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Programmprojekt Big Brother

©2000 Magisterarbeit 76 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Das Programmprojekt „Big Brother“ zeichnet sich als die Fernsehsendung in der Bundesrepublik Deutschland aus, welche die wohl größte Resonanz seit Bestehen des Fernsehens auslöste. Die geplanten und ungeplanten Reaktionen zu der Sendung mündeten in einer öffentlichen Diskussion mit enormen Ausmaßen. Die Vertreter der Politik, der Medien, der Kirchen und der Wissenschaft machten „Big Brother“ durch ihre Debatte zu einem wichtigen Aspekt der Alltagskommunikation.
Die vorliegende Examensarbeit setzt sich mit dem Programmprojekt „Big Brother“ auseinander und versucht die Entstehung, die Wirkungen, und die Einzigartigkeit des Konzeptes darzustellen. Im Rahmen dieser Arbeit können weder alle Untersuchungsaspekte vollständig hervorgehoben, noch beschrieben werden. Aufgrund der dargestellten Bandbreite der untersuchungsrelevanten Punkte, kann man auf eine Vielzahl weiterer Untersuchungskriterien schließen, die noch erforscht werden müssen. Der Titel Programmprojekt verdeutlicht die gegenwärtige Problematik, dass die Sendung noch keinem bestehenden Genre offiziell zugeordnet wurde. Es bleibt zu klären, ob die vorhandenen Kategorien, dem Projekt nicht gerecht werden und ein neues Genre eingeführt werden muss. Ein wichtiger Punkt bei dieser Entscheidung stellen die Analogien zu medialen Vorläufern dar. Da sich ein Genre immer den kulturellen Bedürfnissen der Rezipienten anpasst, wäre im Hinblick auf die Kategorie zu klären, ob sich die Wünsche der Zuschauer und ihre Anforderungen an das Medium Fernsehen gewandelt haben.
Weiterhin soll die öffentliche Diskussion, die durch das Projekt erzeugt wurde, beschrieben und die kontroversen Standpunkte der Gegner und Befürworter ins Auge gefasst werden. Da die geübte Kritik, der Sendung eine bestimmte Wirkung zuspricht, wäre diese auf ihre Ausmaße und Zielgruppen hin zu analysieren. Abschließend steht die Überlegung, ob die Grenzen des Dargestellten von den Zuschauern oder den Machern bestimmt werden.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung1
2.Das Konzept der Sendung „Big Brother“2
3.Das Genre des Programmprojektes3
3.1Zur Einordnung in bestehende Genres3
3.1.1Reality TV (Reality-Show, Reality-Serie)4
3.1.2Spielshow (Game-Show)9
3.1.3Doku-Soap12
4.Vorbilder des Programmprojektes19
4.1„The Real World“ – MTV / „Das wahre Leben“ - Premiere19
4.2„Die Fahrschule“ - SAT 1 / „Abnehmen in Essen“ - WDR20
5.Der Wandel der Fernsehunterhaltung und des […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4278
Hackmann, Frank: Programmprojekt Big Brother / Frank Hackmann -
Hamburg: Diplomica GmbH, 2001
Zugl.: Osnabrück, Universität, Magister, 2000
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1
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ... 1
1. Einleitung ... 3
2.
Das Konzept der Sendung ,,Big Brother" ... 4
3.
Das Genre des Programmprojektes... 5
3.1. Zur Einordnung in bestehende Genres ... 5
3.1.1. Reality TV (Reality-Show, Reality-Serie)... 6
3.1.2. Spielshow
(Game-Show)... 10
3.1.3. Doku-Soap... 12
4.
Vorbilder des Programmprojektes ... 18
4.1. ,,The Real World" - MTV/ ,,Das wahre Leben" ­ Premiere... 18
4.2. ,,Die Fahrschule" - SAT 1/ ,,Abnehmen in Essen" ­ WDR... 19
5.
Der Wandel der Fernsehunterhaltung und des Nutzungsverhaltens ... 21
6.
Kritik der Öffentlichkeit vor Sendebeginn ... 24
7.
Das Phänomen ,,Big Brother" ... 26
7.1. Die Produzenten... 27
7.1.1. Endemol
Entertainment
NV ... 27
7.1.2. Der Fernsehsender RTL II... 28
7.2. Die Rezipienten ... 31
7.2.1. Die soziale Struktur ... 31
7.2.2. Die Wirkung der Sendung auf die Zuschauer ... 33
7.2.3. Die
Zuschauerresonanz... 38
7.3. Kritik der Öffentlichkeit, Institutionen während der Ausstrahlung... 39

2
7.3.1. Kritik aus den Reihen der Politik und Landesmedienanstalten... 39
7.3.2. Kritik der Medien ... 42
7.4. ,,Big Brother" ­ das Produkt... 43
7.4.1. Die ökonomischen Aspekte für die Produzenten ... 43
7.4.2. Merchandising ... 45
7.5. Das Medium Internet ... 46
7.6. Vom Kandidat zum Medienstar... 48
7.6.1. Der Kandidat ,,Zlatko Trpkovski auf dem Weg zum Medienstar."... 48
7.6.2. Gründe für seine Popularität und Medienwirksamkeit... 50
8.
Das Verhältnis der Medien zu Privatsphäre und Öffentlichkeit ... 53
9.
Negative Gesellschaftsutopien der Literatur ... 55
9.1. George Orwells Roman ,,1984"... 55
9.2. Aldous Huxleys Roman ,,Schöne neue Welt" ... 56
9.3. Michel Foucaults Untersuchung ,,Überwachen und Strafen"... 57
10. ,,Big Brother" ­ Rückschlüsse auf unsere Gesellschaft ... 57
10.1. ,,Big Brother" im Alltag... 58
10.2. Der Spielfilm ,,Die Truman Show" ... 59
10.3. Die Big Brother-Variante: ,,Bitte, liebt Österreich!" von
Christoph Schlingensief... 60
11. Schlußbetrachtung ... 62
12. Literaturverzeichnis:... 65
13. Internetadressen:... 69
14. Sonstige
Verzeichnisse: ... 70

3
1. Einleitung
Das Programmprojekt ,,Big Brother" zeichnet sich als die Fernsehsendung in der Bundes-
republik Deutschland aus, welche die wohl größte Resonanz seit Bestehen des Fernsehens
auslöste. Die geplanten und ungeplanten Reaktionen zu der Sendung mündeten in einer
öffentlichen Diskussion mit enormen Ausmaßen. Die Vertreter der Politik, der Medien, der
Kirchen und der Wissenschaft machten ,,Big Brother" durch ihre Debatte zu einem wichti-
gen Aspekt der Alltagskommunikation.
Die vorliegende Examensarbeit setzt sich mit dem Programmprojekt ,,Big Brother" ausein-
ander und versucht die Entstehung, die Wirkungen, und die Einzigartigkeit des Konzeptes
darzustellen.
Im Rahmen dieser Arbeit können weder alle Untersuchungsaspekte vollständig hervorge-
hoben, noch beschrieben werden. Aufgrund der dargestellten Bandbreite der untersu-
chungsrelevanten Punkte, kann man auf eine Vielzahl weiterer Untersuchungskriterien
schließen, die noch erforscht werden müssen.
Der Titel Programmprojekt verdeutlicht die gegenwärtige Problematik, daß die Sendung
noch keinem bestehenden Genre offiziell zugeordnet wurde. Es bleibt zu klären, ob die
vorhandenen Kategorien, dem Projekt nicht gerecht werden und ein neues Genre einge-
führt werden muß. Ein wichtiger Punkt bei dieser Entscheidung stellen die Analogien zu
medialen Vorläufern dar.
Da sich ein Genre immer den kulturellen Bedürfnissen der Rezipienten anpaßt, wäre im
Hinblick auf die Kategorie zu klären, ob sich die Wünsche der Zuschauer und ihre Anfor-
derungen an das Medium Fernsehen gewandelt haben.
Weiterhin soll die öffentliche Diskussion, die durch das Projekt erzeugt wurde, beschrie-
ben und die kontroversen Standpunkte der Gegner und Befürworter ins Auge gefaßt wer-
den.
Da die geübte Kritik, der Sendung eine bestimmte Wirkung zuspricht, wäre diese auf ihre
Ausmaße und Zielgruppen hin zu analysieren.
Abschließend steht die Überlegung, ob die Grenzen des Dargestellten von den Zuschauern
oder den Machern bestimmt werden.

4
2. Das Konzept der Sendung ,,Big Brother"
Am 01. März 2000 startete die Sendung "Big Brother" auf dem privat-kommerziellen Sen-
der RTL II in Deutschland.
Es wurden zehn sich gegenseitig völlig unbekannte Personen (fünf Frauen und fünf Män-
ner) von der Produktionsfirma Endemol ausgewählt, um als Kandidaten an dieser Art von
Sendung teilzunehmen. Dieses Projekt wurde von RTL II als ,,Real-Life-Soap"
1
und ,,TV-
Experiment"
2
betitelt. Die Teilnehmer leben für eine bestimmte Zeit in einem Container in
Hürth bei Köln, sie sind isoliert von der Außenwelt, und sie haben keinen Zugang zu Fern-
sehen, Telefon, Computer oder sonstigen Medien. Weiterhin haben die Mitspieler keinen
Kontakt zu ihren Angehörigen oder Freunden. Die ständige Beobachtung erfolgt visuell
und akustisch 24 Stunden am Tag durch 28 TV-Kameras und 60 Mikrofone und kann per
Internet (unter www.bigbrother-haus.de) eingesehen werden. Der Alltag im Container wird
durch Tages- und Wochenaufgaben und abendliche Diskusionsrunden bestimmt. Die er-
folgreiche Bewältigung der Aufgaben hat keinen direkten Einfluß auf den Verlauf der Sen-
dung, sondern kann nur das Wochenbudget, mit dem man die wöchentlichen Lebensmittel
bezahlt, erhöhen. Die Grundsumme beträgt vier DM pro Tag und Person.
Das Konzept der Sendung basiert auf der Zuschauerbeteiligung, denn die Bewohner nomi-
nieren zwei Mitspieler aus ihrer Gruppe, die von den Zuschauern per TED-Entscheidung
aus dem Haus gewählt werden. Dieser Vorgang wiederholt sich in einem vierzehntägigen
Rhythmus. Der Kandidat, der bis zum Schluß im Haus verbleibt und dann in einer weiteren
Wahl von den Zuschauern bestätigt wird, gewinnt 250.000 DM.
Täglich, in der Primetime von 20:15 bis 21:05 Uhr, läuft auf RTL II eine Zusammenfas-
sung der Tagesereignisse im Big-Brother-Haus. Dieses Angebot wird durch eine Wochen-
zusammenfassung und einen ,,Big-Brother-Talk" am Sonntag, eine offizielle Homepage,
Hintergrundsendungen, ein offizielles Fanmagazin und einen kostenlosen Internetnewslet-
ter ergänzt.
3
1
Soffels Mediaconsulting e.K. (Hrsg.). Informationsmaterial und Pressekontakt. Duisburg 2000.
2
Ebd.
3
Ebd.

5
3. Das Genre des Programmprojektes
Die Sendung ,,Big Brother" hat, wie die allgemeine Bezeichnung Programmprojekt ver-
deutlicht, keine eindeutige Zugehörigkeit zu einem bestehenden Genre.
Diese Sendung besitzt ein neuartiges und nie vorher gezeigtes Konzept der Unterhaltung
und der Einbindung der Zuschauer.
Im folgenden werden die Genres untersucht, in die diese Sendung eingeordnet werden
könnte. Eine eindeutige und definitive Einordnung in ein existierendes Genre (z.B. durch
die Landesmedienanstalten)
4
hat bis jetzt noch nicht stattgefunden.
3.1.
Zur Einordnung in bestehende Genres
Der Begriff Genre wird verwendet, um verschiedene Stoffgruppen und Motive im Film
gegeneinander abzugrenzen. Diese Kategorien, wie z.B. Liebesgeschichten, Kriminalfilme,
Western u.a. sind nicht starr an ein Medium wie das Fernsehen oder Kino gebunden, son-
dern stellen medienübergreifend Inhalte im Roman, im Theater und im Hörspiel dar.
5
Die Bestimmungsmerkmale der Genres stellen wiederkehrende Themen, Erzählmuster und
Motive dar. In dem Genre Reality TV handeln die Sendungen von außergewöhnlichen Er-
eignissen normaler Personen, z.B. ein Unfall beim Bergsteigen, eine Lawine im Skiurlaub
usw. Das Ereignis wird durch nachgestellte Szenen rekonstruiert. Das Opfer, ein Bergstei-
ger, und der Retter von der Bergwacht schildern das Geschehen und ihre Handlungen mit
eigenen Worten. Der Zuschauer fühlt sich in das reale Ereignis versetzt.
Die verschiedenen Kategorien basieren auf unterschiedlich festen Schemata des
Dargestellten. Während für einen Kriminalfilm oder einen Western der Plot der Geschichte
feststeht, sind in den anderen Genres, wie z.B. einer Soap Opera die Themen variabel. Die
Soaps handeln von Wohngemeinschaften, Krankenhäusern usw. und den Konflikten und
Beziehungen der Akteure. Soap Operas werden durch ihre gleichartigen Elemente defi-
niert. Zu diesen zählen der Seriencharakter und die täglichen Ausstrahlung, die Spielhand-
4
Nach meiner schriftlichen Anfrage an die Bayerische Landeszentrale für neue Medien vom 20.04.00, zu
welchem Genre das Projekt zählt.
5
Vgl. Knut Hickethier. Film- und Fernsehanalyse. Metzler 1996. S. 199.

6
lung in dramatischer Form, die Verbreitung durch das Fernsehen und die Ausstrahlungszeit
am Nachmittag oder am Abend.
Die Anzahl der verschiedenen Genres kann nicht eindeutig bestimmt werden, da im Laufe
der Zeit neue Kategorien entstehen und alte Formate verschwinden. Diese Genese einer
Kategorie kann man auf kulturelle Bedürfnisse zurückführen, d.h. die Zuschauer haben das
Bedürfnis, etwas Außergewöhnliches zu sehen, da ihr Alltag ihnen trivial erscheint. Dieser
Bedürfniswandel vollzieht sich in immer kürzer werdenden Abständen.
Die Sendung ,,Big Brother" nimmt als Programmprojekt eine Sonderstellung ein. Anhand
der Gewichtung der Merkmale der einzelnen Genres (Reality TV, Game-Show, Doku-
Soap) läßt sich eine Zugehörigkeitstendenz feststellen.
3.1.1.
Reality TV (Reality-Show, Reality-Serie)
Das Genre Reality TV wurde in der USA entwickelt und verzeichnete dort seit 1988 eine
hohe Nachfrage. Es existiert als neue und heftig diskutierte Medienform in der BRD seit
1992/93. Die Begriffe Reality- Show oder Reality-Serie werden synonym verwendet. Eine
Reality- Show hat den Anspruch, die Ereignisse wirklichkeitsgetreu abzubilden. Diese füh-
ren dem Zuschauer vor Augen, daß es in seinem Alltag zu außergewöhnlichen Zwischen-
fällen kommen kann. Die Abweichung von der Norm des Alltags wird zum Medienereig-
nis (Confrontainmet-Sendungen)
6
. Ein Beispiel für dieses Genre stellt die Sendung ,,Not-
ruf" (1992) mit Hans Meiser auf RTL dar. Der Titel kennzeichnet den Inhalt der Sendung:
,,Notruf, das ist die Geschichte von Menschen wie du und ich, die plötzlich und unerwartet
in eine nahezu ausweglose Situation geraten sind. Das ist auch die Geschichte von Men-
schen, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens versuchen, das Leben der Verunglückten zu
retten."
7
Diese Geschichten handeln von Unfällen, Naturkatastrophen usw. Sie werden durch au-
thentische Bilder von Schauspielern nachgestellt und von dem Opfer und Retter kommen-
tiert. Ein Vorläufer dieser Sendungen war ,,Aktenzeichen XY" vom ZDF.
Im folgenden werden die Merkmale des Genres erläutert und auf ihre Existenz in der Sen-
dung ,,Big Brother" hin untersucht.
6
Udo Göttlich/ Jörg-Uwe Nieland. Daily Soaps als Experimentierfeld der Fernsehunterhaltung. In: Vom
Boulevard zum Trash TV: Fernsehkultur im Wandel. Dokumentation vom BLM-Rundfunkkongress. Mün-
chen 1997. S. 155.

7
Das Genre Reality TV basiert auf drei Gestaltungsmitteln:
a.
Personalisierung - die Faszination des Intimen
b.
Dramatisierung - die Dramatik eines Ereignisses muß nachvoll-
ziehbar sein.
c.
Stereotypisierung - zur Reduktion von Komplexität durch die
Darstellung stereotyper Handlungsmuster
8
Folgende Merkmale dienen der Definition von Reality TV:
d.
Realereignisse werden entweder wirklichkeitsgetreu nachgestellt
oder durch originales Filmmaterial dokumentiert.
e.
Die Ereignisse haben keinen unmittelbaren Bezug zu aktuellen
gesellschaftlichen Problemen.
f.
Die Ereignisse zeigen vor allem Personen, die entweder psychisch
und/ oder physisch Gewalt ausüben und/ oder Opfer dessen wer-
den.
g.
Die einzelnen Beiträge thematisieren verschiedene Ereignisse, die
in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen.
h.
Der Titel der Sendung ist Programm.
9
Anhand der Übereinstimmung der genannten Merkmale wird die Zugehörigkeit des
Projektes zum Genre abgewägt.
Im Unterschied zu den Sendungen des Genres stellt ,,Big Brother" keine Ereignisse dar, die
hauptsächlich auf der ,,Opfer-Retter-Relation" basieren und Gewalthandlungen oder Ka-
tastrophen veranschaulichen (
f.), sondern es wird lediglich der Alltag der Kandidaten
dokumentiert. Die einzelnen Folgen der Sendung ,,Big Brother" weisen einen Zusammen-
hang in den Wochenaufgaben, den Nominierungen, den Entlassungen im 2-Wochen-
Rhythmus, dem Ort, dem Raum, der Zeit und den gleichen Akteuren auf. Damit wird das
Kriterium der Unabhängigkeit der einzelnen Beiträge (
g.) der Gattung Reality TV nicht
7
Claudia Wegner. Reality TV. Fernsehen zwischen Emotion und Information. Opladen 1994. S. 94.
8
Ebd. S. 51.
9
Claudia Wegner. 1994. S. 17.

8
erfüllt. Es werden Akteure gezeigt, die nichts außergewöhnliches wie z.B. einen Unfall, ein
Erdbeben usw. erlebt haben, sondern bei alltäglichen, trivialen Situationen und Ritualen
beobachtet werden. Ob das Dargestellte dem normalen Alltag ähnelt oder konstruiert ist,
wird an anderer Stelle erörtert.
10
Die tendenzielle Zuordnung des Projektes zu der Kategorie Reality TV basiert auf den fol-
genden Gesichtspunkten:
Das Geschehen, die Tages- oder Wochenzusammenfassung wird durch originales Filmma-
terial dokumentiert (
d.), und bei den wöchentlichen Nominierungen wird live aus dem
Container übertragen. Wie bei den Sendungen des Formates Reality TV hat auch ,,Big Bro-
ther" keinen direkten Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen Problemen (
e.). Es ist viel-
mehr so, daß es eine bestimmte Entwicklung in der Gesellschaft widerspiegelt.
Wie in einer Reality-Show wird der Titel der Sendung zum Programm (
h.). Bei ,,Big
Brother" ist dies unter folgender Prämisse verständlich: In George Orwells Werk ,,1984"
wird mit dem Begriff ,,Big Brother" der totalitäre Staat bezeichnet, der seine Mitglieder
permanent mit Kameras überwacht. Der gleiche Zustand der ständigen Beobachtung exis-
tiert in dem Container bei Hürth.
Die Gestaltungsmittel des Genres werden übernommen und noch erweitert: Die Faszinati-
on des Intimen, der Voyeurismus, stellt den Kern des Programmprojektes dar und erreicht
die neue Dimension der permanenten Überwachung durch das Internet. Dieses Format als
Angebot des Produzenten für die Zuschauer basiert auf der vermittelten Authentizität, der
Wirklichkeit und Emotionen der Kandidaten und verzichtet auf die Schauspieler. Das Zu-
sammenleben der Personen auf engem Raum und ihr daraus resultierendes Handeln ist das
Ereignis. Die Kandidaten als normale Menschen werden in einer Ausnahmesituation, die
nicht ihrem eigentlichen Alltag entspricht, gefilmt. Sie werden von der Außenwelt isoliert
und von Kameras im Container überwacht. Ihre Emotionen und subjektiven Ansichten
lösen bei den Zuschauern Betroffenheit aus. Diese veröffentlichte Intimität der Mitspieler
des Projektes läßt den Rezipienten an ihrem Leben teilhaben und vermittelt ihm den Ein-
druck, persönlich am Schicksal der Probanden teilzunehmen. Es macht das Abgebildete
zum Realen (
a.).
11
Die ,,Dramatik" des Zusammenlebens kann eher als trivial und banal bezeichnet werden
und ist deshalb für den Zuschauer nachvollziehbar und überprüfbar (
b.).
10
Vgl. 3.1.3. Doku-Soap

9
Eine weitere Rolle spielt die Stereotypisierung als Gestaltungsmoment. Vor allem die a-
bendlichen ,,Diskussionsrunden" mit den Themen: Ausländerfeindlichkeit in Deutschland,
die deutsche Vergangenheit, Abtreibung - ja oder nein, verstärken diesen Effekt des Kli-
schee- und Schubladendenkens. Das Fanmagazin ,,Big Brother" stellt die Kandidaten in
einer eindeutigen Rolle dar, und der Zuschauer kann ihn in eine Kategorie einordnen. Da-
mit wird dem Zuschauer der kognitive Aufwand erspart, die Charaktere selbst in Katego-
rien einzuteilen. Der vielschichtige Charakter wird somit jeder Person im Haus aberkannt.
Der Teilnehmer John wird zum Beispiel als sozialer Hausmann und Kumpel bezeichnet,
der versucht, ,, [...] mit allen ein gutes Verhältnis aufzubauen. Er biedert sich aber keinem
an! John ist fleißig und hilfsbereit."
12
Diese Charakterbeschreibung ergab die ,,Analyse"
der beauftragten Psychologen. Die Eigenschaften seiner Mitstreiter werden ebenfalls pola-
risiert beschrieben. Beim Zuschauer kommt es zur Generalisierung, d.h. es entsteht die
Erwartungshaltung, daß sich Mitglieder einer Kategorie gleich verhalten bzw. die gleichen
Eigenschaften aufweisen. Dieser Glaube resultiert aus vorherigen Erfahrungen, die man
mit Menschen aus dem sozialen Umfeld gemacht hat. Die Kandidaten tragen ihrerseits
dazu bei.
13
Die Kategorisierung und Generalisierung vereinfacht es dem Zuschauer, sich mit den Per-
sonen zu identifizieren und Affinitäten aufzubauen. Er muß bei der Darstellung der gezeig-
ten Charaktere weder differenzieren noch reflektieren.
Generell wurde das Reality TV bei der Einführung von den Medienpolitikern attackiert
und ein Verbot gefordert (vergleichbar mit ,,Big Brother"). Der Voyeurismus am Leid an-
derer Menschen und die Steigerung der Gewaltbereitschaft waren die zentralen Kritikpunk-
te.
Das Anfang der 90er Jahre eingeführte Genre wollte das Fernsehen erobern, ist aber schon
wieder fast verschwunden.
Abschließend ist zu sagen, daß das Programmprojekt ,,Big Brother" fast alle Merkmale des
Genres Reality TV beinhaltet, aber mit der ursprünglichen Form der Sendungen wie z.B.
,,Notruf" usw. und speziell den Inhalten nicht sehr konform ist. Das Reality TV seinerseits
wollte außergewöhnliche, nicht alltägliche Ereignissen real darstellen. Das Projekt ,,Big
Brother" hingegen möchte den Alltag der Teilnehmer, das normale Geschehen abbilden.
11
Claudia Wegner. 1994. S. 39
12
Cultfish Entertainment GmbH (Hrsg.). Big-Brother-Magazin Nr. 6. Stuttgart 2000. S.27.
13
Zum Beispiel sagte Zlatko in einer Folge, er handele oft sehr emotional und ,,aus dem Bauch heraus", mit
der Begründung, daß er aus Mazedonien stamme. Daraufhin sagte Jürgen, das sei seine Mentalität. Er spielt

10
Obwohl hierbei die Rahmenbedingungen wie Isolation von der Außenwelt, Gemeinschaft
mit fremden Personen, fehlende Medien u.a. künstlich geschaffen wurden.
Das Genre Reality TV könnte als ein Vorläufer der Sendung ,,Big Brother" gesehen wer-
den, wenn nur die Entwicklungsreihe der Fernsehsendungen betrachtet wird, die vorder-
gründig der Befriedigung des Voyeurismus und der Neugierde des Rezipienten dienen.
3.1.2. Spielshow
(Game-Show)
Dieses Genre ist in sofern untersuchungsrelevant, da ,,Big Brother" Game-Show-Elemente
beinhaltet und der Game-Show-Charakter, der durch Lothar Mikos bestätigt wurde14, noch
erörtert werden muß.
Die Struktur der Spielshow unterscheidet sich grundsätzlich von den anderen Formaten
(Reality TV und Doku-Soap), da die Einheit des Erzählens und Darstellens in den audiovi-
suellen Medien in der Spielshow tendenziell aufgelöst wird. Die vorher festgelegte Erzähl-
struktur, sei es durch das Drehbuch, den Moderator, den Augenzeugen, den Dokumentar-
filmer usw., wird durch die Rahmenbedingungen des Spiels ersetzt.
In dieser Kategorie hat der Begriff ,,Spiel", im Gegensatz zum Dokumentar- und Spielfilm,
der ihn als szenische Möglichkeitsform der Weltdarstellung definiert, eine ganz andere
Bedeutung: Das Spiel ist eine vom eigentlichen Leben abgegrenzte ,,Aktivität mit eigener
Tendenz". Es wird eine Einheit von Raum, Zeit und Ort geschaffen, in der nur die Rah-
menbedingungen wie Regeln, Aufgaben u.a. vorgegeben sind. Das Resultat oder der Ge-
winner wird während der Sendung ermittelt und nicht per Drehbuch festgelegt.
Die Macher von ,,Big Brother" versichern, das wahre Leben abzubilden. Doch das Leben
im Container enthält gleichermaßen eine ,,Aktivität mit eigener Tendenz", mit einer äuße-
ren Struktur und einem Ziel.
Die Aufgaben, die an die Kandidaten gestellt werden, wie z. B. Büttenreden verfassen,
einmal per ,,Trimm-dich-Fahrrad" durch Deutschland zu fahren usw., erinnern an Elemente
aus einer Spielshow. Doch die Bewältigung dieser Aufgaben führt nicht zum Ziel, als einer
somit auf das Vorurteil an, daß Südeuropäer emotionaler seien als Nordeuropäer. In: Big Brother. Sendung
vom16.03.2000
14
Das erstellte Gutachten von Prof. Mikos wurde von RTL II in Auftrag gegeben und lag mir nur in Auszü-
gen der Pressemitteilung RTL II vor. ,,Big Brother" ­ Medienwissenschaftler Mikos fordert: ,,Sachliche
Diskussion anstatt moralischer Panik". 01.03.00. In: www.rtl2.de/facts/presse

11
der letzten Kandidaten im Container zu bleiben und zum Gewinner der 250.000 DM von
den Zuschauern gewählt zu werden, sondern nur zur Aufstockung des Budgets.
Weiterhin wird die Game-Show durch einen indirekten Realitätsbezug definiert. Die Akti-
vitäten des Kandidaten während des Spiels haben aber keine Konsequenzen für sein ,,wirk-
liches" Leben.
15
Dieser Punkt bildet einen wesentlichen Unterschied zum Programmpro-
jekt ,,Big Brother", da sich das Leben der Kandidaten nach der Sendung dramatisch ändert.
Sie werden zu öffentlichen Personen ohne Privatsphäre ,,transformiert". Der Big-Brother-
Absolvent Zlatko z.B. wird zum ,,Medienstar, zum Kultartikel des Senders".
16
Das Leben
danach ist nicht mehr das gleiche. Die deutschen Kandidaten konnten sich diese Entwick-
lung bei ihren holländischen Kollegen anschauen.
Ein weiteres Merkmal einer Game-Show im Fernsehen ist die begrenzte Öffnung für den
Zuschauer, der nur indirekt ,,mitspielen" kann. Er geht mit dem Fernsehen eine interaktive,
spielerische Beziehung ein mit dem Ergebnis des Unterhaltenwerdens.
Der Rezipient übernimmt die Rolle des ,,fiktiven" Kandidaten. Sein eigentlicher Gewinn,
d.h. den Nutzen (entsprechend der Rezeptionstheorie)
17
, den der er aus diesem Fernsehan-
gebot zieht, besteht in der Ergebnisantizipation und dem ,,Zusatzgewinn", daß der von ihm
favorisierter Kandidat gewinnt.
Das zu untersuchende Projekt bietet dem Rezipienten in erster Linie einen ganz anderen
,,Nutzen". Der Zuschauer übernimmt nicht die Rolle des fiktiven Mitspielers, wie z.B. bei
der Show ,,Glücksrad" auf Sat.1, und sieht damit auch nicht seinen ,,Gewinn" in der Er-
gebnisantizipation, sondern es werden andere Bedürfnisse befriedigt. Vorrangig zielt die-
ses Format auf den Trieb der Neugier eines jeden Zuschauers. Doch die Sendung erfüllt
noch weitere Funktionen, indem sie dem Rezipienten eine Orientierungshilfe im Alltag
gibt und ein Abgleichen seines Verhaltens mit dem der Teilnehmer ermöglicht.
18
In einer herkömmlichen Spielshow, wie z.B. ,,Jeder gegen Jeden" auf Sat.1, agieren die
Bewerber gewinnorientiert. In dem zu untersuchenden Projekt handeln die ,,Spieler" nicht
15
Knut Hickethier. 1996. S. 193.
16
Vgl. 7.6.1. Der Kandidat Zlatko Trpkovski auf dem Weg zum Medienstar.
17
Rezeptionstheorie nach Knut Hickethier .1996. S.10: In dem Modell der medialen Kommunikation, das
die Eindimensionalität (Aussagen des Kommunikators als Stimuli für die Rezipienten erzeugen bestimmte
Wirkungen, Veränderungen des Bewußtseins beim Rezipienten) dahingehend berichtigt, daß dem Zuschauer
mehr Handlungsmöglichkeiten zugesprochen werden und er nicht einfach dem medialen Angebot ausgelie-
fert ist, ,,sondern daß er seinerseits die Angebote auf ihren Nutzen für seine Bedürfnisse hin überprüft." Als
aktiv Handelnder tritt der Rezipient auf, der zur ,,Befriedigung seiner Bedürfnisse" aus dem audiovisuellen
Sortiment auswählt. Dieser ,,Nutzenansatz" enthält die Prämisse, daß das Angebot vielfältig ist.
18
Diese Bedürfnisse und Wünsche werden in 7.2. Die Rezipienten ausführlicher erläutert.

12
vorrangig gewinn-, sondern gruppenorientiert. Denn nur durch das ,,richtige" Agieren in
der Gruppe, (wobei sich die Frage stellt, was ist hier ,,richtiges" und was ist ,,falsches"
Verhalten), hat man die Chance auf den Gewinn. Das ,,soziale Handeln" in der Container-
gruppe, aus handlungstheoretischer Perspektive, ist nicht Bestandteil einer normalen Ga-
me-Show und weist über den bloßen Aspekt des ,,sich Verhalten" hinaus. Die beiden Ori-
entierungsmuster, sich auf der einen Seite in der Gruppe so zu verhalten, daß man nicht
ausgeschlossen wird (gemeinnütziges Verhalten), und andererseits sich zu behaupten, da-
mit man gewinnt (nötiger Egoismus), stehen in einem paradoxen Verhältnis zueinander.
3.1.3. Doku-Soap
Die Doku-Soap wurde vor sechs Jahren in England kreiert und ihre Ausstrahlung ist dort
bereits wieder auf dem ,,Rückzug" (im Jahr 1998 liefen immerhin noch 75 Doku-Soaps im
englischen Fernsehen)
19
. Im deutschen Fernsehen wurde erst Anfang 1999 mit ,,Der wahre
Kir Royal" auf Arte, einem Mehrteiler über die Arbeit bei dem Münchener Feinkostge-
schäft Käfer, das Genre eingeläutet. Es gab zwar Vorläufer dieses Formates, aber für diese
Sendungen stand die Genrekategorie noch nicht zur Verfügung (z.B. ,,Die Fussbroichs"
beim WDR, die den Alltag einer Familie dokumentiert). Nach der Einführung dieses Gen-
res haben alle Sender ihre eigenen Doku-Soaps aufgelegt. Beispiele hierfür stellen die Sen-
dungen ,,Abnehmen in Essen", die zuerst auf Arte, dann beim WDR (ausgezeichnet mit
Adolf Grimme Preis) ausgestrahlt wurde, ,,Die Fahrschule" auf SAT 1 (Nominierung für
den Grimme-Preis), ,,Clubschiff" von RTL usw. dar.
Die beiden zusammengefügten Komponenten, die Dokumentation und die Soap Opera,
unterscheiden sich in ihrer Absicht, wie auch in ihrer Ästhetik, in den Produktionsbedin-
gungen und in der Realisierung.
Die Soap Operas stammen aus dem Hörfunk der USA. Sie werden heute durch mehrere
Merkmale bestimmt: Sie besitzen den Charakter einer Serie und werden täglich am Nach-
mittag oder Abend ausgestrahlt. Die Geschichten folgen einer Ereignisdramatik, einer Ab-
folge von Höhepunkten, in denen sogenannte Cliffhanger eingesetzt werden, die am Ende
einer Folge den Zuschauer auf die nächste Episode neugierig machen sollen. Dadurch soll
die Spannung von Folge zu Folge erhalten werden. Es werden mehrere Darsteller benötigt,
19
Fritz Wolf. Fast wie im richtigen Leben. In: Insight 2/2000. S. 12.

13
die als Schauspieler eine Rolle ausfüllen. Die dargestellten Geschichten werden parallel
erzählt und montiert. Weiterhin ist eine Einheit von Zeit und/ oder Ort einzuhalten. Ihre
Sendezeit beträgt etwa eine halbe bis eine Stunde. Die Soap handelt von gewöhnlichen
Leuten und deren Ereignissen im täglichen Leben.
20
Die Produzenten bedienen sich der
Intimisierung, Personalisierung und Privatisierung als Darstellungsmittel.
21
Der andere Part dieses Genres stammt aus der Dokumentation. Sie wurde im Jahr 1922 vor
dem Hintergrund der Fiktionsproduktion entwickelt, um Glaubwürdigkeit durch dokumen-
tarisches Erzählen zu erzeugen. Dieser Realitätseindruck wird mit verschiedenen Metho-
den des Erzählens konstruiert. Die Dokumentation, wie sie im Allgemeinen vom Zuschau-
er und vom Produzenten verstanden wird, bildet eine Form der Realität. Die Kamera über-
nimmt die Aufgabe der Vermittlungsinstanz zwischen dem Realen und dem Zuschauer.
Theoretisch darf der Dokumentarist in das Geschehen weder eingreifen noch es nachstel-
len. Diese Beobachtungen werden verdeckt oder offen ausgeführt. Der Zuschauer hat die
Auffassung, die Welt in den Bildern des Dokumentarfilms zu sehen, ,,wie sie ist".
22
Der
Erzähler hat als Reporter den Status des Teilnehmenden und erklärt in den audiovisuellen
Medien, das Gezeigte zur Wirklichkeit. Der Zuschauer gewinnt das Gefühl ,,live" dabei zu
sein. Dieser Eindruck entsteht durch spezielle Präsentations- und Kommentierungsformen,
wie z.B. der Hinweis des Reporters, Moderators was ,,Hier" und ,,Jetzt" passiert.
23
Der
Zuschauer kann nicht erkennen, ob es sich wirklich um eine Liveschaltung handelt. Die
klassischen Dokumentarfilme handeln von einer Person, die sich selbst darstellt. Sie wer-
den in einer Einheit von Ort und/ oder Zeit produziert.
Um die Synthese dieser unterschiedlichen Kategorien zu verdeutlichen und die Schwierig-
keiten aufzuzeigen, diese miteinander in Einklang zu bringen, sollte man sich die folgen-
den Unterschiede bewußt machen:
Im klassischen Dokumentarfilm geht man davon aus, daß der Regisseur nicht in das zu
filmende Geschehen eingreift. Als Beispiel könnte die Dokumentation eines Streiks oder
einer Demonstration genannt werden. Dies bedeutet eine gewisse Unvorhersehbarkeit der
Ereignisse und kann somit nicht durch ein Drehbuch festgelegt werden wie in der Soap
Opera.
20
Patrick Rössler. Dallas und Schwarzwald. Eine Programmstudie über die Seifenopern im deutschen Fern-
sehen. München 1988.
21
Udo Göttlich/ Jörg-Uwe Nieland. 1997. S.162
22
Ebd.
23
Knut Hickethier. 1996. S. 187.

14
Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Kategorien existiert in der Weise, in der
versucht wird den Film, die Serie für den Zuschauer glaubwürdig zu gestalten. Die Soap
handelt generell von normalen (jungen) Leuten und stellt den gewöhnlichen Alltag dar.
Dabei nutzt sie Themen, Konflikte aber auch Trends und Kommunikationsmuster der heu-
tigen Gesellschaft, um eine Identifikation des eigenen Alltags in der Serie bei dem Zu-
schauer zu ermöglichen. Sie bietet ihm Themen an, die er aus seinem eigenen Leben kennt.
In der Dokumentation wird diese Glaubwürdigkeit durch die Erzählmethoden wie Nähe-
Distanz-Relation, Perspektivität und Authenzitätsversicherungen durch den Reporter bzw.
Moderator hergestellt.
24
In den beiden Gattungen werden unterschiedliche Darsteller eingesetzt. Setzt man in der
Dokumentation auf Personen ohne schauspielerische Ausbildung, so benötigt man in den
Soaps Schauspieler oder Laienschauspieler, die exakt die Rolle der Figur im Drehbuch
ausfüllen. Im klassischen Dokumentarfilm konzentriert man sich auf eine Person, in den
Soaps auf mehrere.
Eine besondere Differenz besteht in der Erzählweise innerhalb der beiden Kategorien. In
den Soaps werden mehrere Geschehnisse parallel montiert und erzählt. Sie folgen einem
dramaturgischen Spannungsbogen, der mit einem Cliffhanger, z.B. einer dramatischen
Entscheidung oder Situation, die Folge beendet und die Spannung für die nächste Folge
aufbaut. Es entsteht somit eine Abfolge von Höhepunkten. Diese Dramaturgie folgt dem
Aufbau einer Serie, deren Folgen je 30 bis 60 Minuten dauern und über ein offenes Ende
(Endloscharakter) verfügen. Die Dokumentation wird nicht in ein solches äußeres Schema
gezwängt und beinhaltet in sich geschlossene Geschehnisse. Sie verwendet die Wahl des
Kamerastandpunktes, den Schnitt, die Montage und den Kommentar, um eine Dramaturgie
herzustellen.
25
Im Mix der beiden Genres versucht man dokumentarische Bilder in die Dramaturgie einer
Seifenoper zu bringen. Um dies zu erreichen muß man die erläuterten Differenzen wie die
Erzählweise, die Dramaturgie und die Funktion der Darsteller in Einklang bringen. Diese
Kriterien werden bei der Einordnung des Projekts ,,Big Brother" diskutiert und auf ihre
Übereinstimmung hin überprüft.
Im Genre Doku-Soap konzentriert man sich mit der Kamera auf mehrere Personen und
deren Geschichten. Diese werden parallel erzählt und mit einer soaptypischen Dramaturgie
ausgestattet. Diesem Konzept folgt das Programmprojekt ,,Big Brother". Die Folgen der
24
Vgl. Knut Hickethier. 1996. S. 186.
25
Ebd. S. 188.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2000
ISBN (eBook)
9783832442781
ISBN (Paperback)
9783838642789
Dateigröße
543 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Osnabrück – Germanistik / Medienwissenschaft
Note
1,0
Schlagworte
brother endemol gene programmprojektes gesellschaft kandidaten medienstars kritik öffentlichkeit öffentlichkeitskritik reality rezipienten verhältnis privatsphäre zuschauer
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Titel: Programmprojekt Big Brother
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