spüren bekommen" (ebd., 21). Die
Informationsgesellschaft stellt somit die Dritte Welle dar, deren bedeutsamste Res-
source abrufbares Wissen ist.
Abbildung 5: Wellentheorie nach Toffler
Erste Welle
Zweite Welle
Dritte Welle
Agrargesellschaft
Industrie-
gesellschaft
Informations-
gesellschaft
Zeit
Vor 10.000 Jahren
bis Ende des 16.
Jahrhunderts
17. Jahrhundert bis
Ende des 20. Jahr-
hunderts
Beginn: ausgehen-
des 20. Jahrhundert
Symbol
Acker
Fabrik, Fließband
Personal Computer
Tätigkeiten
Fischen, Jagen,
Herdenwirtschaft
Kohle, Eisenbah-
nen, Textilien, Stahl,
Kraftfahrzeuge,
Gummi, Werkzeug-
maschinen
elektronische und
Computerindustrie
Produktion Handwerk,
dezentralisiert
Massenproduktion,
zentralisiert
Individualisierte
Produktion
Energie
Natürliche Energie
Fossile Brennstoffe,
Kernenergie
Erneuerbare
Energiequellen
Familie
Sippe, Großfamilie
Kernfamilie
Entkernte
Lebensformen
Raum
Sesshaft, begrenzte
Mobilität
Verstädterung,
zweckgebundene
Räume
Auflösung der Tren-
nung von Arbeits-
platz und Wohnung
Orientierung
Lokal, Ort, Stadt
National,
Nationalstaat
Global und lokal
zugleich, Welt und
Ort
Besonder-
heiten
Die Gründung von
ersten Dörfern und
Siedlungen.
Globaler industrieller
Wandel, allerdings
in unterschiedlicher
Geschwindigkeit.
,,white-collar"-
Arbeiter übertreffen
die Zahl der ,,blue-
collar"-Arbeiter.
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Toffler 1980 24ff; Bühl 1997, 42f
Aufgrund der unterschiedlichen Geschwindigkeit kollidieren die Wellen oft miteinander
und dies nicht nur zwischen unterschiedlich entwickelten Ländern sondern auch oft
innerhalb von Nationen, was entsprechenden sozialen Sprengstoff liefert.
6
In Anlehnung an Toffler betrachten Peter Otto und Philipp Sonntag die Informations-
gesellschaft auch als eine historische Entwicklungsstufe. Sie unterscheiden dabei
6
So ist in manchen Ländern der Erde die Landwirtschaft noch die Haupterwerbsquelle der Bevölkerung.
Dort wird versucht Industrien zu schaffen, und es gibt auch schon Bereiche in denen mit Computertech-
nologie viel Geld verdient wird. Das beste Beispiel hierfür dürfte Indien sein, und auch in Peru gibt es
selbst in den kleinsten Bergdörfern Internetcafés.

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
16
auch drei Grundtypen, die sich (hier wiederum in Anlehnung an den Information-
economy-Ansatz) typisieren lassen durch die Art und Weise, wie die Mehrheit ihren
Lebensunterhalt erwirbt (vgl. Otto/Sonntag 1985, S. 7).
2.1.4
Zusammenfassende Kritik und eigene Definition
Die oben besprochenen Ansätze zur Beschreibung der Informationsgesellschaft zei-
gen im Vergleich besonders die Vielschichtigkeit dieses Begriffes auf. Die Theorie-
entwürfe gehen von ähnlichen Prämissen aus, kommen aber zu unterschiedlichen Er-
gebnissen.
Gemeinsam ist allen die Annahme, dass technischer Fortschritt eine umfassende In-
formatisierung initiiert, die wiederum einen strukturellen Wandel bedingt. Damit wird
der Informationsbegriff zum entscheidenden Differenzierungskriterium. Analytisch viel-
leicht sinnvoll, laufen solche Modelle allerdings Gefahr, die strukturelle Vielfalt von
Gesellschaften zu ignorieren.
Im Information-economy-Ansatz wird die Informationsgesellschaft auf quantitativ
messbare Kennziffern reduziert, technische und soziale Aspekte der Informatisierung
der Gesellschaft bleiben außen vor. Dadurch können komplexe gesellschaftliche
Wandlungsprozesse nur sehr eindimensional beschrieben werden. Auch Nicolai
Egloff (1996) bezweifelt, ob sich aus dem ökonomischen Prozess der Informatisierung
derart weit reichende gesellschaftliche Konsequenzen ableiten lassen, die einen neu-
en Gesellschaftstyp rechtfertigen. Vornehmlich die Veränderungen in der Arbeitswelt
müssen hier ­ ähnlich wie in der Debatte um die Dienstleistungsgesellschaft ­ herhal-
ten, um die sozialen Veränderungen zu markieren. Es handle sich aber nicht um ei-
nen neuen Typ von Tätigkeit, ,,sondern im Gegenteil um geradezu ,klassische' Kerntä-
tigkeiten im Prozess der industriellen Warenproduktion. ,,So gesehen ist die Informati-
sierungsdebatte vielleicht doch ein Stück weit voraus" (Egloff 1996, 100). Ähnlich
sieht das Achim Bühl: ,,So ist die Konzeption der Informationsgesellschaft (...) nicht in
der Lage die neuen empirischen Phänomene adäquat zu interpretieren. Mit Hilfe des
Einsatzes von Informationen oder Wissen als Indikator kann man den neuen Verge-
sellschaftungstypus nicht adäquat diagnostizieren" (Bühl 1996a, 159).
Des Weiteren ist auch die Abgrenzung der ,,Informationsarbeiter" ­ als grundlegende
prägende Analyseeinheit ­ fragwürdig. Die OECD zählt zu den Informationsarbeitern
alle Erwerbspersonen, die Informationen produzieren, verarbeiten und verteilen sowie
diejenigen Berufstätigen, welche die technischen sowie infrastrukturellen Grundlagen
zur Vermittlung und Verarbeitung von Informationen in Gang halten. Informationsver-
arbeitende Tätigkeiten sind demnach jedoch in fast allen Berufen zu finden (vgl.
Tauss et al.). Nach Peter Glotz sind es insbesondere die neuen Symbolanalytiker, die
in diese Gruppierung gehören. Zu diesen zählt Glotz speziell Web-Designer, Internet-
Berater, Multimedia-Berater, Programmierer und Finanzdienstleister. ,,Sie lösen, iden-
tifizieren und vermitteln Probleme, indem sie Symbole manipulieren. Sie haben auch
meist eher Partner als Bosse, müssen mobil und viel unterwegs sein, dürfen sich nicht
(...) einkapseln, brauchen die Begabung zum Teamwork, haben die Chance (...) viel
Geld zu verdienen und müssen sich vorbehaltlos der Nanosekunden-Kultur des digita-
len Kapitalismus unterwerfen" (Glotz 1999, 125). Neben den Symbolanalytikern gehö-

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
17
ren in diese Berufsgruppe noch Optiker, Bibliothekare, Komponisten, Schriftsteller,
Professoren und Ingenieure genauso wie Journalisten und Zeitungsträger. Eine Zu-
nahme der Informationsarbeiter ist somit empirisch schwer nachzuweisen.
Auch die Ablösung der Industriegesellschaft durch die Informationsgesellschaft kann
nicht zweifelsfrei angenommen werden. Denn auch das Ende des Industriezeitalters
durch die Expansion der Dienstleistungen ist nach wie vor umstritten. Vielmehr sollte
in diesem Zusammenhang von einer Verzahnung von Produktion und Dienstleistung
gesprochen und in diesem Fall die informationsbezogenen Tätigkeiten zu den Dienst-
leistungen gezählt werden. ,,Am deutlichsten ist dies zu sehen bei den produktionsna-
hen Dienstleistungen (Logistik, Forschung, Entwicklung, Engineering, Beratung und
Softwareentwicklung) ­ sie haben sich zu einem Bindeglied zwischen den beiden
Sektoren entwickelt" (Henkel 2001, 102).
Mit der behaupteten Zentralität des theoretischen Wissens leistet Bell einen bedeu-
tenden Beitrag zu der Entwicklung des Begriffs der Informationsgesellschaft (vgl.
Hensel 1990, 34f). Er greift den Wandel zur Dienstleistungs-, Wissens- und Informa-
tions- Gesellschaft gleichermaßen auf, und macht ihn ­ verbunden mit planbarem
technologischen Fortschritt ­ zur Ursache des gesellschaftlichen Wandels. In der Pra-
xis hat sich jedoch in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es weniger der bewusste
Umgang der theoretischen Technikfolgenabschätzung, als vielmehr marktwirtschaftli-
che Prozesse (Gewinnmaximierung, Konkurrenzdruck) sind, die den technischen und
damit den sozialen Wandel vorantreiben. Bells Steuerungsverständnis ist damit klas-
sisch für die 70er Jahre. Die Annahme, dass man komplexe gesellschaftliche Prozes-
se planen könne, ist längst ad acta gelegt ­ und dies nicht nur in Bezug auf ökonomi-
sche Prozesse.
Hier greift dann eher der Ansatz von Alain Touraine, der schon 1972 (vor Bell) eine
Theorie über die postindustrielle Gesellschaft entwickelt hat, allerdings weniger
optimistisch. Im Unterschied zu Bell sind hier Kapital und Wissen keine unabhängigen
Variablen, die jeweils als axiales Prinzip die Gesellschaft prägen. Zwar hängt das
wirtschaftliche Wachstum verstärkt von der Innovationskraft der Wissenschaft ab, a-
ber das theoretische Wissen ersetzt keineswegs die Kapitalakkumulation als Basis-
Prinzip der gesellschaftlichen Dynamik. Gerade der postindustrielle Gesellschaftstyp
sei durch wirtschaftliches Wachstum motiviert (vgl. Touraine 1972).
Auch Nicolai Egloff wehrt sich gegen die von Bell angenommene Dominanz des theo-
retischen Wissens über den Kapitalbesitz. ,,Es ist nach wie vor, und im Zuge der In-
dustrialisierung der Wissenschaft mehr denn je, die ökonomische Macht, die die Rich-
tung der wissenschaftlichen Entwicklung bestimmt" (Egloff 1996, 101).
Trotzdem gelingt es Bell ­ besonders im Vergleich mit dem Information-economy-
Ansatz ­ strukturelle Veränderungen mehrdimensional zu beschreiben.
Auch die Einbettung der Informationsgesellschaft in eine gesamtgesellschaftliche
Stadientheorie, wie sie nach Nefiodow auch Toffler, Sonntag und Otto vornehmen,
weist eine Problematik auf. Dieser Ansatz malt das Bild einer gesellschaftlichen Ent-
wicklung, die sich nach objektiv-historischen Gesetzmäßigkeiten vollzieht. Dabei wird
von einem linearen Fortschreiten der Gesellschaft ausgegangen, ohne dies ausrei-
chend zu begründen.

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
18
Es lässt sich festhalten, dass dem Information-economy-Ansatz Wertschöpfungspro-
zesse und die Zahl der ,,Informationsarbeiter" als Abgrenzungsindikatoren von der In-
dustrie- und Informationsgesellschaft dienen, während in Bells Überlegungen und im
Ansatz der informatisierten Industriegesellschaft Information und Wissen den Wandel
begründen. Allerdings handelt es sich im Modell der informatisierten Industriegesell-
schaft um eine Fortschreibung derselben mit neuen Prämissen, während Bell und die
,,Informationsökonomen" von einer Überwindung der industriellen Ära ausgehen.
Neben diesen speziellen Ansätzen gibt es natürlich auch prinzipielle Einwände gegen
den Begriff der Informationsgesellschaft. Ein entscheidender Kritikpunkt richtet sich
gegen die These der Neuheit des Informationssektors. Informationen waren seit jeher
ein zentraler Faktor der Entwicklung der kapitalistischen Ökonomie. ,,Der größte Teil
des Informationssektors besteht nicht etwa aus den von Bell hervorgehobenen Wis-
senschaftlern und Ingenieuren, sondern aus der Verwaltung, Organisation und Koor-
dination der industriellen Produktion" (Egloff 1996, 100). Der Begriff wird von einigen
Autoren auch schlicht als Modewort entlarvt, das nicht wirklich stichhaltig sei. ,,So hält
z.B. Niklas Luhmann den Begriff der Informationsgesellschaft für nicht akzeptabel. Es
werde hiermit, so Luhmann, lediglich ein mit allen Zügen forcierter Einseitigkeit behaf-
tetes Schlagwort kreiert. Die Moderne könne ,sich selbst noch nicht ausreichend be-
schreiben, also markiert sie ihre Neuheit durch Bestempelung des Alten und verdeckt
damit zugleich die Verlegenheit, nicht zu wissen, was eigentlich geschieht.'" (Bühl
1997, 46).
Einige Autoren verweisen bei der Diskussion um die Informationsgesellschaft zudem
auf die Ähnlichkeit zur Debatte um die Dienstleistungsgesellschaft und die damit e-
benso verbundene Frage nach dem so genannten Ende der Arbeit. ,,Die Theorien der
post- oder nachindustriellen Gesellschaft, die in den siebziger Jahren die These der
heraufziehenden ,Dienstleistungsgesellschaft' proklamierten (...), wurden in den acht-
ziger Jahren als Theorien der ,Informationsgesellschaft' reformuliert" (Schmiede
1996b, 109).
In beiden Ansätzen (Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft) wird davon aus-
gegangen, dass die Arbeit im industriellen Sektor zu Gunsten von Dienstleistung bzw.
Wissensarbeit abnimmt. Aber da sich die ,,Hoffnung des 20. Jahrhunderts" (Fourastié)
nicht erfüllt hat, wieso sollte es bei den gleichen Argumenten die Hoffnung des 21.
Jahrhunderts tun? ,,Als Antwort auf die sich verschärfende Krise des Arbeitsmarkts,
die auf längere Sicht die Legitimation des polit-ökonomischen Systems gefährden
könnte, wird das Konzept der Informationsgesellschaft zunehmend zur ,großen Hoff-
nung des 21. Jahrhunderts', so wie die Dienstleistungsgesellschaft für Fourastié
(1954) die ,,große Hoffnung des 20. Jahrhunderts war" (Egloff 1996, 97).
Zudem stellt sich die Frage, nach dem Prozess, der zur Informationsgesellschaft führt.
Ist dieser Modernisierungsprozess nun eine Transformation oder gar eine Revolution,
oder ist es eher eine weitergehende Modernisierung?
In diesem Zusammenhang steht das Konzept der informatisierten Industriegesell-
schaft. Hier wird keine neue Gesellschaftsform postuliert, sondern am Konzept der
Industriegesellschaft festgehalten. Diese erreicht durch die Weiterentwicklung und die

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
19
Ausbreitung der IuK-Technologien eine neue Entwicklungsstufe. Es wird davon aus-
gegangen, dass die technologische Innovation die fundamentale Ursache für gesell-
schaftlichen Wandel sind. Durch die Multifunktionalität und die Vernetzungspotentiale
der IuK-Technologien verändern sich Wirtschaft und Arbeit, und damit die Gesell-
schaft, sie wird zu einer informatisierten Industriegesellschaft. Alle fortgeschrittenen
Industriestaaten erleben hierbei den Prozess der Informatisierung innerhalb aller ihrer
sozialen Systeme. Dies ist zugleich ihre Basis für nationale und internationale Weiter-
entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit (vgl. Zoche 1994).
Es geht also um die (mehr oder weniger forcierte) Weiterentwicklung der Gesellschaft
und nicht um eine Transformation, eine Ablösung durch etwas Neues oder gar um ei-
ne (,,digitale") Revolution (vgl. Tapscott 1996). Hierzu passt der Begriff der ,,weiterge-
henden Modernisierung" von Zapf (vgl. Zapf 1998, 473). Dieser unterscheidet drei Va-
rianten der Modernisierung:
1. als Prozess seit der Industriellen Revolution, hierzu gehört die relativ kleine
Gruppe der heutigen modernen Gesellschaften,
2. Aufholprozesse unterentwickelter Gesellschaften und
3. Bemühungen moderner Gesellschaften, Innovationen und Reformen zu forcie-
ren und so neuen Herausforderungen gerecht zu werden. (vgl. Zapf 1998,
472ff).
Transformation ist demnach dem zweiten Typus zuzuordnen. Es geht hier um einen
bewussten Übergang von einer in die andere Gesellschaftsform, bei dem das Endziel
bekannt (z.B. die deutsche Wiedervereinigung). Die Entwicklung zur Informationsge-
sellschaft kann somit eher der dritten Variante der Modernisierung zugeordnet wer-
den. Zapf spricht bei diesen Gesellschaften von einer ,,weitergehenden Modernisie-
rung, d.h. der Weiterentwicklung ihrer Basisinstitution durch Reformen und Innovatio-
nen, die neuen Probleme erfolgreich bearbeiten, die aus den komplexer gewordenen
natürlichen, internationalen und psychosozialen Umwelten stammen" (ebd. 473).
Und was die digitale Revolution betrifft: ,,Um historisch und strukturell besonders auf-
fallende Veränderungen in der gesellschaftlichen Ordnung, im Verhältnis der gesell-
schaftlichen Kräftegruppen zueinander oder in den kulturell bedeutsamen Werten,
Techniken und Handlungsmustern einer Gesellschaft zu umschreiben, wird die Be-
zeichnung Revolution häufig in einem umfassenden und dadurch höchst unscharfen
Sinne benutzt (z.B. ,,industrielle", ,,technische", ,,wissenschaftliche" Revolution)" (Hill-
mann 1996, 738). Insofern kann man schon von einer digitalen Revolution sprechen.
Aber so revolutionär die Entwicklungen z.B. der IuK-Technologien im Sinne einer
umwälzenden Neugestaltung sein mögen ­ von einer Revolution zu sprechen er-
scheint trotzdem unangebracht. Denn es handelt sich hier nicht um eine bewusst her-
beigeführte Veränderung, die das Ziel hat die Gesellschafts- und/oder die Herr-
schaftsstruktur zu transformieren. Und die wirtschaftlichen Akteure, die Profit im Auge
haben und den Wandel deshalb forcieren, lassen sich auch kaum als aufständische
revolutionäre Gruppe beschreiben, die mit harten Bandagen das alte System stürzen
will.

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
20
Ansprüche an eine Definition
Der theoretische Begriff der Informationsgesellschaft und der Informatisierung der
Gesellschaft muss in der Lage sein, den gesamtgesellschaftlichen Strukturwandel zu
fassen. Er darf nicht nur die technischen und ökonomischen Veränderungen be-
schreiben, sondern muss alle sozialen Dimensionen und die gesellschaftliche Diffe-
renzierung erfassen.
7
Die Ausdifferenzierung ­ und damit die Weiterentwicklung ­ von Gesellschaften be-
deutet historisch immer auch die Evolution der Kommunikationsmöglichkeiten. Diese
haben speziell in den letzten 100 Jahren in immer größer werdender Geschwindigkeit
zugenommen.
Genauer beschrieben wird die These von der Informationsgesellschaft folglich dann,
wenn deutlich wird, warum die IuK-Technologien gerade heute eine entscheidende
(wirtschaftliche und soziale) treibende Kraft sind und welche Rolle dabei Wissen und
die steigenden Kommunikationspotentiale haben. Entsprechend dieser Überlegungen
und der vorgestellten Theorieansätze soll der Begriff der Informationsgesellschaft
nach eigener Definition folgendermaßen verstanden werden:
Eigene Definition
Die Informationsgesellschaft ist eine komplexe und hoch differenzierte Gesellschaft, in
der Wissen und Kommunikation eine maßgebliche und steigende Bedeutung in allen
sozialen Teilbereichen einnehmen. Dieses Wissen findet seinen Ausdruck darin, dass
Bedarf, Nutzung, Beschaffung, Verarbeitung und Verbreitung von Informationen durch
Anwendung und Weiterentwicklung von Informations- und Kommunikationstechnolo-
gien realisiert werden. Information wird demnach als grundlegender Rohstoff moder-
ner Gesellschaften verstanden, der zu Wissen verarbeitet werden muss, um nutzbrin-
gend und wertschöpfend angewandt zu werden. Kommunikation gilt deshalb als integ-
rierendes Instrument zum Austausch und zur Vernetzung von Informationen. Die Ent-
wicklung und Verbreitung von Technologien, die die Prozesse des Austauschs und
der Vernetzung in allen sozialen Bereichen unterstützen, wird als Informatisierung be-
zeichnet, wobei die entsprechenden Technologien unter dem Begriff der IuK-
Technologien subsumiert werden.
Die Frage, ob diese Informationsgesellschaft die Industriegesellschaft ablöst oder die
Dienstleistungsgesellschaft weiterführt oder ob sie konkurrenzlos zu anderen Gesell-
schaftskonzepten steht, wird dabei außen vorgelassen. Sie sind für die Fragestellung
dieser Arbeit nicht relevant. Ebenso soll offen gelassen werden, ob die Informations-
gesellschaft als Teil der Dienstleistungsgesellschaft gesehen werden soll, oder ob es
sich hierbei um einen vierten oder gar fünften Sektor handelt. Der Einfachheit halber
wird der Ausdruck Informationsgesellschaft synonym mit Wissensgesellschaft ver-
wendet, sofern nicht anders erläutert.
7
Die genannten Einwände bewegen div. Autoren, den Begriff der Informationsgesellschaft abzulösen.
Achim Bühl spricht beispielsweise von der ,,Virtuellen Gesellschaft" (vgl. Bühl 1996) und Peter Glotz vom
,,Digitalen Kapitalismus" (vgl. Glotz 1999).

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
21
2.2
Informatisierung
Der Prozess der Informatisierung der Gesellschaft lässt sich zum einen an ,,harten"
Faktoren wie der Technikentwicklung festmachen und zum anderen an ,,weichen"
Komponenten, den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen. In der Ein-
leitung wurde in diesem Zusammenhang vom Unter- und Überbau gesprochen, es
könnte bildlich auch Hard- und Software genannt werden. Bei den weichen Faktoren
stellt sich generell die Frage nach den wirtschaftlichen Veränderungen, die Konse-
quenzen für das Individuum und das soziale Zusammenleben bedeuten und eben
auch die Arbeitswelt transformieren. Auf diese Fragen wird im Verlauf dieser Arbeit
ausführlich eingegangen.
2.2.1
,,Harter" Faktor: Technischer Wandel
Das Aufkommen und die Weiterentwicklung neuer IuK-Technologien und somit der
rasche technologische Fortschritt wird vielfach als die ursächlich treibende Kraft für
den Wandel zur Informationsgesellschaft gesehen. Gemeint ist damit u.a. (vgl. BMWi
1995):
die Erzeugung, Speicherung und Verarbeitung von Informationen jeglicher Art in
digitaler Form (Mikroelektronik, Optoelektronik, Computertechnik, Software),
die Online-Übertragung großer Datenmengen durch Hochleistungsnetze (in Form
von Breitbandkabeln, Satellitenkommunikation, Mobilfunk),
die Kompression digitaler Signale mit dem Ziel einer optimalen Nutzung von Über-
tragungskapazitäten (z.B. ISDN = Integrated Services Digital Network) und
die Entwicklung von benutzerfreundlichen Mensch-Maschine-Schnittstellen.
Beispiel Computer: Vor einigen Jahren noch ausschließlich einer kleinen Gruppe von
Menschen in der Arbeitswelt vorbehalten, findet sich heute in fast jedem Haushalt ein
Personal Computer (PC). Ähnliches gilt in zunehmendem Maße für private Internet-
anschlüsse.
Abbildung 6: Ausstattung privater Haushalte mit Informationstechnik
4,7
9,4
7,9
9,5
39,9
8,7
14,9
17,4
30,2
48,2
ISDN
Modem
Internet-
Zugang
Handy
PC
2000
1998
Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2001
8
8
Siehe auch unter: http://www.statistik-bund.de/basis/d/evs/budtab2.htm, letzter Seitenaufruf: 26.06.01

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
22
Kaum ein elektronisches (Haushalts-)Gerät kommt ohne einen Chip oder Minicompu-
ter aus: vom Faxgerät über die Uhr, den Videorecorder, die Selbstbedienungsautoma-
ten bis hin zur klingenden Glückwunschkarte. Der Prozess der Informatisierung
zeichnet sich nach Wersig durch vier Punkte aus (vgl. Wersig 1993, 11):
1. Computer und ihre Charakteristika dringen in alle Lebens- und Handlungsbe-
reiche ein;
2. Computer verbinden sich mit neuen Kommunikationstechnologien zu einem in-
tegrierten System;
3. Computer treten nicht nur als Computer auf, sondern sind in zunehmenden
Maße nicht mehr als offen ausgewiesene Komponenten von Geräten und Pro-
zessen zu den unterschiedlichsten Zwecken;
4. Computer, Netze und Geräte verbinden sich mit einer neuen Generation von
Sensoren, wodurch sie einen eigenständigen Systemcharakter erhalten.
Mit den Begriffen Neue Medien und Multimedia wird versucht, diese Entwicklungen zu
beschreiben. Sie finden jedoch nicht ,,massiv und überfallartig statt, sondern schlei-
chend und scheibchenweise" (Wersig 1993, 11).
Es stellt sich die Frage, welche Qualitäten diese Neuen Medien aufzuweisen haben,
was macht sie besonders im Vergleich zu herkömmlichen Kommunikationsmitteln?
Zwei Punkte sollen dies deutlich machen:
Die neuen IuK-Technologien verdrängen nicht bisherige Medien, sondern erwei-
tern ihr Spektrum. Weder wird das Buch verschwinden, noch die Tageszeitung,
noch das Telefon. Es wird jedoch vielfältigere Möglichkeiten zur Nutzung und Ver-
knüpfung dieser Medien geben. Das Buch gibt es in Form eines Taschencompu-
ters, jeder lieferbare Titel lässt sich in diesem Format bestellen und lesen. Die Ta-
geszeitung ist im Internet präsent und bietet durch Hypertext zahlreiche Möglich-
keiten wie z.B. einen individuell bestimmbaren Informationsgehalt und Hinter-
grundinformationen. Ebenso lässt sich im Internet telefonieren ­ das Fax und
Briefsendungen werden durch E-Mail-Systeme ergänzt.
Hinzu kommt eine Verschmelzung bisher getrennter Systeme. Bereits jetzt sind
Endgeräte im Handel, die die gleichzeitige Benutzung von (Pay-)TV, Computer
und Internet ermöglichen.
Interaktivität, Multimedialität und globale Vernetzung sind die charakterisierenden und
neuen Eigenschaften der IuK-Technologien, auf sie wird im Folgenden näher einge-
gangen.
Insbesondere im Internet sind die Dimensionen der Interaktivität von Interesse. Das
Internet verbindet in seiner Struktur nicht nur die Menschen, sondern entsteht erst
durch deren Vernetzung. Somit ist die Person am PC ,,Nutzer des Netzwerks und
zugleich Teil des Netzwerks selbst" (Hauf 1996, 84). Interaktivität macht ein wechsel-
seitiges Agieren zwischen Personen möglich, aber auch zwischen einer Person und
einer Maschine. Durch Hyperlinks hat der Mediennutzer in Hinblick auf die Auswahl
des Inhaltes, die Struktur der Darstellung oder die Geschwindigkeit die Möglichkeit,
auf das Medium einzuwirken. Meistens handelt es sich jedoch um eine vermeintliche
Interaktivität. Denn erstens werden die interaktiven Möglichkeiten durch das begrenz-
te Informationsangebot des Datenträgers eingeschränkt, und es wird vorgegeben, zu

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
23
welchen Inhalten es Verweise (Links) gibt. Insofern ist auch ein Zeitungsleser interak-
tiv, wenn er sich entscheidet, welche Artikel er in welcher Ausführlichkeit liest.
Peter Seeger versteht unter Interaktivität, dass ein Medium es dem Empfänger gestat-
tet, in technischer, inhaltlicher und sozialer Hinsicht potenziell auch zum Sender zu
werden (vgl. Seeger 1996). Das bedeutet, dass zwischen Sender und Empfänger
auch ein Rollentausch stattfinden kann. Darunter fallen auch E-mails, Diskussionsfo-
ren (News-Groups), Chat-Gruppen oder auch MUDs
9
. Diese lassen sich im Hinblick
auf die zeitliche Dimension unterscheiden: E-mails und Diskussionsforen sind zeit-
punktunabhängig, während die Kommunikation in MUDs und Chat-Gruppen die
gleichzeitige ,,Anwesenheit" voraussetzt.
1995 zum Wort des Jahres gewählt, bedeutet Multimedialität die Kombination von
bisher getrennten Kommunikationstechniken wie Sprache, Schrift, Bild und Ton. Teil-
weise wird auch der Begriff der Interaktivität hiermit erfasst und die besondere Exis-
tenz eines Rückkanals betont. D.h. der Nutzer kann z.T. interaktiv durch Verwendung
entsprechender Rückkanäle Inhalte verändern bzw. selbst aktiv werden.
Die technologische Basis, die das Zusammenwachsen der drei Sektoren Medien, In-
formationstechnologie und Telekommunikation vorangetrieben hat, ist die Digitalisie-
rung. Dieser Prozess erlaubt es, die verschiedenen kommunikativen Darstellungs-
formen digital zu visualisieren und zu speichern. Bisher erfolgte die Speicherung und
Anwendung hauptsächlich durch CD-ROMs. Die Übertragungsgeschwindigkeiten im
Internet (beispielsweise beim Herunterladen von Filmsequenzen) sind bislang noch
alles andere als benutzerfreundlich.
10
Durch die Zusammenführung von Computer- und Telekommunikationstechnik ist die
Verbindung bisher isoliert arbeitender, lokaler Rechner ermöglicht, der information
highway eröffnet worden ­ es kommt zur globalen Vernetzung. Diese Entwicklung
stellt die Grundlage für das Entstehen eines weltumspannenden Netzwerkes dar. Mit
der Entwicklung des Internets ist die Vernetzung der einzelnen Rechner sprunghaft
angestiegen. Zwischen 1989 und 1996 stieg die Zahl der weltweit vernetzten Rechner
von 80.000 auf 2,5 Mio (vgl. Rehbinder 1996, 89).
Schaut man jedoch genauer hin, handelt es sich jedoch um eine ,,inselhafte Vernet-
zung" (vgl. Hoffmann 1995a, 172), denn längst nicht alle Kulturen nehmen gleicher-
maßen beruflich und privat an der Transformation teil. Gründe dafür sind fehlende
technische Verbreitung, andere soziale Rahmenbedingungen und kulturelle Aspekte.
So haben längst nicht alle Länder der Erde Schulpflicht, und selbst in Deutschland ist
Analphabetismus (4 Millionen Betroffene) noch ein gravierendes Problem.
11
Insofern
sollten Pauschalisierungen vermieden werden.
9
MUD=Multi-User-Dungeons=virtuelle Welten im Internet, in denen sich eine große Anzahl der Internet-
nutzer treffen um miteinander kommunizieren zu können. Die Nutzer können dabei eigene Identitäten
schaffen, an Online-Spielen teilnehmen und Informationen austauschen.
10
Nicht umsonst spricht man in Bezug auf das World Wide Web (WWW) auch von WorldWideWaiting
oder vom WeltWeitenWarten.
11
Hierzu eine Nachricht aus NETBUSINESS, Nr. 19, September 2000:
,,Inder ans Netz ­ 600 000 Internetimbisse
In jedem indischen Dorf soll es künftig einen ,Internetimbiss' geben. Das berichtet die indische Nachrich-
tenagentur UNI. Der Telekommunikationsminister will insgesamt 600 000 solcher ,Imbisse' einrichten,
damit auch die Menschen abseits der großen Städte das Netz nutzen können. Allerdings kann rund die
Hälfte der eine Milliarde Inder nicht lesen oder schreiben, und 38 Prozent der Dörfer haben keine Tele-

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
24
2.2.2
,,Weicher" Faktor: Gesellschaftlicher Wandel
Auf die weichen Faktoren hat vor allem die Politik Einfluss, die entsprechende Rah-
menbedingungen schaffen kann, die es ermöglichen, dass der Wandel sozial verträg-
lich und möglichst unter Chancengleichheit vonstatten geht. Aber auch die Politik
selbst ist vom Wandel betroffen.
Politisch tauchen neue Plattformen der Meinungsbildung und -verbreitung auf. Der
Willensbildungsprozess und damit die politische Entscheidungsfreudigkeit können in-
tensiver forciert werden. ,,Mithilfe des Netzes könnte endlich Schluss sein mit der Bü-
rokratie" (Tapscott 1999, 18f).
Das Internet als Chance einer transparenteren Demokratie? Der viel zitierte schlanke
und transparente Staat könnte das Internet als Ausgangspunkt für diese Zielvorgabe
nehmen:
Regierungsprogramme lassen sich über das Netz elektronisch verteilen
12
;
Offene Form der Regierung durch Zugang zu öffentlichen Informationen;
Es können Diskussionsforen für Bürger und Politiker installiert werden;
Virtuelle Ministerien können die Arbeit vieler Organe bündeln.
Die Kehrseite der Medaille, vielmehr das Paradoxon: Durch die gleichen Techniken
besteht natürlich auch die Möglichkeit zu größerer politischer Kontrolle (Stichwort: der
gläserne Bürger). Und auch (rechts-) extreme politische Vereinigungen können die
anonymen Potenziale des Internets zur Verteilung von (z.T. verfassungswidrigen) In-
halten nutzen.
Hinzu kommt ­ forciert durch die neuen IuK-Technologien und die globalen Wirt-
schaftsbeziehungen ­ ein weltweite Zusammenwachsen von Nationen und Kulturen
das nationales Recht und Grenzen obsolet werden lässt.
Dafür sind jedoch weltweite politische und rechtliche Standards notwendig. ,,Die
größten Hemmnisse einer weltweiten Informationsgesellschaft liegen nicht in techni-
schen Schwierigkeiten, sondern in den nötigen internationalen Abkommen. Insbeson-
dere juristische Fragen sind häufig nicht auf nationaler, geschweige denn auf interna-
tionaler Ebene geregelt" (Gates 1995, 12). Ethische Schwierigkeiten ergeben sich
beispielsweise bei der Verbreitung und dem Zugang zu (Kinder-) Pornografie, Gewalt-
, Horror- und Sexfilmen, rechtsradikalen Veröffentlichungen etc. Auch wirtschaftliche
Standards fehlen, was für die Fortentwicklung neuer Marktformen hinderlich sein
könnte. ,,Die Unübersichtlichkeit der Wettbewerbsverhältnisse in der Internetwirtschaft
wird verstärkt durch die Unzulänglichkeit der vorhandenen Rechtsmittel. Urheber-
recht, Kartellrecht, internationales Völkerrecht, Besteuerungsverfahren und viele an-
dere Rechtsbereiche sind in einen rapiden Strudel des Wandels geraten" (Hutter
2000, 28).
fonleitungen. Der Minister legte sich nicht fest, in welchem Zeitraum das Projekt abgeschlossen sein
soll."
12
Zukunftsorientiert und bürgerfreundlich gibt sich hier die FDP: Seit Oktober 2000 steht ihr Parteipro-
gramm im Netz, und die Nutzer werden aufgefordert, aktiv an der Weiterentwicklung mitzuarbeiten. Die
Meinungen und Forderungen sollen dann bei der nächsten Ausgabe berücksichtigt werden.

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
25
Exkurs: Geschichte und Bedeutung des Internets
Das Internet ist Symbol und Flagschiff der Entwicklungen zur Informationsgesell-
schaft. Denn es beschreibt mit neuen Gesetzen die digitale Revolution und die Virtual
Reality, ,,in der Technik erstmals eine neue Welt schafft, in die mit einer unglaublichen
Geschwindigkeit immer mehr gesellschaftliche Tätigkeiten, Institutionen und auch Lei-
denschafen auswandern, wenn die Menschen physisch an Ort und Stelle bleiben"
(Rötzer 1999, 8). Diese virtuelle (Parallel-) Welt existiert neben der realen Welt. Als
zentrale Merkmale beschreibt Rötzer, dass sie weder Boden noch Ökosphäre habe,
die man bewahren, ausnutzen, verändern oder zerstören könnte, sondern ausschließ-
lich aufgrund einer technischen Infrastruktur mit grundlegenden Standards existiert
(vgl. Rötzer 1999, 19). Hinzu kommt auch ein neues Zeitverständnis. Denn im Internet
gelten keine geographischen Zeitzonen und Ladenschlussgesetze.
13
Ursprünglich für militärische Zwecke zu Zeiten des Kalten Krieges entwickelt, wurde
das Internet lange ausschließlich zum vernetzten Informationsaustausch von öffentli-
chen Institutionen und akademischen Einrichtungen genutzt. Als Erfinder gilt der briti-
sche Informatiker Tim Berners Lee, der 1989 das World Wide Web zum Massenme-
dium entwickelt haben soll. Die Freigabe des Netzes war die Basis für seinen Sieges-
zug, der einher ging mit einer schnell einsetzenden Kommerzialisierung, der raschen
Verbreitung des Personalcomputers und weltweiten Standardisierungen.
Die Funktionen des Internet sind heute (vgl. Zerdick 2000):
Abbildung 7: Funktionen des Internet
Quelle: vgl. Zerdick 2000
Die symbolische Vielschichtigkeit des Internets spiegelt sich auch in der Metaphorik
wieder, die auf das Internet angewendet wird. Das Internet wird beispielsweise mit ei-
nem Datenmeer verglichen und seine Nutzung mit dem Begriff Surfen umschrieben,
und Provideranbieter nennen ihre Dienstprogramme Netscape Navigator oder Internet
Explorer. Diese ,,nautische Metaphorik" ist nach Birkenbach/Maye fest im kulturellen
Gedächtnis verankert (Odyssee, Argonauten) und beschreibt die Gleichzeitigkeit von
Desorientierung und Innovationschancen (vgl. Birkenbach/Maye 1997, 88). Verstärkt
ist auch die Metapher der Datenautobahn in den Vordergrund gerückt. Dieser Begriff
entstand in Anlehnung an den Begriff Information Highway, den der damalige ameri-
kanische Vize-Präsident Al Gore anlässlich einer Regierungserklärung 1993 prägte.
Das Konzept dieser Datenautobahn
14
beschreibt mit dem Bild einer Straße die Ver-
bindung von Menschen und Orten. Hier werden Daten via Draht-, Glasfaser- und
Funknetzen gesendet. Die Metapher der Autobahn beinhaltet darüber hinaus einen
durch Reglementierungen und Beschränkungen geordneten Verkehr. In diesem Zu-
sammenhang wird auch von einem Führerschein für das Internet gesprochen und von
der Möglichkeit eines Staus (Datenstaus und die z.T. langen Wartezeiten)
Demgegenüber steht McLuhans Bild vom Global Village (vgl. McLuhan/Powers 1995),
denn hier geht es nicht um die Überbrückung großer räumlicher Distanzen, sondern
vielmehr um das Zusammenrücken der Menschen, die mittels moderner Kommunika-
tionstechnologien verbunden sind. Mit dem Internet entstehen so neuartige soziale
Räume, die vielfältige Kommunikations und Interaktionsmöglichkeiten bieten.
13
Einen symbolischen Schritt ging hier die Uhrenfirma Swatch, die versucht hat, einen internationalen
Zeitstandard zu schaffen: die Internetzeit. Die dazugehörende Uhr teilt einen Tag in 1.000 Zeiteinheiten
ein. Die Ortszeit wird von der Uhr in die Internetzeit umgewandelt, die dann für alle Nutzer die gleiche ist.
14
Datenautobahn = leistungsfähige Informationsübertragungsnetze (Breitbandnetze, ISDN, Satelliten-
netze), die es ermöglichen, digitalisierte Daten, Texte, Bilder in Datengeschwindigkeit online zu vermit-
teln).

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
26
Nach Ansicht des Bundesministeriums für Wirtschaft sind weitere juristische Problem-
bereiche im Schutz des geistigen Eigentums, der Zuständigkeit und Verantwortung für
Inhalte und der Haftung der Dienst-Anbieter zu sehen (vgl. BMWi 1995, 12). Nur mit
rechtlichen Standards kann sich die neue Ökonomie frei entfalten, während gleichzei-
tig persönliche Rechte geschützt werden. Es werden somit Instrumente notwendig,
um Kindern und Jugendlichen einen klugen Umgang mit der Kommunikationstechno-
logie zu vermitteln, sie vor kriminellen und pornografischen Inhalten zu schützen und
ihnen den richtigen Umgang mit der Informationsvielfalt beizubringen.
Dies ist auch insofern prägnant, als das durch das Internet die Zensur
15
von illegalen
Inhalten und deren Verbreitung schwieriger wird.
2.3
Information und Wissen als neuer Rohstoff
Information und Wissen sind die determinierenden Größen der Informationsgesell-
schaft. Welche Bedeutung und welche Funktion haben sie, was macht sie in unserer
Zeit so (ge-)wichtig und wo liegen Gefahren und Risiken? ,,Wissen wird nun von
Dienstleistungsservern, Informationsmaklern und jedem, der am Informierungsspiel
teilnehmen will, angeboten. Informationen werden als Rohstoff der so genannten ,In-
formationsgesellschaft' über den Datenhighway gejagt und im globalen Informations-
dorf kommunikativ bearbeitet, um immer aufs Neue auf elektronische Weltreise zu
gehen. Die Information scheint eine der vielversprechendsten Entdeckungen der letz-
ten Jahrhunderte zu sein" (Groll 1998, 7). Information soll im Folgenden als Rohstoff
verstanden werden. Sie wird aber ­ wie ein ungeschliffener Diamant ­ erst brauchbar
und wertvoll, wenn sie in Wissen transformiert (eben: geschliffen) wird. Dieses Wissen
wiederum muss institutionalisiert und professionalisiert sein, sonst bleibt es abstrakt.
16
2.3.1
Unterscheidung zwischen Information und Wissen
Entscheidend ist demnach im Folgenden die Unterscheidung zwischen Information
und Wissen.
17
Aus Daten können Informationen werden und aus Informationen Wis-
sen. Das eine muss jedoch nicht zwangsläufig zum anderen transformiert werden.
Daten müssen strukturiert sein, um Information zu bilden. Information ihrerseits kann
eingeteilt, analysiert, überdacht und verarbeitet werden, erst dann entsteht Wissen.
Daten und Informationen stellen aus dieser Sicht das Rohmaterial dar, das zu dem
Produkt Wissen verarbeitet werden können. Auch Daniel Bell unterscheidet in seinen
späteren Schriften Information (,,transforming resource") und Wissen (,,strategic re-
source"). Information wird dabei als zentrales Element der Wirtschaftsstruktur, Wissen
als Element der gesellschaftlichen Machtstruktur gesehen. Auf die beiden Begriffe soll
15
Zensur wird zu einem immer wichtigeren Thema, gerade auch was weltweite Gleichheit angeht. Hier
geht es weniger um die Zensur von kriminellen Inhalten oder das legalisierte Kontrollieren von Unter-
nehmen ihrer Mitarbeiter. Wichtiger sind staatliche Zensuren. Beispielsweise gibt es im Irak und in Syrien
noch keinen Internetzugang für Privatpersonen, viele Staaten arbeiten mit starken Einschränkungen und
Filtern. Diese Aspekte sind zu berücksichtigen, wenn man über ein globales Village und eine weltweite
Community und über Chancen, Risiken, Gewinner und Verlierer diskutiert
16
...und der Kühlschrank leer.
17
Vor allem in ökonomischer Hinsicht ist diese Differenzierung entscheidend, denn Information wird zum
tragenden Wertschöpfungselement.

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
27
nun genauer eingegangen werden, um die Wichtigkeit ihrer Unterscheidung hervor-
zuheben.
Über Information
Der Begriff der Information wird alltagssprachlich nicht hinterfragt und selbstverständ-
lich verwendet. Bei genauerem Hinsehen besteht diese Klarheit nicht unbedingt. ,,In-
formation wird changierend zwischen Tatsache, Erfahrungselement, Wissensbestand-
teil, Kenntnis gebraucht, ohne dass der Begriff in Relation zu den Begriffen etwa der
Erfahrung, des Wissens, der Kenntnisse gesetzt wird; oft schwingt jedoch die Vorstel-
lung mit, dass Information doch etwas anderes (weniger, etwas Kleineres) als diese
darstellte" (Schmiede 1996a, 16). Informationen haben bestimmte Funktionen, die von
enormer sozialer Bedeutung sind (vgl. Abbildung 8).
Abbildung 8: Funktion von Information
Transport von Neuig-
keiten-
durch Sprache, Schrift, Bild, Ton
Reduktion von Unsi-
cherheiten
Sicherheit ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Nur wer vollständig
informiert ist, kann rational handeln und sich weiterentwickeln.
Sinnhaftigkeit
Nur dann können sie ,,verwendet" werden zur Konstruktion der ,,sub-
jektiven und intersubjektiven Wirklichkeit" (vgl. Berger, P./Luckmann,
T. 1977, 24ff).
Verbindung von sozi-
alen Systemen
,,Durch Informationen werden soziale Systeme miteinander verbun-
den. Prozesse der Übertragung, Umwandlung, Speicherung und
Auswertung von Informationen regulieren das Verhalten (Agieren und
Reagieren) von sozialen Systemen u. Systemeinheiten untereinan-
der" (Hillmann 1994, 366).
Quelle: eigene Darstellung
Diese Funktionen von Information werden jedoch zunehmend gefährdet, paradoxer-
weise durch ihr Wachstum, d.h. durch den Anstieg des Informationsvolumens, das je-
derzeit von jedem Ort aus abzurufen ist (z.B. via Internet). Im Unterschied zu den tra-
ditionellen ,,Informationslieferanten" (Bücher, Zeitschriften, Zeitungen) aus dem Print-
Bereich ergeben sich bei der Informationssuche im Netz jedoch folgende Probleme:
Wahre und falsche, wichtige und belanglose Informationen stehen oft unvermittelt
nebeneinander und müssen von jedem Leser eingeordnet und gewichtet werden.
Stichwort: Verifizierung und Urheberschaftsrechte.
18
Trotz oder gerade wegen der Informationsflut sind die relevanten und benötigten
Informationen oft schwer zu finden.
Dynamische Entwicklungen erfordern eine ständige Aktualisierung des erreichten
Informationsstandes.
Klaus Merten nennt dies die ,,reflexive Struktur" (Merten 1996, 87f) der Information
und leitet vier Folgen ab:
18
Genaueres hierzu siehe Kapitel 6: Infodealer

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
28
Abbildung 9: Die reflexive Struktur der Information und ihre Folgen
Vergrößerung des Infor-
mationsangebots
!
!
!
!
In-
formationsüberlastung
und Unübersichtlichkeit
Das Informationsangebot steigt stärker und schneller als die
Kapazität für menschliche Informationsverarbeitung. Das führt
zu Informationsüberlastung und Unübersichtlichkeit und letztlich
eben zu Unsicherheiten. Merten schlägt unter diesem Ge-
sichtspunkt die Verwendung des Begriffs ,,Mediengesellschaft"
statt Informationsgesellschaft vor (ebd).
Differenzierung von In-
formation
!
!
!
!
Fiktionali-
sierung von Information
Gesellschaften werden immer größer und differenzierter, das
Informationsangebot auch. So ist es für den Einzelnen nicht
mehr möglich, den Gehalt von Informationen zu prüfen, er muss
den Inhalten vertrauen. Als Lösung werden Informationen und
Meinungen differenziert und damit fiktionalisiert, so dass auf
,,fertige" Meinungen zurückgegriffen werden kann.
Zunehmende Individuali-
tät und selektives Ver-
halten
!
!
!
!
,,Entfesselung"
des Rezeptionsverhal-
tens
Durch ,,wachsende Freiheitsgrade selektiven Verhaltens" (ebd.,
88) kommt es zu einer Individualisierung der Lebensführung,
die sich auch im Mediennutzungsverhalten zeigt. Quantitativ
bedeutet das eine Zunahme der Medienrezeption (Umfang und
Zeitanspruch). Qualitativ gesehen entwickelt der Rezipient eine
individuelle Selektivität, die vor allem auch durch das Internet
bedient und gefördert wird.
!
!
!
!
Zunehmende Kon-
struktion von Wirklich-
keit
Medien haben mehr denn je die Eigenschaft, ,,für den Einzelnen
zunehmend die richtungsweisenden Entwürfe für Wirklichkeits-
konstruktionen zu liefern" (ebd., 89).
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Merten 1996, 87ff
Welche Konsequenzen dies für den Einzelnen und das Kommunikationsverhalten hat,
soll im Laufe der Arbeit diskutiert werden.
Über Wissen:
Wissen ist ein besonderer Rohstoff. Im Gegensatz zu ,,herkömmlichen" Rohstoffen
wie Öl oder Kohle ist Wissen unendlich vermehrbar und selbst dann noch vorhanden,
wenn es mit anderen geteilt wird.
,,Schon Samuel Johnson wusste, dass es zweierlei Wissen gibt: Wir wissen entweder
selbst etwas von einer Sache, oder wir wissen, wo wir Informationen darüber finden
können. Und diese zweite Form wird in einer Zeit, die von der Verdopplung des Welt-
wissens innerhalb von sieben Jahren ausgeht, immer wichtiger. Infomapping nennt
man das heute: wissen wo das Wissen ist" (Bolz 2000, 3).
Mehr denn je verleiht Wissen einer Kultur Überlegenheit über andere. ,,Als praktisches
und tradiertes Wissen, als Know-how, war es die wichtigste Produktivkraft in der Ge-
schichte der Menschheit" (Rötzer 1999, 95).
Und Wissen wächst exponenziell. Beispiele:
In einer Notiz in ,,DIE WOCHE" heißt es: ,,In den nächsten drei Jahren werden auf
der Erde voraussichtlich mehr Informationen erzeugt als in den vergangenen
300.000 Jahren. Nach Berechnungen kalifornischer Wissenschaftler vergrößerte
sich allein im vergangenen Jahr der weltweite Datenbestand um 1,5 Millionen Te-
rabyte auf 12 Millionen Terabyte, wobei ein Terabyte in etwa der Datenmenge von
1 Million Büchern entspricht" (DIE WOCHE vom 10.11.00).
90 Prozent aller Wissenschaftler, die je gelebt haben, leben in der heutigen Zeit
(vgl. Noam 1995, 38f).

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
29
Eine normale Ausgabe der New York Times enthält mehr Informationen als ein
Durchschnitts-Engländer im 17. Jahrhundert im Laufe seines ganzen Lebens zu
hören bekam (ebd.).
Wissen ist jedoch immer auch ein qualitativer Begriff. So können beispielsweise die
Datenfluten der Unterhaltungsindustrie wohl kaum als Wissen bezeichnet werden,
selbst wenn ihre Produzenten oft in die Kategorie der Wissensarbeiter (knowledge
worker) eingeteilt werden.
19
Die praktische Anwendbarkeit von Wissen ist dementsprechend ihr grundlegendes
Qualitätskriterium. Davon ist in erster Linie natürlich auch die (Allgemein-) Bildung be-
troffen. Das klassische Modell der schulischen Bildung steht vor großen Herausforde-
rungen, denn Wissen muss projekt- und themenbezogen immer schneller erlernt wer-
den, um anwendbar zu sein. Schnelligkeit und Flexibilität werden somit zu neuen In-
halten. ,,Die Produktivität des Wissens, also wie neues, vorwiegend anwendbares
Wissen aus Wissen zu gewinnen ist, wird über die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern,
Regionen, Firmen und Individuen entscheiden" (Rötzer 1999, 98).
In dieser Sicht ist Wissen der entscheidenden Produktionsfaktor, und hat im Vergleich
zur industriellen Gesellschaft ein wesentliches Charakteristikum: Während es nach
Marx'scher Ideologie dem Arbeiter unmöglich war, Anteil an den Produktionsmitteln
zu bekommen und sich dadurch soziale Ungleichheit determinierte, ist Wissen prinzi-
piell mobil und schichtunabhängig. Das in Ausbildung erworbene Wissen ist Eigentum
des jeweiligen Menschen, es ist sein ,,kulturelles Kapital", das eben nur bedingt aus-
tauschbar ist (vgl. Bourdieu 1998). Damit wird Wissen zum individuell einsetzbaren
Produktionsmittel. ,,Das Produktionswerkzeug ist das eigene Wissen, das überall mit
hinnehmbar ist" (Beck 1999, 45). Vorausgesetzt, dass jeder den gleichen Zugang zu
diesem Wissen hat.
2.4
Fazit: Die Informationsflut und ihre Reduktion
Wird die zunehmende Entwicklung und Verbreitung von Informationen durch die IuK-
Technologien als ursächlich für eine flächendeckende Informatisierung gesehen, und
Wissen als treibende Produktionskraft und Rohstoff moderner Gesellschaften, dann
ist dies der Weg in die Informationsgesellschaft. Die Weiterentwicklung und Diffusion
von Technologie folgt dabei in der Regel ökonomischen Prinzipien wie Konkurrenz,
Wettbewerbsfähigkeit etc. Der Umgang mit den Techniken und den steigenden Infor-
mationsmengen hingegen muss erst erlernt werden. Es geht darum, Informationen
gezielt auszuwählen und so zu werten, dass daraus qualitativ verwendbares Wissen
entsteht. Diese Selektion wird angesichts der steigenden Quantität und Komplexität
von Informationen jedoch immer schwieriger. ,,Je mehr Informationstechnologie wir
einsetzen und je mehr Wissen wir produzieren, desto weiter fallen wir bei der Bewälti-
gung dieser Informationen zurück" (Noam 1995, 36). Nach Aussage von Eli Noam
handelt es sich hierbei um ein ,,System-Ungleichgewicht" (ebd.) zwischen den Kom-
19
Gleichwohl kann auch gerade die Unterhaltungsindustrie zur Vermehrung von Wissen beitragen. Mit
edutainment werden Kindern beispielsweise durch Lernsoftware in spielerischer Weise Inhalte vermittelt.
Ein anderes Beispiel ist die zunehmende Beliebtheit von Quiz-Shows, in denen es für viel Wissen viel
Geld gibt.

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
30
munikationskomponenten Erzeugung von Information, ihrer Diffusion und ihrer Auf-
nahme bzw. Verarbeitung. Diese drei Phasen der Kommunikation stehen im interde-
pendenten Verhältnis zueinander, sie sollten in gleicher Intensität aufeinander einwir-
ken. Nach Noam ist das jedoch keinesfalls so, der Schwachpunkt liege bei der Verar-
beitung der Informationen. ,,Das brennende Thema für die Technologien der Zukunft
ist folglich nicht die Produktion und sicher nicht die Übertragung von Informationen,
sondern ihre Verarbeitung. Fast jeder kann Informationen erzeugen. Viel schwieriger
ist es, sie zu verringern" (ebd. 37). Es geht von daher um ein Ungleichgewicht von In-
put und Output der Informationen, die Komplexität steigt:
Komplexität steigt durch Individualisierung und Pluralisierung: Das liegt zum ei-
nen daran, dass moderne, funktional differenzierte und pluralisierte Gesellschaften ei-
nen hohen Grad an Komplexität aufweisen. Verbunden mit der Individualisierung ste-
hen dem Einzelnen damit größere Handlungsräume offen, gleichzeitig entfallen viele
Orientierungsmuster und damit Sicherheit (vgl. Beck 1986).
Komplexität steigt durch Zunahme von Information (-skanälen): Zum anderen ist
v.a. durch die Zunahme der IuK-Technologien die Informationsvielfalt enorm gestie-
gen. ,,Information ist im Überfluss verfügbar, sie kann im Multimedia-System jederzeit
abgerufen, sofort überprüft werden, Rückfragen sind jederzeit möglich. Jeder kann
sich die Informationen heraussuchen, die er haben will, zu jedem Zeitpunkt, der ihm
passt in einer Reihenfolge, die er selbst bestimmt, mit dem Tiefgang, der ihm ange-
messen erscheint. Und er kann nachhaken, mehr verlangen, Unklarheiten durch di-
rekte Rückkopplung aufklären, seine eigene Position neben die von Autoritäten stellen
und zu Gehör bringen" (Hoffmann 1995, 22).
Was jedem Einzelnen eine größere Transparenz und permanente Zugriffsmöglichkeit
auf Informationen bietet, birgt also gleichzeitig aber auch die Gefahr der Informations-
überflutung oder des ,,Infosmog" (vgl. Shenk 1997). Auch im Falle der Information gilt,
dass es davon zu viel des Guten geben kann, ab einer bestimmten Eingabemenge
greift das Gesetz vom abnehmenden Grenzertrag: ,,Die Informationsflut steigert unse-
re Lebensqualität nicht mehr, sondern bewirkt statt dessen Stress, Ratlosigkeit und
sogar Unwissenheit. Sie vermindert unsere Fähigkeit zur selbständigen Weiterbil-
dung, schwächt unsere Stellung als Verbraucher und bedroht den Zusammenhalt der
Gesellschaft. Die meisten von uns verlieren ein Stück weit die Kontrolle über ihr eige-
nes Leben, während die Position der Mächtigen weiter gestärkt wird" (ebd. 11). Nach
einer Untersuchung, die Winterhoff-Spurk anführt, kommt es jedoch selten zu Infor-
mationsüberlastung, -stress oder gar -infarkt, da der Mensch vorher ,,abschalte".
Bedeutsam ist somit der planvolle Umgang mit Informationen zur Reduktion der Kom-
plexität. ,,Wer verstehen will, muss Informationen vernichten. Und so kommen wir zu
einem paradoxen Resultat. In der Datenflut der Multimedia-Gesellschaft kann ,Mehr-
wert' nur heißen: weniger Information" (Bolz 2000, 3). Allerdings ist es wohl kurzfristig
eher so, dass durch den Anstieg von Multimediaangeboten (Zunahme von Fernseh-
und Radiokanälen, Internetdiensten u.a.) die Komplexität zunächst eher zunimmt und
die Orientierungslosigkeit ansteigt.
Komplexitätsreduktion ist oberstes Ziel. Es klingt paradox, aber die Lösung der Infor-
mationsüberflutung liegt in der Information selbst, genauer gesagt in ihren neuen Ü-
bertragungstechniken. Gernot Wersig nennt diesbezüglich deren interaktive und mul-

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
31
timedialen Merkmale (Verknüpfung von Bild, Ton und Schrift) oder auch die individuel-
len Präsentations- und Aneignungsmöglichkeiten, wie sie z.B. durch Hypertext ge-
schaffen werden (vgl. Wersig 1993).
Reduktion der Unübersichtlichkeit mit multimedialen Instrumenten ist die vornehmli-
che Aufgabe der so genannten Infodealer (z.B. Online-Journalisten
20
). Sie sind dafür
zuständig, aus dem Informationsangebot auszuwählen, und zu gewichten. Sie prä-
sentieren das Gesuchte kurz und präzise und versuchen Glaubhaftigkeit und Verifika-
tion zu bieten.
Für den planvollen, souveränen, verantwortungsvollen und geschulten Umgang mit
den Neuen Medien ist das grundlegende Instrument zur Komplexitätsreduktion für
den Einzelnen Medienkompetenz. Es lässt sich als erstes Ergebnis festhalten, dass
Medienkompetenz eine der größten Herausforderungen an die Menschen (und dem-
entsprechend auch an die Politik und das Bildungssystem) ist, die in der Informati-
onsgesellschaft bestehen wollen. Medienkompetenz meint in diesem Sinne die Fähig-
keit des Einzelnen, ökonomisch sinnvoll zu selektieren. Denn: ,,Zur Wahrnehmung
und Verarbeitung von Informationen hat der Mensch nur eine begrenzte kognitive Ka-
pazität, die er jedoch ökonomisch und flexibel, selektiv einsetzen kann" (Winterhoff-
Spurk 1996, 205).
21
20
Siehe hierzu das Kapitel 6: Infodealer
21
Gleichwohl kann auch gerade die Unterhaltungsindustrie zur Vermehrung von Wissen beitragen. Mit
edutainment werden Kindern beispielsweise durch Lernsoftware in spielerischer Weise Inhalte vermittelt.
Ein anderes Beispiel ist die zunehmende Beliebtheit von Quiz-Shows, in denen es für viel Wissen viel
Geld gibt.

Erster Teil: Einführung Theorie zur Informationsgesellschaft
32
Fragen und Antworten zu den Theorien der Informationsgesellschaft
1. Woran kann der Begriff der Informationsgesellschaft festgemacht wer-
den?
Die Informationsgesellschaft wird ­ unabhängig von unterschiedlichen theore-
tischen Ansätzen ­ vor allem an der zunehmenden Bedeutung von Information
und Wissen und ihre schnellere und globalere Diffusion durch moderne IuK-
Technologien in allen sozialen Bereichen festgemacht. Oft wird die Informati-
onsgesellschaft als Überwindung oder Fortschreibung der industriellen Ära
oder als eingebettet in die Dienstleistungsgesellschaft beschrieben.
2. Woran kann die Informatisierung der Gesellschaft festgemacht werden?
Der Prozess der Informatisierung kann anhand weicher (sozialer) und harter
Faktoren der Technikentwicklung beschrieben werden. Letztere forciert die
Verbreitung von Information und Wissen durch die Potenziale der Digitalisie-
rung die Interaktivität und Multimedialität ermöglichen. Dies führt zu einer glo-
balen Vernetzung. Die weichen Faktoren sind die gesellschaftlichen Folgen
dieser Entwicklung in Wirtschaft, Arbeit, sozialem Zusammenleben und Politik.
3. Wodurch bekommen Information und Wissen eine so hohe Bedeutung in
der Informationsgesellschaft?
Daten und Informationen können zu Wissen transformiert werden und gelten
als wichtigster Produktionsfaktor der Informationsgesellschaft. Im Vergleich zu
herkömmlichen Rohstoffen ist Wissen unendlich mehrbar und das Teilen von
Wissen führt nicht zu seiner Reduktion, sondern zu seiner Vervielfältigung.
4. Was bedeutet ,,Informationsflut", und wie kann damit umgegangen wer-
den?
Informationsflut meint die unüberschaubare Dichte und Verfügbarkeit von In-
formationen, die zu Desinformation führen kann. Um dies zu vermeiden ist die
Reduktion der Informationskomplexität nötig und gezielte Selektion. Diese Ei-
genschaft wird Medienkompetenz genannt und ist eine zentrale Herausforde-
rung an die Informationsgesellschaft.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832443627
ISBN (Paperback)
9783838643625
DOI
10.3239/9783832443627
Dateigröße
1.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruhr-Universität Bochum – Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum
2001 (Oktober)
Note
1,3
Schlagworte
informatisierung online-journalismus digitalisierung informationsgesellschaft
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Titel: Die Informatisierung von Gesellschaft und Wirtschaft und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen am Beispiel des Online-Journalismus
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