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Farbsysteme als Entscheidungsparameter im Produktmarketing

©2000 Diplomarbeit 99 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Farbe spielt in vielen Situationen unseres Lebens eine herausragende Rolle. Sie übt einen starken Einfluss auf uns Menschen und unser Verhalten aus, denn Farbempfindungen sind stets mit Gefühlen verbunden - Farbe transportiert und evoziert Emotionen. Mit Farbe kann daher besonders der sogenannte „semantische Mehrwert“ eines Produktes visualisiert und diesem so eine neue Qualität gegeben werden, die über die rein technisch-praktische Funktion hinausgeht. Die Farbwahl stellt „eine einfache und eine hochkomplizierte Differenzierungsmöglichkeit zugleich“ dar. So kann eine marktgerechte Form durch die „falsche“ Farbe zum Flop werden und andererseits eine nicht mehr aktuelle Form durch eine interessante Farbe an Aktualität gewinnen.
Von besonderem Interesse im Rahmen des Produktmarketing ist dabei der Einfluss von Farbe auf die Produktbeurteilung und das Kaufverhalten. In einigen Wirtschaftsbereichen entscheidet die Farbe gar zu 90 % über den Produkterfolg. Eine Farbentscheidung sollte deshalb nur aufgrund fundierter Kenntnisse getroffen werden. Im Alltag wird aber häufig willkürlich oder nach „altbewährten“ Daumenregeln entschieden. Eine willkürliche Farbgebung ist aber unbedingt zu vermeiden, denn dadurch werden viele Potentiale verschenkt und z.T. auch unerwünschte Effekte erzielt. Minato stellt fest, dass im Industrial Design eine umfassende Farbkoordination stattfinden sollte, um Farben möglichst effektiv zu kombinieren.
Trotz des umfassenden Wissens zum Thema Farbe ist dieses im Marketingbereich bisher eher vernachlässigt worden. Es gibt wenige Veröffentlichungen, die die Farbgestaltung und ihre ökonomischen Aspekte thematisieren. Diese Tatsache kann darauf zurückzuführen sein, dass es sich um ein sehr komplexes Sachgebiet, das viele Wissenschaftsbereiche gleichzeitig betrifft, handelt. Außerdem vertrauen viele Experten lieber ihrer Erfahrung, als sich mit systematischen theoretischen Überlegungen zu beschäftigen.
Wie lassen sich Farbentscheidungen in welcher Situation am besten treffen und kommunizieren? Diese Frage wird in dieser Arbeit untersucht.
Eine übersichtliche Basis für Farbentscheidungen bilden geordnete Farbkataloge, -fächer, -mustersammlungen, -ordnungen und -systeme, die eine Kommunikation rund um das Thema Farbe konsequent rational gestalten können. Doch welches System ist wann das beste? Auch diese Frage soll hier beantwortet werden.
Hier wird daher ein Überblick über die gebräuchlichen Ordnungsformen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Farbe und Design im Produktmarketing
2.1 Farbentscheidungen im Produktmarketing
2.11 Die Aufgaben des Produktmanagers
2.12 Die Ebenen von Farbentscheidungen
2.2 Fundamentale Gestaltungsprinzipien für Farbentscheidungen
2.21 Das Figur-Grund-Prinzip
2.22 Das Prägnanzprinzip
2.23 Das Konstanzprinzip
2.3 Das Phänomen Farbe
2.31 Entstehen und Wahrnehmung von Farbe
2.32 Farbwirkung und Farbpsychologie
2.33 Der Anmutungscharakter von Farbe
2.34 Die Dimensionalität und Analyse von Farbe
2.341 Die Farbparameter
2.342 Die Farbanteile oder Bunt- und Unbuntmenge
2.4 Leistungen und Funktionen von Farben
2.41 Identifikations - und Informationsleistungen
2.42 Physiologische Leistungen
2.43 Psychologische und symbolische Leistungen
2.44 Anmutungsleistungen

3. Farbordnungen, -kataloge und -systeme
3.1 Definition und historische Entwicklung von Farbsystemen
3.2 Generelle Anforderungen an Farbordnungen und Farbsysteme
3.4 Aktuelle Ordnungen, Register und Systeme
3.41 Farbkataloge, Farbregister, Farbsammlungen und Farbfächer
3.412 Die RAL-Farbmustersammlung
3.412 Die HKS-Farben
3.413 Die Farbenordnung von Hickethier
3.414 Das Pantone Color System
3.42 Mechanistische Farbsysteme
3.421 Der Farbstern von Itten
3.422 Das Farbensystem von Küppers
3.43 „Echte“ Farbsysteme
3.431 Das CIE-System
3.432 Das Farbsystem von Ostwald
3.433 Das Munsell-Farbsystem
3.434 Das DIN-Farbsystem mit der DIN-Farbenkarte 6164
3.435 Das Natural Color System
3.436 Das RAL Design System

4. Farbentscheidungen auf Basis von Farbsystemen
4.1 Situationsbezogene Anforderungen an Farbsysteme
4.11 Anforderungen und Ziele auf verschiedenen Entscheidungsebenen
4.12 Erfüllung der Anforderungen durch Farbsysteme
4.2 Kritische Betrachtung der vorgestellten Systeme
4.3 Checkliste zur Auswahl des optimalen Systems
4.4 Handlungsempfehlungen bei Farbentscheidungen

5. Resümee und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis für den Anhang

Anhang 1 – 17 Anhang

Eidesstattliche Versicherung

Lebenslauf

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Der Aufbau des menschlichen Auges

Abb. 2: Das Chroma-Diagramm des CIE-Systems

Abb. 3: Eine Matrix zur Auswahl geeigneter Farbordnungen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Farbe spielt in vielen Situationen unseres Lebens eine herausragende Rolle. Sie übt einen starken Einfluß auf uns Menschen und unser Verhalten aus, denn Farbempfindungen sind stets mit Gefühlen verbunden - Farbe transportiert und evoziert Emotionen. Mit Farbe kann daher besonders der sogenannte „semantische Mehrwert“[1] eines Produktes visualisiert und diesem so eine neue Qualität gegeben werden, die über die rein technisch-praktische Funktion hinausgeht. Die Farbwahl stellt „eine einfache und eine hochkomplizierte Differenzierungsmöglichkeit zugleich“[2] dar. So kann eine marktgerechte Form durch die „falsche“ Farbe zum Flop werden und andererseits eine nicht mehr aktuelle Form durch eine interessante Farbe an Aktualität gewinnen.

Von besonderem Interesse im Rahmen des Produktmarketing ist dabei der Einfluß von Farbe auf die Produktbeurteilung und das Kaufverhalten. In einigen Wirtschaftsbereichen entscheidet die Farbe gar zu 90 % über den Produkterfolg.[3] Eine Farbentscheidung sollte deshalb nur aufgrund fundierter Kenntnisse getroffen werden. Im Alltag wird aber häufig willkürlich oder nach „altbewährten“ Daumenregeln entschieden. Eine willkürliche Farbgebung ist aber unbedingt zu vermeiden, denn dadurch werden viele Potentiale verschenkt und z.T. auch unerwünschte Effekte erzielt.[4] Minato stellt fest, daß im Industrial Design eine umfassende Farbkoordination stattfinden sollte, um Farben möglichst effektiv zu kombinieren.[5]

Trotz des umfassenden Wissens zum Thema Farbe ist dieses im Marketingbereich bisher eher vernachlässigt worden. Es gibt wenige Veröffentlichungen, die die Farbgestaltung und ihre ökonomischen Aspekte thematisieren.[6] Diese Tatsache kann darauf zurückzuführen sein, daß es sich um ein sehr komplexes Sachgebiet, das viele Wissenschaftsbereiche gleichzeitig betrifft, handelt. Außerdem vertrauen viele Experten lieber ihrer Erfahrung, als sich mit systematischen theoretischen Überlegungen zu beschäftigen.

Wie lassen sich Farbentscheidungen in welcher Situation am besten treffen und kommunizieren? Diese Frage wird in dieser Arbeit untersucht.

Eine übersichtliche Basis für Farbentscheidungen bilden geordnete Farbkataloge, -fächer, -mustersammlungen, -ordnungen und -systeme, die eine Kommunikation rund um das Thema Farbe konsequent rational gestalten können. Doch welches System ist wann das beste? Auch diese Frage soll hier beantwortet werden.

Hier wird daher ein Überblick über die gebräuchlichen Ordnungsformen für Farbe gegeben, um ihren Gebrauch zu erklären und ihre Potentiale voll zu nutzen. Die einzelnen Farbsysteme werden dazu kurz vorgestellt, ihre Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen und ihre aktuelle und zukünftige Bedeutung erklärt. Der Begriff „Farbsysteme“ wird dabei hier nicht im strengen Sinne verwendet. Aus Gründen der Praktikabilität wird er auch als Oberbegriff für die Kategorien der Farbordnungen etc. verwendet.

Generell stehen in dieser Arbeit stets die Anforderungen des Produktmanagers, der sich mit Farbe beschäftigt, im Vordergrund. Daher wird seine Sichtweise und sein Entscheidungsbereich besonders beleuchtet. Die für eine fundierte Farbentscheidung wichtigen psychologischen und theoretischen Hintergründe werden ebenso dargestellt.

Dadurch soll diese Arbeit einem Produktmanager eine strukturierte Hilfe geben, um sich in der komplexen Welt der Farben besser zurecht zu finden und Farben „richtig“ und gezielt einzusetzen.

Der Aufbau dieser Arbeit orientiert sich an diesen Farbentscheidungen. Um die Hintergründe der Entscheidungen zu verdeutlichen, wird im folgenden Kapitel ein kurzer Überblick über die Bedeutung von Farbe und Design im Produktmarketing gegeben. Dazu werden die Aufgaben des Produktmanagers, für die Farbgestaltung wichtige Prinzipien sowie eine Charakterisierung des Phänomens Farbe und ihrer Leistungen erläutert. Darauf aufbauend werden in Kapitel drei verschiedene Farbordnungen und -systeme und ihre wissenschaftlichen Hintergründe vorgestellt und verglichen. Im vierten Kapitel werden die beschriebenen Systeme anhand der hier entwickelten Kriterien nach ihrer jeweiligen Eignung in Praxissituationen bewertet und tabellarisch geordnet. In Kapitel fünf folgt eine kritische Betrachtung der vorgestellten Systeme und ein Resümee dieser Arbeit, bevor abschließend die Zukunft von Farbentscheidungen skizziert wird.

2. Farbe und Design im Produktmarketing

Wie wichtig Farbe ist, zeigt folgendes Zitat: „In Marketing, Design und Werbung nimmt die Farbe als Kommunikationselement eine zentrale Rolle ein. Die Farbe ist das preiswerteste, zugleich aber das sensibelste Gestaltungsmittel.“[7] So entscheidet die „richtige“ Farbwahl in der Mode, der Verpackungsgestaltung, im Produktdesign und auch beim Corporate Design oft über Erfolg oder Mißerfolg eines Produkts oder Unternehmens. Besonders beim Relaunch hat die Farb-wahl eine große Bedeutung.[8] Häufig wird jedoch – leider z.T. auch von einigen Designern selbst – die Farbe als ein nachträglich auf eine Form aufgetragenes Extra angesehen. Gleichzeitig wird der große Stellenwert von Farbe im Alltag betont.[9] Dieses Paradoxon zeigt die Schwierigkeiten, die vielfach den Umgang mit Farbe bestimmen. Es soll hier betrachtet und erklärt werden.

Die Einsatzmöglichkeiten und Aufgaben von Farben in der Produktgestaltung sind vielseitig und haben weitreichende Konsequenzen.

Einerseits können Farben als Ankerpunkt und Erkennungsmerkmal für ein Produkt, eine Produktlinie oder einen Firmenauftritt dienen. Farbe hat bei der Gestaltung von Produkten, Verpackungen, Firmengebäuden, Werbeanzeigen und Broschüren sowie dem Internetauftritt einer Firma eine große Bedeutung. Sie betrifft so das gesamte Corporate Design. Über die Farbe kann sich das Unternehmen definieren, die Zusammengehörigkeit von Produktlinien betonen und über archetypische Farben wichtige emotionale Positionen in den Köpfen der Zielgruppe belegen.[10]

Andererseits sind Gestaltungsfarben einem modischen Wandel unterworfen und können die Aktualität eines Produktes, einer Produktvariante oder des Unternehmens betonen. Dies ist v.a. in Produktsegmenten mit objektiv immer stärker angenäherten Leistungsmerkmalen, wie z.B. in der Automobilindustrie, der Fall. Hier ist eine stärkere Berücksichtigung der Kundenansprüche und eine entsprechende Positionierung erforderlich, die u.a. über eine besondere Farbwahl möglich ist. Dies geschieht z.B. über Aktionen wie dem „Colour Concept“ von VW oder der „Futura“-Reihe von Ford.[11]

Mit derartigen Aktionen können Produkten neue emotionale Qualitäten gegeben werden.

Dieses Kapitel ist folgendermaßen aufgebaut: Der erste Abschnitt beschreibt die Situationen von Farbentscheidungen, bevor im zweiten Teil auf wichtige Gestaltungsprinzipien zum Thema Farbe eingegangen wird. Im dritten Abschnitt wird das Phänomen Farbe selbst beschrieben, um danach im vierten Teilabschnitt die Dimensionen der Farbe zu untersuchen.

2.1 Farbentscheidungen im Produktmarketing

Farbentscheidungen sind im Produktmarketing auf vielen Ebenen zu treffen und viele Personen wie Produktmanager, Designer, Beschaffer, Controller, Sicherheitsbeauftragte usw. sind involviert.[12] Die Entscheidungen werden nicht nur durch die Anforderungen des Unternehmens und der Abnehmer bestimmt, sondern z.B. auch durch rechtliche und technische Restriktionen.[13]

Generell sind stets die allgemeinen Gestaltungsprinzipien der Standardisierung, Spezialisierung, Leistungsvariabilität, Gestaltungsmittelbindung, Mengen-begrenzung usw. zu berücksichtigen.[14] Dabei ist v.a. die Firmenstilidentität im Sinne einer Corporate Identity-Gestaltung wichtig, denn diese läßt sich durch Farbe besonders wirksam gestalten.[15]

Zur besseren allgemeinen Einordnung sollen zunächst die Aufgaben des Produktmanagers im Marketing erläutert werden.

2.1.1 Die Aufgaben des Produktmanagers

Der Produktmanager sollte ein Allround-Marketing-Fachmann sein, der auf der Grundlage des Marketingplans Entscheidungen zum Produkt, zur Werbung, Marktforschung etc. treffen muß.[16] Er ist generell der Mittler zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Aufgaben, er betreut im klassischen Sinne „sein“ Produkt (Produktprogramm, -familie, -gruppe), er führt die Kommunika-tion mit anderen Entscheidern. Die Aufgabenschwerpunkte des Produkt-managers hat Wester anhand von Tätigkeitsbeschreibungen in Stellenanzeigen untersucht.[17] Hauptaufgaben sind demnach u.a. die Produktbetreuung und
-führung, die Entwicklung von Marketingkonzeptionen sowie allgemeine Koordinationsaufgaben. Das Produktmanagement ist besonders eng mit dem Designmanagement verbunden, weil dem Design als Differenzierungsmerkmal immer größer Bedeutung zukommt.[18] Der Produktmanager muß das Briefing für „sein“ Produkt erstellen, und darin u.a. Vorschläge für dessen farbliche Gestaltung machen. Farbe ist ein Thema bei Gesprächen mit Kunden, Designern, Farbgestaltern, Architekten, Farbberatern, etc.. Jede dieser Personengruppen stellt andere Anforderungen an eine Farbe, ihre Benennung, Systematisierung und den jeweiligen Informations- und Aussagegehalt, so daß je nach Situation sehr verschiedene Qualitäten benötigt werden, um Farben zu kategorisieren. Diese Kriterien sind für den Produktmanager von großer Bedeutung und müssen sich daher auch in seiner Auswahl eines Farbsystem widerspiegeln. Sie werden detailliert im Zusammenhang mit der Analyse der praktischen Verwendung von Farbsystemen in Kapitel 4 vorgestellt.

2.1.2 Die Ebenen von Farbentscheidungen

Zur Entwicklung eines Produktes stehen verschiedene Gestaltungsmittel - wie Material, Form, Farbe, Muster, Zeichen, etc. – zur Verfügung. Zwischen diesen Gestaltungsmitteln bestehen vielfältige Zusammenhänge und Abhängigkeiten – eine Form oder eine Farbe kann z.B. durch die Materialwahl bedingt sein.[19]

Farbentscheidungen sind im Produktmarketing in fast allen Prozeßstufen zu treffen. Überwiegend haben sie innerhalb des Gestaltungsprozesses und v.a. bei der isolierten Gestaltungsmittelanalyse, da hier alle Aspekte der Farbe beleuchtet werden, besondere Bedeutung.[20] Sie betreffen hauptsächlich die strategische Produktpolitik, aber auch die Verpackung und Werbung. Sie können z.B. bei der Wahl einer neuen Farbe für bestehende Produkte, beim Relaunch, bei Neugestaltung (Attraktivitätssteigerung) der Verpackung, beim Erstellen einer neuen Kollektion, bei der Bestimmung von Trendfarben oder bei der Elimination von Auslauffarben auftreten. Aber auch ohne direkten Bezug zum Produkt sind Farbentscheidungen z.B. bei der Ladengestaltung, der CI-Farbdefinition, der Farben von (Büro-) Möbeln und der Festlegung der Farben des Fuhrparks zu treffen.[21]

Immer dann, wenn Farbe als Verkaufsargument eingesetzt wird, z.B. in Beratungsgesprächen, entsteht Entscheidungs- und Kommunikationsbedarf. Auch bei der Beschaffung der für die Farbgestaltung nötigen Rohstoffe (z.B. Pigmente) oder der Farben selbst besteht erheblicher Kommunikationsbedarf. Die spezielle Situation des Beschaffungsmarktes kann jedoch hier nicht behandelt werden. Dazu sei auf vertiefende Literatur verwiesen.[22]

Alle Aufgaben, die Entscheidungen zur Farbe betreffen, lassen sich auf drei „heuristische Muster“ zurückführen:[23]

- funktionale Farbentscheidungen, wenn eine Checkliste abgehakt werden kann (auf Basis von Gestaltungsprinzipien und Realisationsheuristiken)
- instrumentale Farbentscheidungen, wenn wie beim Lüschertest[24] Farbe als Vehikel für die Charakterbestimmung eingesetzt wird und
- semantische Farbentscheidungen, bei Entscheidungen zeichenhafter Art.

Diese Einstufung kann man auch nach Objekt- (funktionaler), Zeichen- (semantischer) und Wirkungs- (instrumentaler) Ebene unterscheiden.[25]

Konsumenten gehen bei der Farbwahl häufig nach bestimmten Harmonie-motiven vor, welche die Farbauswahl grundsätzlich einschränken. Diese Motive sind u.a.: Schlüsselfarbengleiche, Unempfindlichkeitswahl, Ton-in-Ton-Entscheidung, Trend- und Aktualisierungsentscheidungen, sozialer Vergleich, farbpsychologische Entscheidungen und Gesamtharmonien, deren detaillierte Darstellung jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.[26]

Je nach individueller Entscheidungssituation und soziodemographischen Daten erfolgt ein Ranking nach Wichtigkeit des entsprechenden Motivs, wobei die Vorlieben und Lebensstile der Zielgruppen zu berücksichtigen sind – wie z.B. sich ständig verändernde Subkulturen und Lifestyles.

Diese Motive stellen aber nicht nur eine Einschränkung der Auswahl, sondern auch eine wichtige Orientierungshilfe für Farbentscheider dar.

2.2 Fundamentale Gestaltungsprinzipien für Farbentscheidungen

Ein Unternehmen ist im Wettbewerb gegen die Konkurrenz auf Profilierung angewiesen. Es sollte sich und sein Angebot aus der Sicht des Kunden stets positiv gegenüber der Konkurrenz darstellen. Aus diesem sogenannten „Profilierungsgebot“[27] ergeben sich einige Konsequenzen: Der Käufer muß die Leistungen des Herstellers wahrnehmen (Wahrnehmungsgebot), diese müssen für den Käufer wichtig, interessant und relevant sein (Wichtigkeitsgebot), wichtige Leistungen müssen besser als die der Konkurrenz beurteilt werden, (subjektives Vorsprungsgebot) und diese Leistungen müssen auch dem Hersteller zugeordnet werden (Identifikationsgebot).[28] Die entscheidenden Fragen in diesem Kontext sind: wo, gegen wen, bei wem und womit man sich profilieren will. Damit sind der Markt, die Konkurrenz, die Zielgruppe und das Produkt umrissen. Das womit bezieht sich aber auch auf die genaue Positionierung, die über die Farben erfolgen kann. Die Profilierung gelingt um so besser, je mehr die aus der Gestaltpsychologie bekannten Prinzipien der Figur-Grund-Beziehung, der Prägnanz und der Konstanz beachtet werden.

Vor allem durch eine gezielte und „richtige“ Farbwahl kann diesen Regeln Ausdruck verliehen werden. Speziell für die Farbgestaltung haben sich aus der Erfahrung Regeln – wie die Zuordnung der Farbe zur Form, usw. – ergeben, die Designer und Produktmanager zudem beachten sollten.[29]

2.2.1 Das Figur-Grund-Prinzip

Das Figur-Grund-Prinzip besagt, daß ein Gegenstand sich entscheidend von seinem Untergrund abheben muß, um als solcher wahrgenommen zu werden.[30] Dieser Gedanke bedeutet im Marketing, daß ein Produkt in entscheidenden Merkmalen bessere Ausprägungen als Konkurrenzprodukte haben muß, um sich im Markt behaupten zu können. Der Anbieter muß das eigene Produkt als „Figur“ vor dem „Konkurrenzrauschen“[31] als Hintergrund positionieren, wobei die Farbe des Produkts, seiner Verpackung, etc. eine wichtige Eigenschaft ausmachen kann. Sei es als Trend- oder Modefarbe, als Farbe, die eine wichtige Information übermittelt oder die einfach „schöner“ als das übrige Angebot ist. Stets geht es um eine sinnvolle Farbgebung und wirksame Abgrenzung zur Konkurrenz. Im allgemeinen gilt, daß ein Figurwert durch intensive Farben auf weniger intensiven oder durch den Gebrauch von warmen auf kalten Farben ausgedrückt werden kann.[32] Wenn alle Farben bunt sind, wählt man besser unbunte Farben, sind alle Farben abgedunkelt, fallen helle Farben besonders auf. In der Praxis wird dies z.B. durch die Aussage „Strom ist Gelb“ von Yello realisiert, die sich erheblich von der Kommunikation anderer Stromanbieter abhebt.

2.2.2 Das Prägnanzprinzip

Das Prägnanzprinzip besagt, das es einprägsame Formen und Figuren gibt, die gegenüber anderen eher und besser wahrgenommen werden. Es werden z.B. prägnante Formen wie Kreis, Quadrat und Dreieck unterschieden, die gegenüber anderen eher und besser erkannt werden.[33] Oft genügen recht primitive Schemata für das Erkennen von Gegenständen (Pictogramme), wenn diese „prägnant“ sind, also durch einfache Gestaltung eine eindeutige Aussage treffen können. Im Marketing bedeutet das eine Konzentration auf wenige, als wichtig und stimmig empfundene Leistungen.[34]

In Anwendung des Prägnanzprinzips sollte der Produktmanager darauf achten, daß die von ihm gewählte Farbe einprägsam ist und mit der Marke oder dem Produkt in Zusammenhang gebracht wird. Als einprägsames Beispiel kann hier wiederum die Positionierung „Strom ist Gelb“ dienen.

2.2.3 Das Konstanzprinzip

Das Konstanzprinzip beschreibt die Wirkungsdauer des Merkmals. Das Merkmal muß eine gewisse Zeit unverändert beibehalten werden, damit die Adressaten dieses auch „lernen“ können. Diese Zeitspanne ist jedoch recht schwierig zu bestimmen, da auf der einen Seite eine Reizschwelle überwunden werden muß, damit ein Merkmal oder Produkt überhaupt wahrgenommen wird. Auf der anderen Seite wird dieses aber durch das immer mehr zunehmende Innovationstempo und das ständige Bestreben nach einem „neuen“ und „jungen“ Aussehen immer schwieriger, da ständig neue Produkte und Marken auf den Markt drängen.

Das Konstanzprinzip ist für Farbe und ihre Kommunikationswirkung, v.a. in bezug auf den Wiedererkennungswert und die Ausgestaltung des Corporate Design, besonders wichtig. Hektische Farbwechsel sollten – außer in extrem modeabhängigen Bereichen – nicht praktiziert werden, da der Konsument sonst keine Zeit hat, Sympathie und Affinität zu dem Produkt oder dem Unternehmen aufzubauen. Deswegen sollte eine neue Farbe nur mit großer Sorgfalt unter Berücksichtigung dieser Prinzipien gewählt werden.[35] Die Praxis-lösung ist oft eine behutsame Erneuerung unter Beibehaltung der prägnanten Merkmale der Marke bzw. des Produkts.[36] Schwierig ist dagegen die Gewöh-nung an eine komplett neue Farbe – wie das Magenta bei der Privatisierung der Deutschen Telekom oder das Blau beim Relaunch von Pepsi.

2.3 Das Phänomen Farbe

Farbe ist „die Eigenschaft eines Gegenstandes, die von den meisten Menschen als erste wahrgenommen und erkannt wird.“[37] Das Phänomen Farbe hat interdisziplinären Charakter und wird von vielen, höchst unterschiedlichen Wissenschaften wie z.B. Physik, Psychophysik, Physiologie, Chemie, Biologie, Geologie, Anthropologie, Architektur und Kunstwissenschaft untersucht.[38] Entsprechend viele, unterschiedliche Terminologien, Ordnungen und Systeme zu ihrer Klassifikation existieren deshalb. Viele dieser Forschungsergebnisse und Theorien werden im Marketing genutzt, um Farbe gezielt einsetzen zu können.

Obwohl wir täglich von Farbe als konkreter Eigenschaft von Gegenständen sprechen, ist sie kein absolutes Phänomen. Die Farbwahrnehmung ist immer relativ bezogen auf die Lichtverhältnisse, die Umgebung, die Oberfläche (und deren Gestaltung) und nicht zuletzt auf den Betrachter. Denn nur dieser kann mit Hilfe seines Sehorgans aus den farblosen Energie- bzw. Lichtstrahlen, die als Übermittler der Farbbotschaft dienen, eine Farbe empfinden.[39]

Grundsätzlich stehen zur Gestaltung die Kategorien der bunten und der unbunten Farben zur Verfügung. Zu den bunten Farben zählen die Grundfarben Rot, Gelb, Grün und Blau, zu denen sich die jeweiligen Erdtöne der Braunpalette zuordnen lassen.[40] Dazu kommen die unbunten Farben Schwarz, Weiß und Grau. Durch Abmischen mit Weiß entstehen aus den bunten die Pastell-Farben und aus den Brauntönen die Isabell-Farben.

Bei einigen Stoffen ist die Materialfarbe besonders charakteristisch, so daß diese besonders beachtet werden sollte. Z.B. ist dies bei Metallen der Fall, denn sie haben einen charakteristischen Glanz, der sie von anderen Materialien unterscheidet. Sie lassen sich anhand ihrer Anmutungswirkung in einem Koordinatensystem assoziativ zwischen leicht und schwer, bzw. visuell zwischen kalt und warm positionieren.[41] Hier zeigen sich die Übergänge von Farbe zu den anderen Gestaltungsmitteln, denn von der Entscheidung über das Material Metall hängt auch die Farbe, die Oberfläche und eventuell die Form ab. Dadurch entstehen, ebenso wie und durch technische Weiterentwicklungen von Farbe, (z.B. die Anreicherung durch neue Pigmente) neue Farben und damit geänderte Anforderungen an Farbentscheidungen.

Aufgrund der Komplexität des Themas Farbe wird in diesem Abschnitt zunächst ihr Entstehen, der Ablauf ihrer Wahrnehmung und die durch sie ausgelösten psychologsichen Empfindungen kurz erläutert. Der Anmutungs-charakter wird als eine der wichtigsten Eigenschaften von Farbe im dritten Teil-abschnitt veranschaulicht. Dem folgt eine Einteilung der Farbe in Dimensionen – gemäß der klassischen Ordnung und auf neuen Ideen basierend.

2.3.1 Entstehen und Wahrnehmung von Farbe

Farbe ist nur ein subjektives Gefühl, in der physikalischen Welt existiert sie objektiv überhaupt nicht.[42] Dieser Satz klingt sehr provokant, hat aber seine Berechtigung. Denn Farbe ist, wie vieles in der menschlichen Wahrnehmung, nichts feststehendes und absolutes.[43] Deshalb sollte die Farbenlehre immer von der menschlichen Wahrnehmung her aufgebaut sein.

Es ist es jedoch leichter verständlich, bei der Erklärung von Farbe bei ihrer physikalischen Entstehung zu beginnen. Rein physikalisch betrachtet gibt es nur elektromagnetische Energie, aus deren weitem Bereich für das Auge lediglich das Spektrum von ca. 380 bis 780 Nanometer (nm) als Farbe erscheint.[44] Während das Sonnenlicht als natürliche Lichtquelle Energie in einer kontinuierlichen Strahlung abgibt, liefert Kunstlicht ein weniger breites Spektrum. Das mittlere Tageslicht in Mitteleuropa wird in der DIN 6164 als D65 auf 6500 Kelvin (K) genormt.[45] Es gibt kontinuierlich strahlende Lichtquellen (Kerze, Glühlampe) und diskontinuierlich strahlende Lichtquellen wie Leuchtstofflampen.[46]

Wird das gleiche Farbpigment von verschiedenen Lampen angestrahlt, so sieht es je nach Strahlungsenergie des Lichts unterschiedlich aus. Ändert sich die spektrale Zusammensetzung des Lichts, so variieren auch die Farben. Bei den früher oft verwendeten Natrium-Straßenlaternen fiel es sehr schwer, überhaupt verschiedene Farbreize zu unterscheiden.[47] Leuchtstofflampen werden z.B. in drei grundtypischen Farbstichen hergestellt, die den Gegenstand jeweils anders aussehen lassen:[48]

tw („tageslichtweiß“) - Farbtemperatur um 6000 K

nw („neutralweiß“) - Farbtemperatur um 4000 K

ww („warmweiß“) - Farbtemperatur um 3000 K

Seit kurzem werden z.B. in Umkleidekabinen von Modehäusern (H&M) unterschiedliche Beleuchtungsarten gezielt eingesetzt, um den Kunden ein besseres Beurteilen der Kleidung zu ermöglichen.

Die Farben, die wir sehen, hängen zwar vom Licht ab, das von außen in unser Auge gelenkt wird, doch Wahrnehmungen wie Rot und Grün entstehen durch Zellvorgänge als Empfindungen erst tief im Inneren des Gehirns.[49] Nach Fischer und Stromer ist Farbe „nicht etwas, was uns einfach gegeben ist. Überspitzt ausgedrückt, gibt es Farben in der Wirklichkeit gar nicht. [...] Farben sind also nicht nur die ‘Taten des Lichts’, wie Goethe es einmal ausgedrückt hat. Farben sind immer auch ‘Taten des Ichs’.“[50] Favre und November fordern deshalb: „Wenn man irgendwelche neuartigen Feststellungen über die Farbe macht, darf man außerdem nicht vergessen, daß die Reaktion jedes einzelnen Menschen gegenüber einer Farbe oder Farbengruppe vorwiegend gefühlsbedingt und keineswegs einheitlich ist.“[51] Dies wird in dieser Arbeit v.a. im Zusammenhang der psychologischen Aspekte angesprochen werden.

Das Licht, das am menschlichen Auge ankommt, unterscheidet sich in zwei Variablen: Wellenlänge und Energie.[52] Durch die verschiedenen Wellenlängen entstehen die Spektralfarben: Rot am langwelligen und Violett am kurzwelligen Ende des Spektrums. Licht wird vom Auge wahrgenommen und zu Informationen verarbeitet, die über den Sehnerv ins Gehirn gelangen und dort den Farbton abbilden. Zum besseren Verständnis soll diese Abbildung des menschlichen Auges dienen:[53]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Der Aufbau des menschlichen Auges

Quelle: Bouma, a.a.O., S. 10

Licht tritt durch eine transparente äußere Membran, die Cornea (C), ins Auge ein. Durch die Pupille, die je nach Stärke des Lichts zwischen 2 und 8 mm weit geöffnet ist, gelangt es auf die Netzhaut (Retina) (R). In einem inneren Bereich der Retina, der sogenannten Fovea (F), befinden zwei Arten von Rezeptoren: Stäbchen und Zäpfchen. Den Stäbchen haben die Wahrnehmung von hell und dunkel (Schwarz-Weiß-Sehen) und die Zäpfchen die Farbwahrnehmung oder photopische Sicht inne.[54] Von den Zäpfchen gibt es drei verschiedene Typen, die beim gesunden Menschen jeweils auf kurz-, mittel- und langwellige Spektralanteile zwischen 400 und 760 nm Wellenlänge reagieren und diese in elektrische Potentiale umsetzen. Diese Signale werden wie bei einem Computer in einem dreistelligen Code als Werte der Farbanteile, aus denen sich die wahrgenommene Farbe zusammensetzt, wiedergegeben.[55] Aus diesen Codes wird im Gehirn der wahrgenommene Farbton dargestellt.

Schon Leonardo da Vinci erforschte die Farbwahrnehmung und unterschied die Urfarben Weiß, Gelb, Grün, Rot, Blau und Schwarz. Er beschrieb sie dadurch eindeutig, daß er die jeweils anderen Farben ausschloß.[56] So enthält Weiß kein Schwarz, kein Blau, kein Rot, kein Grün und kein Gelb. Dagegen unterscheidet Frieling die fünf nach Empfindungsmaßstäben gleichabständigen Primärfarben Gelb, Rot, Violett, Blau und Grün.[57]

Mit Abnahme der Lichtstärke verlieren die Farben für unseren Wahrnehmungsapparat an Buntkraft, bis zuletzt nur noch unterschiedlich helle oder dunkle Grautöne sichtbar sind. Bei sehr geringer Beleuchtung - z.B. bei schwachem Mondlicht – verlieren die Zäpfchen ihre Funktion und man sieht nur noch Schwarz / Weiß – das skotopische Sehen.[58] Der Volksmund sagt dazu: „Nachts sind alle Katzen grau“.[59]

Heute wird die Natur des Lichts mit Hilfe der Quantenelektrodynamik (QED) untersucht.[60] Mit Hilfe der QED lassen sich auch die Gegenstandsfarben erklären, die nicht den Farben des Lichts gleichzusetzen sind. Sie entstehen, wenn Licht auf den Gegenstand trifft und von der Materie partiell oder total reflektiert, absorbiert oder transmittiert wird. Je nach Ablauf dieser Interaktion sehen wir bestimmte Farben. Die Farbtöne entstehen durch Pigmente, die bestimmte Strahlungen reflektieren und in diesen Farben erscheinen, während sie alle anderen Strahlungen absorbieren. Die unbunten Farben reflektieren alle Lichtstrahlen, allerdings in unterschiedlicher Stärke. Bunte Farben reflektieren nur einen Teil der Lichtwellen; dadurch entsteht ein spezieller Farbeindruck. Ein Körper ist z.B. rot, weil er nur den langwelligen Bereich des auffallenden Lichts reflektiert.

Es lassen sich physiologisch fünf Variablen zur Bestimmung der Farbwahrnehmung unterscheiden: hue, saturation, brilliance, lightness und brightness.[61] Diese können ins Deutsche nur unzureichend als Farbton, Sättigung oder Buntkraft, Glanz, Helligkeit und „Strahlkraft“ übersetzt werden. Sie werden zur Festlegung des exakten Farbtons benutzt und in Abschnitt 2.34 beschrieben. Die in Kapitel 3 vorgestellten Farbsysteme versuchen, diese Dimensionen in ihrem Aufbau zu berücksichtigen.

2.3.2 Farbwirkung und Farbpsychologie

Farben üben auf jeden Menschen bestimmte Wirkungen aus. Diese können u.a. physiologischer, psychologischer, symbolischer, kultureller und kreativer Art sein.[62] Im Gehirn werden durch die wahrgenommene Farbe sowohl bewußte als auch unbewußte Reaktionen ausgelöst. Sie hat nicht nur optisch-visuelle Wirkungen, denn Farbe und Licht sind Energien, die über das vegetative Nervensystem den gesamten Körper beeinflussen und erfassen. Außerdem sind die physiologischen und psychologischen, d.h. Körper und Seele betreffenden Wirkungen von Farbe vielfältig und stehen in empfindlichen Kausalzusammenhängen.[63]

Farbwahrnehmung löst je nach Erfahrungshintergrund verschiedene Assoziationen aus. So kann eine Farbe einen kollektiven Symbolgehalt haben (Grün ist die Hoffnung, Rot ist die Liebe ...), oder sie kann dem individuellen Unterbewußtsein entspringen, was zur Vorliebe oder Abneigung gegenüber einer bestimmten Farbe führen kann.[64] Es wird auch versucht, aufgrund von Farbpräferenzen auf den Charakter eines Menschen zu schließen, was jedoch nicht unumstritten ist.[65] Tatsache ist, daß Lieblingsfarben die Wahl von Produkten beeinflussen können und daß es prototypische Farben für bestimmte Produkte - wie z.B. das Grau eines Computers - gibt.[66]

Die Wahrnehmung einer einzelnen Farbe wird entscheidend durch ihre (farbige) Umgebung beeinflußt und geschieht nicht isoliert, sondern in ihrem Kontext.[67] Matthaei fragt zu recht: „Hat aber z.B. ein ,roter’ Farbton in einer weißen, einer grünen oder blauen Umgebung immer denselben Farbcharakter?“[68] Die Antwort kann nur „nein“ lauten. So gibt es viele (Wechsel) Wirkungen zwischen Farben, die auf Gesetzen beruhen, die Alfred Hölzel und sein Schüler Johannes Itten in ihren „Regeln der Kontraste“ formulierten und publizierten.[69] Besonders wichtig sind davon der Simultan-, der Sukzessiv- und der Komplementärkontrast, weil diese unmittelbar auf die Farbwahrnehmung einwirken.[70] Es gilt daher stets, von der einzelnen Farbe zu abstrahieren und den gesamten Kontext zu betrachten, in dem diese zur Geltung kommen soll. Den Einfluß, den Farbwirkungen auf das Unterbewußtsein und somit auf das Handeln haben, muß der Produktgestalter stets bei seinen Entscheidungen berücksichtigen. Denn wenn die Aussage und Wirkung der Farbe nicht mit der des Produkts übereinstimmt, kann das zu einem gravierenden Mißerfolg des Produkts führen.

2.3.3 Der Anmutungscharakter von Farbe

Die Ansprüche der Konsumenten bezüglich des Produkts oder dessen Vermarktung sollen die Basis aller Gestaltungsentscheidungen des Produktmanagers bilden. Ansprüche bezüglich der Farbe können als gegenstands- oder als wirkungsbezogene Ansprüche geäußert werden.[71] Als Teilbereich der letzteren sind v.a. die den Anmutungsansprüchen zuzurechnenden Empfindungsansprüche bezüglich Wert, Ästhetik, Zeit und Atmosphäre zu beachten, denn diese lassen sich am besten mit farblicher Gestaltung repräsentieren.[72] Wenn die Farbe diesen Ansprüchen der Zielgruppe genügt, kann sie zum kaufentscheidenden Grund werden. Koppelmann und Küthe haben den Erfolg von Produkten in Abhängigkeit von ihrer Farbe untersucht und folgendes herausgefunden: „Wer Farbe bei der Produktgestaltung richtig einsetzt, schafft sich Wettbewerbsvorteile und trifft den Geschmack bestimmter Käuferschichten besser.“[73] Es gilt also, die Ansprüche der Kunden zu kennen und zu erfüllen.

Gerade die Anmutungsansprüche sind jedoch nicht immer konkret geäußert, sondern oft nur als Gefühl ausgedrückt, so daß man durch weitere Fragen zum Kern des Anspruches gelangen muß. Bei wirkungsbezogenen Ansprüchen erkennt man meist aus der Anspruchsformulierung, was der Verwender erreichen möchte, die gegenstandsbezogenen Ansprüche müssen dagegen meist erst interpretiert werden, weil sie aus den verschiedensten Gründen geäußert werden.[74] Das kann z.B. die Betonung der eigenen Sportlichkeit durch einen gelben „sports“-Walkman von Sony sein.

Zu den elementaren Gegenstandsansprüchen zählen die Farbansprüche, die sich in Farbart, Helligkeit und Glanzart unterscheiden können.[75] Sie können z.B. beim Autokauf eine wichtige Rolle spielen - v.a. wenn die Neuheit oder das Besondere betont werden soll - und sind daher auch bei der Konzeption und Gestaltung zu beachten. Sie können sich z.B. in Metallicfarben widerspiegeln, deren Besonderheit auch durch einen Aufpreis betont wird.[76]

Wegen der Relativität der Farbwahrnehmung muß man streng genommen die Körper- von ihren momentanen Erscheinungsfarben unterscheiden. Dies kann jedoch vernachlässigt werden, da sie meist nur um eine Nuance voneinander abweichen.[77] Aber ein anderes Phänomen ist zu beachten: die Farbkonstanz. Sie spielt zusammen mit dem Farbgedächtnis bei der Beurteilung von Farben eine große Rolle. Kennt der Beobachter einen bestimmten Gegenstand und dessen Farbe, kann es sein, daß dieser auch bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen gleichfarbig wirkt, obwohl dies nicht der Fall ist. Denn nach den Regeln von Absorption und Reflexion müßte sich die wahrgenommene Farbe ändern.[78] So erscheint einem Autobesitzer sein blaues Auto nicht nur im Tageslicht, sondern auch im roten Licht des Sonnenuntergangs und unter der „weißen“ Straßenlaterne immer blau, obwohl das reflektierte Licht seine Zusammensetzung von Mal zu Mal sehr stark ändert. Ein neutraler Beobachter würde die Farbe ganz anders beurteilen. „Die Konstanz bestimmt die eigentliche Farbe der Dinge. Sie beruht auf der menschlichen Fähigkeit, Wahrnehmungen mit Erfahrungen zu vergleichen“.[79]

Der Produktmanager sollte daher bei seinen Überlegungen die Komplexität der durch Farbe ausgelösten Anmutungen und der Farbwahrnehmung beachten, ohne die genauen Details kennen zu müssen. Gerade deshalb sollte er die (unter 2.2 genannten) Gestaltungsprinzipien beherzigen, um durch die „richtige“ Farbwahl in der jeweiligen Umgebung die gewünschten Effekte zu erzielen.

[...]


[1] vgl. Metzenthin, M.: Farbe für Form, Heidelberg 1996, S. 299

[2] Koppelmann, U.: Produktmarketing, Berlin u.a. 1997, S. 366

[3] vgl. Koppelmann, U. / Küthe, E. : Mit Farbe, in: Forschung in Köln, Heft 1, 1989, S. 3

[4] vgl. Küthe, E. / Venn, A.: Marketing mit Farben, Köln 1995, S. 12

[5] vgl. Minato, S.: Color in Industrial Design, in: AIC Color 77, Bristol 1977, S. 200

[6] Eine der wenigen Ausnahmen bildet das Buch „Marketing mit Farben“, von E. Küthe und A. Venn (vgl. Küthe, E. / Venn, A.: Marketing mit Farben, Köln 1995).

[7] Küthe, E. / Venn, A., a.a.O., S. 7

[8] vgl. Koppelmann, U.: Produktmarketing, a.a.O., S. 366

[9] vgl. Metzenthin, M.: Farbe für Form, Heidelberg 1996, S. 104

[10] wie z.B. das Grün der Bohrmaschinen von Bosch als die Farbe für Sicherheit. Zur Definition von Archetypen vgl. Gladbach, M.: Archetypen, Köln 1996, S. 13 ff.

[11] vgl. http://www.ford.de/cr/ka/crkareasons.html#, http://www1.vw-online.de/golf/index_.htm 24.07.2000

[12] vgl. Koppelmann, U.: Produktmarketing, a.a.O.: S. 314 ff.

[13] vgl. ebenda, S.288 f., S.308 und S. 376 f.

[14] vgl. ebenda, S. 328 ff.

[15] vgl. dazu Kap. 2.44 dieser Arbeit

[16] vgl. Eldridge, C.E.: Marketing Management, Bd. 4, New York, 1966, S. 67

[17] vgl. Koppelmann, U.: Produktmarketing, a.a.O., S. 6

[18] vgl. ebenda, S. 317

[19] Z.B. sind Eßbestecke silberfarbig, weil sie aus Silber oder Edelstahl bestehen.

[20] vgl. Koppelmann, U: Produktmarketing, a.a.O., S. 23, S. 327 f. u. 366 ff.

[21] vgl. Küthe, E.: / Venn, A., a.a.O., S. 10

[22] vgl. Koppelmann, U.: Beschaffungsmarketing, Berlin u.a. 2000, v.a. S. 256ff.

[23] vgl. Küthe, E.: / Venn, A., a.a.O., S. 10-12 und Frieling, H.: Farbe hilft verkaufen, Göttingen u.a., 1980, S. 29 ff.

[24] Der Lüschertest versucht von Farbvorlieben auf Charaktereigenschaften zu schließen. Vgl. Lüscher, M.: Der Lüschertest, Hamburg 1971

[25] vgl. Küthe, E. / Venn, A., a.a.O., 1995, S. 10 und Kap 2.3 dieser Arbeit

[26] vgl. hierzu Küthe, E. / Venn, A., a.a.O., S. 142 ff.

[27] Koppelmann, U.: Produktmarketing, a.a.O., S. 8

[28] vgl. ebenda, S. 8 und Koppelmann, U.: Design im Trend - Trend im Design, in: Werbeforschung & Praxis, 2/95, S. 46

[29] vgl. hierzu Küthe, E. / Venn, A., a.a.O., S. 10

[30] vgl. Koppelmann, U.: Produktmarketing, a.a.O., S. 9 und S. 40

[31] ebenda, S. 9 und S. 266 f. und derselbe: Design im Trend, in: Werbeforschung & Praxis, 2/95, S. 46

[32] vgl. Frieling, H.: Licht und Farbe, Bad Wörishofen, 1982, S. 34

[33] vgl. Koppelmann, U.: Produktmarketing, a.a.O., S. 41 f.

[34] vgl. ebenda, S. 9 u. S. 267

[35] vgl. ebenda, S. 267

[36] Vgl. als Beispiel die historische Entwicklung einer Verpackungsgestaltung. Gerdes, C., Verpackungs-Art, in: PAGE 12/97, S. 27-32

[37] Metzenthin, M., a.a.O., S. 299

[38] vgl. Brode, Wallace R.: The Interdisciplinary Character of Color Science, in: Industrial Color Technology, Washington D.C. 1972, S. 1-3

[39] vgl. Küppers, H.: Die Logik der Farbe, München 1976, S. 11

[40] vgl. Koppelmann, Produktmarketing, a.a.O., S. 371 f.

[41] vgl. ebenda S. 371, Übersicht 167

[42] vgl. Küppers, H.: Harmonielehre der Farbe, Köln 1999, S. 13

[43] vgl. Matthaei, J.: Grundfragen, Augsburg 1990, S. 39 ff.

[44] vgl. Evans, R.: The perception of color, New York u.a., 1974, S. 12

[45] vgl. Küppers, H.: DuMont’s Farbenatlas, Köln 1999, S. 157

[46] vgl. Frieling, H.: Licht und Farbe, a.a.O., S. 17

[47] vgl. Bouma, P.J.: Farbe u. Farbwahrnehmung, Eindhoven 1951, S. 2

[48] vgl. dazu Frieling, H.: Licht und Farbe, a.a.O., S. 51

[49] vgl. Kebeck, G.: Wahrnehmung, Weinheim u.a., S. 48 ff.

[50] Silvestrini, N. / Fischer, E. P.: Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft, Köln 1998, S. 10

[51] Favre, J.-P. / November, A.: Color and Communication, Zürich 1979, S. 9

[52] vgl. Evans, R.: The perception of color, a.a.O., S. 13

[53] vgl. zu diesem Absatz Lynch, D. K. / Livingston, W.: Color and light in nature, Cambridge 1995, S. 222 und Evans, R.: The perception of color, a.a.O., S. 13

[54] vgl. Küthe, E. / Venn, A., a.a.O., S. 36

[55] vgl. Küppers, H.: Die Logik der Farbe, a.a.O., S. 11

[56] vgl. Gerritsen, F.: Farbenlehre, Göttingen u.a. 1984, S. 20

[57] vgl. Frieling, H.: Licht und Farbe, a.a.O., S. 42

[58] vgl. Lynch, D. K. / Livingston, W., a.a.O., S. 222 f.

[59] vgl. Frieling, H.: Licht und Farbe, a.a.O., S. 23

[60] vgl. zu diesem Absatz Metzenthin, M., a.a.O., S. 54

[61] vgl. Evans, R.: The perception of color, a.a.O., S. 65-75 S. 89-98, S. 110 f., S. 117-124 und S. 155

[62] vgl. Heller, E.: Wie Farben wirken, Reinbek 1989, S. 13 ff.

[63] Metzenthin, M., a.a.O., S. 61

[64] vgl. Heller, E., a.a.O., S. 13 ff.

[65] so z.B. beim Lüschertest, vgl. Lüscher, M., a.a.O., und Pawlik, K.: Farbe und Wahrnehmung in: Farbe, Berlin 1983, S. 40 f. und Kap. 2.12 dieser Arbeit

[66] vgl. Metzenthin, M., a.a.O., S. 72 f. u. 300 und das Beispiel des i-mac in Kap. 2.44

[67] vgl. Heller, E., a.a.O., S. 13

[68] vgl. Matthaei, J., a.a.O., S. 37

[69] vgl. Itten, J.: Kunst, Ravensburg 1970, S. 33-63 und Abschnitt 3.421 dieser Arbeit

[70] Eine schöne Darstellung des Simultan- und Komplementärkontrasts findet sich in Hickethier, A.: Ein-mal-Eins der Farbe, Ravensburg 1978, S. 37.

[71] vgl. Koppelmann, U.: Produktmarketing, a.a.O., S. 132 ff.

[72] vgl. ebenda, S. 148 f.

[73] Koppelmann, U. / Küthe, E.: Mit Farbe, in: Markt und Wirtschaft, Nr. 8 August 1987, S. 22

[74] vgl. hierzu Koppelmann, U.: Produktmarketing, a.a.O., S. 133

[75] vgl. ebenda, S. 134

[76] vgl. http://www1.vw-online.de/golf/index_.htm

[77] vgl. Metzenthin, M., a.a.O., S. 54

[78] vgl. Lynch, D. K. / Livingston, W.. a.a.O., S. 222

[79] Metzenthin, M., a.a.O., S. 55

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2000
ISBN (eBook)
9783832443221
ISBN (Paperback)
9783838643229
DOI
10.3239/9783832443221
Dateigröße
47 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität zu Köln – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2001 (Juli)
Note
1,3
Schlagworte
design entscheidungen farben marketing produktpolitik
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Titel: Farbsysteme als Entscheidungsparameter im Produktmarketing
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