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Zum Verständnis von Geschlecht und Demokratie im Hinblick auf "Geschlechterdemokratie" der Heinrich-Böll-Stiftung

©2001 Diplomarbeit 55 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Im Zusammenhang mit Geschlechterverhältnissen wird seit kurzem häufig der Begriff Geschlechterdemokratie verwendet, ohne dass dessen Definition und Herkunft erklärt wird.
Wenig bekannt ist, dass in der bündnisgrünennahen Heinrich-Böll-Stiftung mit dem Begriff ein ganz konkretes Konzept verbunden ist, dessen gesellschaftspolitische Umsetzung eines der Ziele der Stiftung ist.
Die vorliegende Arbeit ist eine Betrachtung des Konzeptes Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung. Dabei wird im ersten Teil die Umsetzung des Konzeptes innerhalb der Stiftung beschrieben, im zweiten Teil das Konzept kritisch analysiert und im dritten Teil findet eine theoretische Auseinandersetzung zu Geschlecht und Demokratie statt.
Die Auseinandersetzung mit Geschlechterdemokratie findet zum einen im Hinblick auf die politische Relevanz des Konzeptes statt, zum anderen unter der Fragestellung, ob nicht die Verschiebung von Frauenpolitik zur Geschlechterpolitik dazu führen wird, Frauenpolitik in ihrer Bedeutung verschwinden zu lassen.
Die Betrachtung von Geschlechterdemokratie erfolgt aus feministischer Perspektive, somit wird für die Auseinandersetzung mit Geschlechterdemokratie überwiegend feministische Literatur verwendet.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung
2.Geschlechterdemokratie in der Heinrich-Böll-Stiftung
2.1Definition von Geschlechterdemokratie
2.2Die Konzeptionierung von Geschlechterdemokratie vor dem Hintergrund der Kritik an institutionalisierter Frauenpolitik
2.3Geschlechterdemokratie und ihre Umsetzung in der Heinrich-Böll-Stiftung
2.3.1Gendertrainings
2.3.2Das Referat Geschlechterdemokratie
2.3.3Der Frauenrat
2.3.4Das Feministische Institut
2.4Kritische Anmerkung zu Geschlechterdemokratie in der Heinrich-Böll-Stiftung
3.Kritische Betrachtung von Geschlechterdemokratie
3.1Geschlechterdemokratie und ihre Sprache
3.2Geschlechterdemokratie, ein unbekanntes Wesen
3.3Geschlechterdemokratie und Gender Mainstreaming
3.4Geschlechterdemokratie als Dialog
3.5Geschlechterdemokratie für „Männer und Frauen“
3.6Geschlechterdemokratie und „ihre“ Männer
3.7Resümee der kritischen Betrachtung
4.Theoretischer Teil
4.1Diskurs zum Geschlecht
4.2Gleichheit und Differenz, Verlauf der Diskussion
4.3Gedanken zu einer feministischen Demokratiedefinition
4.4Resümee des theoretischen Teils
5.Schlussbetrachtung
6.Inhaltsverzeichnis

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4319
Jaenicke, Ulrike: Zum Verständnis von Geschlecht und Demokratie im Hinblick auf
"Geschlechterdemokratie" der Heinrich-Böll-Stiftung / Ulrike Jaenicke -
Hamburg: Diplomica GmbH, 2001
Zugl.: Hamburg, Hochschule für Wirtschaft und Politik, Diplom, 2001
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http://www.diplom.de, Hamburg 2001
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1
Inhaltsverzeichnis
1.
EINLEITUNG__________________________________________ 3
2.
GESCHLECHTERDEMOKRATIE IN DER
HEINRICH-BÖLL-STIFTUNG _____________________________ 5
2.1. Definition von Geschlechterdemokratie __________________________ 5
2.2. Die Konzeptionierung von Geschlechterdemokratie vor dem
Hintergrund der Kritik an institutionalisierter Frauenpolitik _______ 7
2.3. Geschlechterdemokratie und ihre Umsetzung in der
Heinrich-Böll-Stiftung _______________________________________ 11
2.3.1. Gendertrainings __________________________________________ 13
2.3.2. Das Referat Geschlechterdemokratie__________________________ 15
2.3.3. Der
Frauenrat ____________________________________________ 15
2.3.4. Das
Feministische
Institut __________________________________ 16
2.4. Kritische Anmerkung zu Geschlechterdemokratie in der
Heinrich-Böll-Stiftung _______________________________________ 17
3.
KRITISCHE BETRACHTUNG VON
GESCHLECHTERDEMOKRATIE_________________________ 18
3.1. Geschlechterdemokratie und ihre Sprache ______________________ 19
3.2. Geschlechterdemokratie, ein unbekanntes Wesen ________________ 20
3.3. Geschlechterdemokratie und Gender Mainstreaming _____________ 21
3.4. Geschlechterdemokratie als Dialog_____________________________ 23
3.5. Geschlechterdemokratie für ,,Männer und Frauen" ______________ 25
3.6. Geschlechterdemokratie und ,,ihre" Männer ____________________ 27
3.7. Resümee der kritischen Betrachtung ___________________________ 28
4.
THEORETISCHE HINTERGRÜNDE_______________________ 29
4.1. Diskurs zum Geschlecht______________________________________ 30
4.2. Gleichheit und Differenz, Verlauf der Diskussion_________________ 34
4.3. Gedanken zu einer feministischen Demokratietheorie _____________ 41

2
4.4. Resümee der Theorie ________________________________________ 45
5.
SCHLUSSBETRACHTUNG _____________________________ 46
6.
LITERATURVERZEICHNIS _____________________________ 48

3
1. Einleitung
Seit einigen Jahren taucht in gleichstellungspolitischen Zusammenhängen des
öfteren der Begriff Geschlechterdemokratie auf, ohne dass eine Definition des
Begriffes erfolgt oder geklärt wird, aus welchem Zusammenhang dieser Begriff
stammt.
1
Vielfach wird er verstanden und genutzt im Zusammenhang und in
Bezug auf Geschlechterverhältnisse
2
und löst damit Verwirrung aus: denn von
demokratischen Verhältnissen zwischen den Geschlechtern scheint doch im
Angesicht der realen Situation noch nicht die Rede sein zu können.
Wenig bekannt ist, dass in der bündnisgrünennahe Heinrich-Böll-Stiftung
3
mit
dem Begriff ein ganz konkretes Konzept verbunden ist, dessen Umsetzung und
Verbreitung eines der Ziele der Stiftung ist. Innerhalb der Heinrich-Böll-Stiftung ist
Geschlechterdemokratie ein Organisationsinstrument und ist von der Stiftung
gleichzeitig gedacht gesellschaftlich als politisches Ziel.
Das Unbekannte, das Neue und das Verwirrende an Geschlechterdemokratie
führt dazu, dass viele Fragen auftreten:
Was wird unter Geschlechterdemokratie verstanden?
Wo kommt Geschlechterdemokratie her?
Welches Verständnis von Geschlecht und Demokratie ist dem Konzept
zugrunde gelegt?
Ist Geschlechterdemokratie zu verstehen als ein neues gleichstellungspo-
litisches Instrument?
Wie verhält sich Geschlechterdemokratie zur Gleichstellungspolitik und
zum Feminismus?
Welche Instrumente werden innerhalb der Stiftung angewendet, um Ge-
schlechterdemokratie umzusetzten?
Welche Maßnahmen finden statt, um Geschlechterdemokratie in der poli-
tischen Landschaft zu verankern?
1
Beispiel: Döge, Peter; Neue Männer ­ Neue Männerpolitik. Ansätze geschlechterdemokratischer Politik im
Zeichen des neuen Mannes. In: Rosowski, Martin; Ruffing, Andreas(Hg): Männer im Wandel. Ostfildern 2000
2
Beispiel: Ursula Hornung, Geschlechterdemokratie in neoliberaler Zeit, in: DGB gewerkschaftliches Monatsheft
12/2000
3
Die Heinrich-Böll-Stiftung arbeitet als föderale Stiftung mit 16 angeschlossene Landesstiftungen. Vorrangige
Arbeit der hbs ist die politische Bildung in In- und Ausland zur Förderung der demokratischen Willensbildung,
des gesellschaftlichen Engagements und der Völkerverständigung. Darüber hinaus fördert die Stiftung Kunst
und Kultur sowie Wissenschaft und Forschung und die Entwicklungszusammenarbeit. Dabei orientiert sie sich
an den politischen Grundwerten Ökologie, Demokratie, Solidarität und Gewaltfreiheit (von Bargen 1997:63).

4
Wer sind die Männer und Frauen, von denen im Konzept Geschlechter-
demokratie die Rede ist?
Wie werden Männer in dem Konzept angesprochen?
Fragen, die nicht alle beantwortet werden können, die aber eine umfassende
Betrachtung des Konzeptes ermöglichen. Bei der Betrachtung führt die doppelte
Funktion des Konzeptes dazu, dass von den BetrachterInnen immer wieder ein
Transfer vom betrieblichen Organisationsinstrument zum politischen Ziel (und
auch zurück?) geleistet werden muss.
Im Folgenden geht es zunächst darum, das Konzept Geschlechterdemokratie zu
beschreiben, dessen Entstehungsgeschichte vor dem Hintergrund der Kritik an
Gleichstellungspolitik zu betrachten und die Umsetzung des Konzeptes in der
Heinrich-Böll-Stiftung zu aufzuzeigen. In einem zweiten Schritt wird das Konzept
Geschlechterdemokratie im Hinblick auf die politische Relevanz unter Einbezie-
hung theoretischer Grundlagen von mir untersucht. In einem dritten Schritt findet
eine Auseinandersetzung mit der Theorie zu Geschlecht und Demokratie statt. In
diesem Teil wird zusätzlich die Diskussion um Gleichheit und Differenz aufgegrif-
fen, da diese die Schwierigkeit gleichstellungspolitischer Maßnahmen, und als
solche ist Geschlechterdemokratie zu betrachten, deutlich macht.
Die Auseinandersetzung mit Geschlechterdemokratie findet zum einen im Hin-
blick auf die politische Relevanz des Konzeptes statt, zum anderen unter der
Fragestellung, ob nicht die Verschiebung von Frauenpolitik zur Geschlechterpoli-
tik dazu führen wird, Frauenpolitik in ihrer Bedeutung verschwinden zu lassen.
Ziel ist es nicht, beide Aspekte definitiv zu beantworten, sie begleiten die Ausei-
nandersetzung.
Die Betrachtung von Geschlechterdemokratie erfolgt aus feministischer Perspek-
tive, somit wird für die Auseinandersetzung mit Geschlechterdemokratie über-
wiegend feministische Literatur verwendet. Dies geschieht unter dem Aspekt, im
Zusammenhang mit patriarchaler Wissenschafts- und Unternehmerkultur einen
demokratischen Gegenpol zu vertreten und in innerer Verbundenheit zu der Tra-
dition von ,,Frauen-Anstifung", die vor der Reform der drei Stiftungen (Heinrich-
Böll-Stiftung, Frauen-Anstiftung und Buntstift) zum Stiftungsverband Regenbogen
e.V. ausschliesslich Frauen und Frauenprojekte förderte.

5
2. Geschlechterdemokratie in der Heinrich-Böll-Stiftung
In diesem Kapitel geht es darum, das Konzept der Geschlechterdemokratie der
Heinrich-Böll-Stiftung, dessen Entstehungsgeschichte und dessen Umsetzung
innerhalb der Stiftung zu beschreiben. Dabei beziehe ich mich auf die von der
Stiftung veröffentlichten Schriften, da bisher zusätzlich zu Stiftungsveröffentli-
chungen fast keine Literatur zu dem Thema vorhanden ist. Die von der Stiftung
unabhängigen Veröffentlichungen
4
sind zum Teil identisch mit Stiftungsmateria-
lien oder wurden von MitarbeiterInnen der Stiftung geschrieben. Die einzige un-
abhängige Veröffentlichung findet sich in der Weibblick 3/1997. Die Bearbeitung
des Themas Geschlechterdemokratie findet vor dem Hintergrund statt, dass ich
Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung bin. Dadurch erhielt ich Einblicke in die
Arbeit der Stiftung, hatte Zugang zu Materialien und die Möglichkeit, Gespräche
mit MitarbeiterInnen der Stiftung über Geschlechterdemokratie zu führen. Dies
war zum einen hilfreich, das Konzept verstehen zu lernen, zum anderen war es
dadurch notwendig, mir über die Stellung der beobachtenden Wissenschaftlerin
immer wieder neu im Klaren zu werden.
Spreche ich im weiteren Verlauf der Arbeit von Geschlechterdemokratie, beziehe
ich mich auf die folgende Definition und meine ausschließlich Geschlechterde-
mokratie der Heinrich-Böll-Stiftung, auch wenn ich die Stiftung nicht jedesmal
explizit benenne.
2.1. Definition von Geschlechterdemokratie
Der Begriff Geschlechterdemokratie ist eine junge Wortschöpfung aus dem A-
merikanischen (gender democracy) und wurde im Kontext feministischer Anti-
Gewalt-Arbeit von der Soziologin Halina Bendkowski geprägt
5
. Der Begriff und
damit auch das Konzept fand Anfang der 90er Jahre Eingang in die bundesdeut-
sche Gleichberechtigungsdebatte. Stark normativ geprägt deklariert er als Ziel
die Herstellung demokratischer Verhältnisse zwischen Frauen und Männern zum
politischen Ziel und erweitert somit den klassisch liberal verstandenen Demokra-
tiebegriff um emanzipatorische und partizipatorische Elemente. Dies bedeutet:
die gleiche politische Partizipation von Frauen, die gerechte Aufteilung der ge-
4
Siehe: femina politika 2/1997 und 2/1999, Weibblick 3/1997, epd-Entwicklungspolitik 6/1998, Freitag 17.11.00,
Frauenarbeit und Informatik 16/1997
5
Es war nicht möglich, eine von Halina Bendkowski veröffentlichte Definition des Begriffs zu finden, weder über
ihre veröffentlichte Literatur, noch über die Materialien der Heinrich Böll Stiftung.

6
sellschaftlichen Ressourcen zwischen den Geschlechtern und eine Kritik an den
autoritär-hierarchischen Geschlechterverhältnissen im Privaten, insbesondere an
gewaltförmiger Herrschaft von Männern über Frauen.
Diese Forderungen an sich sind nicht neu, das Neue an diesem Konzept ist je-
doch, dass es zu einer Verschiebung der Aufmerksamkeit kommt. Es sind nicht
mehr die (defizitär konstruierten) Frauen, die im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit
stehen, sondern die gesellschaftlichen Verhältnissen, die verändert werden sol-
len. Dies bedeutet, dass Männer einbezogen werden, für das Ziel der Demokra-
tie zwischen den Geschlechtern Verantwortung zu übernehmen (Thoma 1997:
11).
Mit Geschlecht ist hier die sozial konstruierte, vieldimensionale und durch Sozia-
lisation geprägte Geschlechtsidentität (gender) gemeint. ,,Die Erkenntnis von Si-
mone de Beauvoir ,,wir werden nicht als Frauen geboren, wir werden zu Frauen
gemacht" hat hier analog Gültigkeit auch für Männer" (Werner 1998: 7).
Demokratie wird verstanden als gesellschaftspolitisches Gestaltungsprinzip, zu
dem die Beseitigung gesellschaftlicher Ungleichheiten und die Herstellung glei-
cher Partizipationschancen gehört. Sie wird verstanden als eine Politik, die durch
,,Demokratisierung aller Lebensbereiche" gesellschaftliche Machtdifferenzen ab-
baut, damit alle Menschen in gleicher Weise über sich selbst bestimmen können
(ebenda).
Ohne auf die Formen der verschiedenen Demokratien einzugehen, lässt sich
sagen, dass Geschlechterdemokratie die Verwirklichung des theoretischen An-
spruchs der demokratischen Gleichstellung und Chancengleichheit von Männern
und Frauen verfolgt. Der Begriff ,,Geschlechterdemokratie" solle letztendlich pro-
vozieren, und daran erinnern, dass Demokratie ein Prozess ist, den es gemein-
sam zu gestalten gilt (Werner 1998: 8). Frauenpolitik und feministische Politik
sollte dabei nicht als addidtives Element der Programmatik hinzugefügt werden,
sondern es werde ein Paradigmenwechsel angestrebt, der die Konventionen und
die Hierarchie der Geschlechter für beide Parteien auflöst (Zepp: 1997: 91).
Geschlechterdemokratie ist seit der Reform des Stiftungsverbandes Regenbogen
e.V. als Gemeinschaftsaufgabe im Leitbild
6
der Heinrich-Böll-Stiftung verankert.
6
Satzung der Heinrich-Böll-Stiftung vom 28.3.1998, §2, Absatz3

7
2.2. Die Konzeptionierung von Geschlechterdemokratie vor dem Hin-
tergrund der Kritik an institutionalisierter Frauenpolitik
Im Zuge der Reformierung des Stiftungsverbandes Regenbogen e.V., bei der
1996 die drei bündnisgrünennahen Stiftungen (Heinrich-Böll-Stiftung, Frauen-
Anstiftung und Buntstift) zu einer Gesamtstiftung, die den Namen Heinrich-Böll-
Stiftung trägt, fusionierten, wurde Geschlechterdemokratie als Gemeinschafts-
aufgabe in das Leitbild der Heinrich-Böll-Stiftung verankert (Icking 1996: 14). Der
Reformprozeß wurde begleitet von der Aufgabe, die feministische Einrichtung
Frauen-Anstiftung
7
, die autonom von Frauen verwaltet wurde, in eine neue ge-
mischt-geschlechtliche Organisation zu integrieren, ohne dass der damit verbun-
dene politische Standard an feministischer Arbeit zum Verschwinden gebracht
werde. Die Ergebnisse und Erfahrungen feministischer Arbeit der letzten Jahre
sollten als eine Gemeinschaftsaufgabe für die Gesamtstiftung in die neue Orga-
nisation eingeschrieben werden, wofür jedoch die gängigen Modelle von Gleich-
stellungssicherungen, wie sie unter anderem in öffentlichen Verwaltungen üblich
waren, ungeeignet waren. Das Schlüsselwort hieß Geschlechterdemokratie
(Zepp 1997: 91).
Da Geschlechterdemokratie als politisches Ziel gedacht ist und vor dem Hinter-
grund der sichtbar gewordenen konzeptionellen Grenzen von Gleichstellungspoli-
tik entwickelt wurde, ist die Entstehung des Konzeptes der Geschlechterdemo-
kratie unter gedanklicher Einbeziehung der Kritik an institutionalisierter Frauenpo-
litik
8
und Gleichstellungspolitik
9
zu betrachten, wie sie zum Zeitpunkt der Reform
des Stiftungsverbandes geäußert wurde
10
.
Bereits 1995, ein Jahr nach der Verabschiedung des Frauenförderungsgesetzes,
schrieb Mechthild Jansen, dass Gleichstellungspolitik unattraktiv geworden sei,
7
Die Frauen-Anstiftung mit Sitz in Hamburg war in der Tradition der westdeutschen Frauenprojektbewegung
von Frauen 1987 gegründet worden. Sie behielt während ihrer gesamten Existenzdauer den zu ihrer Gründung
formulierten Anspruch einer von Frauen organisierten und für Frauen arbeitenden Organisation bei. Innerhalb
der Stiftung arbeiteten ausschliesslich Frauen und gefördert wurden, auch weltweit, ausschliesslich reine Frau-
enorganisationen (Zepp 1997:91)
8
Die Institutionalisierung von Frauenpolitik, die in staatlichen Gleichstellungspolitik mündete, hat Ende der 70
Jahre auf Forschungsebene und mit Beginn der 80er Jahre auf politischer Ebene begonnen und wurde 1986 mit
der Erweiterung des Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit um den Politikbereich Frauen im
Bundesministerium verankert (vgl. Nave-Herz 1997: 75 ff).
9
Unter Gleichstellungspolitik wird unter Berufung auf Artikel 3 GG ein Kompendium von Maßnahmen zur Förde-
rung von Frauen verstanden, sowie die Durchführung von Maßnahmen zur Umorientierung und Umstrukturie-
rung geschlechtshierarischer und gespaltener gesellschaftlicher Verhältnisse zugunsten der Gleichberechtigung
von Frauen (vgl. BfFSFJ 1998: 12). Grundlage der institutionalisierten Gleichstellung ist das 1994 verabschiede-
te Frauenfördergesetz (vgl. Hoecker 1998: 210).
10
Da Geschlechterdemokratie vor dem Hintergrund der Kritik an institutionalisierter Frauenpolitik konzeptioniert
wurde, wird hier nur die Kritik angeführt. Die Notwendigkeit und der Erfolg dieser Politik ist dadurch nicht in
Frage gestellt (siehe dazu Jansen, 1996: 36)

8
da bürokratische Verwaltungsmechanismen und technokratische Modernisierung
Gleichstellungsbeauftragte letztendlich beschränkten und in staatliche Abhängig-
keit brächten, statt sie zu eigenständigem Handeln zu ermächtigen (1995: 71).
Ausserdem beschreibt sie die konzeptionellen Grenzen und Schwächen der
Gleichstellungspolitik: Gleichstellungspolitik ziele im Zentrum auf die Bereiche
patriarchaler Hegemonie, der Erwerbsarbeit, Öffentlichkeit und Politik. Sie unter-
stütze Frauen, sich bislang verschlossene Männerwelten zu erobern, gleiche
deren Lebensentwürfe an die der Männer an, verändere dabei aber nicht bisheri-
ge ,,weibliche" Lebens- und Arbeitswelten und nicht die Substanz patriarchaler
Männerwelten. Gleichstellungspolitik habe keine Instrumente zur Veränderung
auf Seiten der Männer, ermögliche ihnen keine positiv abweichenden neue We-
ge. In der politischen Folge von Gleichstellungspolitik beteiligten sich Frauen an
den einstmals kritisierten Zuständen, wodurch die Diskussion um die Neugestal-
tung der Arbeitsgesellschaft und die Diskussion um historisch gewachsene, von
Männern differierende Lebensweisen von Frauen nicht mehr geführt werde.
11
Die
qualitativen Grenzen eines Systems, das auf dem Ausschluß von Frauen basiert,
könne mit Gleichstellungspolitik nicht verändert werden, da durch sie Demokratie
nicht erweitert und erneuert werde (ebenda).
Auch Helga Lukoschat kritisiert die Praxis der Gleichstellungspolitik. Die Ausrich-
tung von Gleichstellungspolitik auf die Zielbestimmung der Frauenförderung habe
problematische Konsequenzen. Unter dem Etikett der Frauenförderung erschie-
nen Frauen als defizitäres Geschlecht. Anstatt gesellschaftliche Strukturen, die
Diskriminierung bewirken und konkrete Privilegien von Männern in das Licht der
Kritik zu stellen, wurden nun Frauen und frauenspezifisches Leben in das Licht
der Kritik gestellt (1997: 7).
Zusätzlich werde durch das bisherige Verständnis und die bisherige Praxis von
Gleichstellungspolitik eine notwendigerweise gesellschaftlich übergreifende Poli-
tik zu einer Ressortpolitik, die auf ein typisches Themenspektrum reduziert wer-
de. Die so zurecht gestutzte Frauenpolitik werde von der allgemeinen Politik und
Organisationen abgetrennt und erhalte einen Sonderstatus, bei der je nach poli-
tischer und finanzieller Lage Einsparungen vorgenommen werden. Organisato-
11
Die Diskussion um die von Männern differierenden Lebensweisen von Frauen und die Frage nach der Form
deren Berücksichtigung ohne gleichzeitiger Diskriminierung war seit Beginn der Neuen Frauenbewegung (vgl.
Nave-Herz 1997: ab 50) Thema und schlug sich nieder in der Diskussion um Gleichheit und/oder Differenz.
Innerhalb der institutionalisierten Gleichstellungspolitik wurde die Frage nach der Differenz nicht mehr gestellt
(vgl. Maihofer 1998: 166ff).

9
risch werde Frauenpolitik an bestehende Organisationen angehängt, wodurch die
Gesamtorganisation von feministischen und frauenpolitischen Maßnahmen in
ihrem Grundsatz unberührt bliebe. Für Frauenpolitik innerhalb von Organisatio-
nen seien jeweils bestimmte Frauen-Frauen zuständig und verantwortlich, wo-
durch die Leitungsgremien von der Entwicklung und Durchsetzung feministischer
Standpunkte entlastet werde. Die zuständigen Frauen leisteten jedoch unter be-
grenzten materiellen und personellen Ressourcen einen Spagat zwischen Anfor-
derungen und Möglichkeiten, der kaum Raum liesse, innovativ zu werden und
neue Kommunikation zu eröffnen (1997: 6), was an die oben genannte Kritik von
Mechthild Jansen, Gleichstellungsbeauftragte werden durch bürokratische und
technokratische Mechanismen in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt, anknüpft.
Die hier angeführte Kritik an institutionalisierter Gleischstellungspolitik lässt Beate
Hoecker zu der Einschätzung kommen, institutionalisierte Frauenpolitik erfülle
eine Alibifunktion, die dem Erhalt und der Absicherung der Männergesellschaft
diene (1999: 255). Für sie stellt sich die Frage, inwiefern das Ziel einer gleichen
Teilhabe von Frauen an allen gesellschaftlichen Bereichen überhaupt erreicht
werden könne, ohne zugleich die Ursachen der Ungleichheit zwischen den Ge-
schlechtern, die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, sowie die damit verbun-
denen traditionellen Rollenvorstellungen in den Blick zu nehmen. Ihres Erachtens
müssten auch Männer ihre Denk- und Handlungsmuster reflektieren und verän-
dern (1999: 220).
Der Hinweis auf geschlechtsspezifische Arbeitsteilung verweist auf eine weitere
Grenze von Gleichstellungspolitik. Obwohl radikale Gleichstellungspolitik als In-
strument konzipiert wurde, die Gesamtstruktur der Unterdrückung der Frau in
Produktion und Reproduktion aus der Perspektive der Frau, ihrer eigenständigen
Existenzsicherung und Selbstbestimmung, auszuhebeln, zielt sie im Zentrum
doch auf männerdominierte Bereiche der direkten patriarchalen Hegemonie; auf
Erwerbsarbeit, Politik, Öffentlichkeit und Macht. Das ,,Private", welches im dicho-
tomen Geschlechtermodell überwiegend Frauen tragen, bleibe von Gleichstel-
lungspolitik unberührt und lasse zugleich die Situation der Frau konstitutiv zur
Privatangelegenheit werden (Jansen 1994: 149).
Die hier angeführte Kritik an Gleichstellungspolitik lässt den Eindruck entstehen,
Gleichstellungspolitik sei insgesamt nicht sinnvoll gewesen. Dies ist jedoch so

10
nicht zu denken.
12
Aber Gleichstellungspolitik ist an konzeptionelle Grenzen gera-
ten, was daran sichtbar wird, dass sich trotz Gesetzen Gleichstellung nicht wirk-
lich einstellt und sie sich nur mühsam und langsam bewegt. Dies lässt eine neue
Form der Geschlechterpolitik notwendig werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die in der Bundesrepublik praktizierte
Gleichstellungspolitik
-
die Angleichung von Frauen an männliche Lebenswelten erfordert,
ohne dabei patriarchale Hegemonien in Frage zu stellen,
-
dazu beiträgt, Frauen als defizitäres Geschlecht zu konstruieren,
-
dass Frauenpolitik in der Zuständigkeit von Frauen zur Ressortpolitik
wird, die gesamtgesellschaftliche Strukturen nicht beeinflusst,
-
den gesamten Bereich des ,,Privaten" unberücksichtigt lässt,
-
und Männern nicht ihren Teil der Verantwortung an dem Verände-
rungsprozeß zuordnet.
Eine Strategie, die eine Ablösung oder Weiterentwicklung von Gleichstellungspo-
litik bedeuten könnte, sollte also in der Lage sein, Frauen aus ihrer defizitären
Zuordnung zu befreien und Männer in den Veränderungsprozess mit einzubezie-
hen. Sie sollte an Stelle von Ressortpolitik Querschnittspolitik betreiben und
patriarchale Hegemonien bis in das ,,Private" hinein in Frage stellen können.
Das Konzept der Geschlechterdemokratie kann betrachtet werden als eine Ant-
wort auf die konzeptuellen Grenzen von Gleichstellungspolitik. Geschlechterde-
mokratie will den Blickwinkel von Frauenpolitik auf gesellschaftliche Strukturen
verlagern, sie ist gedacht als Querschnittspolitik und spricht Männer und Frauen
an, Verantwortung zu übernehmen. Nicht angesprochen wird jedoch in dem Kon-
zept das ,,Private".
Im weiteren Verlauf der Arbeit geht es nicht darum, zu überprüfen, ob das Kon-
zept der Geschlechterdemokratie nun das leisten wird, was Gleichstellungspolitik
nicht leisten konnte. Es geht darum, Geschlechterdemokratie unter Einbeziehung
des momentanen theoretischen Diskurses zu betrachten. Dabei schwingt die
Frage mit, ob Geschlechterdemokratie Ergebnisse und Ziele von Frauenpolitik
und des Feminismus aufnehmen wird, oder ob die Frauenfrage hinter der Ge-
schlechterfrage verschwinden wird. Denn die Erfahrung in der Gleichstellungsde-
12
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Gleichstellungspolitik bietet die Arbeit von Christine Düster
,,Gleichstellungspolitik ­ ein historisch überholtes Unterfangen?", HWP Hamburg, Mai 2001

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832443191
ISBN (Paperback)
9783838643199
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (ehem. Hochschule für Wirtschaft und Politik) – Soziologie
Note
1,5
Schlagworte
feminismus gender mainstreaming geschlecht geschlechterverhältnisse
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Titel: Zum Verständnis von Geschlecht und Demokratie im Hinblick auf "Geschlechterdemokratie" der Heinrich-Böll-Stiftung
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