Auswertung von Erfahrungen mit Japans Alterssicherung für die Suche nach Auswegen aus den Finanzierungsproblemen europäischer Rentenversicherungen
Zusammenfassung
Der dritte Lebensabschnitt das Alter wird in den Medien allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten in den schwärzesten Farben skizziert: Die Renten sind sicher. Und die Erde ist eine Scheibe! Mit diesem Slogan wirbt eine britische Versicherungsgesellschaft in deutschen Zeitschriften für den Abschluss einer privaten Rentenversicherung. Die Ironie des Werbeslogans spiegelt die starke Polarisierung in der Debatte über die Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung.
Skeptiker zählen vier Gründe auf, warum die Alterssicherung durch die heutige gesetzliche Rentenversicherung nicht haltbar bzw. im Idealfall für die Erhaltung eines Existenzminimums gerade ausreichend ist.
Mit dieser Arbeit soll unter Einschränkung auf die Sicherung der Altersrente - untersucht werden, wie sich die Problematik in der EU im Vergleich zu Japan darstellt, welche demographischen Entwicklungen zu erwarten sind, wie die derzeitige Praxis der Alterssicherung geregelt ist und welchen Stellenwert dem Bereich der sozialen Sicherung eingeräumt wird, welche Wege vor dem nationalen Hintergrund eingeschlagen wurden und werden und welche Prognosen für die Zukunft gemacht werden können.
Im Zusammenhang werden die verschiedenen Alterssicherungssysteme vorgestellt und die theoretischen und praktischen Chancen der möglichen Reformschritte über die Jahrtausendwende analysiert.
Besonders bemerkenswert ist, dass Japan bedingt durch die demographische Entwicklung später von der Problematik betroffen wurde, aber schon früher auf sich abzeichnende Probleme reagiert hat. Kann sich Europa an Japan ein Beispiel nehmen?
Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
Verzeichnis der Abbildungen5
Verzeichnis der Tabellen6
Abkürzungs- und Quellenverzeichnis7
I.Polarisierende Standpunkte in der Diskussion um eine gesicherte Altersrente8
II.Der demographische Hintergrund11
A.Altersstruktur11
B.Höhere Lebenserwartung14
C.Statistische Kennzahlen16
III.Finanzierungsverfahren der Alterssicherung20
A.Die 3 Säulen der Alterssicherung20
B.Finanzierungsmodelle21
C.Der Rentner heute: Fürsorge- oder Lohnempfänger24
D.Reformansätze27
1.Wie sicher sind staatliche und private Versorgungssysteme, wenn der demographische Orkan kommt?27
2.Kapitaldeckungsverfahren versus Umlageverfahren30
3.Private Pensionsvorsorge31
4.Vor- und Nachteile von mehr privat und weniger Staat33
5.Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen36
IV.Ältere Arbeitnehmer zwischen Erwerbstätigkeit […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen
Verzeichnis der Tabellen
Abkürzungs- und Quellenverzeichnis
I. Polarisierende Standpunkte in der Diskussion um eine gesicherte Altersrente
II. Der demographische Hintergrund
A. Altersstruktur
B. Höhere Lebenserwartung
C. Statistische Kennzahlen
III. Finanzierungsverfahren der Alterssicherung
A. Die 3 Säulen der Alterssicherung
B. Finanzierungsmodelle
C. Der Rentner heute: Fürsorge- oder Lohnempfänger
D. Reformansätze
1. Wie sicher sind staatliche und private Versorgungssysteme, wenn der demographische Orkan kommt?
2. Kapitaldeckungsverfahren versus Umlageverfahren
3. Private Pensionsvorsorge
4. Vor- und Nachteile von „mehr privat und weniger Staat“
5. Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen
IV. Ältere Arbeitnehmer zwischen Erwerbstätigkeit bzw. Erwerbslosigkeit und Rente
A. Theoretische Ansätze der Grundmodelle für die Alterssicherungssysteme
B. Praktische Ansätze zur Gewährleistung der Alterssicherung in Europa
1. Deutschland
a. Gesetzliche Vorsorge
b. Betriebliche Vorsorge
c. Private Vorsorge
2. Österreich
a. Gesetzliche Rentenversicherung
b. Betriebliche Vorsorge
c. Private Vorsorge
3. Schweiz
a. Gesetzliche Vorsorge
b. Betriebliche Vorsorge
c. Private Vorsorge
4. Schweden
C. Alterssicherung in Japan
1. Soziale Aspekte und Rahmenbedingungen im gesellschaftlichen Kontext
2. Die Position älterer Arbeitnehmer im japanischen Arbeitsmarkt
3. Die Entwicklung des japanischen Rentensystems
a. Das Volkspensionsgesetz
b. Das Sozialpensionsversicherungsgesetz – Wohlfahrtsversicherung
c. Betriebspensionen und private Vorsorge
V. Reformschritte und ihre Chancen
A. Die Vereinbarkeit der Typen der Alterssicherung
B. Analytische Betrachtung der Grundzüge der japanischen und europäischen Systeme
C. Mögliche Reformmaßnahmen innerhalb der gesetzlichen europäischen Rentensysteme
D. Politökonomische Hintergründe
VI. Japan als Vorbild für die materielle, aber auch die ideele Bewertung des Alters
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 1: Die Altersstruktur der europäischen und japanischen Bevölkerung 1997, Quelle: Eurostat, Luxembourg
Abb. 2: Anteil der über 60-jährigen an der europäischen Bevölkerung, Quelle: IIASA 1999
Abb. 3: Die Entwicklung der Alterslastquote in % des BIP,
Quelle: OECD, Leibfritz, W., (1998), Anhang 1
Abb. 4: Die Entwicklung der gesetzlichen Rentenausgaben in % des BIP, Quelle: OECD, Leibfritz, W., (1998), Anhang 2
Abb. 5: Bestände an Pensionsfonds 1996, Angaben in % des BIP, Quelle: OECD (Observer Nr. 212), Wirtschaftskammer Österreich (1999), Seite 23
Abb. 6: Prognostizierte Entwicklung des Beitragssatzes der gesetzlichen Rentenversicherung von 1995 bis 2030 in Deutschland, Drost, A. (1998), Seite 2 nach Dudey (1996)
Abb. 7: Arbeitslosenquoten 1983 bis 1996 graphisch dargestellt: Gesamtquote, differenziert nach Altersgruppen, nach Geschlecht, BRD. Quelle: OECD 1996b, 1997
Abb. 8: Absolute Steuerbelastung der Unselbstständigen im internationalen Vergleich am Beispiel einer Familie mit zwei Kindern in Tausend Yen, Dams T./Jojima, K., (1982), Seite 131
Abb. 9: Graphische Darstellung des Anteils von erwerbstätigen Männern in der EU und in Japan in Prozent, Quelle: Japan – Showa 50-nen Kokusei Chosa, European Community, Labour Force Sample Survey, Vergleich 1975
Abb. 10: Reale interne Rendite von Beiträgen zur GRV und realer Zinssatz in Prozent von 1950 bis 1985 in Deutschland, Drost, A., (1998), Seite 4
Verzeichnis der Tabellen
Tabelle 1: Die Lebenserwartung in Europa und Japan 1997, Quelle: Eurostat, Luxembourg
Tabelle 2: Rentenhöhe (brutto) in % der Löhne, Quelle: OECD, Leibfritz, W., (1998), Anlage 5
Tabelle 3: Gesetzliches Renteneintrittsalter in Europa und Japan, Quelle: Verlag der Versicherungswirtschaft, Leibfritz, W., (1998), Anlage 6
Tabelle 4: Arbeitslosenquoten 1983 bis 1996 tabellarisch dargestellt: Gesamtquote, differenziert nach Altersgruppen, nach Geschlecht, BRD. Quelle: OECD 1996b, 1997
Tabelle 5: Entwicklung der Arbeitslosenquoten im Zeitverlauf, Quelle: OECD 1996b
Tabelle 6: Arbeitslosigkeit 1995, unterschieden nach Geschlecht und Alter, Quelle: OECD 1996b
Tabelle 7: Niedriglohnanteil nach Altersgruppen bezogen auf alle Beschäftigten 1994, Quelle: OECD 1996d
Tabelle 8: Die Verbreitung verschiedener Sozialleistungen in japanischen Mittel- und Großbetrieben in % der Erwerbstätigen, 1971, zitiert nach H. Hazama, Nikkeiren: Waga kuni romu kanri no gensei, Tokyo, 1971
Tabelle 9: Tabellarische Darstellung des Anteils von erwerbstätigen Männern in der EU und in Japan in Prozent, Quelle: Japan – Showa 50-nen Kokusei Chosa, European Community, Labour Force Sample Survey, Vergleich 1975
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
I. Polarisierende Standpunkte in der Diskussion um eine gesicherte Altersrente
„Die UNO hat das Jahr 1999 zum „Jahr der älteren Menschen“ erklärt. Und sie hat zwei gute Gründe dafür, nämlich eine gute und eine schlechte Nachricht - Die gute Nachricht: Wir werden immer älter. Die schlechte Nachricht: Außer den Alten freut sich niemand darüber.“[1]
Der dritte Lebensabschnitt – das Alter – wird in den Medien allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten in den schwärzesten Farben skizziert: „EU bekommt Pensionsprobleme“ titelt eine österreichische Tageszeitung Anfang Juli 1999[2]. Wie man dieser Misere entkommt erfährt man ebenso aus der Presse. „Versicherer hoffen auf Jahr-2000-Boom“ ist einen Monat später in den Salzburger Nachrichten[3] zu lesen oder: „Die Renten sind sicher. Und die Erde ist eine Scheibe!“ Mit diesem Slogan wirbt die britische Equitable Life Insurance Society in deutschen Zeitschriften für den Abschluss einer privaten Rentenversicherung. Die Ironie des Werbeslogans spiegelt die starke Polarisierung in der Debatte über die Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung.
Skeptiker zählen vier Gründe auf, warum die Alterssicherung durch die heutige gesetzliche Rentenversicherung nicht haltbar bzw. im Idealfall für die Erhaltung eines Existenzminimums gerade ausreichend ist.
- Das wichtigste Problem liegt in einer ungünstigen demographischen Entwicklung. Wie in vielen anderen OECD-Staaten führen eine abnehmende Geburtenrate und eine zunehmende Lebenserwartung dazu, dass die Bevölkerung immer älter wird. Das bedeutet auch, dass eine Erwerbsperson für eine immer höhere Zahl von Rentner aufkommen muss.
- Ein zweites Problem wird bei Betrachtung der Entwicklungen der Einkommens- und Vermögensverteilung virulent. Waren Mitte des Jahrhunderts Einkommen und Vermögen der meisten privaten Haushalte zu gering, um eine individuelle Alterssicherung aufzubauen, so sind heute ein Drittel der Bevölkerung durch ihre Erwerbsstruktur dazu in der Lage, um privat für ihr Alter vorzusorgen. Ein weiteres Drittel kann Schätzungen zufolge zwar nicht vollständig unabhängig von einem staatlichen Alterssicherungssystem für den dritten Lebensabschnitt vorsorgen, kann aber immerhin teilweise privat mitfinanzieren. Das letzte Drittel der Bevölkerung wäre bei einem Versagen der gesetzlichen Rentenversicherung von Altersarmut akut bedroht.
- Ein drittes Problem resultiert aus der Verknüpfung der Altersversorgung mit der Erwerbsarbeit. Die weit verbreitete Lohn- und Beitragsbezogenheit der Altersrenten führt zur Benachteiligung all derer, die von der Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise ausgeschlossen sind, z. B. Behinderte, oder die einer Tätigkeit unentgeltlich nachgehen.
- Die rentenrechtliche Ungleichbehandlung von Erwerbstätigen und unentgeltlich Tätigen birgt ebenso politisches Konfliktpotential wie die Ungleichbehandlung der Erwerbstätigen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst. Während ein Beamter mit einem Bruttoverdienst von 4.500 DM ein Nettoruhegeld von 2.733 DM erhält, hat ein in der Privatwirtschaft tätiger Arbeitnehmer mit gleichem Bruttoverdienst lediglich 1.702 DM Anspruch[4].
Immer wieder werden in Wahlprogrammen der Parteien Lösungen im Sinne einer für alle langfristig, verträglichen Alterssicherung in Aussicht gestellt. Wie ernst ist die Situation wirklich und werden die eingeleiteten Reformschritte die Problematik der Alterssicherung lindern oder gar lösen?
Sind die Zukunftsängste realistisch oder nur Panikmache?
Mit dieser Arbeit soll – unter Einschränkung auf die Sicherung der Altersrente - untersucht werden, wie sich die
- Problematik in der EU im Vergleich zu Japan darstellt, welche demographischen Entwicklungen zu erwarten sind, wie die derzeitige Praxis der Alterssicherung geregelt ist und welchen Stellenwert dem Bereich der sozialen Sicherung eingeräumt wird,
- welche Wege vor dem nationalen Hintergrund eingeschlagen wurden und werden und welche Prognosen für die Zukunft gemacht werden können.
- Im Zusammenhang werden die verschiedenen Alters-sicherungssysteme vorgestellt und die theoretischen und praktischen Chancen der möglichen Reformschritte über die Jahrtausendwende analysiert.
Besonders bemerkenswert ist, dass Japan bedingt durch die demographische Entwicklung später von der Problematik betroffen wurde, aber schon früher auf sich abzeichnende Probleme reagiert hat. Kann sich Europa an Japan ein Beispiel nehmen?
II. Der demographische Hintergrund
A. Altersstruktur
Eine verlässliche Diagnose der gegenwärtigen demographischen Entwicklung ist nicht ohne einen kurzen Blick zurück möglich:
- Waren in Europa noch vor 100 Jahren rund 7 % der Menschen über 60 Jahre alt, so sind es heute fast 21 % - drei Mal so viele. In der Statistik fehlen diejenigen, die Opfer der beiden Weltkriege wurden und diejenigen, die in dieser Zeit erst gar nicht geboren wurden. Ohne diese Verluste würde der Anteil der über 60-jährigen schon heute bei 35 % liegen. Eine Bestätigung für diese Hochrechnung ist das neutrale Schweden, das einen deutlich höheren Anteil an alten Menschen – nämlich 24 % - hat.
In der Nachkriegszeit können zwei Phasen unterschieden werden:
- die erste Phase von 1950 bis 1974 war durch ein kräftiges Bevölkerungswachstum gekennzeichnet. Dazu haben das generative Verhalten und die Zuwanderung von Gastarbeitern beigetragen.
- Die zweite Phase von 1975 bis 1988/89 war durch eine relativ stabile Bevölkerungszahl gekennzeichnet. Trotz eines positiven Wanderungssaldos wird für die Zukunft – laut Statistischem Bundesamt in Deutschland und den Berechnungen der Eurostat, Luxemburg - ein Rückgang der Bevölkerungszahlen in den westlichen Industrieländern prognostiziert.[5]
Die Bevölkerungsentwicklung ist mit erheblichen Verschiebungen im Altersaufbau verbunden. Das Schaubild der Bevölkerungsstruktur verändert seine Form von der Pyramide hin zum Pilz. Der Anteil jüngerer Menschen wird deutlich zurückgehen, während der der Älteren zunimmt.
In Japan gehörten 1950 nur 4,9 Prozent der Bevölkerung zu den über 65-jährigen, 1955 waren es 5,3 %, zehn Jahre später 6,8 % und 1975 wies Japan einen Anteil der über 65-jährigen von 8 % auf. In Deutschland betrug der Prozentsatz vergleichsweise 14,5 . Dieser Wert wurde zu Beginn der 90er Jahre auch von Japan erreicht. Japan hat im Vergleich zu einigen ausgewählten europäischen Staaten im Bereich der Bevölkerungsstruktur gleichgezogen wie die folgende Statistik beweist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Die Altersstruktur der europäischen und japanischen Bevölkerung 1997, Quelle: Eurostat, Luxembourg
Die Statistik zeigt, dass die Ausgangsbasis für die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur aus heutiger Sicht in Europa und Japan keine signifikanten Unterschiede aufweist. Die Werte pendeln sich knapp unterhalb von 15 % - Schweiz, Österreich, bzw. knapp darüber – Deutschland (16 %), Japan (16,5 %) und Schweden (17 %) – ein.
Der Alterungsprozess der Bevölkerung vollzieht sich vor dem Hintergrund einer weiter steigenden Weltbevölkerung. Der Anteil Europas an der Weltbevölkerung wird von derzeit knapp 14 % auf unter 7 % sinken.
Um in Deutschland, Japan und Italien den Rückgang der Erwerbspersonen in den nächsten 50 Jahren auszugleichen, müßten in diese Länder jeweils 13 – 15 Millionen Erwerbspersonen einwandern, mit Familienangehörigen wären es entsprechend mehr[6]. Eine andere, weit unrealistischere Möglichkeit wäre eine dementsprechende Kompensation durch einen Geburtenüberschuss.
Für Deutschland würde das bedeuten, dass der Anteil der Kinderlosen auf 10 % gesenkt werden müßte. Fast ein Drittel der Familien muss sich zu drei und mehr Kinder entschließen. Im Durchschnitt sollten mehr als zwei Kinder pro Paar geboren werden.[7]
Aber auch eine forcierte Zuwanderungspolitik könnte das Problem nur abmildern, denn man kann nicht nur Kinder einwandern lassen. Mit dem Familienzuzug weiterer Erwachsener aus dem Familienverband ist zu rechnen und schließlich werden auch junge Einwanderer eines Tages älter.
B. Höhere Lebenserwartung
In dem Zehnjahreszeitraum von 1983 bis 1993 ist die Lebenserwartung 65-jähriger um 1,4 Jahre gestiegen, jährlich um 1,7 Monate. Dieser erfreuliche Trend steigender Lebenserwartungen wird sich auch in Zukunft fortsetzen. Die Tendenz zeigt sich in allen europäischen Ländern sowie auch in Japan.
Die Lebenserwartung in Europa und Japan 1997
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Die Lebenserwartung in Europa und Japan 1997 in Jahren, Quelle: Eurostat, Luxembourg
Die aktuelle Lebenserwartung eines 65-jährigen Japaners ist um zwei Jahre höher als eines gleichaltrigen Deutschen, die eines Japaners, der in der Mitte seines Erwerbslebens steht, sogar um 3 Jahre. Dieser Umstand verschärft die demographische Entwicklung gemeinsam mit drastisch sinkenden Geburtenzahlen in Japan.
Rund ein Drittel der EU-Bürger wird 2030 mehr als 60 Jahre alt sein. Zugleich nimmt der Anteil der unter 20-jährigen auf etwa 20 Prozent ab. Das Durchschnittsalter steigt von derzeit 39 Jahren auf 42 bis 48 Jahre. Während jetzt drei Erwerbstätige einen Pensionisten finanzieren, werden es 2018 nur noch zwei sein, 2040 muss jeder Erwerbstätige 70 Prozent der Kosten eines Pensionisten tragen. Die Studie des „Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse“ (IIASA) stützt sich dabei auf die Prognosen des Europäischen Amtes für Statistik (Eurostat) in Luxemburg.[8]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Anteil der über 60-jährigen an der europäischen Bevölkerung, Quelle: IIASA 1999.
C. Statistische Kennzahlen
Wen betrifft das Problem wann und in welchem Ausmaß? Anhand der Alterslastquote läßt sich die Entwicklung des Problems der Überalterung im Ländervergleich skizzieren.
Die Alterslastquote benennt die Bevölkerung mit 65 Jahren und mehr in % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Wie auch bei der Altersstruktur zeigt sich eine, für alle Länder gleiche Tendenz mit nationalen Abweichungen.
Fortschreibungen der bisherigen Tendenzen zufolge zeigt die Entwicklung der Alterslastquote in % des BIP 2030 folgendes Bild:
„Spitzenreiter“ sind
- Deutschland und Italien (jeweils 49 %), gefolgt von der
- Schweiz (48 %),
- Japan (44 %), Österreich (44 %),
- Schweden (39 %), Frankreich (39%) und Großbritannien (39%).
Am Ende der Skala rangieren
- Portugal (33 %) und Irland (25 %).
Erweitert man den Vergleich, so zeigt sich für 2030 für
- Kanada (39 %) und die USA (37 %) ein ähnliches Bild wie in Frankreich und Großbritannien.
- Australien erreicht einen Wert von 32 %, Neuseeland von 30 %.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Die Entwicklung der Alterslastquote in % des BIP, Quelle: OECD, Leibfritz, W., (1998), Anhang 1
Um der höheren Lebenserwartung Rechnung zu tragen, wurde der sogenannte Demographiefaktor in die Rentenberechnung miteinbezogen. Er stellt sicher, dass an den aus der gestiegenen Lebenserwartung resultierenden Mehrbelastungen auch die derzeitigen Rentner und nicht nur die heutigen Beitragszahler und späteren Rentner in angemessener Weise beteiligt werden. Der künftige Anstieg der Renten wird dadurch verlangsamt.
Der Demographiefaktor wurde in Deutschland erstmals per 1.7.1999 angewandt. Für die Bestimmung des Demographiefaktors ist – ohne Differenzierung nach dem Geschlecht – die Veränderung der durchschnittlichen Lebenserwartung der 65-jährigen seit der Rentenreform 1992 maßgebend. Damit die sich aus der gestiegenen Lebenserwartung ergebenden Belastungen auf Beitragszahler und Rentner verteilen, wird die Steigerung der Lebenserwartung nur zur Hälfte berücksichtigt.
Beispiel: Eine Nettorente von 2000 Mark im Jahr 1999 würde sich bei jährlich 3 Prozent Lohnsteigerung bis 2030 ohne Demographiefaktor auf 4544 Mark entwickeln, mit Demographiefaktor entwickelt sie sich auf 4310.
Ohne zusätzliche Reformen würden sich die Rentenausgaben wie in Tabelle 5 beschrieben entwickeln.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Die Entwicklung der gesetzlichen Rentenausgaben in % des BIP, Quelle: OECD, Leibfritz, W., (1998), Anhang 2
Für Deutschland ergibt sich nach diesem Szenario ein Anstieg der Rentenausgaben in % des Bruttoinlandsprodukts um etwa 5 Prozentpunkte in den nächsten 30 Jahren. Der starke Anstieg beginnt in etwa 15 Jahren. Der zukünftige demographische Effekt auf die öffentlichen Haushalte entspricht in der Größenordnung den Kosten der deutschen Einheit.
Fünf Prozentpunkte sind vergleichbar mit den Transferzahlungen, die in den ersten Jahren der deutschen Einheit von den westdeutschen öffentlichen Haushalten nach Ostdeutschland transferiert wurden.
Wenn man diesen Rentenausgaben die zukünftigen Beitragseinnahmen gegenüberstellt, wiederum als Anteil am Bruttoinlandsprodukt, und zwar als Beitragseinnahmen auf der Grundlage der gegenwärtigen bzw. schon beschlossenen zukünftigen Erhöhungen der Beitragssätze, denn erkennt man, dass sich für die meisten Länder eine große Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben öffnet. Der Staat ist Ausgabenverpflichtungen eingegangen oder hat Ausgabeversprechungen gemacht, die finanziell nicht gedeckt sind.
Man kann die Höhe dieser sogenannten „unsichtbaren Staatsschuld“ abschätzen, indem man die zukünftigen Defizite aufaddiert und auf die Gegenwart abdiskontiert, also einen Gegenwartswert der zukünftigen Staatsschuld berechnet.
- Für Deutschland errechnet sich innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung für 1997 ein Wert, der knapp über 60 % des Bruttoinlandsproduktes liegt.
- Japan liegt mit 70 % höher,
- ebenso Österreich mit 93 % und
- Schweden mit 124 %.
- Irland ist mit 18 % das Schlusslicht.
- In Großbritannien liegt die „unsichtbare Staatsschuld“ bei 24 % des Bruttoinlandsprodukts[9]
Würden keine weitere Reformen eingeführt werden – sei es
- durch Kürzung der Leistungen oder
- durch Erhöhung der Steuern und Beiträge,
so wäre ein Übersteigen der Staatschuldenquoten in den Industrieländern weit über den Maastricht-Referenzwert von einer Schuldenquote von 60 % sicher.
III. Finanzierungsverfahren der Alterssicherung
A. Die 3 Säulen der Alterssicherung
Die Alterssicherung der Arbeitnehmer ruht im Idealfall auf drei Säulen:
- der gesetzlichen Altersrente.
- der betrieblichen Altersversorgung und
- der privaten Vorsorge.
Die gesetzliche Altersrente ist länderspezifisch geregelt. Der größte Teil der Anspruchsberechtigten erwirbt seinen Leistungsanspruch durch langjährige Erwerbstätigkeit, aber auch die Koppelung des Leistungsanspruches an den Wohnsitz ist in einigen Ländern gesetzlich verankert.
Betriebliche Altersversorgung bedeutet, dass Beschäftigte auf Grund ihres Arbeitsverhältnisses von Unternehmen eine Zusage bekommen, später eine Alters- oder Hinterbliebenen- und Invalidenversicherung als Ergänzung ihrer gesetzlichen Rentenansprüche zu erhalten. Betriebliche Renten werden meist ganz oder überwiegend durch Beiträge des Arbeitgebers finanziert.
Betriebliche Zusagen können differenziert werden in:
- Direktzusagen,
- Pensionskassen und
- Direktversicherungen.
Die Betriebsrente nach Direktzusagen wird aus betrieblichen Rückstellungen finanziert. Aus Sicht der Unternehmen mindert dies den Gewinn vor Steuern und verschafft so dem Betrieb einen kurzfristigen steuerlichen Vorteil. Der Rentenanspruch des Arbeitnehmers richtet sich bei dieser Versorgungsform unmittelbar an den Arbeitgeber.
Bei Pensionskassen wird die Zusatzversorgung später von einer „Kapitalsammelstelle“ ausbezahlt. Der Arbeitgeber zahlt in diesem Fall Beiträge an eine Pensionskasse oder an eine Unterstützungskasse, die dann später die Rentenansprüche befriedigt. Hierbei handelt es sich um selbstständige Einrichtungen der Altersversorgung, die oft von mehreren Unternehmen gemeinsam getragen werden. Der Rentenanspruch wird durch die Arbeitgeber-Beiträge begründet.
Bei Direktversicherungen fließen im Alter die Zahlungen aus Lebensversicherungsverträgen, die der Betrieb für seine Mitarbeiter abgeschlossen hat. Die Beiträge werden an eine betriebsfremde Versicherung bezahlt und begründen im Versicherungsfall Ansprüche auf Leistungen. Der Vorteil von Direktversicherungen für das Unternehmen liegt im geringeren Verwaltungsaufwand.
B. Finanzierungsmodelle
Grundsätzlich lassen sich zwei Finanzierungsverfahren unterscheiden:
- das Umlageverfahren und
- das Kapitaldeckungsverfahren.
Beim Kapitaldeckungsverfahren (KDV) zahlt der Erwerbstätige Beiträge in die Rentenkasse. Diese Beiträge werden auf dem Kapitalmarkt zum Marktzins angelegt. Mit dem Kapitalstock, der sich aus seinen verzinsten Beiträgen ergibt, wird ab dem Eintritt in den Ruhestand die Rente des Versicherten finanziert.
Beim Kapitaldeckungsverfahren erhalten die Individuen denselben Zins auf ihre Beiträge zur Rentenkasse wie auf eine Sparanlage auf dem Kapitalmarkt. Bei vollkommenem Kapitalmarkt sind die ökonomischen Konsequenzen des KDV aus individueller Sicht äquivalent zu der Möglichkeit, für das Alter durch private Ersparnis vorzusorgen.
Zwar kann ein staatliches und obligatorisches KDV die Höhe des Beitrages vorschreiben. Das Individuum kann aber durch geeignete Wahl seiner privaten Ersparnis diese Zwangsersparnis so ausgleichen, dass es seinen gewünschten Betrag spart.
Beim Umlageverfahren UV fallen im Unterschied zum KDV die Beitragseinnahmen und Ausgaben für Renten zum gleichen Zeitpunkt an. Die Erwerbstätigen zahlen Beiträge in die Rentenkasse ein, mit denen die fällig werdenden Renten der Pensionisten finanziert werden. Da Einzahlungen und Auszahlungen in derselben Periode anfallen, wird kein Kapitalstock aufgebaut.
Bei den Umlageverfahren kann weiters unterschieden werden zwischen dem
- UV mit pauschaler Rente und
- mit Teilhabeäquivalenz.[10]
Teilhabeäquivalenz ist so definiert, dass innerhalb einer Generation das Verhältnis der Rentenansprüche dem Verhältnis der geleisteten Beiträge entspricht. Ein Kapitaldeckungsverfahren ist per definitionem teilhabeäquivalent.
Beim Umlageverfahren mit Pauschalrente wird allen Rentnern einer Periode die gleiche Rente ausgezahlt. Da aber jedes Individuum in seiner Erwerbsphase Beiträge proportional zu seinem Einkommen zahlt, ergibt sich eine Umverteilung von Reich zu Arm innerhalb einer Generation.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurde in den meisten industrialisierten Ländern das Umlageverfahren zur Finanzierung der Renten eingeführt. Nach dieser Finanzierungsart werden die laufenden Beitragseinnahmen der Rentenversicherung zur Finanzierung der zur gleichen Zeit auszuzahlenden Renten herangezogen.
Dieses Finanzierungsverfahren war gewählt worden, weil man die Lehre aus den Zeiten der Hyperinflation und des Krieges ziehen wollte. Bis dahin waren die Renten durch Kapitaldeckung finanziert worden, das heißt mittels Ansparens eines Kapitalstocks für das Rentenalter. Diese akkumulierten Reserven hatten in den Jahren der großen Inflation stark an Wert verloren, und im Krieg war der Kapitalstock physisch zerstört worden. Aus diesen Erfahrungen heraus glaubte man, mit Hilfe des Kapitaldeckungsverfahrens die Finanzierung der Renten nicht mehr gewährleisten zu können.
Also stellte man das Rentensystem auf das Umlageverfahren um, das keinen eigenen Kapitalstock aufbaut, da seine laufenden Ausgaben bis auf eine Schwankungsreserve gleich seinen laufenden Einnahmen sind.
Bis heute hat sich das Umlageverfahren als Rentensystem in den meisten europäischen Ländern durchgesetzt.
Für das Funktionieren des Umlageverfahrens ist wesentlich, wie viele Rentner auf einen Beitragszahler kommen. Wächst dieser sogenannte Rentenquotient, dann sinkt entweder bei konstantem Beitragssatz das Rentenniveau, also die Höhe der Durchschnittsrente im Verhältnis zum durchschnittlichen Netto-Arbeitseinkommen eines Aktiven. Oder der Beitragssatz muss angehoben werden, um bei dem höheren Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern das Rentenniveau zu halten.
Der Altersquotient – oder auch Alterslastquote - drückt das Verhältnis der über 60-jährigen zu den 20- bis 59-jährigen aus. Dieser Indikator gibt annähernd den Rentenquotienten wieder und weicht insofern von ihn ab, als das durchschnittliche Renteneintrittsalter nicht bei 60 Jahren liegen muss oder die Erwerbsbeteiligung und damit die Zahl der Beitragszahler nicht der Zahl der 20- bis 59-jährigen entspricht. Nach Schätzungen wird dieser Altersquotient in der Bundesrepublik Deutschland von 35,6 % im Jahr 1992 auf ca. 70 % im Jahr 2030 ansteigen.[11]
C. Der Rentner heute: Fürsorge- oder Lohnempfänger?
Die ökonomische Sicherung im Alter ist – vor allem für abhängig beschäftigte Personen – eines der sozialpolitischen Hauptziele jeder modernen Gesellschaft.
Aus historischen Gründen existiert in keinem der Vergleichsländer ein geschlossenes und allumfassendes Alterssicherungssystem, sondern es hat sich eine Vielzahl verschiedener Einzelsysteme entwickelt: Beamte und ihre Hinterbliebenen, Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst, Arbeiter und Angestellte in der Privatwirtschaft, die heterogene Gruppe der Selbstständigen und die Gruppe der nichterfassten Personen, z. B. nichterwerbstätige Hausfrauen.
Obgleich die Alterssicherung und Altersversorgung für verschiedene soziale Gruppen unterschiedlich gestaltet ist, haben alle Sicherungssysteme das Ziel, den älteren, nicht mehr erwerbstätigen Menschen „aus dem Kreis der Fürsorgeempfänger in die Nachbarschaft des Lohnempfängers“ zu führen.[12]
Während sich das Bedürfnis nach Konsumgütern zur Lebenserhaltung über das ganze Leben erstreckt, lässt im Alter die Fähigkeit in einigen Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen nach, sich diesen Konsum durch die eigene Leistung zu erwerben. Konsumgüter, die in der Erwerbsphase erwirtschaftet wurden, müssen daher in die Altersphase transferiert werden.[13]
Wie praktisch alle Bereiche der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist die Alterssicherung bzw. –politik immer mit normativen Vorstellungen verbunden und in unterschiedlichen Alterssicherungssystemen spielen folglich auch unterschiedliche Auffassungen vom Grad der Einkommenssicherung eine nicht unbedeutende Rolle, wie am Beispiel Japan zu sehen ist.
Im allgemeinen existieren aber keine konkreten Zielvorstellungen über die Einkommensverteilung. Es existieren lediglich Ziele bzw. Zielbereiche, über deren Erreichung ein weitgehender gesamtgesellschaftlicher Konsens vor dem jeweiligen länderspezifischen Hintergrund besteht.
Drei wichtige Zielbereiche können zusammengefasst werden:
- Die Sicherung eines „altersgemäßen“ Lebensstandards,
- die Aufrechterhaltung der relativen Einkommensposition im Kohortenvergleich und Stetigkeit des Einkommens sowie
- die Vermeidung von Armut im Alter bzw. Sicherung eines Mindestlebensstandards.
Der Idealfall einer „Vollversorgung“ wird in der Literatur mit 90 % des erreichten Nettoeinkommens unmittelbar vor dem Eintritt in den Ruhestand angegeben. Diese Definition ist aber heftig umstritten.
Durch die Rente der gesetzlichen Altersversicherung wird auch nach einem „erfüllten Arbeitsleben“ im günstigsten Fall nur eine Höhe von 65 % des letzten Nettoarbeitseinkommen erreicht.
Anhand der Statistik lässt sich das Rentenniveau in Deutschland und Japan am besten vergleichen. Derzeit liegt die Rentenhöhe (brutto) Deutschland bei 49 % des Durchschnittlohnes, Japan erreicht mit 47 % annähernd dieses Niveau. Spitzenreiter in der Statistik ist Italien mit 80 %, gefolgt von Frankreich mit 70 %, die Niederlande liegen mit 30 % am Ende der Skala.[14]
Die Rentenhöhe (brutto) in % der Löhne
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Rentenhöhe (brutto) in % der Löhne, Quelle: OECD, Leibfritz, W., (1998), Anlage 5.
D. Reformansätze
1. Wie „sturmfest“ sind staatliche und private Kapitaldeckungssysteme, wenn der „demographische Orkan“ kommt?
Bildlich gesprochen kann man sagen: Wenn ein Sturm aufzieht, gibt es zwei Möglichkeiten. Die undichten Stellen am Haus zu reparieren, das würde heißen, das bestehende Rentensystem anzupassen. Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass man ein neues, sturmfestes Haus baut. Dies wäre die Reduzierung oder gar Abschaffung der umlagenfinanzierten Rente und der Übergang zur kapitalgedeckten Rente. Dies könnte geschehen durch eine Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente oder aber durch die Reduzierung der gesetzlichen Rente auf eine Grundrente und den Ausbau der privaten Vorsorge (Kapitaldeckung).
Im Umlagensystem bestehen mehrere Reformmöglichkeiten:
- Die Erhöhung der Rentenbeiträge,
- eine Erhöhung der Steuern oder
- eine Änderung der Rentenleistungen
(z. B. Renteneintrittsalter).
Eine Erhöhung der Abgabenlast, also Steuern und Sozialabgaben, erscheint schon heute sehr hoch und verringert außerdem den Spielraum für das private Vorsorgesparen.
Löst man die Probleme der Abgabenbelastung, dann tragen vorwiegend die jungen Generationen die Anpassungslast. Wird hingegen das Renteneintrittsalter angehoben, so ergeben sich daraus zwei Vorteile:
- Erstens werden über einen längeren Zeitraum des Lebens Beiträge entrichtet, d.h. der Staat erhält mehr Einnahmen, ohne dass die Beitragssätze erhöhen muss.
- Zweitens muss bei späterem Rentenbeginn über einen kürzeren Zeitraum Rente bezahlt werden. Die Erhöhung des Renteneintritsalters läßt sich auch gut begründen, da die Lebenserwartung laufend steigt.
Für diesen Schritt haben sich verschiedene Rentensysteme entschieden, allerdings in unterschiedlichen Tempo und von einem unterschiedlichen Ausgangsniveau.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Gesetzliches Renteneintrittsalter in Europa und Japan, Quelle: Verlag der Versicherungswirtschaft, Leibfritz, W., (1998), Anlage 6
Weitere Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen zu verändern, sind die Senkung der Anfangsrente und die Verschlechterung der Rentenindexierung, d.h. die Verschlechterung der Bestandsrenten.
Deutschland hat so wie auch Österreich, Dänemark und teilweise auch Niederlande eine Lohnindexierung. Die Indexierung wurde von einer Brutto- an eine Nettolohnindexierung umgewandelt. Derzeit sinken die Netto-Reallöhne und damit auch nach der deutschen Rentenformel die realen Renten. Auf Dauer steigen die Nettolöhne wegen der Produktivitätssteigerung stärker als die Preise, so dass einer Lohnindexierung die Bestandsrenten real steigen, während sie bei einer Preisindexierung nur nominal steigen, aber nicht real.
Die Lohnindexierung ist daher für die Rentner günstiger und für den Staat (und letztlich die Beitragszahler) teurer als die Preisindexierung. Ein Übergang zur Preisindexierung der Bestandsrenten in Deutschland würde also die Rentenversicherung langfristig entlasten. Die Preisindexierung gilt derzeit in den Rentensystemen von Japan, Frankreich, Italien, Spanien und Schweden.[15]
Viele Länder versuchen jedenfalls, mit Anpassungen der bestehenden Systeme, insbesondere mit Erhöhungen des Renteneintrittsalters und Leistungskürzungen, teilweise auch mit Beitragsanhebungen, den demographischen Problemen Herr zu werden.
Die bisher beschlossenen Maßnahmen reichen aber zumeist nicht aus, denn bei den Berechnungen der Finanzierungslücken, die von der OECD 1998 (siehe Abb. 4) durchgeführt wurden, sind die meisten der bisher beschlossenen Maßnahmen schon berücksichtigt. Aber der Spielraum für Änderungen im bestehenden System ist noch nicht ausgeschöpft.
2. Kapitaldeckungsverfahren versus Umlageverfahren
Bietet sich auf den ersten Blick auch der Umstieg zum Kapitaldeckungsverfahren an, so warnen Versicherungsexperten vor einem allzu raschen Urteil. Kapitaldeckung kann innerhalb und außerhalb des gesetzlichen Rentensystems durchgeführt werden.
[...]
[1] Zack, L. (1999), Vorwort zu Kolpingblatt Nr. 1/März 1999, 59. Jhg., Wien, Seite 3.
[2] APA (1999), EU bekommt Pensionsprobleme, in: Der Standard, Nr. 3207, Wien 7. Juli 1999, Seite 5.
[3] O. V. (1999), Versicherer hoffen auf Jahr-2000-Boom, in: Salzburger Nachrichten, Salzburg, 6. August 1999, Seite 11.
[4] Drost, A., (1998), Politökonomische Theorie der Alterssicherung, Heidelberg, Seite 2ff.
[5] Brinkmann, T. (1990), Die demographische Entwicklung in Deutschland und ihre Konsequenzen für die Versicherungswirtschaft, Karlsruhe, Seite 3. Vgl. auch Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 1989, Bonn, Seite 51 ff.
[6] Leibfritz, W. (1998), Die Zukunft der Alterssicherung in den Industriestaaten, Karlsruhe Seite 5.
[7] Hüttig, C. (1995), Graue Zeiten? Zur Zukunft sozialpolitischer Alterssicherung und Alterspolitik, Rehburg-Loccum, Seite 37.
[8] APA (1999), EU bekommt Pensionsprobleme, in: Der Standard, Nr. 3207, Wien 7. Juli 1999, Seite 5.
[9] Leibfritz, W. (1998), Die Zukunft der Alterssicherung in den Industriestaaten, Karlsruhe, Seite 8 und Anlage 3.
[10] Fenge, R. (1998), Effizienz der Alterssicherung, Heidelberg, Seite 10.
[11] Fenge, R. (1997), ebenda, Seite 8.
[12] Hirvonen, P. (1993), Alterssicherung und Alterseinkommensverteilung, Frankfurt/New York, Seite 27 ff.
[13] Fenge, R., ebenda, Seite 9.
[14] Leibfritz, W. (1998), Die Zukunft der Alterssicherung in den Industriestaaten, Karlsruhe, Anlage 5.
[15] Leibfritz, W. (1998), Die Zukunft der Alterssicherung in den Industriestaaten, Karlsruhe, Seite 11 ff.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 1999
- ISBN (eBook)
- 9783832445515
- ISBN (Paperback)
- 9783838645513
- DOI
- 10.3239/9783832445515
- Dateigröße
- 597 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- FernUniversität Hagen – Wirtschaftswissenschaften
- Erscheinungsdatum
- 2001 (September)
- Note
- 3,3
- Schlagworte
- altersversorgung
- Produktsicherheit
- Diplom.de