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Kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland und Frankreich

Ein Vergleich ausgesuchter Aspekte unter Berücksichtigung ihrer Relevanz für den Übersetzer

©2000 Diplomarbeit 182 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Situation kleiner und mittelständischer Unternehmen, kurz KMU, in Deutschland und Frankreich. Es werden exemplarisch diesen Unternehmenstyp beeinflussende Faktoren analysiert und verglichen. Dabei werden zunächst Charakteristika als Grundlage für eine allgemeine Definition des Unternehmenstyps „Kleine und mittlere Unternehmen“ festgelegt, anhand derer dann ihr Stellenwert in Deutschland und Frankreich durch Auswertung von statistischem Material erfaßt wird. Um die sich daraus ergebenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede adäquat bewerten zu können, wird an den Anfang ein Überblick über die Entwicklung der Volkswirtschaften Deutschland und Frankreich sowie deren derzeitige Lage gestellt. Besonderes Augenmerk richtet die Arbeit auf folgende Aspekte:
- Rechtsformen der Unternehmen.
- Unternehmensbesteuerung.
- Sozialversicherungssysteme.
- Arbeitsrechtliche Bestimmungen.
Vor dem Hintergrund zunehmender internationaler Verzahnungen in der Wirtschaft und gesteigerter grenzüberschreitender Kommunikation wird die obengenannte Thematik auch im Hinblick auf kultuspezifische, also besonders für den im deutsch-französischen Umfeld tätigen „Kulturmittler“ (Übersetzer, aber auch andere) interessante Fragestellungen untersucht, z.B. inwieweit sich bestimmte Sachverhalte nahtlos auf die jeweils andere Volkswirtschaft übertragen lassen.
Ergänzt wird die Arbeit durch ein französisch – deutsches bzw. deutsch – französisches Glossar mit den wichtigsten Termini der analysierten Aspekte.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einführung6
2.Die Volkswirtschaften Deutschland und Frankreich7
2.1Charakteristika der deutschen Volkswirtschaft7
2.2Charakteristika der französischen Volkswirtschaft11
3.Die Rolle der KMU in Deutschland und Frankreich16
3.1Definition KMU - PME16
3.2Der Stellenwert der KMU in Deutschland und Frankreich19
4.Die rechtliche Ausgestaltung der KMU in Deutschland und Frankreich25
4.1Allgemeine Bemerkungen25
4.2Einteilung und rechtliche Grundlagen der Rechtsformen26
5.Die Rechtsformen der Unternehmen in Deutschland und Frankreich31
5.1Vorbemerkungen31
5.2Kaufmannsbegriff und Handelstätigkeit32
5.3Personengesellschaften36
5.3.1Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) - société civile36
5.3.2Offene Handelsgesellschaft (OHG) - société en nom collectif (SNC)37
5.3.3Kommanditgesellschaft (KG) - société en commandite simple […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4311
Averes, Dirk: Kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland und Frankreich: Ein Vergleich
ausgesuchter Aspekte unter Berücksichtigung ihrer Relevanz für den Übersetzer / Dirk Averes -
Hamburg: Diplomica GmbH, 2001
Zugl.: Saarbrücken, Universität, Diplom, 2000
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Verfügung. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit.
Ihr Team der Diplomarbeiten Agentur

A
UTORENPROFIL
Autor
Derk Averes,
geb. am 30.06.1974 in Nordhorn
Neuenhauser Str. 137, 48527 Nordhorn
Tel. (0 59 21) 83 66 35
e-mail:
daveres@gmx.de
Werdegang
1981 ­ 1985
Grundschule am Roggenkamp / Nordhorn
1985 ­ 1994
Missionsgymnasium St. Antonius / Bad Bentheim ­ Bardel
Abschluß: 26. Mai 1994 / Abitur
1994 ­ 1995
Wehrdienst bei ABC ­ Abwehrbataillon 110 / Emden
WS 1995 ­
Studium der Fachrichtung ,,Übersetzen und Dolmetschen"
WS
2000
(Französisch / Spanisch) mit Ergänzungsfach Wirtschaftswissen-
schaften (BWL und VWL) an der Universität des Saarlandes /
Saarbrücken.
Abschluß: 19.12.2000 / Diplom ­ Übersetzer mit einer Arbeit aus dem
Bereich der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland und
Frankreich
Neben dem Studium in den Semesterferien Mitarbeit im elterlichen Betrieb, einem
mittelständischen Unternehmen der Automobilindustrie [Derk Averes & Co. GmbH,
Vertragshändler der Adam Opel AG] mit zwei Standorten.
Nach Abschluß des Studiums Tätigkeiten dort in Disposition und Geschäftsleitung.
Sprachkenntnisse:
Französisch,
Spanisch: verhandlungssicher
Englisch:
fließend
Niederländisch: Grundkenntnisse
EDV-Kenntnisse:
Office 97, Lotus Notes, Terminologie-verwaltungsprogramm
Multiterm 95 plus, Betriebssystem UNIX

Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
6
2 Die Volkswirtschaften Deutschland und Frankreich
7
2.1
Charakteristika
der
deutschen
Volkswirtschaft
7
2.2
Charakteristika
der
französischen
Volkswirtschaft
11
3 Die Rolle der KMU in Deutschland und Frankreich
16
3.1
Definition
KMU
­
PME
16
3.2 Der Stellenwert der KMU in Deutschland und Frankreich
19
4 Die rechtliche Ausgestaltung der KMU in Deutschland und Frankreich
25
4.1
Allgemeine
Bemerkungen
25
4.2 Einteilung und rechtliche Grundlagen der Rechtsformen
26
5 Die Rechtsformen der Unternehmen in Deutschland und Frankreich
31
5.1
Vorbemerkungen
31
5.2
Kaufmannsbegriff
und
Handelstätigkeit
32
5.3
Personengesellschaften
36
5.3.1 Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) ­ société civile
36
5.3.2 Offene Handelsgesellschaft (OHG) ­ société en nom collectif (SNC)
37
5.3.3 Kommanditgesellschaft (KG) ­ société en commandite simple (SCS)
39
5.4
Kapitalgesellschaften 40
5.4.1 Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
40
­ société à responsabilité limitée (SARL)
5.4.2 Aktiengesellschaft (AG) ­ société anonyme (SA)
45
6 Die Unternehmensbesteuerung in Deutschland und Frankreich
52
6.1 Die Steuersysteme in Deutschland und Frankreich
52
6.2
Systematisierung
der
Steuern 55
6.3
Steuern
auf
das
Einkommen
56
6.3.1 Einkommenssteuer ­ impôt sur le revenu
57
6.3.2 Körperschaftssteuer ­ impôt sur les sociétés
61
6.3.3
Gewerbesteuer
­
taxe
professionnelle
66
6.4
Steuern
auf
die
Einkommensverwendung
69
6.4.1 Mehrwertsteuer ­ taxe sur la valeur ajoutée (TVA)
69
6.4.2 Sonstige Steuern auf die Einkommensverwendung
71

6.5
Steuern
auf
das
Vermögen
73
6.5.1 Vermögenssteuer ­ impôt de solidarité sur la fortune
73
6.5.2 Grundsteuer ­ taxes foncières, taxe d'habitation
74
6.5.3 Erbschafts- und Schenkungssteuer ­ droits de succession et de donation
76
6.6
Sonstige
Steuerbelastungen
77
7 Die Sozialversicherungssysteme in Deutschland und Frankreich
81
7.1
Vorbemerkungen
81
7.2 Organisation und Finanzierung der Sozialversicherungssysteme
83
7.3 Die Zweige des deutschen Sozialversicherungssystems
87
7.3.1
Gesetzliche
Rentenversicherung
87
7.3.2
Gesetzliche
Krankenversicherung
90
7.3.3
Gesetzliche
Unfallversicherung
92
7.3.4
Gesetzliche
Pflegeversicherung
94
7.3.5
Gesetzliche
Arbeitslosenversicherung
96
7.4 Die Zweige des französischen Sozialversicherungssystems
98
7.4.1 Gesetzliche Rentenversicherung (assurance vieillesse)
98
7.4.2
Gesetzliche
Zusatzrente
(retraite
complémentaire)
100
7.4.3 Gesetzliche Krankenversicherung (assurance maladie)
102
7.4.4 Unfallversicherung (couverture des risques d'accident de
105
travail et de maladie professionnelle)
7.4.5 Gesetzliche Familienversicherung, Familienbeihilfen (allocations familiales)
107
7.4.6 Gesetzliche Arbeitslosenversicherung (assurance chômage)
109
8 Arbeitsrechtliche Bestimmungen in Deutschland und Frankreich
113
8.1 Entwicklung des Arbeitsrechts und Rechtsquellen
113
8.2 Betriebliche Mitbestimmung in Deutschland und Frankreich
113
8.2.1
Arbeitnehmervertretung
in
Deutschland
118
8.2.2
Arbeitnehmervertretung
in
Frankreich
121
8.3 Kündigungsschutz in Deutschland und Frankreich
126
8.3.1
Kündigungsschutz
in
Deutschland 126
8.3.2
Kündigungsschutz
in
Frankreich
129
9
Zusammenfassende
Betrachtungen
135
10
Glossar
Französisch
­
Deutsch
139
11
Glossar
Deutsch
­
Französisch
155

12
Bibliographie
171
12.1
Schriftliche
Quellen
171
12.2
Internetadressen
175
12.3
Deutsche
und
französische
Gesetzestexte
176

6
1 Einführung
Im Rahmen der Europäischen Union wird in Deutschland und Frankreich seit
geraumer Zeit darüber debattiert, welcher Stellenwert der mittelständischen
Wirtschaft in der Gesamtwirtschaft zukommt. Diese Diskussion erhielt in
Deutschland mit der Konzipierung der "Steuerreform 2000" durch die seit 1998
amtierende Bundesregierung sowie die Aussetzung von sozialpolitischen
Maßnahmen der alten Koalition (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) neuen Auftrieb.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Mittelstand sollen laut
Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 verbessert, Existenzgründungen und
Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen auf wenige Programme konzentriert
und vereinfacht werden (vgl. Koalitionsvertrag). Die im Sommer 2000 von der
französischen Regierung vorgelegte Steuerreform geht ebenfalls in diese Richtung
1
.
EU-weit bilden kleine und mittlere Unternehmen (KMU) einen
Interessensschwerpunkt in der wirtschaftspolitischen Diskussion, vor allem dann,
wenn es um die Schaffung neuer Arbeitsplätze geht. In den Mitgliedsstaaten spielen
diese Unternehmen vielfach eine wichtige Rolle für die jeweiligen Volkswirtschaften
(vgl. EUROSTAT 1996).
Doch wie grenzen sich nun KMU von anderen Unternehmensformen ab, was
charkterisiert sie? Welche Faktoren beeinflussen ihre Entfaltungsmöglichkeiten?
Welche Belastungen werden ihnen in diesem oder jenem Staat auferlegt?
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist ein doppeltes. Zum einen sollen exemplarisch
verschiedene, die KMU ("Petites et moyennes entreprises", PME) in Deutschland
und Frankreich beeinflussende Aspekte analysiert und verglichen werden. Dazu
müssen zunächst Charakteristika als Grundlage für die Definition dieses
Unternehmenstyps festgelegt werden, anhand derer dann ihr Stellenwert in
Deutschland und Frankreich mit Hilfe von statistischem Material erfaßt werden kann.
Um die sich daraus ergebenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede adäquat
bewerten zu können, ist zuvor ein Überblick über die beiden Volkswirtschaften
Deutschland und Frankreich zu geben.
Zum anderen sollen exemplarisch auch für den deutsch ­ französischen
Sprachmittler relevante kulturspezifische Probleme analysiert werden. Aufgrund der
1
Die französische Steuerreform ist im Internet abzurufen unter http://www.finances.gouv.fr/actualités
(Stand: 14.10.00)

7
zunehmenden Bedeutung der KMU kann hier nämlich ein bedeutendes
Betätigungsfeld für Übersetzer und Dolmetscher liegen. Daher werden die
anzusprechenden Probleme neben ihrer wirtschafts- und sozialpolitischen Bedeutung
auch im Hinblick auf die "Kulturvermittlung" untersucht, weil gerade in Zeiten der
Globalisierung grenzüberschreitendes Wirtschaften und damit grenzüberschreitende
Kommunikation einen nicht zu vernachlässigenden Stellenwert einnehmen. Ergänzt
wird die Arbeit durch ein französisch ­ deutsches bzw. deutsch ­ französisches
Glossar mit den wichtigsten Termini der analysierten Aspekte. Sofern die jeweiligen
Entsprechungen der anderen Sprache nicht im laufenden Text gegeben werden, sind
sie durch das Zeichen ( ° ) gekennzeichnet.
2
Die Volkswirtschaften Deutschland und Frankreich
2.2
Charakteristika der deutschen Volkswirtschaft
"Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat"
(Art. 20 (1) GG). Diese Definition aus dem Grundgesetz ist in zweierlei Hinsicht
wichtig für die Entwicklung des Wirtschaftssystems in Deutschland nach 1945. Zum
einen wird in dem Begriff "Bundesstaat" deutlich, daß der Staatsaufbau
föderalistisch organisiert ist. Hier unterscheidet sich die Bundesrepublik in hohem
Maße von der zentralistischen Organisation der französischen Republik. Dies hat
zwangsläufig Auswirkungen auf die Handlungsweisen der Wirtschaftssubjekte in
beiden Staaten. So ist der staatliche Interventionismus in Deutschland aufgrund der
föderalen Struktur, aber auch wegen seiner von jeher dezentralen Geschichte weniger
stark ausgeprägt als der französische (vgl. Große / Lüger: 130). Darüber hinaus
definiert Artikel 20 (1) die Bundesrepublik als "sozial", d.h. jede zu treffende
Entscheidung muß immer auf ihre Auswirkungen auf die verbriefte rechtliche
Gleichheit aller Bürger hin überprüft werden. Ludwig Erhard und Alfred Müller-
Armack prägten in den 50er Jahren das deutsche Modell der "sozialen
Marktwirtschaft", also das Leitbild eines Wirtschaftssystems, in dem der einzelne
völlig frei agieren kann und soll, ohne staatlichen Gängelungen ausgesetzt zu sein,
solange er die Freiheit seines Mitbürgers durch sein Handeln nicht einschränkt. Es
handelt sich dabei um eine durch sozialpolitische Ziele ergänzte
Wettbewerbsordnung, durch die unerwünschte Nebenwirkungen einer völlig freien

8
marktwirtschaftlichen Ordnung ausgeschlossen werden sollen (vgl. Gabler: 3455).
Das Konzept der sozialen Marktwirtschaft kann als Reaktion der Politik auf den
Stellenwert der Wirtschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus
angesehen werden, als führende Vertreter der Wirtschaft demokratiefeindliche Kräfte
unterstützten, so beispielsweise der mächtige Hugenberg ­ Konzern.
Das deutsche Wirtschaftssystem ist demzufolge dezentral orgnisiert, Wettbewerb
stellt den Kernpunkt des wirtschaftlichen Handelns dar. Der Staat greift nur ein,
wenn diese Wettbewerbsfreiheit gefährdet ist, er sollte nicht selbst als Wettbewerber
auftreten. In der Realität ist dieses Ideal jedoch stark verzerrt, wenn man sich die
ungeheuren Subventionssummen für bestimmte Wirtschaftszweige (Montanbereich)
oder den sogenannten "zweiten Arbeitsmarkt", der als Konkurrenz für die
Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes auftritt, vor Augen hält.
In den ersten Nachkriegsjahren fand in Deutschland zunächst ein konsequenter
Abbau staatlicher Interventionen statt. Hier unterscheidet sich die Politik der
Bundesregierung in dieser Zeit deutlich von der französischen Regierung, die exakt
den umgekehrten Weg zur Überwindung der Kriegsschäden ging: Im von Jean
Monnet (1888 ­ 1979) maßgeblich entwickelten Plan de modernisation et
d'équipement (1. Wirtschaftsplan,1947 ­ 1953) wurde gerade der Interventionismus
des Staates als Konzept für den Wiederaufbau propagiert (vgl. Haensch / Tümmers:
350), obwohl die Regierungspartei CDU unter Bundeskanzler Konrad Adenauer in
ihrem ersten Parteiprogramm staatliche Eingriffe in die Wirtschaft nicht nur billigte,
sondern sogar forderte (Ahlener Programm)
2
.
Auch die Regierung Adenauer verstieß
teilweise erheblich gegen die Maxime des Non-Interventionismus, beispielsweise bei
der Verabschiedung des Investitionshilfegesetzes von 1952, welches die
gewerblichen Wirtschaft verpflichtete, 1 Milliarde DM für Investitionen im
Montanbereich, bei der Bahn und im Energiesektor aufzubringen (vgl. Gabler: 4417).
Von großer Bedeutung ist auch das Kartellrecht. Nach dem zweiten Weltkrieg
dachten die Siegermächte darüber nach, sämtliche Konzerne zu zerschlagen und aus
Deutschland einen Agrarstaat zu machen
3
(vgl. Weidenfeld: 554). Dieser Plan wurde
jedoch nicht verwirklicht, weil die Bundesregierung mit dem Kartellgesetz von 1957
verhinderte, daß sich Wirtschaftsunternehmen ohne Kontrolle zusammenschlossen
2
Das "Ahlener Programm" der CDU ist im Internet abzurufen unter
http://www.kas.de:80/archiv/dokumente/ahlen_index.html (Stand: 14.10.00)
3
Vgl. den nach dem damaligen US ­ Finanzminister Henry Morgenthau entwickelten Morgenthau ­
Plan.

9
und so eine unerwünschte Gegenmacht zur Politik bilden konnten. Dies zementierte
einmal mehr den dezentralen Charakter der deutschen Volkswirtschaft.
Generell läßt sich sagen, daß der Staat nur dann in das wirtschaftliche Handeln
eingreift, wenn eines der vier Ziele staatlicher Wirtschaftspolitik gefährdet sind,
nämlich Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand,
außenwirtschaftliches Gleichgewicht sowie stetiges und angemessenes
Wirtschaftswachstum. Dies kommt im bis heute gültigen Stabilitäts- und
Wachstumsgesetz von 1967 zum Ausdruck (vgl. Gabler: 3542). Nach dem
Regierungswechsel von 1982 wurde die Rolle des Staates im Hinblick auf die
Wirtschaft noch weiter reduziert, um stattdessen in höherem Maße
Leistungswettbewerb und Investitionsanreize zu fördern. Dies kam in deutlichen
Steuersenkungen 1986, 1988 und 1990, Abbau der Staatsaugaben und -verschuldung
sowie in der Privatisierung öffentlicher Unternehmen zum Ausdruck.
Die deutsche Wirtschaftsordnung seit 1945 ist maßgeblich geprägt von der
"Sozialpartnerschaft". Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen idealerweise selbst
Konflikte untereinander einvernehmlich lösen. Der Staat moderiert allenfalls, wenn
es zu scheinbar unüberbrückbaren Problemen zwischen den Gewerkschaften als
Arbeitnehmervertretung und den Arbeitgeberverbänden kommt. Als Beispiel hierfür
können die Gespräche im Rahmen des "Bündnisses für Arbeit" dienen, die 1996
bzw. seit 1999 wieder zwischen den Sozialpartnern unter Vermittlung der
Bundesregierung geführt werden. Im allgemeinen herrscht jedoch Tarifautonomie,
d.h. der Staat gibt keinerlei Vorgaben für Probleme, die die Tarifpartner zu lösen
haben. Er kann allenfalls Empfehlungen aussprechen. Auch bei Arbeitskämpfen
verhält er sich neutral (vgl. Tatsachen über Deutschland). Die deutsche
Wirtschaftsordnung geht also vom Idealbild einer "Konsensgesellschaft" aus, in der
jede Meinungsverschiedenheit zwischen den Sozialpartnern mit friedlichen Mitteln
unter Einbeziehung aller gesellschaftlicher Kräfte bei der Willensbildung gelöst
werden können. Dies kam erstmals in der Einrichtung der "Konzertierten Aktion"°
(1967 ­ 1976) durch den damaligen Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller zum
Ausdruck. Diesem Ideal bundesdeutscher Konsenspolitik steht das eher auf Konflikte
fokussierte französische System gegenüber. Auch hier existiert zwar der Terminus
"Sozialpartner" (partenaire social), doch ist das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern
und Arbeitgebern wesentlich gespannter und weniger konsenorientiert als in
Deutschland, was besonders deutlich im Hinblick auf die Austragung der
auftretenden Interessensunterschiede sichtbar wird (vgl. Große / Lüger:198). Es muß

10
jedoch darauf hingewiesen werden, daß es sich nur um ein Idealbild handelt. In der
Realität verschärfen sich auch in Deutschland die Gegensätze zwischen den
Tarifpartnern, vor allem wenn es darum geht, die Auswirkungen der Globalisierung
im sozialpolitischen Bereich zu bewerten. Generell hat aber die Konsensorientierung
der deutschen Gesellschaft die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik
maßgeblich geprägt.
Eine Besonderheit, die das deutsche Wirtschaftssytem von der französischen, aber
auch von allen anderen Volkswirtschaften unterscheidet, ist die Tatsache, daß die
deutsche Volkswirtschaft seit 1990 das bis dahin autonome, nach
planwirtschaftlichen Grundsätzen angelegte System der DDR zu integrieren hatte,
welches sich als auf dem Weltmarkt als in keinster Weise konkurrenzfähig erwies.
Von 1990 bis 1998 flossen Transferleistungen in Höhe von 1.031 Milliarden DM
nach Ostdeutschland. Dies bedeutete eine immense Kraftanstrengung für die
deutsche Wirtschaft (vgl. Weidenfeld: 100). Neben den alle Volkswirtschaften
gestellten Herausforderungen des Strukturwandels und der Europäischen Integration
ist diese spezifische Sachlage somit ein Element, das die Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Volkswirtschaft stark beeinflußt.
Generell ist festzustellen, daß sich das Wirtschaftssystem der Bundesrepublik
maßgeblich durch Dezentralisierung, Konsensorientierung und eine soziale
marktwirtschaftliche Ordnung auszeichnet. Dem Mittelstand kommt hier eine
herausgehobene Stellung zu, weil man nach den Erfahrungen seit der Weimarer
Republik und dem zweiten Weltkrieg Großunternehmen eher mißtrauisch gegenüber
eingestellt war.
Betrachtet man die Anteile der Erwerbstätigen verteilt auf die drei Sektoren
Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen, so ergibt sich folgende Verteilung:
Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen
3,2 %
36,0 %
60,8 %
(EUROSTAT, 1995)
Der tertiäre Sektor überwiegt deutlich, Landwirtschaft spielt nur noch eine
untergeordnete Rolle. Die sich weiter entwickelnde Dienstleistungsgesellschaft stellt
daher auch für den Mittelstand in Deutschland ein bedeutendes
Entwicklungspotential bereit, das es zu nutzen gilt.

11
Der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland setzte in den 50er Jahren mit dem
"Wirtschaftswunder" unter Ludwig Erhard ein. Die erste Krise begann Ende der 60er
Jahre mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit auf über 100.000.
2.2
Charakteristika der französischen Volkswirtschaft
Wie Deutschland definiert sich auch die französische Republik als "démocratique et
sociale" (Art. 1 Constitution). Die Ausgestaltung dieses Postulats in der
französischen Volkswirtschaft unterscheidet sich dabei von der deutschen in einem
wesentlichen Punkt, der bedeutende Auswirkungen auf das Handeln fast aller
Wirtschaftssubjekte hat, nämlich in der Rolle des Staates. Staatliche Interventionen
zur Überwindung von als negtiv erachteten Phänomen oder zur Ankurbelung von
wirtschaftlichen Aktivitäten stellt seit den Zeiten Ludwigs XIV und seines
Finanzministers Jean Baptiste Colbert (1619 ­ 1683, "Contrôleur Général des
Finances", Herterich: 56) einen Kernpunkt staatlichen Handelns dar. Letzterer wurde
zur Symbolfigur des Merkantilismus ("Colbertisme"), einer durch Interventionismus
und staatlichem Dirigismus gekennzeichneten Wirtschaftsordnung, die nur in einem
straff zentralistisch organisierten Staat wie im absolutistischen Frankreich zu
errichten möglich war. Deutschland dagegen war zu dieser Zeit in zahlreiche kleine
Einzelstaaten und Territorien aufgesplittert, was die Entwicklung eines einheitlichen
Wirtschaftssystems ausschloß. In dieser Zeit wurzelt jedoch das auch in der heutigen
Zeit noch vorhandene, eher negativ konnotierte Unternehmerbild des "Patron" als
Erfüllungsgehilfe der Obrigkeit, weil in der damaligen Zeit der Unternehmer den ihm
vom Staat auferlegten Verpflichtungen ohne wenn und aber nachzukommen hatte.
Im Laufe der Geschichte hat sich dies fortgesetzt, was möglicherweise als Erklärung
dafür dienen kann, warum das Risikounternehmertum in Frankreich eher schwach
vertreten ist (vgl. Herterich: 57).
Direkt in Verbindung mit dem ausgeprägten Staatsdirigismus steht als weiteres
Merkmal der französischen Wirtschaft der über weite Teile der französischen
Wirtschaftsgeschichte hinweg dominierende Protektionismus, der in Zeiten der
Globalisierung aber als überholt angesehen werden muß. Der Schutz der Wirtschaft
vor ausländischen Produkten, die Betonung der Landwirtschaft als Zelle für die
Unabhängigkeit Frankreichs ("Malthusianismus") waren bis zum Zusammenbruch
Frankreichs 1940 Hauptkriterien staatlicher Wirtschaftspolitik (vgl. Menyesch /
Uterwedde: 48). Dies erklärt auch, warum die Industrialisierung des Landes erst ab

12
1830 begann, und warum Frankreich auch nach dem ersten Weltkrieg noch
Agrarland war, während die europäischen Nachbarländer längst die Schwelle zum
Industriestaat überschritten hatten. Die protektionistische Außenhandelspolitik
unterdrückte jedewede Konkurrenz von außen und führte dazu, daß große
Modernisierungsschübe in der Wirtschaft ausblieben (vgl. Haensch / Tümmers: 348).
Einen Höhepunkt erreichte der Protektionismus 1892 mit der Einführung des
"Méline ­ Tarifs", eine immense Erhöhung der Zollgebühren durch den damaligen
Landwirtschaftsminister Jules Méline, die den Freihandel faktisch beendete. Ziel war
die Abschottung der französischen Wirtschaft vor allem gegen England und
Deutschland und das Herauskristallisieren der Kolonien als wichtigste
Handelspartner, um nach außen hin vollkommen unabhängig auftreten zu können.
Obwohl diese Maßnahme zunächst erfolgreich war und Frankreich eine
Intensivierung des Wirtschaftswachstums verzeichnen konnte, stellte der
Protektionismus in Zeiten des Zusammenwachsens Europas und daraus
resultierender neuer Wirstchaftsbeziehungen eher ein Hindernis dar, das es zu
überwinden gilt, eine Aufgabe, die umso schwerer ist, als nach Lasserre
Protektionismus in Frankreich schon eine "Geisteshaltung" geworden ist (Lasserre /
Neumann / Picht: 83), die sich in der neueren Zeit aber vor allem gegen die USA
richtete (vgl. Balleste: 1). Im Vergleich zu Deutschland nehmen die Kolonien für
Frankreich also eine weitaus wichtigere Stellung für das wirtschaftliche Handeln ein,
während Deutschland über kein ausgeprägtes Kolonialreich verfügte und sich daher
intensiver selbst um Absatzmärkte zu kümmern hatte. Die Tatsache, daß Frankreich
mit seinen Kolonien bereits über genügend Absatzmärkte verfügte, begünstigte die
Ausbildung der zuvor erläuterten Tendenz zu protektionistischem Handeln.
Nach dem zweiten Weltkrieg, der dem völligen Zusammenbruch und der Besetzung
durch Deutschland ein Ende machte, durchlief Frankreich einen rasanten
Strukturwandel vom landwirtschaftlich und kleinindustriell geprägten Agrarstaat
zum Dienstleistungsstaat. Als Symbol dafür stehen die Jahre zwischen 1945 und
1975, nach Jean Fourastié "Les Trentes Glorieuses" ­ "Die Dreißig Glorreichen
Jahre" (vgl. Christadler / Uterwedde: 201). Dieser Struktuwandel wurde maßgeblich
von einem aktiven Staat flankiert. Ein Schlagwort dabei stellte der Begriff "Etat
protecteur"° dar, in dem zum Ausdruck kommt, daß der ausgeprägte öffentliche
Sektor maßgeblich zur Erwirtschaftung des Sozialproduktes beiträgt. Seit General de
Gaulle sind die wichtigsten Bereiche, nämlich der Energiesektor und das
Transportwesen, staatliches Eigentum (Balleste: 3).

13
Das Hauptinstrument des Staates stellte dabei eine indikative Wirtschaftsplanung
dar, die Planification. Man sollte bei der Übersetzung von der Verwendung des
Begriffs "Planwirtschaft" absehen, weil es sich bei der Planification nicht um eine
Kommandowirtschaft nach sowjetischem Vorbild handelt, sondern um staatliche
Orientierungsvorgaben an die Wirtschaft. Nur staatliche Unternehmen sind gehalten,
diese Pläne auch zu erfüllen. Die Planification ist eine Besonderheit der
französischen Volkswirtschaft, die es in dieser Form in keinem anderen europäischen
Staat gibt. Grundlage der indikativen Wirtschftasplanung nach dem zweiten
Weltkrieg war die Vorstellung, daß nur durch staatliche Flankierung wirtschaftlichen
Handelns die nach Besatzungszeit und Kriegsschäden völlig am Boden liegende
Volkswirtschaft wieder aufgebaut werden konnte. Die Durchführung der
normalerweise auf fünf Jahre angelegten Pläne obliegt dem Commissariat général au
Plan°. Jeder Plan bezieht sich auf von der Regierung festgelegte
wirtschaftspolitische Prioritäten
4
. Dies hat zur Folge, daß ein von der Regierung
eingesetzter Plan bei einem Regierungswechsel von den neuen Machthabern außer
Kraft gesetzt und durch Zwischenpläne° ersetzt wird, wie es beispielsweise beim von
der Rechtsregierung eingesetzten und von den Sozialisten suspendierten 8. Plan der
Fall war. Darüber hinaus trägt jeder Plan auch die Handschrift der jeweiligen
Regierung. So hängt das Verhältnis zwischen dirigistischen und eher liberalen
Elementen zum Großteil von der jeweiligen Regierungsmehrheit ab. Generell kann
aber gesagt werden, daß strikte dirigistische Elemente nur im schon in Abschnitt 2
angesprochenen 1. Plan des ersten Planungskommissars Jean Monnet anzutreffen
waren. Planwirtschaftliche Elemente finden sich lediglich in den Zwischenplänen
nach Amtsantritt der Sozialisten 1981. Sichtbares Zeichen für die gewachsene
Bedeutung des Planes ist die Schaffung eines eigenen Miniteriums, des Ministère du
Plan et de l'aménagement du territoire (Planungs- und Raumordnungsministerium)
sowie die unmittelbar nach dem Regierungswechsel erfolgten Verstaatlichungen
("nationalisations") der fünf größten Industriekonzerne und 36 Banken (Haensch /
Tümmers: 352). Mit dem erneuten Regierungswechsel 1986 überwogen jedoch
wieder liberale Elemente, die Rücknahme der Verstaatlichungen und die
zunehmende Bedeutung Europas für den französischen Markt, was sich im 10. Plan
"La France, l'Europe" manisfestierte. Selbst die Sozialisten schwenkten in ihrer
4
Zur Übersicht über die bisherigen Pläne vgl. Balleste: 5ff.

14
nachfolgenden Regierungszeit nicht wieder auf eine Politik der planwirtschaftlichen
Maßnahmen ein.
Die Planification kann somit als sichtbares Zeichen der Bedeutung des Staates für
die Wirtschaft in Frankreich angesehen werden. Das Commissariat général au Plan
ist zusammen mit der Délégation à l'aménagement du territoire et à l'action
régionale, DATAR (französische Behörde für Raumordnung und regionale
Strukturpolitik), welches regionale und staatliche Planungsmaßnahmen koordiniert,
direkt dem Premierminister unterstellt, um auf diese Weise eine bessere
Zusammenarbeit zwischen Ministerien und Gebietskörperschaften zu gewährleisten.
Jeder Plan wird im Parlament verabschiedet und ist somit Gesetz der französischen
Republik.
Neben der Wirtschaftslenkung übernimmt die Planification aber auch andere
Funktionen. Zum einen dient sie durch die Beratungsphase vor der Verabschiedung
der Pläne, in der sämtliche betroffenen staatlichen Stellen und Wirtschaftssubjekte
gehört werden, der Analyse des wirtschaftlichen Ist-Zustandes Frankreichs und dem
Ausloten zu treffender Maßnahmen und Strategien, um diesem Zustand zu begegnen.
Zum anderen kann sie aber auch als "Ausdruck der französischen Vorstellung vom
`contrat social'" angesehen werden (Haensch / Tümmers: 355), weil in den
Planungsgesprächen sämtliche Tarifpartner und Verbände gemeinsam beraten und so
in gewisser Weise das bilden, was in Deutschland unter "konzertierter Aktion" oder
"Bündnis für Arbeit" bekannt ist. Sie sollen "Ausdruck der `volonté générale' im
Wirtschaftsleben sein" (ebd.). Dabei muß jedoch beachtet werden, daß im Zuge des
Zusammenwachsens der Volkswirtschaften in Europa die auf den Einzelstaat
Frankreich angelegte Wirtschaftsplanung ihr Gewicht verliert, weil Entscheidungen
auf der europäischen Ebene zwangsläufig Auswirkungen auf die Einzelstaaten
haben, so daß autonome Entscheidungen kaum noch möglich sind. Als Folge davon
ist im Frankreich vor allem in linken Spektrum die Angst vor der Globalisierung weit
verbreitet (FAZ: B3). Insgesamt bleibt festzuhalten, daß die staatliche
Wirtschaftsplanung in Frankreich von allen politischen Strömungen immer noch
weitaus höher bewertet wird, als dies in der Bundesrepublik der Fall ist. Die Idee
einer "économie mixte"°, also einem freien marktwirtschaftlichen System mit
starken staatlichen Eingriffen, stellt einen wichtiges Element der französischen
Kultur dar (Balleste: 1)
Für den Übersetzer oder Dolmetscher ist dieses Kulturspezifikum von nicht
unerheblichem Interesse, weil es ohne diesbezügliche Erläuterungen zu

15
Mißverständnissen zwischen Gesprächspartnern kommen kann. Auf Grund der
Geschichte der DDR sind "Wirtschaftsplanung" oder "Planungskommissar" nämlich
sehr negativ konnotierte Termini.
Betrachtet man die Anteile der Erwerbstätigen verteilt auf die drei Sektoren
Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen, so ergibt sich für Frankreich
folgende Verteilung:
Landwirtschaft Industrie Dienstleistungen
4,9 %
27,0 %
68,1 %
(EUROSTAT, 1995)
Auffallend im Vergleich zu Deutschland ist die relative Schwäche der in der
Industrie Beschäftigten, dafür aber der hohe Stand bei den Dienstleistungen. Eine
mögliche Erklärung dafür könnte sein, daß Frankreich wie schon erwähnt erst spät
industrialisiert wurde und der Weg zur Dienstleistungsgesellschaft für das Land
kürzer war als für Deutschland, wo sich bestimmte Strukturen eher verfestigt hatten.
Indiz dafür ist auch der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten, der mit 4,9 %
um 1,7 % höher liegt als in Deutschland (3,2 %). Dabei ist zu berücksichtigen, daß in
den tertiären Sektor auch der öffentliche Dienst fällt, welcher ausgeprägter ist als in
Deutschland. Dennoch läßt sich auch für Frankreich sagen, daß KMU in diesem
Sektor noch über Potential verfügen.
Im Gegensatz zu Deutschland setzte der wirtschaftliche Aufschwung in Frankreich in
seiner vollen Stärke erst in den 60er Jahren ein, die Boomphase zur Zeit des
Wirtschaftswunders in Deutschland neigte sich zu dieser Zeit ihrem Ende entgegen.
Parallel dazu wurde im vierten Plan (1962 ­ 1965) die Öffnung der französischen
Wirtschaft zur gerade gegründeten EWG festgelegt.
* * *
Vergleicht man das deutsche Wirtschaftssystem mit dem französischen, so stellt man
als Gesamtergebnis fest, daß es sich bei beiden um marktwirtschaftliche Ordnungen
handelt. Zugleich werden jedoch wichtige Unterschiede sowohl in der Strukturierung
der drei Sektoren, als auch im Selbstverständnis der Rolle des Staates als aktiver
Einflußnehmer in der Wirtschaft sichtbar. Für die im Anschluß folgenden
Erläuterungen zur Bedeutung der KMU in beiden Ländern sind diese Unterschiede
von hoher Wichtigkeit, da die Lage von Unternehmen immer auch von den äußeren
Gegebenheiten, also unter anderem auch des Standortes, abhängen. Es herrscht also

16
eine Interdependenz zwischen Standort und Ausgestaltung der Unternehmen in den
einzelnen Staaten.
3
Die Rolle der KMU in Deutschland und Frankreich
3.1
Definition KMU ­ PME
Im nachfolgenden Kapitel sollen gemeinsame Merkmale für mittelständische
Unternehmen herausgearbeitet werden, um anhand dieser einen Vergleich ihrer Lage
und ihres Stellenwertes in der Wirtschaft geben zu können. Im Gegensatz zu der in
Deutschland üblichen Bezeichnung "Mittelstand" wird in der vorliegenden Arbeit
der in der EU und den anderen Mitgliedsländern übliche Terminus "Kleine und
mittlere Unternehmen"° verwendet, weil "Mittelstand" zwei Bedeutungs-
komponenten auf sich vereinigt. Zum einen bezeichnet dieser Terminus eine
bestimmte, statistisch definierte Gruppe von Wirtschaftssubjekten (ökonomisch ­
statistische Komponente), d.h. den wirtschaftichen Mittelstand, zum anderen
bezeichnet er eine gesellschaftliche Gruppe, zu der neben den Führern von kleinen
und mittelständischen Unternehmen, also nicht abhängig beschäftigte Unternehmer
auch abhängig Beschäftigte wie beispielsweise Facharbeiter zählen (sozialpolitische
Komponente). Im Französischen existiert kein Sammelbegriff für diese beiden
Aspekte. "Petites et moyennes entreprises" bezeichnen die ökonomisch ­ statistische
Komponente, "classes moyennes" die sozialpolitische Gruppe.
Definiert man nun KMU, so gibt es zwei Ansatzpunkte, nämlich den quantitativen
und den qualitativen (vgl. Gabler: 2642). Gemäß der quantitativen Definition
bezeichnen KMU die Gesamtheit aller Unternehmen und freien Berufe in einer
bestimmten Größenordnung. Diese Größe wird anhand unterschiedlicher Indikatoren
wie Gewinn, Bilanzsumme, Anzahl der Arbeitsplätze oder Wertschöpfung ermittelt.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß auch der Wirtschaftsbereich, in dem die KMU
aktiv sind, bei der Analyse eine Rolle spielt, weil die vorgenannten Indikatoren je
nach Sektor divergieren können. So kommen sie in Industrie, Handel und Handwerk,
aber auch im Dienstleistungssektor und in den freien Berufen vor. Oft fungieren sie
als Zulieferbetriebe° für Großunternehmen (Balleste: 166).
Unabhängig davon, welchen Indikator man zur Definition der KMU verwendet, eine
quantitative Abgrenzung stellt "immer nur eine zweckorientierte untersuchungs-

17
vereinfachende Näherung dar" (Kratz: 4). Die quantitative Definition ist für die
Zusammenstellung und Auswertung von statistischem Material geeignet.
Will man KMU in ihren spezifischen Besonderheiten von anderen
Unternehmenstypen abgrenzen, so ist auf die qualitative Definition zurückzugreifen.
Gemäß dieser zeichnen sich KMU durch folgende Eigenschaften aus:
·
Einheit von Eigentum und Haftung
·
Verantwortlichkeit der Führungsperson für alle unternehmensrelevanten
Entscheidungen
·
Konzernunabhängigkeit
·
Enge Verflechtung Unternehmen ­ Unternehmer
Daraus resultiert eine engere persönliche Bindung zwischen den Mitarbeitern und der
Führung, was wiederum Auswirkungen auf die Art der Organisation und die
betriebswirtschaftliche Struktur des Unternehmens hat. In konkreten Fällen fließen
jedoch sowohl die quantitative als auch die qualitative Definitionen in die
Betrachtung ein, wobei die qualitativen Merkmale insbesondere die Wahl der
Rechtsform, das Finanzierungsverhalten, die Innovationstätigkeit sowie die
Produktpolitik des Unternehmens beeinflussen. Insgesamt läßt sich jedoch sagen, daß
der Sektor der KMU sehr heterogen ist, so daß eine einheitliche, für alle
Unternehmen und alle Wirtschaftsbereiche identische Definition nicht möglich ist.
Auch in der Bundesrepublik gibt es keine exakte Definition für den wirtschaftlichen
Mittelstand, sondern lediglich Annäherungen, um so dem ständigen Strukturwandel,
welcher sich gerade bei den KMU häufig vollzieht, Rechnung zu tragen
Die Schwierigkeit in der vorliegenden Arbeit besteht nun aber gerade darin, eine
Arbeitsdefinition zu finden, welche den Stellenwert dieses Unternehmenstypus in
Deutschland und Frankreich faßbar zu machen vermag, d.h. eine allgemeine
quantitative Definition zu finden. In Deutschland wird üblicherweise die Definition
des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) (vgl. IfM-Bonn) verwendet, in
Frankreich die des Ministère de l'Economie, des Finances et de l'Industrie oder des
INSEE (staatliches Institut für Statistik). Gebraucht wird nun eine, die für beide
Länder anzuwenden ist und gleichzeitig durch die Autorität der Institution legitimiert
wird, die sie aufstellt. Allgemeingültigkeit für die europäischen Staaten haben
Definitionen, die der Ebene der Europäischen Union entspringen. Daher wird in der
vorliegenden Arbeit die Definition der französischen Direction des entreprises
commerciales, artisanales et des services (Decas) zur Beschreibung von KMU
verwendet, die der Empfehlung der EU-Kommision vom 03.04.1996 (96280/CE)

18
folgen und welche auch Grundlage des verwendeten Zahlenmaterials von
EUROSTAT ist. Im Unterschied zur deutschen Statistik, die nur kleine, mittlere und
große Unternehmen kennt (vgl. IfM), unterscheidet die EU-Definition Mikro-
unternehmen ("microentreprises"), kleine Unternehmen, mittlere Unternehmen und
große Unternehmen. Im Gegensatz zu Frankreich macht diese Definition keinen
Unterschied zwischen KMU (PME) und kleinen und mittleren Industrien ("petites et
moyennes industries", PMI). Anstatt der "microentreprises" kennt die französische
Statistik als Untergruppe der kleinen Unternehmen die "très petites entreprises"
("sehr kleine Unternehmen"), Unternehmen bis höchstens 2 Mitarbeitern (Lapasse /
Loiseau: 4).
Grundlage für die quantitative Klassifizierung sind zum einen die Anzahl der
Arbeitsplätze im Unternehmen ("effectifs occupés") und zum anderen der Umsatz
("chiffre d'affaires") sowie die Bilanzsumme ("total de bilan"). Aufgrund der
Tatsache, daß in der vorliegenden Arbeit nur eine Übersicht über das zur Verfügung
stehende Material gegeben werden kann, weil die Auswertung des statistischen
Materials Hilfe, aber nicht primäres Ziel der Ausführungen sein sollen, wird nur die
Anzahl der verfügbaren Arbeitspätze zur Klassifizierung der Unternehmen
verwendet, wobei gleichwohl das Bewußtsein vorhanden ist, daß sich der Realität auf
diese Weise allenfalls angenähert werden kann. Das Ziel der Arbeit wird dadurch
jedoch nicht beeinträchtigt.
Gemäß der Definition der Europäischen Gemeinschaft ergeben sich folgende
Unternehmenstypen in Abhängigkeit ihrer zur Verfügung gestellten Arbeitsplätze:
Unternehmenstyp Deutsch
Beschäftigtenzahl
Unternehmenstyp Französisch
Mikrounternehmen
0 ­ 9
Microentreprises
Kleinunternehmen
10 ­ 49
Petites entreprises
Mittelunternehmen
50 ­ 249
Moyennes entreprises
Großunternehmen
250 und mehr
Grandes entreprises
Diese Übersicht dient als Grundlage für die folgenden Darstellungen bezüglich des
Stellenwertes der KMU in Deutschland und Frankreich.

19
3.2
Der Stellenwert der KMU in Deutschland und Frankreich
1999 existierten in Deutschland etwa 3,2 Millionen mittelständische Unternehmen
(vgl. IfM). Je nach angewendeten Kriterien schwankt diese Zahl in Frankreich
zwischen 1,4 und 2,8 Millionen, liegt aber dennoch deutlich unter dem deutschen
Stand (vgl. INSEE). Auch in Frankreich sind die KMU wichtige Anbieter von
Arbeitsplätzen. Sie beschäftigen etwa zwei Drittel der französischen Arbeitnehmer,
erwirtschaften 50% des Mehrwertes und tätigen 45% aller Investitionen. Es ist daher
durchaus legitim, die PME als Rückgrad, als "fer de lance de l'économie" zu
bezeichnen (Balleste: 8). In Deutschland beschäftigen die KMU 69,3% der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, was insgesamt etwa 20 Millionen
Beschäftigten entspricht. Sie leisten 57% der Bruttowertschöpfung und tätigen 46%
aller Investitionen. 80% aller Lehrlinge werden in mittelständischen Unternehmen
augebildet. Diese können demzufolge auch in Deutschland als "Rückgrat der
deutschen Wirtschaft" bezeichnet werden (vgl. IfM).
1999 wurden in Deutschland nach Angaben des IfM 522.000 Unternehmen
gegründet. Dem standen 466.000 Liquidationen gegenüber, was einen Saldo von
56.000 neuen KMU ergibt. Die Gründungswelle in Frankreich liegt in absoluten
Zahlen unter der von Deutschland, hier werden im Durchschnitt etwa 250.000 bis
280.000 PME pro Jahr gegründet, wobei gleichzeitig ca. 230.000 bis 250.000
schließen müssen. 50.000 von ihnen geben wegen Konkurses ("défaillance") auf
(Balleste: 9). Der Saldo beträgt hier somit 20.000 bis 30.000 neue PME.
Für die Bewertung des Stellenwertes und die Analyse der Unterschiede in der
Strukturierung im Bereich der KMU, der ja wie erwähnt einen heterogenen Block
darstellt, ist eine Aufschlüsselung der vorhandenen Unternehmen nach der
Unternehmensgröße nötig. Dies zeigt die folgende Übersicht. Für Deutschland ist zu
beachten, daß nur die alten Bundesländer in die Statistik eingeflossen sind, weil die
ökonomische Situation der ostdeutschen Bundesländer zum Zeitpunkt des
Vergleiches zu sehr von denen der westlichen differierte.

20
Anzahl der Arbeitnehmer
Deutschland
Frankreich
Einzelunternehmen (0 AN)
28,7 %
50,6 %
1 ­ 9 AN
57,8 %
41,8 %
10 ­ 19 AN
7,7 %
3,4 %
20 ­ 49 AN
3,6 %
2,8 %
50 ­ 99 AN
1,1 %
0,7 %
100 ­ 199 AN
0,5 %
0,4 %
200 ­ 499 AN
0,3 %
0,2 %
500 und mehr
0,2 %
0,1 %
(EUROSTAT 1996 (an 100 fehlend: Rundung))
Nach der Klassifizierung dieser Unternehmen gemäß EU-Definition der KMU ergibt
sich für Deutschland und Frankreich die in der folgenden Tabelle aufgeführte
Verteilung.
Unternehmenstyp Deutschland
Frankreich
Mikrounternehemen
86,5 %
92,4 %
Kleinunternehmen
11,3 %
6,2 %
Mittelunternehmen
1,5 %
1,1 %
Großunternehmen
0,3 %
0,2 %
An 100 fehlend: Rundung (eigene Berechnung)
Anhand dieser Übersicht wird deutlich, daß sowohl in Deutschland als auch in
Frankreich Unternehmen mit bis zu neun Arbeitnehmern deutlich überwiegen.
Gemäß nationaler Definitionen (IfM, INSEE) fallen sie unter die Kategorie kleine
Unternehmen, die EU-Definition klassifiziert sie als Mikrounternehmen. In
Frankreich liegt dieser Unternehmenstyp mit 5,9% eindeutig höher als in
Deutschland. Dafür besteht bei den Kleinunternehmen ein Übergewicht zugunsten
Deutschlands (+ 5,1%). Man kann daher davon ausgehen, daß den 5,9%
französischer Mikrounternehmen die 5,1% deutschen Kleinunternehmen
entsprechen. Eine weitere mögliche Erklärung ist, daß die deutschen Unternehmen
im unteren Größensegment durchschnittlich mehr Arbeitnehmer beschäftigen als die
französischen, wo ja die Mikrounternehmen klar dominieren. Bei den
Mittelunternehmen stellen sich die Zahlen fast identisch dar. Ihr Anteil liegt in
Deutschland bei 1,5% und in Frankreich bei 1,1%. Großunternehmen nehmen in

21
beiden Ländern nur einen geringen Anteil ein. Sie erwirtschaften zwar einen Großteil
des Sozialproduktes, für die Arbeitsplätze ist ihr direkter Beitrag aber zu
vernachlässigen. Weiterhin auffällig ist, daß in Frankreich über 50% der
Unternehmen Ein-Mann-Betriebe sind, die keine weiteren Arbeitnehmer
beschäftigen. In Deutschland liegt dieser Anteil bei nur 28,7 %. Auch in absoluten
Zahlen dominiert Frankreich hier (vgl. EUROSTAT 1995). Prozentual weniger große
Unterschiede ergeben sich bei Unternehmen ab 100 Arbeitnehmern.
Gemäß der in 3.1 aufgestellten qualitativen Definition von KMU ist eines ihrere
wesentlichen Merkmalen die Einheit von Eigentum und Haftung, d.h. die
Selbständigkeit ihrer Besitzer. Um daher den Stellenwert dieses Unternehmenstypus
in Deutschland und Frankreich adäquat analysieren zu können, muß für beide Länder
eine Übersicht über die Selbständigkeit insgesamt gegeben werden. Danach folgt
eine Aufstellung für die drei Sektoren Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistung.
Neben den Zahlen für die Gruppe der Selbständigen wird zudem noch die Gruppe
"Mithelfende Familienangehörige" (MFA) aufgeführt, weil man anhand letzterer
feststellen kann, inwieweit es sich bei den KMU um echte Familienunternehmen
handelt, die besonders in Frankreich verbreitet sind (vgl. Große / Lüger: 128).
Die nachfolgenden Zahlen beziehen sich auf von EUROSTAT 1995 ermittelte
Werte.
INSGESAMT
Deutschland Frankreich
Selbständige
9,4 %
11,6 %
MFA
1,4 %
2,0 %
Die Gesamtzahl aller Erwerbstätigen als Grundlage für diese Angaben betrug in
Deutschland 34.648.000, in Frankreich 20.977.000.
LANDWIRTSCHAFT
Deutschland Frankreich
Selbständige
31,2 %
56,1 %
MFA
0,9 %
18,4 %
Insgesamt arbeiteten in Deutschland 1.134.000 Menschen in der Landwirtschaft, in
Frankreich 1.080.000.

22
INDUSTRIE
Deutschland Frankreich
Selbständige
5,7 %
9,7 %
MFA
0,5 %
1,4 %
Insgesamt arbeiteten in Deutschland 12.883.000 Menschen in der Industrie, in
Frankreich 5.946.000.
DIENSTLEISTUNG
Deutschland Frankreich
Selbständige
10,4 %
9,5 %
MFA
0,8 %
1,2 %
Insgesamt arbeiteten in Deutschland 21.765.000 Menschen im Dienstleistungssektor,
in Frankreich 15.019.000.
Insgesamt läßt sich daraus ersehen, daß die Selbständigkeit in Frankreich allgemein
höher liegt als in Deutschland, nämlich um 2,2%. Diese Zahl relativiert sich jedoch
bei Herausrechnung des Sektors "Landwirtschaft", da in diesem Fall der Abstand auf
nur noch 0,7% zu Gunsten Frankreichs zusammenschrumpft. Dies ist ein weiteres
Indiz dafür, daß Frankreich insgesamt agrarischer strukturiert ist als die
Bundesrepublik. Überdeutlich wird dies, wenn man sich den Sektor "Landwirtschaft"
isoliert anschaut. Hier stellen Selbständige 56,1% der gesamten Erwerbstätigen dar,
18,4% der Familienangehörigen arbeiten in den Betrieben mit. In Deutschland
dagegen repräsentieren Selbständige nur 31,2% und nur 0,9% arbeiten noch im
Familienbetrieb mit. Auch im Sektor "Industrie" überwiegt in Frankreich die
Selbständigenquote im Vergleich zu Deutschland deutlich. Die Zahl der
mithelfenden Familienangehörigen ist etwa dreimal so hoch. Zieht man die zuvor
behandelten Zahlen über die Unternehmensgröße hinzu, so kann man zu dem Schluß
kommen, daß die Ein-Mann-Unternehmen dieses Ergebnis maßgeblich beeinflussen.
Lediglich im Dienstleistungssektor kann Deutschland mit 10,4% gegenüber 9,5% in
Frankreich einen leichten Vorsprung in der Selbständigkeit behaupten. Dagegen liegt
auch in diesem Fall die Zahl der mithelfenden Familienangehörigen in Frankreich
um ca. ein Drittel höher als in Deutschland.
Zusammengefaßt läßt sich also sagen, daß sich die Selbständigenquote in beiden
Ländern bis auf den Sektor "Landwirtschaft" innerhalb einer Spanne von 5% bis
10% bewegt, wobei sie in Frankreich bis auf den Dienstleistungsbereich überwiegt.
Ebenfalls deutlich ausgeprägter in Frankreich ist das Familienunternehmen, obwohl

23
die Zahlen insgesamt auch hier mit einer Spanne von etwas über 1%, ausgenommen
dem Landwirtschaftssektor mit 18,4 %, eher niedrig sind. Diese Zahl erreicht in
Deutschland jedoch nie die 1 % - Marke.
* * *
Anhand der vorgenannten Analyse lassen sich für KMU in Deutschland und
Frankreich folgende Schlüsse ziehen. In Frankreich überwiegen eher kleine
Familienunternehmen. Mehr als 50% haben keine abhängig Beschäftigten. Diese
Zahlen können als Beleg für die Aussage gelten, daß es sich bei diesen Unternehmen
um den sogenannten "traditionellen Mittelstand" handelt. Dieser zeichnet sich durch
veraltete und eher uneffektiven Produktionsmethoden und daraus resultierndem
latenten Kapitalmangel° sowie Verschuldung° aus, was nach Balleste dazu führt, daß
die Investitionsquote° eher gering die Zahl der Unternehmenspleiten bei diesem
Unternehmenstyp die höchste in ganz Europa ist. Balleste drückt dies so aus: "Le
taux de `sinistrose' reste le plus important d'Europe." (Balleste: 9). Als Beleg für
diese Aussage kann die von INSEE ermittelte Tatsache gelten, daß 1997 im
industriellen Sektor KMU insgesamt 346 Milliarden Franc Umsatz machten, davon
jedoch 54% weniger als fünf Millionen Franc (vgl. ebd.: 1). Dadurch werden
französische PME im Rahmen der weiteren Öffnung des europäischen Marktes zu
geeigneten Übernahmekandidaten für ausländische Unternehmen.
Um eine stichhaltigere Analyse diesbezüglich durchführen zu können, müßte man
neben den ermittelten Zahlen auch die Kapitalversorgung der KMU in Deutschland
und Frankreich vergleichen. Dies würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
Das Problem der Kapitalbeschaffung ist aber auch in Deutschland eines der
hauptsächlichen Herausforderungen für mittelständische Unternehmen, ebenso wie
die Herausforderungen der Globalisierung und der Einführung neuer Technologien
(vgl. Resolution des Mittelstandsbeirats vom 18.10.99). Hauptfinanzierungquelle in
Deutschland wie in Frankreich ist die Selbstfinanzierung°. In Frankreich wiegen
diese Probleme aber ungleich schwerer, weil der sich über die Jahrhunderte hinweg
entwickelte Protektionismus dazu geführt hat, daß das Land erst sehr spät in den
Weltmarkt einstieg. Die daraus resultierenden plötzlichen
Umstrukturierungsmaßnahmen führten besonders bei den kleinen Unternehmen zu
Zukunftsängsten, die sich in einer plitischen Radikalisierung, Bewahrung
anachronistischer Strukturen und Ablehnung von allem neuen niederschlugen
5
. Das
5
vgl. dazu den nach Pierre Poujade benannten "Poujadismus", eine Protestbewegung kleiner
Kaufleute und Gewerbetreibender ("poujadistes") (Haensch / Tümmers: 307).

24
Exportverhalten der mittelständischen Unternehmen ist reduziert. So ermittelte
INSEE 1997, daß von den kleinen Industrie- und Handwerksunternehmen ("Petites
entreprises industrielles et artisanales", PEIA) nur 7% ihren Umsatz aus Geschäften
mit dem Ausland realisierten, 23% aus Geschäften in Frankreich und 70% aus
Geschäften mit ihrem unmittelbaren Umfeld. Nur etwa ein Zehntel dieser
Unternehmen exportiert (Lapasse / Loiseau: 2).
Man kann im Falle Frankreichs davon sprechen, daß zwei Volkswirtschaften
nebeneinander existieren, nämlich zum einen die traditionelle, protektionistische, die
von den Klein- und Mittelbetrieben dominiert wird und zum anderen die innovative,
auf den Weltmarkt ausgerichtete, die sich in den Großunternehmen manifestiert. Dies
führte dazu, daß im Gegensatz zu Deutschland, das Konzentrationen in der
Wirtschaft nicht aktiv unterstützt und durch das Bundeskartellamt intensiv
überwacht, in Frankreich zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit diese
Konzentrationen durch die Planification aktiv gefördert wurde, so im vierten und
fünften Plan (Große / Lüger: 126). George Pomipdou prägte zu dieser Zeit den
Ausdruck der "champions nationaux", also Unternehmen, die weltweit französische
Wettbewerbsfähigkeit demonstrieren sollten und daher einer besonderen Förderung
bedurften (vgl. Balleste: 165). In Deutschland dagegen wird seit den 50er Jahren
unter der Bezeichnung "unternehmensgrößenbezogene Strukturpolitik" Politik
gerade zur Unterstützung kleinerer Einheiten wie den KMU gemacht (vgl.IfM).
Insgesamt kann festgestellt werden, daß die in der Analyse herausgearbeiteten
Elemente sich aus den Strukturen der beiden Volkswirtschaften ergeben. Besonders
die Eigenschaften der französischen PME gehen auf die Eigenheiten des
Protektionismus sowie das Bestreben des Staates zurück, große Einheiten zu fördern,
um konkurrenzfähig zu werden, während in der Bundesrepublik eher kleinere
Einheiten gefördert werden.
Nachdem in den vorhergehenden Kapiteln das deutsche und das französische
Wirtschaftssystem gegenübergestellt worden sind und der sich daraus ergebende
Stellenwert der KMU in beiden Ländern ermittelt worden ist, sollen im folgenden die
Auswirkungen dieser Tatsachen in gesellschaftsrechtlicher, sozialversicherungs-
rechtlicher und arbeitsrechtlicher Hinsicht untersucht werden. Da es hierbei
erhebliche Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich gibt, sind diese
Bereiche für den Sprachmittler außerordentlich interessant und wichtig und finden
daher Eingang in die Betrachtung.

25
4
Die rechtliche Ausgestaltung von KMU in Deutschland und
Frankreich
4.1 Allgemeine
Bemerkungen
Die Wahl der Rechtsform° stellt für jedes Unternehmen in jedem Land eine der
Hauptaufgaben des Unternehmers bei der Gründung dar. Eine einmal diesbezüglich
getroffene Entscheidung hat Auswirkungen für die gesamte Dauer des Betriebes, die
Rechtsformwahl stellt also eine langfristig wirksame unternehmerische Entscheidung
dar (Wöhe: 328). Es ist zwar durchaus möglich, eine Rechtsform in eine andere
umzuwandeln ("Umwandlung" ­ "transformation juridique"), z.B. um die
Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten zu verbessern, was gerade für kleine und mittlere
Betriebe besonders wichtig für ist, oder um die Haftung zu modifizieren. Eine solche
Umwandlung ist jedoch teuer und hat Auswirkungen auf sämtliche unternehmerische
Bereiche. Sie muß also genau überlegt werden. Die Entscheidung des Unternehmers,
in welcher Rechstform er sein Unternehmen führt, hat persönliche, finanzielle,
steuerliche und rechtliche Folgen. Besonders wichtig gerade für die KMU, denen
naturgemäß weniger Mittel zur Verfügung stehen als den Großbetrieben, ist die
Frage der Haftung°, da bei nichtgedeckten Haftungssummen die Existenz des
Unternehmens und auch des Unternehmers vernichtet werden kann, sofern letzterer
persönlich haftet. In diesen Zusammenhang fällt auch die Frage nach den
allgemeinen Finanzierungsmöglichkeiten, also vor allem die Beschaffung von
Fremdkapital unter Vorlage von Sicherheiten. Zudem schreibt der Gesetzgeber für
die verschiedenen Rechtsformen unterschiedliche Formalitäten und
Buchführungspflichten° vor. Dies ist zu berücksichtigen, da fehlende Kenntnisse auf
diesem Gebiet die Hinzuziehung eines Steuerberaters° notwendig machen, was
wiederum zu höheren Kosten führt. Für einige Gesellschaften gilt darüber hinaus
eine besondere Prüfpflicht. Buchführung und Jahresabschluß° müssen dabei jährlich
von eimem Wirtschaftsprüfer° geprüft werden, was mit weiteren Kosten verbunden
ist. Die Wahl der Rechtsform hat jedoch auch Einflüsse auf innerbetriebliche
Aspekte. So können beispielsweise Leitungsbefugnisse gesteuert werden, indem man
die Geschäftsführung entweder einer Person überträgt oder sie kollegial ausübt.
Diese Entscheidung könnte sich beispielsweise bei Unternehmensübergaben oder
Erbfällen stellen, wenn der Übernehmende oder der Nachfolger nicht die dazu nötige

26
Qualifikation vorweisen kann. Auch sind Regelungen bezüglich der Gewinn- und
Verlustaufteilung, der Gewinnverwendung° sowie Entnahmerechte° von Anfang an
zu treffen, um Differenzen zwischen den Gesellschaftern zu vermeiden, die das
Unternehmen schwächen könnten. In der Existenzgründungsphase spielt zudem noch
die Höhe der Kosten für die Wahl einer bestimmten Rechtsform eine gewichtige
Rolle (vgl. BMWi 1999: 1f).
Insgesamt läßt sich also sagen, daß die Wahl der Rechstform in jedem Fall eine
grundlegende Entscheidung darstellt, die das gesamte Unternehmen prägt, kurzfristig
nicht veränderbar ist und somit die unternehmerischen Entscheidungen maßgeblich
beeinflußt (vgl. Kapitalbeschaffung bei Investitionsentscheidungen). Zu beachten gilt
es dabei jedoch, daß die oben angesprochenen Komponenten dieser Entscheidung
nicht autonom nebeneinander stehen, sondern sich gegenseitig beeinflussen. So hat
ein persönlich haftender Gesellschafter im Normalfall auch einen höheren Anspruch
auf die Gewinnbeteiligung oder Leitungsbefugnisse im Betrieb als ein
Gesellschafter, der nur mit einer bestimmten Einlage haftet. Diese Aspekte gelten
gleichsam in Deutschland wie in Frankreich.
Der Hauptunterschied zwischen diesen beiden Ländern liegt im Bereich des
Gesellschaftsrechts, d.h. in den rechtsformkonstituierenden gesetzlichen Grundlagen.
Auf diese soll im folgenden näher eingegangen werden. Danach erfolgt die
Einteilung der Unternehmen in Personengesellschaften ("sociétés des personnes")
und Kapitalgesellschaften ("sociétés des capitaux") und die Charakterisierung der für
KMU typischen Rechtsformen in Deutschland und Frankreich.
4.2
Einteilung und rechtliche Grundlagen der Rechtsformen
Bei der Gründung von Unternehmen stehen in Deutschland und Frankreich
verschiedene Möglichkeiten der rechtlichen Ausgestaltung des künftigen Betriebes
zur Verfügung. Dabei ist eine wichtige Frage, ob das Unternehmen als
Einzelunternehmen ("entreprise individuelle") oder als Gesellschaft ("société")
geführt werden soll. Fällt die Wahl auf die Errichtung einer Gesellschaft, so ist die
Entscheidung für eine bestimmte Rechtsform derselben von denen im
vorausgegangenen Kapitel beschriebenen Faktoren abhängig. Die einzelnen
Rechtsformen lassen sich im deutschen wie im französischen Recht wie folgt
unterteilen. Dabei gehen nur private Betriebe in die Betrachtung mit ein, da sie als
KMU Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind.

27
a) Einzelunternehmen ­ entreprises individuelles
Alle Rechte und Pflichten, die sich aus der Führung des Unternehmens ergeben,
liegen beim Unternehmer. Er trifft allein die notwendigen Entscheidungen und haftet
persönlich mit dem Betriebs- und seinem Privatvermögen, hat also volle Kontrolle
aber auch volle Haftung (vgl. BMWi: I).
b) Personengesellschaften ­ sociétés des personnes
Unter einer Gesellschaft versteht man den Zusammenschluß von mindestens zwei
Personen zur Verwirklichung eines bestimmten Zweckes. Der Code civil definiert
den Begriff der Gesellschaft ähnlich:
Art. 1832 Code civil
: "La société est institué par deux ou plusieurs personnes qui
conviennent par un contrat d'affecter à une entreprise commune des biens ou leur industrie en
vue de partager le bénéfice ou de profiter de l'économie qui pourra en résulter. (...)"
Bei der Personengesellschaft handelt es sich nicht um eine rechtlich eigenständige
juristische Person°, sondern die die Gesellschaft gründenden natürlichen Personen°
als solche stehen im Vordergrund und nicht ihre jeweilige Kapitalbeteiligung, wie es
bei den im Anschluß zu erläuternden Kapitalgesellschaften der Fall ist. Die
Gesellschafter° arbeiten selbst im Unternehmen mit und haften° persönlich in Höhe
des Betrages, mit der sie sich am Unternehmen beteiligen, also auch mit ihrem
Privatvermögen. Abstimmungen zwischen den Gesellschaftern finden nach Anzahl,
nicht nach dem Verhältnis der Kapitalbeteiligung statt. Aufgrund der Tatsache, daß
die Gesellschafter in der Regel aktiv im Unternehmen mitarbeiten, sind sie direkter
in unternehmerische Entscheidungen involviert als es bei reinen Kapitalbeteiligungen
der Fall ist. Das Gesellschaftsvermögen steht allen Gesellschaftern zur Nutzung zu
(vgl. Gabler: 2970). Es muß ferner darauf hingewiesen werden, daß im französischen
Recht anders als im deutschen jede Gesellschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit
hat. Diese erwächst jedoch nicht aus der Rechtsform, sondern aus dem Eintrag ins
Handelsregister° (Sonnenberger, Schweinberger: 140)
Die steuerlichen Folgen für Personengesellschaften werden in Abschnitt 6 behandelt.

28
c) Kapitalgesellschaften ­ sociétés des capitaux
Unter Kapitalgesellschaften versteht man eine bestimmte Gruppe von
Handelsgesellschaften, bei der im Gegensatz zur Personengesellschaft die
Kapitalbeteiligung der Gesellschafter im Vordergrund steht. Daher ist für die
Beteiligung die Erbringung einer Einlage unabdingbar, nicht aber die persönliche
Mitarbeit. Die Kapitalgesellschaft ist eine eigenständige juristische Person, d.h. sie
genießt Rechtsfähigkeit°. Wird also beispielsweise ein Vertrag abgeschlossen, so
fungiert die Gesellschaft als Vertragspartner und nicht die dahinter stehenden
natürlichen Personen. Erforderlich für Vertretung und Geschäftsführung sind je nach
Rechtsform unterschiedliche Organe, die aus natürlichen Personen bestehen und im
Auftrag der Gesellschaft als juristische Person handeln. Im Gegensatz zu
Personengesellschaften sind die Gesellschafteranteile hier problemlos übertragbar,
d.h. die Kontinuität der betrieblichen Tätigkeit ist von der Person des Gesellschafters
ohne Bedeutung. Bei Entscheidungsfindungen erfolgen Abstimmungen gemäß
Kapitalbeteiligung. Der Hauptunterschied zwischen Personengesellschaften und
Kapitalgesellschaften besteht aber in der Haftungsfrage. Haften die Gesellschafter
der Personengesellschaften mit ihrem gesamten Vermögen, so ist die Haftung bei
Kapitalgesellschaften auf die Einlagen der Gesellschafter begrenzt. Grund dafür ist
die Tatsache, daß die Kapitalgesellschaft eine eigenständige rechtliche Person ist,
während dies bei der Personengesellschaft nicht der Fall ist (vgl. Gabler: 2085).
d) Mischformen aus Personen- und Kapitalgesellschaften und weitere Rechtsformen
Darunter sind Kombinationen von Personen- und Kapitalgesellschaften zu verstehen,
die maßgeblich gegründet werden, um Steuern zu sparen. Derartige "kombinierte
Rechtsformen", die Folge der unterschiedlichen steuerlichen Belastung von
Personen- und Kapitalgesellschaften sind, sind gesetzlich in Deutschland nicht
vorgesehen. Da das Gesellschaftsrecht jedoch zum großen Teil dispositives Recht ist,
die Unternehmensgründer in der Ausgestaltung ihres Unternehmens im
Gesellschaftsvertrag° frei sind und nur bestimmte Rahmenbedingungen zu beachten
haben, werden sie vom Gesetzgeber akzeptiert. Ein Beispiel für eine solche
Mischform ist die Doppelgesellschaft, d.h. ein wirtschaftlich einheitliches
Unternehmen, das rechtlich in zwei selbständig nebeneinander bestehenden
Gesellschaften, einer Personengesellschaft und einer Kapitalgesellschaft,
aufgespalten ist. Ein Beispiel dafür wäre die Aufspaltung eines Unternehmens in eine
Besitz- und Betriebsgesellschaft. Dabei verpachtet erstere als Personengesellschaft

29
das Anlagevermögen an letztere als Kapitalgesellschaft. Durch diese Aufspaltung ist
es beispielsweise möglich, bei Änderungen im Steuerrecht flexibler zu reagieren,
weil man je nach steuerlicher Belastung Überschüsse entweder der Personen- oder
der Kapitalgesellschaft zuschlagen kann. Wöhe sieht in der Zunahme dieser
Mischformen ein "Alarmzeichen dafür, daß erhebliche Differenzen in der
steuerlichen Belastung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften bestehen"
(Wöhe: 363). Vergleichbare Mischformen existieren dagegen im französischen Recht
nicht. Der Sprachmittler wird in diesem Fall mit einem deutschen Kulturspezifikum
konfrontiert, daß er adäquat ins Französische zu übertragen hat. Eine Lösung dafür
wäre deshalb die von Lederer "explicitation" (Lederer: 125) genannte detaillierte
Erläuterung des Sachverhaltes, um den französischen Leser über dieses Phänomen
aufzuklären. Ein möglicher Übersetzungsvorschlag wäre "forme juridique regroupant
des éléments propres aux sociétés des personnes et aux sociétés de capitaux".
Neben den bisher genannten Rechtsformtypen existieren noch weitere, nämlich die
Genossenschaft°, den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) und die
Stiftung°. Da sie für das Thema keine Rolle spielen, werden sie hier nur der
Vollständigkeit halber erwähnt.
Das deutsche Gesellschaftsrecht kennt im Gegensatz zum französischen keine
einheitliche Rechtsquelle für alle Rechtsformen. Die verschiedenen Rechtsformen
basieren vielmehr auf insgesamt sechs gesetzlichen Grundlagen, nämlich
·
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
·
Handelsgesetzbuch (HGB)
·
Aktiengesetz (AktG)
·
GmbH-Gesetz (GmbHG)
·
Genossenschaftsgesetz (GenG)
·
Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG).
Das BGB regelt die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts als Grundform der
Personengesellschaft und den Verein als Grundlage der Kapitalgesellschaften und
rechtsfähige Stiftungen. Das HGB regelt die Rechtsform der Offenen
Handelsgesellschaft (OHG), die Kommanditgesellschaft (KG) und die stille
Gesellschaft, ferner noch die Reederei. Separat in Einzelgesetzen geregelt sind die
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Aktiengesellschaft (AG) in
GmbH-Gesetz ("Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung")
bzw. Aktiengesetz. Das Genossenschaftsgesetz regelt die Rechtsform der

30
einegetragenen Genossenschaft (eG) und das Versicherungsaufsichtsgesetz den
Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG).
Das französische Gesellschaftsrecht basiert dagegen neben dem Handelsgesetzbuch
(Code de commerce) auf nur einem einzigen Grundlagengesetz, nämlich dem am 24.
Juli 1966 erlassenen "Loi sur les sociétés commerciales" (Loi n
0
66-537), im
folgenden Loi 66, genannt und der Durchführungsverordnung ("décret
d'application") vom 23. März 1967 (décret n
0
67-236), welches Form- und
Verfahrensfragen regelt (vgl. Sonnenberger / Schweinberger: 138). Die Paragraphen
1 ­ 9 und 340 ­ 418 dieses Gesetzes enthalten allgemeine Vorschriften für alle
Handelsgesellschaften. Personengesellschaften werden in den Paragraphen 10 ­ 33
geregelt. Im Mittelpunkt des Gesetzes stehen jedoch Regelungen bezüglich der
Kapitalgesellschaften (Paragraphen 34 ­ 262). Darüber hinaus regelt es das
Wertpapierwesen und Straftatbestände im Gesellschaftsrecht. Eigene Gesetze zu
einzelnen Rechtsformen gibt es in Frankreich somit nicht. Der Vorteil dabei ist, daß
die im deutschen System zu beobachtende Zersplitterung der gesetzlichen
Grundlagen für bestimmte Rechtsformen im französischen Recht entfällt. Eine
französische offene Handelsgesellschaft (SNC) ist also gesetzlich einheitlich
geregelt, während ihr deutsches Pendant, die OHG, ihre rechtlichen Grundlagen
sowohl aus dem BGB (Personengesellschaft) als auch aus dem HGB
(Handelsgesellschaft) schöpft.
Nach der nunmehr erfolgten Kategorisierung der verschiedenen Rechtsformen sowie
deren rechtliche Grundlagen werden im Anschluß die für die KMU maßgeblichen
Rechtsformen im einzelnen erläutert und miteinander verglichen. Dabei werden
zunächst die Personengesellschaften behandelt und daran anschließend die
Kapitalgesellschaften

31
5
Die Rechtsformen der Unternehmen in Deutschland und
Frankreich
5.1 Vorbemerkungen
Wie bereits erwähnt ist der Unternehmensgründer in der Wahl der Rechtsform
grundsätzlich frei (Typenfreiheit). Dennoch ist diese Wahlfreiheit nicht
uneingeschränkt anwendbar, sondern erfährt Einschränkungen aus verschiedenen
Gründen. Zum einen schließen gesetzliche Vorschriften bezüglich Mindestzahl von
Gründern und Mindestkapital° bestimmte Rechtsformen aus. Auch die
wirtschaftliche Tätigkeit kann zur Annahme einer bestimmten Rechtsform
verpflichten. So dürfen beispielsweise Kapitalanlagegesellschaften nur als
Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführt werden.
Gesetzlich geregelt ist die Wahl der Rechtsform auch in bezug auf Art und Umfang
der Geschäftstätigkeit ab, d.h. es gibt einen rechtlichen Unterschied zwischen dem
Betreiber einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes und dem einer Offenen
Handelsgesellschaft, obwohl es sich bei beiden um Personengesellschaften handelt.
Grund dafür ist der "Kaufmannsbegriff", der im folgenden Abschnitt kurz erwähnt
werden soll, weil es hier enorme Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich
gibt. Die Frage, ob ein Unternehmer oder das Unternehmen als Kaufmann definiert
ist, spielt eine bedeutende Rolle für die jeweilige rechtliche Stellung.
Eine weitere Einschränkung der Typenfreiheit erfolgt durch die "Art der
wirtschaftlichen Aufgabe" (Wöhe: 330), d.h. bestimmte bereits vorhandene
Rechtsformen schließen die Aufnahme gewisser wirtschaftlicher Tätigkeiten von
vornherein aus. Darüber hinaus beeinflussen auch die Eigentumsverhältnisse die
Wahl der Rechtsform. So sind für Betriebe der öffentlichen Hand Rechtsformen des
Privatrechts oft ungeeignet.

32
5.2
Kaufmannsbegriff und Handelstätigkeit
Im deutschen Recht ist Kaufmann derjenige, der selbständig ein Handelsgewerbe
betreibt. Ausnahme davon ist der Formkaufmann. Dieser wird rechtlich zum
Kaufmann, weil sein Unternehmen in einer Rechtsform geführt wird, die
Kaufmannseigenschaft nach sich zieht, wie z.B. die Gesellschaft mit beschränkter
Haftung. Dabei muß die Gesellschaft kein Handelsgewerbe betreiben. Rechtlich
unterschieden wird nach Art der Entstehung zwischen Mußkaufmann, Sollkaufmann,
Kannkaufmann und Formkaufmann. Mußkaufmann ist jeder Gewerbetreibende, der
eines der neun Grundhandelsgewerbe führt (HGB §1)
6
. Eine Eintragung ins
Handelsregister ist dabei nicht erforderlich.
Im Gegensatz dazu erlangt der Sollkaufmann die Kaufmannseigenschaft erst durch
Eintrag ins Handelsregister. Er ist verpflichtet, diese Eintragung selbst
herbeizuführen. Der Kannkaufmann wird durch Eintrag ins Handelsregister
Kaufmann. Er ist zur Eintragung jedoch nicht verpflichtet. Zu den Kannkaufleuten
gehören vor allem land- und forstwirtschaftliche Unternehmen. Nach Art und
Umfang des Gewerbebetriebes unterscheiden sich seit der Neufassung des
Kaufmannsbegriffs zum 01. Juli 1998 Vollkaufmann° und Kleingewerbetreibende°.
Der bis dahin verwendete Begriff des Minderkaufmanns existiert nicht mehr. Voll-
kaufmann sind nach § 1 HGB Gewerbetreibende, deren Unternehmen "einen nach
Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb"
erfordern. Sie unterliegen dem BGB und den weiterführenden Vorschriften des
HGB, ein Eintrag ins Handelsregister ist Pflicht. Diejenigen Unternehmen, die
keinen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordern, unterliegen als
Kleingewerbetreibende ausschließlich dem BGB. Sie üben zwar ein Gewerbe aus,
sind aber nach dem Gesetz Nichtkaufleute. Daher ist der Eintrag ins Handelsregister
nicht notwendig, aber möglich. Er wird erst dann verpflichtend, wenn der Betrieb
einen Umfang erreicht, der einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erforderlich
macht (Bünger & Partner: 1f). In Deutschland gilt das Handelsrecht somit als
Sonderrecht für eine bestimmte, klar definierte Zahl an Wirtschaftssubjekten,
nämlich den Kaufleuten°.
6
1. Anschaffung und Weiterveräußerung von Waren und Wertpapieren, 2. Be- und Verarbeitung
fremder Waren, 3. Übernahme von Versicherungen gegen Prämie, 4. Bankier- und
Geldwechselgeschäfte, 5. bestimmte Beförderungsgeschäfte, 6. Geschäfte der Kommissionäre,
Spediteure, Lagerhalter, 7. Geschäfte der Handelsvertreter und Handelsmakler, 8. Verlagsgeschäfte,
Buch- und Kunsthandel, 9. Geschäfte der nichthandwerksmäßigen Druckereien.

33
Da die Eintragung ins Handelsregister bei diesen Betrachtungen von großer
Bedeutung ist, soll sie im folgenden kurz erläutert werden. Das Handelsregister wird
bei den Amtsgerichten geführt. Es besteht aus der Abteilung A für Einzelkaufleute
und Personengesellschaften sowie der Abteilung B für Kapitalgesellschaften.
Sämtliche kaufmännische Bereiche sind einzutragen, so beispielsweise die Erteilung
von Prokura, das Erlöschen der Firma u.ä. Nach Eintrag erhält das Unternehmen eine
Handelsregisternummer, die fortan auf jedem offiziellen Schriftstück erscheinen muß
und als Identifikationsmerkmal gilt (vgl. Gabler: 1712 f.).
In Frankreich unterscheidet sich der Kaufmannsbegriff erheblich vom deutschen.
Während das deutsche Rechtssystem die Person als Grundlage der
Kaufmannseigenschaft in den Mittelpunkt stellt, baut das französische Handelsrecht
auf bestimmte Geschäftsvorgänge, den "actes de commerce", auf. Somit gelten für
das französische Recht auch einzelne nicht gewerbsmäßige Privatgeschäfte als
"actes de commerce". Der Code de commerce zählt diese in den Paragraphen 632
und 633 auf (vgl. Kessler / Naudin: 33). Insgesamt lassen sie sich in drei Gruppen
einordnen:
·
actes de commerce par nature°
·
actes de commerce par la forme°
·
actes de commerce par accessoire°
Unter "actes de commerce par nature" sind solche Geschäfte zu verstehen, die im
Code de commerce niedergelegt sind. Besonders wichtig dabei sind gewerblich
betriebene Geschäfte° und Zwischenhandelsgeschäfte°. "Actes de commerce par la
forme" fassen sämtliche Wechselgeschäfte ("opérations de change") zusammen.
Nach Paragraph 1 Loi 66 zählen dazu aber auch aufgrund ihrer Rechtsform die
offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die Gesellschaft mit
beschränkter Haftung und die Aktiengesellschaft:
§1, Abs. 2 Loi 66:
"Sont commerciales à raison de leur forme et quel que soit leur objet, les
sociétés en nom collectif, les sociétés en commandite simple, les sociétés à
responsabilité limitée et les sociétés par actions."
Sowohl im deutschen System als auch im französischen kann die Rechtsform also
unabhängig vom Gesellschaftszweck° Kaufmannseigenschaft bzw. Eigenschaft des
Handelsgeschäfts nach sich ziehen. Die parallele deutsche Entsprechung zu diesem
Phänomen ist der Formkaufmann. Die Gründung einer Gesellschaft stellt im
französischen Recht ebenfalls einen "acte de commerce" dar.

34
"Actes de commerce par accessoire" fassen sämtliche Tätigkeiten eines Kaufmanns
zusammen, die dieser außerhalb seiner Haupttätigkeit wahrnimmt. Dazu zählen
beispielsweise das Mieten von Geschäftsräumen und das Abschließen von Verträgen
mit Angestellten (vgl. Sonnenberger / Schweinberger: 128 f.).
Der Kaufmannsbegriff in Frankreich ist im Paragraphen 1 des Code de Commerce
geregelt.
"Sont commerçants ceux qui execercent des actes de commerce et en font leur profession
habituelle."
Unter diese Definition fällt jeder, der eine Handelstätigkeit als Beruf betreibt, d.h.
"actes de commerce par nature" mit dem Ziel ausübt, Gewinn zu erzielen.
Kaufmannseigenschaft setzt Volljährigkeit voraus. Zugang zu kaufmännischen
Tätigkeiten hat laut Gesetz vom 2. März 1791, das noch immer in kraft ist, jeder, da
es sich nach französischer Sicht um ein Grundrecht handelt. Darunter fallen jedoch
weder die freien Berufe° noch öffentliche Ämter. Einschränkungen erwachsen
außerdem aus Regelungen bezüglich der persönlichen Qualifikation des angehenden
Kaufmanns sowie der Tätigkeit in bestimmten Wirtschaftsbereichen. So ist
beispielsweise die Errichtung von Discountern genehmigungspflichtig, um den
Kleinhandel° zu schützen ("Loi d'orientation du commerce et de l'artisanat" (Loi
Royer) , 1973)
7
. Handwerker° werden nur dann als Kaufleute betrachtet, wenn der
Warenumsatz° einen gewichtigen Teil ihrer Tätigkeit darstellt. Ist dies nicht der Fall,
so unterliegen sie nur dem Handwerksrecht und dem bürgerlichen Recht, nicht aber
dem Handelsrecht. Bis 1985 bedeutete dies, daß Handwerksbetriebe nicht Konkurs
gehen konnten. Sie hatten also weniger Anreize, ihre Stellung auf dem Markt zu
verbessern, was dazu führte, daß sie weniger stark investierten (vgl. Sonnenberger /
Schweinberger: 135).
Wie in Deutschland führt die Kaufmannseigenschaft auch in Frankreich zu der
Pflicht, sich ins Handelsregister, dem "Registre du commerce et des sociétés" (RCS),
eintragen zu lassen. Es wird beim jeweiligen zuständigen Handelsgericht° geführt.
Daneben gibt es ein weiteres Register für ganz Frankreich, das "registre national",
welches vom Institut National de la Propriété Industrielle et intellectuelle (INPI)°
geführt wird. Einzutragen sind unter anderem Einzelkaufleute, Gesellschaften und
wirtschaftliche Interessensgemeinschaften ("groupements d'intérêt économique"
7
Dieses Gesetz stellt eine unmittelbare Folge des in 3.2 angesprochenen Poujadismus dar. Es wurde
nach schweren Auseinandersetzungen letztendlich auf Druck der Kleingewerbetreibenden
verabschiedet (vgl. Große / Lüger: 129)

35
(GIE)). Die Eintragung° erfolgt auf Anmeldung, es herrscht Anmeldungspflicht. Der
Eingetragene wird als Vollkaufmann ("commerçant inscrit au RCS") behandelt und
ist damit zur ordnungsgemäßen Buchführung° verpflichtet. Im Gegensatz zu
Deutschland existieren in Frankreich insgesamt vier Abteilungen im Handelsregister.
Abteilung A ("RCS A") beinhaltet sämtliche Einzelpersonen mit
Kaufmannseigenschaft, Abteilung B ("RCS B") sämtliche Handelsgesellschaften.
Abteilung C ("RCS C") ist den wirtschaftlichen Interessengemeinschaften
vorbehalten, Abteilung D ("RCS D") den bürgerlichen Gesellschaften. Diese
Unterteilung divergiert also im Vergleich zur deutschen. Auch in Frankreich erhält
das Unternehmen eine Handelsregisternummer. Sie ist identisch mit der vom INSEE
bei der Unternehmensgründung zugeteilten neunstelligen Kennummer SIREN
("Système d'identification national des entreprises"). Hat das Unternehmen mehrere
Betriebsstätten ("établissements"), so wird diese Nummer durch die Kennummer
SIRET ("Système d'identification national des établissements") ergänzt. Darüber
hinaus erteilt das INSEE jedem Unternehmen einen Tätigkeitscode ("activité
principale économique", APE). Dieser erlaubt die sofortige Identifizierung des
Gesellschaftszwecks, was beispielsweise in der Frage der Anwendung von
Tarifverträgen wichtig sein kann (vgl. SEPFI : 142 f.). Die SIREN-Nummer muß auf
allen offiziellen Unterlagen des Unternehmens angegeben werden.
* * *
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß sich also sowohl in Deutschland als auch in
Frankreich mit der Wahl der Rechtsform bestimmte Rechte und Pflichten für das
Unternehmen ergeben. Diese wiederum gründen sich auf die Eigenschaft des
Unternehmers als Vollkaufmann oder Kleingewerbetreibender (Deutschland) bzw.
auf die Art der wirtschaftlichen Tätigkeiten ("actes de commerce", Frankreich). In
beiden Ländern führen bestimmte Rechtsformen automatisch zur
Kaufmannseigenschaft und damit zu besonderen Pflichten wie die Einhaltung der
Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung°. Dieses gilt
unabhängig von der einzelnen Rechtsform für alle in der jeweiligen nationalen
Gesetzgebung genannten.
Nachfolgend werden einzelne für KMU relevante Rechtsformen in Deutschland und
Frankreich ausgehend von der in Abschnitt 4.2 festgelegten Einteilung nach Wöhe
beschrieben, wobei insbesondere die Handelsgesellschaften im Mittelpunkt stehen.
Das Einzelunternehmen wurde weiter oben behandelt.

36
5.3 Personengesellschaften
5.3.1 Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) ­ société civile
Die GbR ist die Grundform der Personengesellschaft und wird daher angesprochen,
obwohl es sich nicht um eine Handelsgesellschaft handelt. Im deutschen
Gesellschaftsrecht ist sie definiert als "eine auf Vertrag beruhende
Personenvereinigung zur Förderung eines von den Gesellschaftern gemeinsam
verfolgten Zwecks." (§ 705 BGB), die durch Gesellschaftsvertrag von mindestens
zwei natürlichen oder juristischen Personen entsteht. Es ist kein formaler
Gesellschaftsvertrag notwendig, er kann auch mündlich erfolgen. Ein Eintrag ins
Handelsregister ist nicht möglich, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, daß eine
derartige Gesellschaft keine vollkaufmännischen Handelsgeschäfte unternimmt. Die
Gesellschafter bringen Geld- oder Sachleistungen° oder Leistungen in Form von
eigener Arbeit° als Einlagen in die Gesellschaft ein und haften mit ihrem
Privatvermögen. Das Gesellschaftsvermögen steht allen gleichermaßen zur
Verfügung. Vorschriften über Mindestkapital°, Mindesteinlage° und
Mindesteinzahlung° existieren nicht. Die Gesellschafter vertreten die Gesellschaft
gemeinsam, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht. Die Gesellschaft
endet durch Kündigung der Gesellschafter oder durch anderweitiges Ausscheiden
derselben sowie durch Erreichung des Gesellschaftszwecks. Die Gründungskosten
liegen insgesamt nur bei etwa 35 DM (BMWi 1998: 36), können also fast
vernachlässigt werden.
In Frankreich erfuhr die société civile 1978 eine grundlegende Reform. Ihre
gesetzliche Grundlage findet sich in Paragraph 1845ff. des Code de commerce. Der
besondere Unterschied zur deutschen GbR liegt in der Definition des
Gesellschaftszwecks begründet. Das französiche Recht erkennt als solchen nur
Gewinnerzielung und Einsparabsicht an, während das deutsche hier weiter gefaßt ist.
Dies führt dazu, daß viele Zusammenschlüsse, die in Deutschland als GbR anerkannt
würden, in Frankreich keine Gesellschaft darstellen. Ein weiterer Unterschied liegt in
der Haftung. Gemäß Paragraph 1857 Code de Commerce haften die Gesellschafter
für Gesellschaftsschulden zwar auch unbeschränkt, jedoch nur in Höhe ihrer Einlage.
Lediglich bei Gesellschaften der freien Berufe besteht gesamtschuldnerische
Haftung°. In allen Fällen herrscht subsidiäre Haftung, d.h. der Gläubiger muß sich
zunächst am Gesellschaftsvermögen befriedigen, erst dann bei den einzelnen

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2000
ISBN (eBook)
9783832443115
ISBN (Paperback)
9783838643113
DOI
10.3239/9783832443115
Dateigröße
920 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität des Saarlandes – 4
Erscheinungsdatum
2001 (Juli)
Note
2,3
Schlagworte
mittelstand rechtsformen sozialversicherungssysteme wirtschaft
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