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Einzelhandel als Leitfunktion der Innenstädte

Perspektiven vor dem Hintergrund der Entwicklung von Internet und Electronic Commerce

©2000 Diplomarbeit 163 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Entwicklung von Handel und Städten weist eine sehr enge historische Verbindung auf, die vielfach als "symbiotische Beziehung" charakterisiert wird. So stellten bedeutende Fernverkehrs- und Fernhandelsrouten sowie insbesondere deren Schnittpunkten bevorzugte Makrostandorte von Städtegründungen dar. Markt- und Stapelrechte bildeten im Mittelalter wesentliche Bestandteile des Stadtrechts und waren daher für die weitere Entwicklung der deutschen Städte von tiefgreifender Bedeutung.
Heute sind im Bewusstsein der Bevölkerung insbesondere die Innenstädte untrennbar mit dem Attribut "Standort des (Einzel-)Handels" versehen, denn die zentralen Einkaufsstraßen, Passagen und Malls stellen vielfach die quantitativ bedeutendsten Anziehungspunkte im innerstädtischen Raum dar. Dementsprechend wird dem Einzelhandel auch bei der weiteren Entwicklung der Innenstädte eine Leitfunktion eingeräumt.
Schon seit mehreren Jahrzehnten wird indes von verschiedenster Seite die "Krise der Innenstädte" in Westdeutschland thematisiert. Je nach Perspektive und Interessenlage werden dabei jedoch ganz unterschiedliche Strukturen und Prozesse beklagt. Hinsichtlich der Leitbranche Einzelhandel ist zu konstatieren, daß die Innenstädte nach dem zweiten Weltkrieg unbestritten einen kontinuierlichen Anteilsrückgang am gesamten westdeutschen Einzelhandelsumsatz haben hinnehmen müssen. Der Bedeutungsüberschuss der Innenstadt als Ausdruck der Zentralität eines (Stand)Ortes scheint demnach vielerorts gefährdet zu sein. Verschiedene strukturelle Tendenzen wie auch die verkehrliche Situation in den Innenstädten werden ebenfalls regelmäßig im Zusammenhang mit diesem Einzelhandelsstandort als problembehaftet diskutiert.
Wenngleich ihre Position gefährdet scheint, stellen die Innenstädte heute unverändert die dominierenden Brennpunkte gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Handelns dar. Die Entwicklung der Innenstädte ist daher auf das komplexe Zusammenspiel eines breiten Spektrums an soziokulturellen, ökonomischen und technischen Einflussgrößen zurückzuführen. Zu den seit längerem bekannten Trends ist in den 1990er Jahren ein weiterer Faktor mit unvorhergesehener Dynamik hinzugekommen, dessen außerordentliche Relevanz selbst vielen wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsträgern erst seit relativ kurzer Zeit bewusst geworden ist: Die rasant zunehmende wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Internet.
Auch zum derzeitigen Zeitpunkt ist die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4203
Hesse, Klaus-Martin: Einzelhandel als Leitfunktion der Innenstädte: Perspektiven vor dem
Hintergrund der Entwicklung von Internet und Electronic Commerce / Klaus-Martin Hesse -
Hamburg: Diplomica GmbH, 2001
Zugl.: Bremen, Universität, Diplom, 2000
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I
I
I
NHALTSVERZEICHNIS
1
E
INLEITUNG
__________________________________________________________1
1.1
Problemstellung und Vorgehensweise_____________________________________________ 1
1.2
Aufbau der Arbeit ______________________________________________________________ 4
2
E
NTWICKLUNG UND
S
TRUKTUREN DER
I
NNENSTÄDTE
___________________________6
2.1
Begriffsabgrenzung ,Innenstadt`__________________________________________________ 6
2.2
Die Altstädte als Ursprung der heutigen Innenstädte _________________________________ 7
2.2.1
Die Stadt des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit ______________________________7
2.2.2
Industrialisierung und Urbanisierung ____________________________________________________8
2.2.3
Innenstädte als Wirtschafts- und Konsumzentren _________________________________________11
2.3
Die Entwicklung seit 1945 ______________________________________________________ 12
2.3.1
Wiederaufbau: Das Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt _______________________12
2.3.2
Geschäftszentren werden zu Fußgängerzonen ___________________________________________13
2.3.3
Urbanität und Multifunktionalität als neue Leitbilder_______________________________________15
2.4
Die Innenstädte der Gegenwart __________________________________________________ 17
2.4.1
Einzelhandel in der Innenstadt: Leitfunktion trotz Strukturproblemen ________________________19
2.4.2
Sonstige öffentliche und privatwirtschaftliche Nutzungsformen _____________________________25
2.4.3
Wohnen____________________________________________________________________________28
2.4.4
Verkehr ____________________________________________________________________________29
2.4.5
Öffentlicher Raum ___________________________________________________________________30
2.5
Besucher und Nutzer der Innenstadt _____________________________________________ 31
2.6
Zwischenfazit: Innenstadtentwicklung seit dem ausgehenden Mittelalter _______________ 33
3
R
AHMENBEDINGUNGEN UND
H
ANDLUNGSANSÄTZE GEGENWÄRTIGER UND
ZUKÜNFTIGER
I
NNENSTADTENTWICKLUNG
___________________________________35
3.1
Raumordnung und Stadtentwicklung _____________________________________________ 35
3.2
Miet-, Grundstücks- und Immobilienpreise ________________________________________ 37
3.3
Trends im Einzelhandel ________________________________________________________ 41
3.3.1
Flächenwachstum und Personalabbau __________________________________________________41
3.3.2
Betriebsformen und -strukturen________________________________________________________43
3.3.3
Unternehmenskonzentration __________________________________________________________46
3.3.4
Standorttrends ______________________________________________________________________47
3.3.5
Kundenorientierung und Kundenbindung _______________________________________________48
3.4
Gesellschaftliche Trends _______________________________________________________ 49
3.4.1
Soziodemographische Entwicklungen __________________________________________________49
3.4.2
Einkommensentwicklung und Konsumverhalten__________________________________________50
3.4.3
Erlebnisorientierung _________________________________________________________________51
3.4.4
Zeitstrukturen_______________________________________________________________________52
3.4.5
Verkehr und Mobilität ________________________________________________________________53
3.5
Finanzsituation der Städte______________________________________________________ 54
3.6
Fortschritte bei den Informations- und Kommunikationstechnologien__________________ 56
3.7
Citymarketing und Citymanagement: Public Private Partnership als
Problemlösungsansatz ________________________________________________________ 57
3.8
Zwischenfazit: Aktuelle Einflußgrößen der Innenstadtentwicklung_____________________ 58
4
I
NTERNET UND
E
LECTRONIC
C
OMMERCE
___________________________________60
4.1
Entwicklung, Verbreitung und Strukturen des Internet_______________________________ 60
4.1.1
Das Internet: Transformation vom militärischen Rechnernetz zur Multimedia-Plattform
World Wide Web ____________________________________________________________________60
4.1.2
Internetbasierte Kommunikation _______________________________________________________63
4.1.3
Reichweite des Internet_______________________________________________________________65
4.2
Potentiale und Auswirkungen internetbasierter Anwendungen________________________ 67
4.2.1
Electronic Commerce und Elektronische Märkte __________________________________________67
4.2.2
Veränderte Märkte und Strategien durch Internet und Electronic Commerce __________________69
4.2.3
Virtuelle Gemeinschaften, Verbünde und Netzwerke_______________________________________70
4.3
Thesen zur zukünftigen Bedeutung von Internet und Electronic Commerce _____________ 71

II
5
I
NTERNET UND
E
LECTRONIC
C
OMMERCE IM
E
INZELHANDEL
______________________74
5.1
Risiken für den traditionellen stationären Einzelhandel ______________________________ 74
5.1.1
Interactive Home Shopping: Verschärfter Wettbewerb durch eine neuVe triebsform ____________75
5.1.2
Direktvertrieb der Hersteller und verwischende Branchengrenzen ___________________________78
5.1.3
Markt- und Preistransparenz __________________________________________________________81
5.1.4
Marktmacht der Kunden ______________________________________________________________82
5.1.5
Verschärfung des Konzentrationsprozesses im Handel als Konsequenz ______________________82
5.2
Potentiale für den traditionellen stationären Einzelhandel____________________________ 83
5.2.1
Internet als zusätzliche Vertriebsschiene ________________________________________________84
5.2.2
Internet als interaktive Kommunikations- Marketing- und Serviceplattform____________________87
5.2.3
Internet als Kooperationsplattform _____________________________________________________90
5.3
Thesen zur zukünftigen Entwicklung von Internet und Electronic Commerce im
Einzelhandel _________________________________________________________________ 92
6
I
NNERSTÄDTISCHER
E
INZELHANDEL IM
I
NTERNET
-Z
EITALTER
:
B
ESTANDSAUFNAHME
, R
AHMENBEDINGUNGEN UND
P
ERSPEKTIVEN
_______________96
6.1
Trends der Einzelhandelsentwicklung in den Innenstädten ___________________________ 96
6.1.1
Grundsätzliche Trends der zukünftigen Einzelhandelsentwicklung __________________________96
6.1.2
Perspektiven des innerstädtischen Einzelhandels _______________________________________100
6.2
Potentiale für den Einzelhandelsstandort Innenstadt durch Internet und Electronic
Commerce __________________________________________________________________ 104
6.2.1
Erhöhung der innerstädtischen Umsatzanteile __________________________________________105
6.2.2
Stärkung des lokal verankerten Facheinzelhandels ______________________________________106
6.2.3
Förderung benachteiligter Innenstadtlagen _____________________________________________107
6.2.4
Aufbrechen der Anonymität der Innenstädte ____________________________________________108
6.2.5
Optimierung der innerstädtischen Kooperation__________________________________________109
6.3
Internet-Ansätze von Stadt und stationärem Einzelhandel___________________________ 110
6.3.1
Bestandsaufnahme: Stadt, stationärer Einzelhandel und Internet___________________________110
6.3.2
Bemerkungen zum Status Quo _______________________________________________________115
6.4
Zielszenario: Förderung des innerstädtischen Einzelhandel mit Hilfe von
Internetanwendungen ________________________________________________________ 118
7
H
ANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
___________________________________________121
7.1
Kommunale Ansatzpunkte zur Förderung des Einzelhandelsstandorts Innenstadt
durch Internetanwendungen ___________________________________________________ 121
7.1.1
Aufklärung und Information __________________________________________________________121
7.1.2
Kooperative, vernetzte Internetaktivitäten von Innenstadtakteuren__________________________122
7.1.3
,Internet-Keimzelle Innenstadt` als Alternative zu quantitätsorientierten Initiativen ____________124
7.1.4
Einbindung der Verwaltung __________________________________________________________125
7.1.5
Interkommunale Kooperation_________________________________________________________126
7.2
Ansätze für die innerstädtischen Einzelhandels-KMU ______________________________ 126
7.3
Ist der Einzelhandel als Leitfunktion der Innenstädte zukunftsfähig?__________________ 129
8
Z
USAMMENFASSUNG UND
A
USBLICK
______________________________________133
A
NMERKUNGEN
________________________________________________________135
9
A
NHANG
__________________________________________________________137
9.1
Liste der Gesprächspartner im Rahmen der Experteninterviews _____________________ 137
9.2
Glossar verwendeter Begriffe aus dem Bereich IuK/Internet _________________________ 137
10 Q
UELLENVERZEICHNIS
________________________________________________140
10.1
Eigenständige Publikationen___________________________________________________ 140
10.2
Beiträge aus Zeitschriften, Schriftenreihen oder Herausgeberbänden _________________ 142
10.3
Zeitungsbeiträge_____________________________________________________________ 149
10.4
Sonstige Quellen ____________________________________________________________ 151

III
II
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
A
BB
. 1
Aufbau der Arbeit ____________________________________________________ 4
A
BB
. 2
Gliederung der Bevölkerung des Deutschen Reiches nach
Gemeindegrößenklassen_______________________________________________ 9
A
BB
. 3
Zunehmende Konzentration des innerstädtischen Einzelhandels in der
bayerischen Kleinstadt Weißenburg auf die Hauptgeschäfts- und
Geschäftsstraßen zwischen 1897 und 1980 _______________________________ 14
A
BB
. 4
Städtischer Bodenmarkt: Modell zur Herausbildung innerstädtischer
Nutzungszonen unter dem Einfluß nutzungsspezifischer Rentengebote _________ 18
A
BB
. 5
Strukturen des Einzelhandels in den Fußgängerzonen der deutschen
Innenstädte ________________________________________________________ 21
A
BB
. 6
Einzelhandelsbesatz in den 1a-Lagen der Innenstädte 1993 __________________ 22
A
BB
. 7
Strukturen des innerstädtischen Einzelhandels in Deutschland ________________ 23
A
BB
. 8
Einzelhandelsbesatz in den Innenstädten _________________________________ 24
A
BB
. 9
Neu errichte Einkaufszentren in Deutschland nach Standortlage _______________ 25
A
BB
. 10
Veränderungen der städtischen Grundstücksverwertung _____________________ 37
A
BB
. 11
Entwicklung der monatlichen Ladenmieten in 1a-Lagen ausgewählter
westdeutscher Städte 1971 bis 1994_____________________________________ 38
A
BB
. 12
Entwicklung der Ladenmieten in 1a-Lagen ausgewählter westdeutscher Städte
1971 bis 1994 (Index: 1971 = 100) ______________________________________ 39
A
BB
. 13
Verkaufsfläche nach Sortimentsbereichen 1985 und 1993 ____________________ 41
A
BB
. 14
Reale Entwicklung des Umsatzes in DM je qm Verkaufsraum 1980 bis 1996 in
Innenstädten der alten Bundesländer ____________________________________ 42
A
BB
. 15
Veränderung der Marktanteile westdeutscher Einzelhandelstypen______________ 43
A
BB
. 16
Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Betriebsergebnisse von Fachein-
zelhandelsunternehmen in den alten Bundesländern 1977 bis 1998 ____________ 44
A
BB
. 17
Prozentuale Umsatzentwicklung der Facheinzelhandelsunternehmen bezogen
auf das jeweilige Vorjahr ______________________________________________ 45
A
BB
. 18
Veränderung der Ertragsstruktur an Aral-Tankstellen zwischen 1984 und 1999 ___ 45
A
BB
. 19
Konzentration des Umsatzes im Einzelhandel _____________________________ 46
A
BB
. 20
Lebenszyklen des westdeutschen Versorgungsnetzes_______________________ 47
A
BB
. 21
Anteil des Einzelhandelumsatzes am privaten Verbrauch ____________________ 51
A
BB
. 22
Schuldenstand je Einwohner nach Gemeindegrößenklassen __________________ 54
A
BB
. 23
Phasen der IT-Marktentwicklung ________________________________________ 60
A
BB
. 24
Electronic Commerce Stufenmodell der Internetnutzung in den deutschen
Unternehmen 1999 und 2001 __________________________________________ 66
A
BB
. 25
Internet-Bestellungen nach Produktkategorien _____________________________ 78
A
BB
. 26
Betriebshandelsspanne der deutschen Einzelhandelsfachgeschäfte ____________ 79
A
BB
. 27
Bedrohungspotentiale für den stationären Einzelhandel ______________________ 97
A
BB
. 28
Zielszenario: Innerstädtischer Einzelhandel im Internet-Zeitalter ______________ 119

IV
III
TABELLENVERZEICHNIS
T
AB
. 1
Verschiebung des Altersaufbaus der Bevölkerung Deutschlands 1980 bis 2010 __ 50
T
AB
. 2
Internetnutzer in Deutschland im Alter ab 14 Jahren_________________________ 66
T
AB
. 3
Zukünftige Umsatzanteile des Online-Shopping ____________________________ 93
T
AB
. 4
Aktuelle und zukünftige Trends im westdeutschen Einzelhandel vor dem Hin-
tergrund der wachsenden Bedeutung des Internet _________________________ 100
T
AB
. 5
Ausgewählte Internetansätze von Städten/Kommunen und stationärem
Einzelhandel_______________________________________________________ 115

V
IV
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AOL
America Online
BAG
Bundesverband der Groß- und Mittelbetriebe des Einzelhandels e.V.
BAW
Bremer Ausschuss für Wirtschaftsforschung
BCG
Boston Consulting Group
BfLR
Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung
Btx
Bildschirmtext
CBD
Central Business District
CRM
Customer Relationship Management
DIFU
Deutsches Institut für Urbanistik
EDI
Electronic Data Interchange
FAQ
Frequently Asked Questions
FOC
Factory Outlet Center
HDE
Hauptverband des Deutschen Einzelhandels
HGZ
Handels- und Gaststättenzählung
HTML
Hypertext Markup Language
IAP
Internet Access Provider
IHS
Interactive Home Shopping
ISP
Internet Service Provider
IT
Informationstechnologie
IuK
Informations- und Kommunikationstechnologien
KMU
Klein- und mittelständische Unternehmen
MIV
Motorisierter Individualverkehr
MKRO
Ministerkonferenz für Raumordnung
ÖPNV
Öffentlicher Personennahverkehr
o.V.
ohne Verfasserangabe
PC
Personal Computer
PGP
Pretty Good Privacy
POP
Post-Office-Protocol
PPP
Public Private Partnership
RDM
Ring Deutscher Makler
SB
Selbstbedienung
SMTP
Simple-Mail-Transfer-Protocol
UEC
Urban Entertainment Center
URL
Uniform Resource Location
WAP
Wireless Application Protocol
WWW
World Wide Web

1
1 Einleitung
1.1
Problemstellung und Vorgehensweise
Die Entwicklung von Handel und Städten weist eine sehr enge historische Verbin-
dung auf, die vielfach als ,symbiotische Beziehung` charakterisiert wird (vgl. z.B.
P
FUHL
1994, S. 1). So stellten bedeutende Fernverkehrs- und Fernhandelsrouten
sowie insbesondere deren Schnittpunkten bevorzugte Makrostandorte von Städte-
gründungen dar. Markt- und Stapelrechte bildeten im Mittelalter wesentliche Be-
standteile des Stadtrechts und waren daher für die weitere Entwicklung der deut-
schen Städte von tiefgreifender Bedeutung.
Heute sind im Bewußtsein der Bevölkerung insbesondere die Innenstädte untrenn-
bar mit dem Attribut ,Standort des (Einzel-)Handels` versehen, denn die zentralen
Einkaufsstraßen, Passagen und Malls stellen vielfach die quantitativ bedeutendsten
Anziehungspunkte im innerstädtischen Raum dar. Dementsprechend wird dem Ein-
zelhandel auch bei der weiteren Entwicklung der Innenstädte eine Leitfunktion ein-
geräumt (vg. z.B. G
ÜTTLER
& R
OSENKRANZ
1998, S. 82; J
UNKER
& K
RUSE
1998, S.
133, B
UNDESAMT FÜR
B
AUWESEN UND
R
AUMORDNUNG
1999, S. 1).
Schon seit mehreren Jahrzehnten wird indes von verschiedenster Seite die ,Krise
der Innenstädte` in Westdeutschland thematisiert. Je nach Perspektive und Interes-
senlage werden dabei jedoch ganz unterschiedliche Strukturen und Prozesse be-
klagt. Hinsichtlich der Leitbranche Einzelhandel ist zu konstatieren, daß die Innen-
städte nach dem zweiten Weltkrieg unbestritten einen kontinuierlichen Anteilsrück-
gang am gesamten westdeutschen Einzelhandelsumsatz haben hinnehmen müs-
sen. Der Bedeutungsüberschuß der Innenstadt als Ausdruck der Zentralität eines
(Stand)Ortes scheint demnach vielerorts gefährdet zu sein. Verschiedene struktu-
relle Tendenzen wie auch die verkehrliche Situation in den Innenstädten werden
ebenfalls regelmäßig im Zusammenhang mit diesem Einzelhandelsstandort als pro-
blembehaftet diskutiert.
Wenngleich ihre Position gefährdet scheint, stellen die Innenstädte heute unverän-
dert die dominierenden Brennpunkte gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Han-
delns dar. Die Entwicklung der Innenstädte ist daher auf das komplexe Zusammen-
spiel eines breiten Spektrums an soziokulturellen, ökonomischen und technischen
Einflußgrößen zurückzuführen. Zu den seit längerem bekannten Trends ist in den
1990er Jahren ein weiterer Faktor mit unvorhergesehener Dynamik hinzugekom-
men, dessen außerordentliche Relevanz selbst vielen wirtschaftlichen und politi-
schen Entscheidungsträgern erst seit relativ kurzer Zeit bewußt geworden ist: Die
rasant zunehmende wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Internet.

2
Auch zum derzeitigen Zeitpunkt ist die volle Tragweite des Einflusses des Internet
und internetbasierter Anwendungen insbesondere auf die Lebens- und Konsumge-
wohnheiten der breiten Bevölkerung trotz einer wachsenden Zahl von Untersuchun-
gen, Prognosen und Szenarien sehr schwer abzuschätzen. Gegenwärtig herrscht
demzufolge in vielen westdeutschen Städten eine tiefgreifende Unsicherheit dar-
über, wie angesichts der einzelhandelsgeprägten Innenstädte mit den Entwicklun-
gen im Internetbereich umzugehen ist, ob diese als Chance oder vielmehr als Be-
drohung zu begreifen sind oder ob sie möglicherweise als ,Modeerscheinung` spur-
los an den Innenstädten vorbeigehen werden.
In dieser Arbeit wird angesichts der Relevanz dieser Entwicklungen für die Zukunft
der Innenstädte der Versuch unternommen, das Verhältnis von Innenstadt und Ein-
zelhandel unter dem Einfluß des Internet neu zu beleuchten. Um die Einordnung der
aktuellen und der zu erwartenden Prozesse in die Evolutionsgeschichte der Innen-
städte vornehmen zu können, bildet die Bezugnahme auf langfristige Tendenzen
und historische Entwicklungen von Stadt und Handel einen zentralen Ansatzpunkt.
Ziel dieser Arbeit ist es, den Kommunen und den innerstädtischen Akteuren in den
relevanten Fragestellungen Orientierungshilfe zu leisten und verschiedene An-
knüpfungspunkte für eine offensive und zielgerichtete Nutzung der dynamischen
Veränderungen aufzuzeigen. Dabei werden insbesondere die Perspektiven des Ein-
zelhandels als innerstädtische Leitfunktion erörtert. Neben der Untersuchung und
der Diskussion der Risiken und Potentiale, die dem innerstädtischen Einzelhandel
und dem Standort Innenstadt insgesamt infolge des ,neuen` Mediums gegenüber-
stehen, werden daher auch konkrete Handlungsansätze erarbeitet, wie sich eine
konstruktive zukunftsgerichtete Weiterentwicklung der westdeutschen Innenstädte
unter dem Einfluß und der Nutzung des Internet gestalten und steuern läßt. Eine
Schwerpunktsetzung auf die Innenstädte Westdeutschlands wird in dieser Arbeit
vorgenommen, da sich die Problemlagen der Innenstädte der neuen Bundesländern
deutlich von denen in Westdeutschland abheben. Sofern dies nicht ausdrücklich
abweichend angegeben wird, werden demzufolge im weiteren Text ausschließlich
die westdeutschen Innenstädte behandelt.

3
Folgende grundlegende Fragestellungen stehen im Mittelpunkt dieser Diplomarbeit:
Welche Perspektiven sind für den traditionellen stationären Einzelhandel angesichts
der Entwicklung von Internet und Electronic Commerce abzusehen und welche
Auswirkungen zeichnen sich infolge dieser Prozesse in den westdeutschen Innen-
städten ab?
Welche Möglichkeiten gibt es, die Entwicklungen im Internetbereich wie auch die
hieraus resultierenden räumlich-funktionalen Prozesse in den westdeutschen Innen-
städten offensiv und konstruktiv zu nutzen?
Ist der Einzelhandel geeignet, auch zukünftig als Leitfunktion zur Weiterentwicklung
der westdeutschen Innenstädte zu fungieren?
Soweit Entwicklungsperspektiven erörtert werden, wird zumeist eine kurz- bis mit-
telfristige Sichtweise eingenommen, d.h. es wird in der Regel ein Zeitraum etwa bis
zum Jahr 2020 betrachtet. Angesichts der Unsicherheiten in allen betrachteten
Themenfeldern werden längerfristige Ausblicke nur ausnahmsweise gegeben.
Die Basis dieser Arbeit bilden neben der Auswertung der Fachliteratur verschiede-
ner Disziplinen wie auch der maßgeblichen Tageszeitungen eine Reihe von offenen
qualitativen Experteninterviews (vgl. L
AMNEK
1995, S. 35ff), die aus organisatori-
schen Gründen teilweise telefonisch geführt werden mußten. Die befragten Fach-
leuten stammen aus den Bereichen.
·
Einzelhandel (Personen mit leitenden Funktionen aus Unternehmen mit wie
auch ohne Internetansatz, Vertreter von Einzelhandelsverbänden),
·
Stadt und Kommune,
·
Stadt- bzw. Citymarketing,
·
Forschung (insbesondere mit den Schwerpunkten Wirtschaftsgeographie, Infor-
mations- und Kommunikationstechniken, Handel, Handelsmarketing und Infor-
mationstechnologien im Handel, Zukunftsforschung),
·
Unternehmensberatung (Schwerpunkt Einzelhandel) sowie
·
Multimedia.
Eine Auflistung der Gesprächspartner ist im Anhang zu finden.
Darüber hinaus wurden die Ergebnisse eigener Recherchen im Internet sowie von
zwei Expertenworkshops einbezogen.

4
1.2 Aufbau
der
Arbeit
Um eine Einordnung der gegenwärtigen Tendenzen der westdeutschen Innenstadt-
entwicklung in den langfristigen Entstehungsprozeß dieser heutigen städtischen
Teilräume zu ermöglichen,
liegt der Schwerpunkt im zweiten Kapitel zunächst auf
einem Abriß der Entwicklungsgeschichte der Innenstädte. Diese Betrachtung setzt
im ausgehenden Mittelalter an, der Phase, in der die Gründung der meisten deut-
schen Städte erfolgte. Dem Verhältnis von Stadt und Handel wird aufgrund der zen-
tralen Fragestellungen dieser Arbeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Eine
Beschreibung der aktuellen Strukturen und Prozesse in den westdeutschen Innen-
städten bildet den Abschluß des zweiten Kapitels.
Nachdem in Kapitel 3 ein Überblick über das Umfeld der Innenstadtentwicklung der
Gegenwart geliefert wird, wobei wiederum die Prozesse und die Rahmenbedingun-
gen des Einzelhandels im Mittelpunkt stehen, wird der Blick anschließend (Kapitel 4)
auf die dynamische Entwicklung des Internet, der Internetnutzung und des Electro-
nic Commerce gelenkt. Ein abschließender, in Thesenform formulierter Ausblick auf
die zu erwartende zukünftige Bedeutung des Internet und des Electronic Commerce
bildet gleichzeitig die Grundlage für den nächsten Schritt der Arbeit:
In Kapitel 5 wird hierauf aufbauend und unter Bezugnahme auf die in Kapitel 3 dar-
gestellten Trends im deutschen Einzelhandel erläutert, welche Chancen und Risiken
sich für den traditionellen stationären Einzelhandel aufgrund der vorgenannten Ent-
wicklungen von Internet und Electronic Commerce ergeben. Auch dieses Kapitel
endet mit einem Bündel von Thesen, die in diesem Fall speziell den potentiellen
Abb. 1:
Aufbau der Arbeit
Quelle:
Eigene Darstellung
3.
Rahmenbedingungen und Handlungsansätze
gegenwärtiger und zukünftiger
Innenstadtentwicklung
4.
Internet und Electronic Commerce
2.
Entwicklung und Strukturen der Innenstädte
5.
Internet und Electronic Commerce im
Einzelhandel
6.
Innerstädtischer Einzelhandel im Internet-
Zeitalter: Bestandsaufnahme,
Rahmenbedingungen und Perspektiven
7.
Handlungsempfehlungen
8.
Zusammenfassung und Ausblick

5
Einfluß des Internet und des Electronic Commerce auf den stationären Einzelhandel
skizzieren.
Die Zusammenführung der bisherigen Erkenntnisse mit einer Fokussierung auf die
zentrale Fragestellung der Arbeit erfolgt in Kapitel 6: Es wird zunächst detailliert
analysiert, welche Perspektiven der innerstädtische Einzelhandel unter dem Einfluß
des Internet aller Voraussicht nach besitzt; anschließend werden strategische Op-
tionen einer offensiven und zielgerichteten Nutzung des Internet zur Unterstützung
des Einzelhandels in den Innenstädten erarbeitet und in einem Zielszenario resü-
miert. Diese Ansätze werden im darauf folgenden Kapitel 7 durch praxisorientierte
Handlungsempfehlungen konkretisiert, wobei abschließend die Eignung des Einzel-
handels als zukünftige Leitfunktion für die Weiterentwicklung der Innenstädte kritisch
hinterfragt wird.
In Kapitel 8 werden die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefaßt und ein Ausblick
auf die Zukunftsperspektiven der Innenstädte als Zentren des wirtschaftlichen und
kulturellen Lebens gegeben.

6
2
Entwicklung und Strukturen der Innenstädte
Um die heutigen Strukturen, Nutzungen und Funktionen der Innenstädte (2.4) nach-
vollziehen und einordnen sowie angemessene Leitbilder für Innenstädte der Zukunft
entwerfen zu können, wird im Anschluß an die begriffliche Abgrenzung (2.1) ein
Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte der Innenstädte und die Einflußfaktoren der
entscheidenden Veränderungen geleistet (2.2 und 2.3). Hierbei wird der Schwer-
punkt auf die maßgeblichen charakteristischen Prozesse und Strukturen der ver-
schiedenen Stadtentwicklungsphasen gelegt, insbesondere bezüglich der (Einzel-)
Handelsfunktion. Das weite Spektrum von Differenzierungen in Abhängigkeit von
den Regionen, Gründungsepochen und Größenordnungen der Städte im Detail dar-
zustellen, ist nicht beabsichtigt. Aus diesem Grund wird beispielsweise die auf die
Entwicklung des Steinkohlebergbaus zurückzuführende Phase regional konzen-
trierter Stadtgründungen und dynamischen Stadtwachstums Mitte des 19. Jahrhun-
derts im Ruhrgebiet nicht separat behandelt. Unter 2.4 und 2.5 werden, aufbauend
auf diesen historischen Betrachtungen, die derzeitigen Strukturen der westdeut-
schen Innenstädte dargestellt, wobei in Kapitel 2.5 speziell auf Untersuchungen zum
Besucherverhalten eingegangen wird.
2.1 Begriffsabgrenzung
,Innenstadt`
In der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion wird der Terminus ,Innenstadt`
nicht einheitlich verwendet (vgl. z.B. D
EUTSCHER
I
NDUSTRIE
-
UND
H
ANDELSTAG
1985); insbesondere die Begriffe ,Innenstadt`, ,City`, ,Altstadt`, ,Stadtmitte` und
,Stadtzentrum` werden in der Praxis oft synonym verwendet. Daher wird an dieser
Stelle zunächst eine Begriffsbestimmung vorgenommen.
Unter ,Innenstadt` wird im allgemeinen der baulich-funktionale Kernbereich einer
Stadt verstanden (vgl. z.B. L
ESER
ET AL
1993, S. 272). Bedingt durch die unter-
schiedlichen Verhältnisse in den einzelnen Städten ist die Festlegung exakter, meß-
barer Abgrenzungskriterien, wie sie z.B. für den Bereich des ,Central Business Di-
strict` (CBD) entwickelt worden sind (M
URPHY
& V
ANCE
1954, zitiert in H
OFMEISTER
1997, S. 174), auf Basis der heutigen Nutzungen und Funktionen außerordentlich
schwierig (vgl. z.B. G
ÜTTLER
& R
OSENKRANZ
1998, S. 82; H
OTZAN
1997, S. 170). In
der Regel wird daher Bezug auf die Entwicklungsgeschichte einer Stadt genommen
und es werden der historische Kern sowie die frühen Stadterweiterungsgebiete zur
Innenstadt gezählt. In größeren Städten lassen sich der Innenstadtrandbereich so-
wie als Standort der höchsten Zentralität die ,City` ausgliedern (L
ESER
ET AL
1993, S.
272). H
OFMEISTER
(1997, S. 161) differenziert die City in Anlehnung an L
ICH-
TENBERGER
(1972) weiter in Wirtschafts- und Verwaltungscity.

7
Da in dieser Arbeit in erster Linie generelle, strukturelle Entwicklungen sowie Pro-
blem- und Handlungsfelder aufgezeigt und herausgearbeitet werden sollen, also
keine empirischen Analysen verschiedener Innenstädte vorgenommen werden, wird
eine weitere Verfeinerung der vorgenannten Definition des Begriffes ,Innenstadt`
nicht vorgenommen. Die Bezeichnung ,innerstädtisch` steht in dieser Arbeit für ,in
der Innenstadt`.
2.2
Die Altstädte als Ursprung der heutigen Innenstädte
In Anlehnung an H
ERLYN
& S
CHAUFELBERGER
(1971, S. 18ff) wird der räumlich-
funktionale Differenzierungsprozeß, der zur Herausbildung der heutigen Innenstadt-
bereiche führte, im folgenden auf der Grundlage der Situation des ausgehenden
Mittelalter bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in drei Phasen untergliedert. Die erste
Phase endet mit dem Beginn der Industrialisierung und Urbanisierung. Einen weite-
ren bedeutenden Einschnitt markiert zum Ende des 19. Jahrhunderts die einsetzen-
de Ballung großer Warenhäuser und anderer Einzelhandelsgeschäfte des aperiodi-
schen Bedarfs in den Zentren der Städte.
2.2.1 Die Stadt des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit
Das ausgehende Mittelalter stellte in Deutschland hinsichtlich der Zahl der Stadt-
gründungen den wichtigsten Zeitabschnitt in der Stadtentstehungsgeschichte dar:
Alleine vom 9. bis zum 13. Jahrhundert stieg die Anzahl deutscher Städte von 40
auf etwa 3000 (S
ERAPHIM
1962, S. 34, zitiert in H
OTZAN
1997, S. 33). Die mittelalter-
liche Stadt, deren Fläche in den meisten Fällen die Kernbereiche der heutigen In-
nenstädte bestimmt, wies trotz der bestimmenden Dichte und vielfältigen Verflech-
tungen bereits deutliche räumliche Differenzierungen verschiedener Funktionen auf.
Das Zentrum der Stadt wurde in der Regel mit dem Dreigestirn von Kirche, Rathaus
und Marktplatz aus den wichtigsten Institutionen der weltlichen und geistlichen Herr-
schaft gebildet. Wohnen und Arbeiten erfolgte oft in berufsständisch voneinander
getrennten Straßen oder Straßengruppen, wobei die privilegierten Gruppen und
Zünfte zentrumsnah, die weniger angesehenen an der Peripherie zu finden waren
(H
ERLYN
& S
CHAUFELBERGER
1971, S. 19).
Im ausgehenden Mittelalters stellten Markt- und Stapelrecht wesentliche Grundla-
gen für das Wachstum einer Stadt dar (H
OFMEISTER
1997, S. 35). Die wachsende
Bedeutung des Handels läßt sich zudem anhand des städtebaulichen Stellenwerts
bzw. der Größe und Anzahl der Marktplätze anschaulich dokumentieren: So wies
die Marktstraße des 1120 gegründeten Freiburg lediglich eine Verbreiterung auf,
während der Marktplatz in den Stadtgründungen des 13. Jahrhunderts, bereits ver-
breitet in zentraler Lage gelegen, ein beherrschendes Element darstellte und später
die Anlage mehrerer Marktplätze mit verschiedenen Spezialisierungen zur Regel

8
wurde. Mit den Zünften existierten im Mittelalter einflußreiche Interessengemein-
schaften, die u.a. darauf zielten, städtische Handwerker und Krämer gegen die
stadtfremde Konkurrenz abzusichern.
Die einfache Warenproduktion der Handwerker bildete eine weitere wichtige Basis
der mittelalterlichen Stadtwirtschaft (C
ZOK
1969, S. 28). Dabei besaßen die direkten
Wirtschaftsbeziehungen zwischen den einander persönlich bekannten Produzenten
und Konsumenten (Handwerkshandel) noch eine überragende Bedeutung. Zusätz-
lich begann sich allmählich die anonyme (Vorrats-) Produktion für den Absatz auf
Wochen- und Jahrmärkten zu etablieren.
Der Einzelhandel, d.h. primär der Vertrieb nicht am Ort produzierter Güter wurde in
den Städten durch Straßenhandel (,fliegende Händler`) und zunehmend auch durch
stationären Handel in den Wohnhäusern der Händler ortsgebunden verrichtet. Die
Bevölkerung der ländlichen Räume deckte ihren Bedarf dagegen noch lange vor-
wiegend durch eigene Produktion oder über den Wanderhandel (,Hausierer`) ab.
Mit der eindeutigen Ausrichtung auf das Zentrum, der dominierenden Bedeutung
des Handels sowie ihrer hohen Dichte, Vitalität und kleinteiligen Nutzungsmischung
vereinte die Stadt des Mittelalters viele Merkmale, die heute wieder als elementare
Maximen der Stadtentwicklung propagiert und als Wunschvorstellungen der Bürger
formuliert werden.
2.2.2 Industrialisierung und Urbanisierung
Die beginnende Industrialisierung im 19. Jahrhunderts, die sich u.a. aufgrund des
Arbeitskräftepotentials, des Absatzmarktes und der existierenden bzw. entstehen-
den Verkehrsinfrastruktur auf die Agglomerationen konzentrierte, lieferte den maß-
geblichen Impuls für die nächste entscheidende Phase auf dem Weg zur Innenstadt
der Gegenwart. Stetiges Bevölkerungswachstum durch Zuwanderung und natürliche
Bevölkerungszunahme ließen den Prozeß der Verstädterung anbrechen; zum Ende
des Jahrhunderts übertraf die Stadtbevölkerung Mitteleuropas numerisch bereits die
Einwohnerzahlen der ländlichen Räume (vgl. Abb. 2; B
OSL
1983, S. 7; G
AEBE
1987,
S. 39). Aufgrund der Erschöpfung der Baulandreserven innerhalb der Stadt wurden
die Stadtbegrenzungen wie Mauer, Wall und Graben, die die Stadt baulich zum Teil
noch scharf zum Land abgrenzten, in der Regel in der Mitte des 19. Jahrhunderts
übersprungen. Bereits seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts hatten verbreitet
Entfestigungsmaßnahmen begonnen; ebenso hatte das Manufaktursystem schon
vor der physischen Ausbreitung der Städte für wirtschaftliche Verflechtungen mit
dem Umland gesorgt. Die überwiegend im städtischen Eigentum befindlichen Befe-
stigungsbereiche wurden oftmals zu einem Grüngürtel zwischen Altstadt und Stad-
terweiterungsgebiet umgewandelt.

9
Einen weiteren wichtigen Beitrag zur
Stadterweiterung im 19. Jahrhundert lie-
ferte die Eisenbahn. Zum einen verbes-
serte sich die Standortqualität der an das
Schienennetz angeschlossenen Städte ­
Industrie, Handel und Verkehr nahmen in
diesen Städten durch wechselseitige Sti-
mulierung einen raschen Aufschwung ­
zum anderen wurde durch die außerhalb
der Altstädte errichteten Bahnhöfe und die
Streckenführung der Eisenbahn das Sied-
lungswachstum der Städte geprägt. Die
Verbindung von der Altstadt zum Bahnhof
wurde in vielen Städten zur zentralen Ach-
se der ersten Stadterweiterungen (vgl.
E
NGELI
1983, S. 48); vielerorts vollzog sich
überdies ein allmählicher Prozeß der Um-
legung des wirtschaftlichen Zentrums vom
historischen Kern, welcher einen vorüber-
gehenden Bedeutungsverlust erfuhr, in
Richtung Bahnhof (vgl. C
ZOK
1969, S. 81).
Im Zuge der sukzessiven Ausdehnung setzte auch eine weitere Differenzierung in-
nerhalb des Stadtgebietes ein. In den zentralen Stadtbereichen nahm die Nachfrage
gewerblicher Nutzungen sprunghaft zu, ,,die sowohl im äußeren Erscheinungsbild
als auch im Selbstverständnis des liberalen Bürgertums konkurrierend neben den
bisher dominierenden Institutionen religiöser und weltlicher Herrschaft traten"
(H
ERLYN
& S
CHAUFELBERGER
1971, S. 19). Während in den Stadterweiterungsge-
bieten außerhalb der mittelalterlichen Stadtbegrenzungen und der neuen Zentren
dichte Bebauung und gemischte Nutzungen zunächst charakteristisch blieben, zog
die Konzentration auf die Stadtmitte bei gleichzeitigem dynamischem Wachstum der
Städte bedingt durch die resultierenden Boden- und Mietpreissteigerungen im weite-
ren Verlauf die beginnende Verdrängung des Wohnens und der kleinen Gewerbe-
betriebe aus den zentralen Bereichen nach sich ­ mit verheerenden sozialen Folgen
für die Arbeiterklasse. Die räumliche und zeitliche Trennung der Arbeit von den an-
deren Lebensbereichen, begleitet von einem stetig wachsenden Verkehrsaufkom-
men, verfestigte sich.
E
NGELS
(1971, S. 517f) faßt die Auswirkungen der beschriebenen Prozesse wie
folgt zusammen:
Abb. 2:
Gliederung der Bevöl-
kerung des Deutschen
Reiches nach Gemein-
degrößenklassen
Quelle: Eigene
Darstellung
nach
C
ZOK
1969, S. 105
62,6
44,0
24,3
25,6
7,6
13,0
17,4
5,5
0%
20%
40%
60%
80%
100%
1871
1900
unter 2.000
bis 20.000
bis 100.000
über 100.000
- 18,6
+ 1,3
+ 11,9
+ 5,4

10
,,Die Ausdehnung der Städte gibt in gewissen, besonders in zentral gelegenen Stri-
chen derselben, dem Grund und Boden einen künstlichen, oft kolossal steigenden
Wert; die darauf errichteten Gebäude, statt diesen Wert zu erhöhen, drücken ihn
vielmehr herab, weil sie den veränderten Verhältnissen nicht mehr entsprechen;
man reißt sie nieder und ersetzt sie durch andere. Dies geschieht vor allem mit zen-
tral gelegenen Arbeiterwohnungen, deren Miete, selbst bei der größten Überfüllung,
nie oder nur langsam über ein gewisses Maximum hinaus gehen kann. Man reißt sie
nieder und baut Läden, Warenlager, öffentliche Gebäude an ihre Stelle."
Der moderne Einzelhandel ist in seiner Entstehungsgeschichte aufs Engste mit der
Industrialisierung verflochten. Zum einen erhielt der Einzelhandel durch die industri-
elle Produktion seinen entscheidenden Impuls. Denn obwohl zunächst noch viele
Fabrikanten von Konsumgütern eigene Verkaufsstätten besaßen, nahmen die
Händler nunmehr als Mittler zwischen Massenkaufkraft und Massenproduktion eine
zunehmend wichtige Rolle ein. Viele Handwerkszweige wurden dagegen infolge der
sich durchsetzenden industriellen Fertigung, gekoppelt mit effizienten Distributions-
strukturen, um ihre Existenzgrundlage gebracht. Soweit es ihnen nicht gelang, sich
durch das Angebot zusätzlicher Dienstleistungen (z.B. Reparatur oder Installation)
neue Einkommensquellen zu erschließen, wurde die Funktion des Handwerks weit-
gehend von Handel und Industrie übernommen. Oftmals wechselten ehemalige
Handwerksbetriebe auch in eine verwandte Einzelhandelsbranche über. Ohne einen
leistungsfähigen Handel wäre aber auf der anderen Seite auch die Versorgung der
wachsenden städtischen Bevölkerung nicht zu realisieren gewesen ­ das bisherige
zentrale Versorgungssystem reichte hierfür bei weitem nicht aus: ,,Die Arbeit in der
Fabrik ist als Massenphänomen ohne den Kleinhändler im Laden nicht denkbar"
(S
PIEKERMANN
1999, S. 615). Dem Distributionssektor kommt daher im Zuge der In-
dustrialisierung eine oftmals unterschätzte, maßgebliche Bedeutung zu.
Die Entwicklung des Einzelhandels verlief in dieser Phase dementsprechend sehr
dynamisch. Der Laden, als eine alleine der Präsentation und dem Verkauf dienende
Stätte, stellt eine Basisinnovation des 19. Jahrhunderts dar, denn Lager und Ver-
kaufsraum waren für viele Kaufleute bis dahin identisch: ,,Der Laden war das institu-
tionelle Pendant zur Fabrik" (S
PIEKERMANN
1999, S. 135). Speziell in den größeren
Städten begann sich der Fachhandel zu entfalten, der sich auf enge aber tiefe Sor-
timente konzentrierte. Zudem entstanden ebenfalls zunächst in den Städten vielfäl-
tige neue Ver- und Betriebsformen (z.B. Bazare, Kaufhäuser, Konsumvereine, Filia-
listen, Versandhandel), die auch innovative kommerzielle Kommunikationsmittel wie
Schaufenster und Reklame mit sich brachten (vgl. S
PIEKERMANN
1999, S. 616). Die
Zahl der Geschäfte je Einwohner verdreifachte sich in Deutschland in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts (vgl. B
EREKOVEN
1986, S. 29), wobei der Ladenhandel
im Zeitverlauf zunehmend auch in kleineren Orten und in Dörfern zu finden war.

11
Innungen und Zünfte, die bereits seit dem 17. Jahrhundert durch das aufkommende
Manufaktur- und Fabrikwesen bedroht waren (vgl. M
AUERSBERGER
1960, S. 324ff),
verloren im Zuge des radikalen ökonomischen und räumlichen Strukturwandel nun-
mehr nachhaltig an Einfluß (B
OSL
1983, S. 9); spätestens mit der Einführung der
Gewerbefreiheit 1868 büßten sie ihre Macht in ganz Deutschland ein.
2.2.3 Innenstädte als Wirtschafts- und Konsumzentren
Der Prozeß der stadtinternen funktionalen Differenzierung setzte sich zum Ende des
19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weiter fort. Aufgrund fehlender
Flächenreserven und stetig steigender Bodenpreise gingen die expandierenden In-
dustriebetriebe zur Auslagerung in Randgebiete und die nähere Umgebung der
Städte über (vgl. H
ABERMANN ET AL
1978, S. 275). Die Innenstadtbereiche entwik-
kelten sich damit in der Folgezeit, begünstigt durch die gute Erreichbarkeit mit den
öffentlichen Verkehrsmitteln und unterstützt durch positive Rückkopplungseffekte
(Fühlungs- und Agglomerationsvorteile, Repräsentation), immer stärker zu bevor-
zugten Standorten des tertiären Wirtschaftssektor, speziell von Handelsbetrieben
des periodischen Bedarfs und privaten wie öffentlichen Dienstleistungsbetrieben
und Verwaltungen. Insbesondere in größeren Städten spielte Bodenspekulation eine
erhebliche Rolle. Folglich nahm die Verdrängung der Wohnbevölkerung aus der In-
nenstadt und auch zunehmend aus den Innenstadt-Randbereichen ihren Fortgang ­
mit zum Teil schwerwiegenden sozialen Folgen. Während sich die Nutzungsstruktu-
ren in den Zentren der Metropolen häufig weiter zu recht homogenen Teilräumen
sortierten (z.B. Banken-, Geschäfts-, Behördenviertel), hielt sich dagegen in vielen
kleineren Städten noch eine weitgehende Vermischung der genannten Nutzungs-
arten (H
ERLYN
& S
CHAUFELBERGER
1971, S. 19).
Auch in dieser Phase vollzieht sich in den Städten ein dynamisches quantitatives
und qualitatives Wachstum des Einzelhandels. So steigt beispielsweise die Zahl der
Läden in Hamburg alleine von 1890 bis 1910 um 261% an, bei einem gleichzeitigen
Bevölkerungswachstum um 62%. Daneben entwickelte sich insbesondere in den In-
nenstädten der größeren Städte auch der dezentrale Straßenhandel, der sich auf
den Absatz von Gütern des täglichen Bedarfs konzentrierte, zu einem wichtigen
Element des Versorgungssystems der Hoch- und Spätindustrialisierung. Nach amt-
lichen Schätzungen gab es 1912 in Hamburg etwa 3000 Straßenhändler, etwa
fünfmal soviele wie 1877 (S
PIEKERMANN
1999, S. 154, 204f). Diese mit Karren oder
Bauchläden ausgestatteten Händler sind als Reaktion auf die steigenden Mieten in
den Innenstädten zu interpretieren. Neben reinen Distributionsaufgaben nahm der
Einzelhandel in den Städten auch in wachsendem Umfang eine Funktion als Ab-
satzstimulator wahr: Vornehmlich große Kauf- und Warenhäuser, die sich in der
Folgezeit zu einem unverwechselbaren Merkmal der Innenstädte entwickeln sollten

12
und wie kaum eine andere Erscheinung den damaligen Zeitgeist und die Wirt-
schaftsdynamik widerspiegelten, inszenierten um ihre Waren regelrechte Erlebnis-
welten und weckten zusätzliche Bedarfe (vgl. B
EREKOVEN
1986, S. 30ff; J
UNKER
&
K
RUSE
1998, S. 133, S
PIEKERMANN
1999, S. 618). S
PIEKERMANN
(1999, S. 619)
wertet dies als bedeutenden Beitrag des Einzelhandels für die strukturelle Wachs-
tumsorientierung marktwirtschaftlich organisierter Gesellschaften.
Von wachsender Relevanz für die weitere Entwicklung der Innenstädte erwies sich
aufgrund der fortschreitenden Trennung der urbanen Funktionsbereiche die ver-
kehrliche Erreichbarkeit. Während die allseitig günstige Erreichbarkeit einer der
maßgeblichen Gründe für den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadtzentren gewe-
sen war, zeichnete sich zumindest in den Innenstädten der großen Städte schon
weit vor dem zweiten Weltkrieg trotz beträchtlicher staatlicher Investitionen in das
Verkehrssystem der drohende Verkehrskollaps durch den Automobilverkehr ab (vgl.
H
ABERMANN ET AL
1978, S. 341f). Auch der Einzelhandel hatte bereits seit dem En-
de des 19. Jahrhunderts nennenswerte verkehrliche Engpässen in den Innenstädten
zur Folge, wodurch die zunehmend dezentrale Organisation speziell des Handels
mit Gütern des täglichen Bedarfs zusätzlich gefördert wurde. So wurde der Karren-
handel infolge der resultierenden Verkehrsbehinderungen in vielen größeren Städ-
ten auf ausgewählten Straßen untersagt. Auch die innerstädtischen Wochenmärkte
gerieten zunehmend in die öffentliche Kritik, da die große Zahl von Fuhrwerken und
Lastfahrrädern, die aus dem ländlichen Raum in die Innenstädte pendelten, zu be-
trächtlichen Verkehrsproblemen führten (vgl. S
PIEKERMANN
1999, S. 201, 213).
2.3
Die Entwicklung seit 1945
2.3.1 Wiederaufbau: Das Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt
Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs hat sich der auf der jeweiligen Zahlungsfä-
higkeit basierende Verdrängungs- und Entmischungsprozeß im zentralen urbanen
Bereich, von A
DRIAN
(1974, S. 243) als ,Städtebaudarwinismus` bezeichnet, insbe-
sondere in den Innenstädten fortgesetzt. Die Kommerzialisierung des Zentrums er-
reichte ihren bisherigen Höhepunkt; die Verdrängung kleinerer, weniger rentabler
Handels- und Dienstleistungsbetriebe an den Rand der Innenstädte setzte sich fort.
Die immensen Kriegsschäden ­ etwa ein Drittel des städtischen Wohnraums wur-
den vernichtet ­ (vgl. H
ABERMANN
ET AL
1978, S. 409) speziell in den zentralen Be-
reichen der Stadt, sowie Bevölkerungswachstum und ­zustrom leisteten der fortge-
setzten funktionalen Differenzierung Vorschub, da die Wohnungsnot verbreitet zum
Bau von neuen, großmaßstäbigen und modern ausgestatteten Wohnanlagen in den
Randbereichen der Städte führte.

13
Die Leitvorstellung der ,gegliederten und aufgelockerten Stadt` in den Nachkriegs-
jahren, mit dem Ziel der Entmischung der Städte stellte einen entscheidenden Ein-
schnitt in der Entwicklung städtebaulicher Leitbilder dar. Sie zog besonders in den
Großstädten vielfach die Abkehr von den teilweise ohnehin zerstörten kompakten,
kleinteiligen Strukturen nach sich und verstärkte den Prozeß der Ausuferung der
Städte in den ländlichen Raum sowie nicht zuletzt der Anpassung des Städtebaus
an die Erfordernisse des Automobilverkehrs und der Separierung von Fußgänger-
und Autoverkehr ­ insbesondere in den Innenstädten. Die Politik der weitgehenden
Funktionstrennung fußte auf den Thesen der ,Charta von Athen` aus dem Jahr
1933. Von einigen Autoren wird diese Entwicklung als ,die zweite Zerstörung unse-
rer Städte` bezeichnet (vgl. z.B.
VON
B
EYME
ET AL
1992, S. 16ff).
2.3.2 Geschäftszentren werden zu Fußgängerzonen
Seit dem Ende der 1960er Jahre zeichnete sich eine weitere städtebauliche Wende
ab: Das Jahr 1973 markierte ­ nicht zuletzt aufgrund der damaligen schweren Wirt-
schaftskrise ­ bereits das Ende der maßlosen Stadterweiterungsplanungen und lei-
tete die bis zur Gegenwart andauernde Orientierung auf die Entwicklung und Mo-
dernisierung im Bestand ein (vgl. F
UHRICH
1999, S. 2), die insbesondere beträchtli-
che Aufwertungsmaßnahmen in den Innenstädten nach sich zog. Mit Hinweis auf
die ,banale Architektur der Serie`, die Entmischung sowie fehlende Differenzierun-
gen (N
OVY
1991, S. 44) riefen die Großprojekte am Stadtrand wachsende Kritik her-
vor, insbesondere vor dem Hintergrund der offenkundigen Annäherung an die von
vielen als abschreckend empfundenen Entwicklung zur ,Stadtlandschaft` im nord-
amerikanischen Raum. So klagte M
ITSCHERLICH
(1965, S. 14): ,, ... aber machen
nicht unsere Städte, so wie sie wiedererstanden sind, wenn man nicht in ihnen zwi-
schen Büro, Selbstbedienungsladen, Friseur und Wohnung funktioniert, sondern
wenn man sie betrachtet, als spaziere man in der Fremde umher und sehe sie zum
ersten Mal ­ machen sie denn nicht depressiv? Kann man in ihnen, die keine von
Bäumen bestandenen Boulevards mehr haben, keine Bänke, die sich zu Ausruhen
im faszinierenden Kaleidoskop der Stadt anbieten ­ kann man in ihnen mit Lust
verweilen, zu Hause sein?"
Die städtischen Warenhäuser erlebten in den 1960er und Anfang der 1970er Jahre
ihren bisher letzten großen wirtschaftlichen Aufschwung: Die Expansion sowohl
durch die Eröffnung neuer Filialen als auch durch Sortimentsausweitung nahm für
die übrige Einzelhandelslandschaft regelrecht bedrohliche Ausmaße an, mit der
Konsequenz, daß die Großkonzerne sich 1965 in einer bis 1967 befristeten Selbst-
beschränkung dazu verpflichteten, keine weiteren Warenhausfilialen in Städten un-
ter 200.000 Einwohnern zu errichten. 1972 erreichten die Warenhäuser trotzdem ei-
nen Anteil von mehr als 10% am gesamten westdeutschen Einzelhandelsumsatz

14
(B
EREKOVEN
1986, S. 98). Die Wohnnutzung war inzwischen aus den zentralen Be-
reichen der Innenstädte der Großstädte praktisch vollständig verdrängt; in den Zen-
tren und deren Randbereichen der mittleren und kleineren Städte noch verbliebene
Wohnungen befanden sich oftmals in bescheidenem Ausstattungs- und Erhaltungs-
zustand und wurden vornehmlich von unterprivilegierten Gruppen bewohnt (vgl.
H
ERLYN
& S
CHAUFELBERGER
1971, S. 21). Die Entleerung der City führte beispiels-
weise in Bremen dazu, daß hier 1971 im Ortsteil Altstadt, also der ,ursprünglichen`
Stadt, nur noch etwa 3800 Einwohner (0,6% der Bevölkerung) wohnten ­ fünfhun-
dert Jahre zuvor lebten hier etwa 18.000 Menschen (S
CHWARZWÄLDER
1995, S.
148).
Als wichtige Etappe auf dem Weg zur einzelhandelsorientierten Innenstadt der Ge-
genwart fällt die Ausweisung von Fußgängerzonen in den zentralen Einkaufsstraßen
fast aller westdeutschen Städte in diese Periode ­ zwischen 1960 und 1985 hat sich
die Anzahl der Städte mit Fußgängerzonen in der Bundesrepublik mit einem Anstieg
von 35 auf rund 800 mehr als verzwanzigfacht (vgl. H
OFMEISTER
1997, S. 167). Die
Einrichtung dieser Einkaufs-Erlebnis-Bereiche ist als eine vorauseilende Reaktion
auf die sich abzeichnenden Probleme des Kaufkraftabflusses aus den Kernstädten
in die Einkaufszentren an den Rändern der Städte und im Umland zu interpretieren
(vgl. D
URTH
1977, S. 131ff; J
UNKER
1997, S. 9).
Ob die Anlage der Fußgän-
gerzonen letztlich als er-
folgreich bezeichnet wer-
den kann, ist nicht unum-
stritten. Zweifellos haben
sie zur Erhaltung oder so-
gar zur Steigerung der Ein-
zelhandelszentralität der
zentralen Bereiche der In-
nenstadt beigetragen. Am
Beispiel Freiburgs weist
H
AASIS
(1987, S. 324ff) an-
dererseits nach, daß diese
eng begrenzte Standort-
aufwertung problematische
kleinräumige Wertverschie-
bungen innerhalb der Innenstadt zur Folge hatte: Die Einrichtung der Fußgängerzo-
ne verstärkte durch verschiedene Effekte die Differenzierung in erst- und zweitran-
gige Lagen innerhalb des Innenstadtgebietes nicht nur in Form einer Aufwertung der
1a Lagen. In peripheren und Randbereichen war u.a. durch die Kanalisierung der
0
20
40
60
80
100
1890
1910
1930
1950
1970
Anteil an Gesamtstadt
Anteil an Altstadt
Abb. 3:
Zunehmende Konzentration des inner-
städtischen Einzelhandels in der bayeri-
schen Kleinstadt Weißenburg auf die
Hauptgeschäfts- und Geschäftsstraßen
zwischen 1897 und 1980 (Anteile an den
Betrieben in %)
Quelle:
Eigene Berechnungen nach H
EINRITZ
1987,
S. 255

15
Fußgängerströme und die Fokussierung des Verkehrs außerhalb der Fußgängerzo-
ne eine regelrechte Lageabwertung zu verzeichnen.
Mit dem Rückgang der Einwohnerzahlen innerhalb des historischen Stadtkerns ei-
nerseits und der Einrichtung von bevorzugten Einkaufsbereichen andererseits voll-
zieht sich bereits seit dem Ende des 19. Jahrhundert eine Konzentration des Einzel-
handels auf die 1a-Lagen der Innenstadt. Diese sich sukzessive verfestigende Pola-
risierung ist keineswegs ein ausschließlich in größeren Städten und Metropolen zu
beobachtendes Phänomen. Die Ergebnisse einer Untersuchung von H
EINRITZ
(1987), der die langfristigen räumlichen Entwicklungen des Einzelhandels in der
bayerischen Kleinstadt Weißenburg zwischen 1897 und 1980 nachzeichnete, un-
termauern diese These: Während der Anteil der Hauptgeschäfts- und Geschäfts-
straßen an den Einzelhandelsbetrieben der gesamten Stadt im genannten Untersu-
chungszeitraum nur einen verhaltenen Zuwachs verzeichnete, stieg der Beitrag die-
ser Straßen an den Betrieben innerhalb der Altstadt von 48% auf 77% an. Beson-
ders stark war diese Zunahme nach 1960 (vgl. auch Abb. 3).
2.3.3 Urbanität und Multifunktionalität als neue Leitbilder
Die zunächst 1960 von S
ALIN
aufgestellte Forderung nach mehr ,Urbanität` zieht
sich bis zur Gegenwart durch die städtebauliche Diskussion ­ wobei die Interpretati-
on dieses Begriffes ein zunehmend von der ursprünglichen Intention abweichendes,
breites Spektrum aufweist. Ein aus Versatzstücken verschiedener Epochen der eu-
ropäischen Städtegeschichte zusammengeschnittenes, idealisiertes Stadtbild wurde
zum ,neuen` stadtplanerischen Leitbild, der dicht gebauten, durchmischten ,Europäi-
schen Stadt`. Siebel kommentiert diese Bemühungen (1999b, S. 118):
,,Die Gestalt der europäischen Stadt hat ihre gesellschaftliche Basis verloren. Sie
heute als ein notwendiges Merkmal europäischer Urbanität wiedererrichten zu wol-
len hieße, die Hülle des 19. Jahrhunderts ohne die Gesellschaft des 19. Jahrhun-
derts zu bauen. Das kann nur als Musealisierung und inselhafte Inszenierung ge-
lingen, also scheitern. Urbanität ist eine soziale Beziehungsstruktur, die sich räum-
lich formt."
Die Innenstädte stellen in Deutschland einen räumlichen Schwerpunkt der Anstren-
gungen, Urbanität zu beleben bzw. neu zu erzeugen, dar ­ oder anders formuliert:
Seit der ,Wiederentdeckung der Urbanität` wird angesichts ihres angeblichen Feh-
lens in den Zentren die ,Krise der Innenstädte` debattiert, verbunden mit der Forde-
rung nach einem Gegensteuern von Politik und Planung (vgl. z.B. D
EUTSCHER
I
NDUSTRIE UND
H
ANDELSTAG
1985). Dem innerstädtischen Einzelhandel wird von der
Stadtentwicklungsplanung unverändert eine führende Rolle im Zuge der Steigerung
der Urbanität und Attraktivität der Innenstädte zugestanden, da angenommen wird,
daß er im allgemeinen hohe Besucherfrequenz und positive Erlebnismöglichkeiten

16
sicherstellt (vgl. S
CHÄFER
1999, S. 49ff). So wurden in Westdeutschland seit 1971
u.a. Städtebaufördermittel von über 12 Mrd. DM bereitgestellt (vgl. G
ÜTTLER
1997,
S. 30), von denen beträchtliche Anteile in die Erneuerung und Aufwertung der In-
nenstädte geflossen sind ­ zumeist, um dem ansässigen (Einzel-) Handel ein qua-
litätvolleres Ambiente zu bieten. Generell läßt sich festhalten, daß die Innenstädte in
den zurückliegenden Jahrzehnten sehr stark an die Anforderungen und Entwick-
lungstendenzen des Einzelhandels angepaßt worden sind (vgl. J
UNKER
1997, S. 9),
,ungeeignete` bzw. unerwünschte Funktionen und Nutzungen sind im Zuge dieser
Prozesse zunehmend aus diesen Räumen verdrängt worden (vgl. S
TIENS
1992, S.
300).
Diese einzelhandelsfreundliche Städtebaupolitik wird u.a. von der M
INISTER-
KONFERENZ FÜR
R
AUMORDNUNG
(MKRO) als erfolgreich angesehen, da sie eine
,,Umkehr der negativen Entwicklung bestehender Ortskerne und Stadtzentren und
eine Stärkung des Einzelhandels bewirkt" habe. ,,Der Verödung und dem Verfall
konnte nachhaltig begegnet werden" (Quelle: ,Innenstädte als Einzelhandelsstand-
orte erhalten`; Gemeinsame Entschließung der für das Bau-, Wohnungs- und Sied-
lungswesen zuständigen Minister der Länder sowie der Ministerkonferenz für Rau-
mordnung vom 29. März/21. Juni 1996). Andererseits ist anzumerken, daß Ver-
ödung und Verfall mit den entsprechenden Investitionen möglicherweise auch durch
alternative Konzepte und Leitbilder, die weniger stark auf den Einzelhandel ausge-
richtet gewesen wären, hätte begegnet werden können.
Einen bedeutenden Baustein der Revitalisierungsbemühungen in den Innenstädten
bildeten in den zurückliegenden Jahren Anstrengungen, eine ­ möglichst mit dem
Einzelhandel kompatible ­ Multifunktionalität der Innenstädte wiederherzustellen,
die verbreitet schon seit weit mehr als 100 Jahren den ökonomischen Gesetzmä-
ßigkeiten zum Opfer gefallen ist. Auffälligste Resultate der jüngsten Zeit waren spe-
ziell in den Großstädten neben der Einrichtung von Einkaufspassagen und Einzel-
handelszentren die Rückkehr des innerstädtischen oder innenstadtnahen Wohnens
­ wenngleich vielfach in gentrifizierter Form unter weitgehender Verdrängung der
angestammten Bevölkerungsschichten (vgl. z.B. F
RIEDRICHS
1998, S. 57ff) ­ und
der Einzug von Großstrukturen des Erlebnissektors (vgl. z.B. H
ÄUSSERMANN
&
S
IEBEL
1993).

17
2.4
Die Innenstädte der Gegenwart
Die westdeutschen Innenstädte stellen heute unverändert einen Handlungsschwer-
punkt der Stadtplanung dar. Von dem Wunschbild der vitalen, durchmischten, und
multifunktionalen Zentren sind die Innenstädte in der öffentlichen Wahrnehmung
wohl dennoch weiter entfernt als jemals zuvor in den letzten 150 Jahren; diesen
Schluß läßt die gegenwärtige politische und öffentliche Diskussion zu.
Andererseits ist zu konstatieren, daß zumindest einige wichtige quantitative und
wirtschaftliche Kennziffern die vielzitierte ,Krise der Innenstädte` nicht abbilden. Vor-
nehmlich bedingt durch die Lageattraktivität und die räumliche Beengtheit sind die
Grundstückspreise und Mieten vor allem in den bevorzugten Lagen der Innenstädte
in den zurückliegenden Jahrzehnten weiter kräftig angestiegen, erst im letzten Jahr-
zehnt trat eine Stagnation, teilweise sogar ein mäßiger Preisverfall ein (vgl. 3.2). Ei-
ne Umfrage in nordrhein-westfälischen Städten zeigte zudem, daß in den zurücklie-
genden zehn Jahren sowohl der öffentliche als auch der private Investitionsschwer-
punkt in den Innenstädten gelegen hatte, baulich-gestalterische Verbesserungen
waren dort ebenso vorgenommen worden, wie sich die Anzahl der Büros, Verwal-
tungen, Praxen und auch der Wohnungen erhöht hatte (vgl. J
UNKER
1997, S. 8). In
der Bremer Innenstadt waren zwischen 1990 und 1997 Investitionen von annähernd
1,5 Mrd. DM zu verzeichnen, davon entfielen etwa 38% auf die öffentliche Hand und
62% auf private Investoren (vgl. B
REMER
A
USSCHUSS FÜR
W
IRTSCHAFTSFORSCHUNG
1998, S. 6).
Die beschriebenen Entwicklungen und Befunde legen drei Schlußfolgerungen nahe:
Zum einen sind die Innenstädte im Bewußtsein der Menschen offenbar sehr stark
emotional besetzt; Geschichte und Einzigartigkeit erzeugen einen hohen Identifika-
tionsgehalt oder zumindest einen Identifikationswunsch. Des weiteren befinden sich
die Innenstädte derzeit offenbar in einer dynamischen Phase des Umbruchs (vgl.
auch H
ATZFELD
1997, S. 119). Darüber hinaus scheint aber angesichts der Unzu-
friedenheit fast aller Akteure über die Situation der westdeutschen Innenstädte der
Gegenwart auch ein sehr facettenreiches und teilweise widersprüchliches Verständ-
nis einer erstrebenswerten ,urban geprägten Innenstadt` zu existieren, das sich of-
fenbar mit den derzeitigen Strukturen und Entwicklungen nur schwerlich vereinbaren
läßt (vgl. J
UNKER
1997, S. 8).
In den meisten westdeutschen Innenstädte nimmt der Einzelhandel heute zweifellos
eine prägende Funktion ein; insbesondere ist aber auch die Perzeption der Innen-
städte durch die Bevölkerung sehr stark einzelhandelsorientiert. Diese Wahrneh-
mung deckt sich jedoch nicht ohne weiteres mit den tatsächlichen innerstädtischen
Anteilen der verschiedenen konkurrierenden Nutzungsarten. Diese Areale sind kei-

18
nesfalls als homogene und ungegliederte Einzelhandelslandschaft aufzufassen;
vielmehr lassen sich verschiedene grundlegende Nutzungsmuster differenzieren.
Auffälligstes Merkmal ist dabei die markante räumliche Konzentration vor allem des
Einzelhandels ­ teilweise aber auch anderer Nutzungen ­ auf bestimmte Quartiere
und Straßenzüge (vgl. 2.3.2).
Die räumlichen Strukturen der Funktionen und Nutzungen in den (Innen)Städten
lassen sich anhand des Modells des sog. ,Bodenrenten-Kegels` des städtischen Bo-
denpreisgefüges nachvollziehen (vgl. K
RÄTKE
1995, S. 217).
A
LONSO
(1974)
stellte die Grund-
züge des raum-
strukturierenden
Wirkungsprinzips
der städtischen
Grundrente an-
hand eines stark
vereinfachenden
Basismodells dar
(vgl. Abb. 4). Es
zeigt anhand ei-
ner Schar von
Rentengebotskur
ven unterschied-
licher Steigung,
wie die Abhän-
gigkeit der Zahlungsfähigkeit der verschiedenen Nutzungen von der Distanz zum
Stadtzentrum unter der Prämisse der Grundrentenmaximierung die Verteilung die-
ser Nutzungen im Stadtraum bestimmt. Grundannahme dieses Modells ist dabei ­
zurückgehend auf T
HÜNEN
s Theorie der Landnutzung ­ daß das Stadtzentrum die
günstigsten Erreichbarkeitsbedingungen im Stadtraum aufweist, mit der Folge der
höchsten Attraktivität für alle wirtschaftlichen Aktivitäten. Auch die Wohnnutzung
wird durch das lagebezogene Rentengebot als wirtschaftliche Aktivität abgebildet.
Dieses theoretische Modell ist als Idealfall der Nutzungs- und Bodenmarktstrukturen
aufzufassen ­ als Ansatz zur Erklärung der gegenwärtig verbreitet anzutreffenden
wesentlich differenzierteren Strukturen sind u.a. neben dem Stadtzentrum noch Ne-
benzentren einzubeziehen und veränderte Erreichbarkeitsbedingungen infolge der
gewachsenen Mobilität zu berücksichtigen. Zudem stellen auch Repräsentativität
sowie Agglomerationsvorteile wichtige Standortfaktoren der Innenstadt bzw. der City
Stadtrand
Stadtzentrum
Zone
1
Zone 2
Zone 3
`City`, Büro- und
Geschäftszentrum
Innenstadtnahes
Wohnen
Industrie- und Gewerbezone
2
3
1
3
2
1
1
= lagebezogenes Rentengebot für Büro- und
Geschäftsnutzungen
2
= lagebezogenes Rentengebot für innenstädtische
Wohnnutzungen
3
= lagebezogenes Rentengebot für industriell- gewerbliche
Nutzungen
Konkurrierende Nutzungsarten:
= Grundrenten- oder Bodenpreisniveau im Stadtraum
Grundrente oder
Bodenpreis
(DM/qm)
km
Abb. 4:
Städtischer Bodenmarkt: Modell zur Herausbildung
innerstädtischer Nutzungszonen unter dem Einfluß
nutzungsspezifischer Rentengebote
Quelle:
Nach K
RÄTKE
1995, S. 219

19
da, die sich letztlich aber auch als Resultat der (ehemals) optimalen Erreichbarkeit
interpretieren lassen.
Aufbauend auf die bisher gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der Genese der In-
nenstädte werden im folgenden die Grundzüge der gegenwärtigen räumlich-
funktionalen Differenzierungen und Entwicklungen in den westdeutschen Innen-
städten vertieft behandelt. Angesichts der Fragestellung dieser Arbeit konzentrieren
sich diese Ausführungen auf den Einzelhandel, dessen Position als innerstädtische
Leitfunktion bereits eingangs kritisch beleuchtet wird.
2.4.1 Einzelhandel in der Innenstadt: Leitfunktion trotz Strukturproblemen
Dem Einzelhandel wird vor allem durch seine Anziehungskraft für Besucher und ba-
sierend auf dem hohen Erlebniswert des ,Einkaufsbummels` hohe Bedeutung für die
Stärkung der Urbanität der Innenstädte zugesprochen; Voraussetzung für die Erfül-
lung dieser Ansprüche ist aber nicht zuletzt eine ausreichende Vielfalt hinsichtlich
der Breite und Tiefe des Warenangebots, sowie der Preis- und Qualitätsklassen,
Betriebsformen und Betriebsgrößen (vgl. S
CHÄFER
1999, S. 50) ­ Strukturen die,
wie unter 2.4.1.1 und 2.4.1.2 gezeigt wird, in den westdeutschen Innenstädten im-
mer seltener angetroffen werden können.
S
IEVERTS
(1999, S. 31) bringt das Dilemma der einzelhandelsorientierten Innen-
städte der Gegenwart auf den Punkt: ,,Wenn sich der Blick nicht nur an der Hülle der
alten historischen Fassaden festmacht und man genauer dahinter schaut, dann
stellt man fest, daß sich die Alte Stadt ­ wenn sie wirtschaftlich erfolgreich ist ­ im-
mer mehr den Einkaufszentren an der Peripherie angleicht. Die Konkurrenz zu den
Einkaufszentren auf der ,grünen Wiese und die hohen Mieten führen dazu, daß sich
in den Innenstädten im wesentlichen nur noch Filialisten und Ladenketten sowie
gewinnträchtige Dienstleistungen niederlassen ­ die gleichen, ja meist dieselben
Firmen, die auch in den Shopping-Centern sitzen. Zugleich mit dem Ausverkauf der
bürgerlichen Kultur werden damit der Alten Stadt das Alltägliche des Wohnens, des
Handwerks, des kleinbürgerlichen Krämers oder mittelständischen Einzelhändlers
und auch das Besondere, das Sperrige, das Einmalige, das sie früher ausgezeich-
net hat, immer mehr ausgetrieben. Die historische Stadt verwandelt sich mit Hilfe
eigens dafür eingestellter City-Manager unter der Hand immer mehr in ein ganz ge-
wöhnliches Shopping-Center." Letztlich hat sich demnach eine paradoxe Situation
eingestellt, in der die Innenstädte versuchen, den peripheren, synthetischen Ein-
kaufszentren nachzueifern, die ja selber angetreten sind, um Einkaufs- und Frei-
zeitwelten mit ,urbanem` Flair zu bieten.

20
Vor allem in den letzten drei Jahrzehnten hatten Maßnahmen zur Stärkung der In-
nenstädte, wie z.B. die Einrichtung von Fußgängerzonen, Passagen, Galerien, Ar-
kaden und Einkaufszentren, wie auch der Bau von Parkhäusern in erster Linie eine
Aufwertung der Qualitäten als Einzelhandelsstandort durch ,,die Erzeugung ent-
spannter Kaufbereitschaft", also die Generierung eines positiven Einkaufserlebnis-
ses (H
AUSER
1996, S. 256) zum Ziel. Daß das Schicksal der Innenstädte in den al-
ten Bundesländern auf absehbare Zeit weiterhin eng mit der Entwicklung des inner-
städtischen Einzelhandels verknüpft sein wird, ist unter den Experten heute weitge-
hend unstrittig (vgl. z.B. D
ONAT
1997, S. 345; G
ÜTTLER
1997, S. 32; H
ATZFELD
1997,
H
URTH
1997, S. 2). Ungeachtet der Tatsache, daß sich das wirtschaftliche und ge-
sellschaftliche Umfeld des innerstädtischen Einzelhandels in den letzten dreißig
Jahren grundlegend verändert hat, wird, mit Hinweis auf die enge historische Ver-
flechtung von Stadt und Handel (vgl. 2.2.1), aber auch aufgrund der gegenwärtig
überragenden Rolle des Einzelhandels, diesem im allgemeinen auch für die weitere
Innenstadtentwicklung und ­revitalisierung eine Leitfunktion zugeschrieben (vgl. z.B.
G
ÜTTLER
& R
OSENKRANZ
1998, S. 82). Der Senat der Stadt Bremen plant beispiels-
weise, bis zum Jahr 2010 die Einzelhandelsverkaufsflächen in der Innenstadt u.a.
durch die bessere Anbindung und Aufwertung der Randlagen nochmals um ein
Drittel auszuweiten (WfG B
REMER
W
IRTSCHAFTSFÖRDERUNG
G
MB
H 2000, S. 4). Zu
sehr haben sich die Aktivitäten in der Innenstadt um den Einzelhandel gruppiert, als
daß die Ablösung der Leitfunktion des Handels kurz- bis mittelfristig denkbar er-
scheint.
Während die Städte weiterhin existentiell auf den Handel angewiesen zu sein schei-
nen, darauf weist auch die gegenwärtige Interessenkoalition aus Deutschem Städ-
tetag und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Groß- und Mittelbetriebe des Einzel-
handels (BAG) z.B. in der Diskussion über die Freigabe der Ladenschlußzeiten in
den Zentren hin (vgl. z.B.
O
.V. 1999a,
O
.V. 1999m), hat sich die Standortpräferenz
vieler Handelsunternehmen in die Außenbereiche sowie in das Umland der Agglo-
merationen und in die (verkehrlich erschlossene) Peripherie verlagert.

21
Facheinzelhandel und Warenhäuser in den 1a-Lagen
Im unmittelbaren Citybereich der Großstädte und im Kernbereich der Innenstädte
kleinerer und mittlerer Städte befinden sich im allgemeinen in den Fußgängerberei-
chen die sog. 1a-Lagen mit den höchstrangigen Einrichtungen des Einzelhandels.
Die physiognomische Struktur dieser zentralen Einkaufsbereiche ist gekennzeichnet
durch große Grundstücksabmessungen, hohe Nutzungsdichte, Gebäudeüberhö-
hung, geschlossene Ladenfronten mit Schaufenstern im Erdgeschoß sowie vielfach
Passagen und Kolonnaden. Leitbranchen im Segment der hochspezialisierten
Fachgeschäfte bilden Bekleidungsgeschäfte, insbesondere Modeboutiquen für Da-
menoberbekleidung, Juweliere, Gold- und Silberschmiede und Uhrengeschäfte, mit
wachsender Tendenz auch Geschäfte für Unterhaltungselektronik und Fotofachge-
schäfte (H
OFMEISTER
1997, S. 165). Die charakteristischen, offenbar auf 1a-Lagen
angewiesenen Sortimente lassen sich auch recht gut anhand der durchschnittlichen
Mietkosten nach Branchen identifizieren: So stellt das I
NSTITUT FÜR
H
ANDELS-
FORSCHUNG AN DER
U
NIVERSITÄT
K
ÖLN
für folgende Branchen die höchsten durch-
schnittlichen Mietkosten je qm Geschäftsraum fest, die teilweise sogar über der
Durchschnittsmiete der Geschäftslage ,mittlere Verkehrslagen der Innenstadt` in
Großstädten liegen (vgl. K
AAPKE
1999, S. 37ff): Tabakwareneinzelhandel, Uhren-,
Juwelen-, Gold- und Silbereinzelhandel, Fotoeinzelhandel, Herrenausstattung, Le-
derwareneinzelhandel, Damenoberbekleidung.
Abb. 5:
Strukturen des Einzelhandels in den Fußgängerzonen der deutschen
Innenstädte (Prozentuale Anteile am Umsatz (1992), an den Ladenge-
schäften und an der Verkaufsfläche (1993) der örtlichen Lage ,Fußgän-
gerzonen im Zentrum der Gemeinden`)
Quelle:
Eigene Darstellung nach Ergebnissen der Handels- und Gaststättenzählung
1993
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Umsatz
Verkaufsfläche
Ladengeschäfte

22
Diese Angaben korrespondieren weitgehend mit den Ergebnissen der Handels- und
Gaststättenzählung 1993 (vgl. Abb. 5 und 6)
1
. Die Zweige ,Facheinzelhandel mit
Bekleidung` (28,3%), ,Facheinzelhandel mit Schuhen und Lederwaren` (7,8%), ,
Facheinzelhandel mit Uhren, Edelmetallwaren und Schmuck` (5,7%) sowie
,Facheinzelhandel mit feinmechanischen und optischen Erzeugnissen und Compu-
tern u. ä.` (5,0%) machen fast die Hälfte (46,8%) aller Ladengeschäfte der örtlichen
Lage ,Fußgängerzone im Zentrum der Gemeinde` aus, mit einem Umsatzanteil von
42,9% und einem Verkaufsflächenanteil von 38,1%. In der Gesamtheit der Stand-
orte liegt der Anteil dieser Geschäfte bei lediglich 25,6% (Umsatz: 17,2%). Der Ein-
zelhandel mit Waren verschiedener Art, hierzu zählen insbesondere in den Innen-
städten auch die Warenhäuser, stellt zwar lediglich 8,5% der Ladengeschäfte an
diesen Standorten; der Umsatzanteil von 28,5% und der Verkaufsflächenanteil von
sogar 29,8% drücken aber die 1993 immer noch hohe Bedeutung dieses Handels-
segments aus. Mit dem breiten Artikelsortiment kommt ihnen trotz langfristig deutlich
rückläufiger Marktanteile immer noch die Rolle der wichtigsten ,Magneten` des in-
nerstädtischen Einzelhandels zu (vgl. J
UNKER
& K
RUSE
1998, S. 136).
Ein wesentliches Merkmal der strukturellen Entwicklung der innerstädtischen Ein-
zelhandelsfachgeschäfte in den letzten Jahren stellt die zunehmende Filialisierung
dar. Typische filialisierte Branchen bilden Schuh-, Damenoberbekleidungs-, Foto-
und Elektrofachgeschäfte sowie Juweliere. In nahezu allen westdeutschen Groß-
städten betrug 1995 der Filialisierungsgrad in den bevorzugten Lagen mittlerweile
mehr als 50%, in Nordrhein-Westfalen sogar verbreitet mehr als 75%. Allein zwi-
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Abb. 6:
Einzelhandelsbesatz in den 1a-Lagen der Innenstädte 1993 (Fußgän-
gerzone der Gemeinde) (Index: Anteil der Ladengeschäfte der jeweili-
gen Branche an den Ladengeschäften in Deutschland insgesamt = 1)
Quelle:
Eigene Darstellung nach Ergebnissen der Handels- und Gaststättenzählung
1993

23
schen 1992 und 1995 hat der Anteil von Filialgeschäften in den 1a-Lagen beispiels-
weise in Bremen, Hamburg und Hannover um durchschnittlich 18% zugenommen
(ungewichtetes arithmetisches Mittel), in Köln, Düsseldorf, Dortmund und Essen lag
der Zuwachs sogar bei 22% (Quelle: eigene Berechnungen nach Kempers Fre-
quenz-Analyse, zitiert in J
UNKER
1997, S. 11).
Einzelhandel außerhalb der bevorzugten Standorte in der Krise
Mit zunehmender Distanz von den bevorzugten Standorten ist in den meisten Städ-
ten ein stark abnehmender Gradient der Einzelhandelsintensität festzustellen; diese
Bereiche waren in den letzten Jahren durch weitere qualitative und quantitative
Verluste im Einzelhandelsbesatz gekennzeichnet. Hier übernehmen andere Nut-
zungen des tertiären und quartären Sektors die Vorrangstellung. Bei Geschäftsauf-
gaben von Einzelhandelsunternehmen an diesen Standorten findet vielfach keine
entsprechende Nachfolgenutzung statt (vgl. z.B. H
EINRITZ
(1987, S. 249) am Bei-
spiel Weißenburgs). Aufgrund ihrer Lage abseits der zentralen Fußgängerströme
und begünstigt durch deutlich niedrigere Mieten und Grundstückspreise werden
Standorte in den 1b- und 2er-Lagen vor allem von Händlern mit festem Klientel und
größerem Flächenbedarf wahrgenommen (vgl. Abb. 7 und 8;
O
.V. 1999i).
Diese Lagen leiden besonders unter den geringen Bevölkerungszahlen in den In-
nenstädten. Ansatzpunkte, um den geschilderten Entwicklungstendenzen zu be-
gegnen, stellen beispielsweise attraktivitätserhöhende Maßnahmen z.B. die Über-
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Umsatz
Verkaufsfläche
Ladengeschäfte
Abb. 7:
Strukturen des innerstädtischen Einzelhandels in Deutschland
(Prozentuale Anteile an Umsatz (1992), Verkaufsfläche und an den La-
dengeschäften (1993) der örtlichen Lage ,Übrige Innenstadt`)
Quelle:
Eigene Darstellung nach Ergebnissen der Handels- und Gaststättenzählung
1993

24
dachung der Fußwege, die Anlage von Passagen o.ä., oder aber gänzlich neue
Nutzungskonzepte dar (vgl. z.B. F
REIE
H
ANSESTADT
B
REMEN
1999, S. 15f).
Großflächige Einkaufszentren halten Einzug in die Innenstädte
Ungewohnte Strukturelemente haben in den letzten Jahren großflächige, teilweise
abgeschlossene Einzelhandelszentren mit zusätzlichem Freizeit- und Dienstlei-
stungsangebot, bezeichnet als Einkaufszentren, Shopping-Center oder Malls, in die
Innenstädte gebracht (vgl. P
ITTROFF
1998,
M
ARTIN
& D
ECKER
1999). Nachdem Ein-
kaufszentren über Jahrzehnte mit großem wirtschaftlichen Erfolg fast ausschließlich
im Stadtumland oder an den Stadträndern errichtet wurden und damit bereits vielfäl-
tige Reaktionen in den Zentren auslösten, stellen in jüngster Zeit nunmehr Innen-
städte selber die bevorzugten Standorte neuer Projekte dar (vgl. Abb. 9, allerdings
ist die besonderen Entwicklung in den neuen Bundesländern zu berücksichtigen, die
in die Daten eingeht). J
UNKER
& K
ÜHN
(1999, S. 12) werten den Einzug dieser
großmaßstäbigen Versorgungseinrichtungen, die durch ein Center-Management
geführt werden und definitionsgemäß über Mietflächen von mindestens 10.000 qm
verfügen sowie vorwiegend zur Deckung des kurz- bis mittelfristigen Bedarfs dienen
(J
UNKER
& K
ÜHN
1997, S. 737), als fundamentale Innovation des innerstädtischen
Handels, vergleichbar dem Impuls durch die Entstehung der großen Warenhäuser
etwa einhundert Jahre zuvor. Eine bedeutende Rolle fällt bei dieser neuen Form
stationären Einzelhandels den Bahnhöfen der deutschen Bahn AG zu. In den näch-
sten Jahren soll etwa ein Viertel der knapp 6100 Bahnstationen saniert und mit um-
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Abb. 8:
Einzelhandelsbesatz in den Innenstädten (,Übrige Innenstadt`) (Index:
Anteil der Ladengeschäfte der jeweiligen Branche an den Ladengeschäf-
ten in Deutschland insgesamt = 1)
Quelle:
Eigene Darstellung nach Ergebnissen der Handels- und Gaststättenzählung
1993

25
fangreichem Handels-, Dienstleistungs- und Erlebnisangebot ausgestattet werden
(P
ANGELS
1998, S. 23).
Aufgrund der hiermit
verbundenen Impulse ­
z.B. wachsende privat-
wirtschaftliche Investiti-
onszuflüsse in die In-
nenstädte, Arbeitsplatz-
generierung und zusätz-
liche Kaufkraftbindung ­
werden Projekte über
neue innerstädtische
Einkaufszentren ge-
meinhin von den städti-
schen Verwaltungen
befürwortet. Erste Er-
fahrungen zeigen jedoch, daß die Integration in das innerstädtische Umfeld von ver-
schiedenen innerstädtischen Akteursgruppen als nicht unproblematisch angesehen
werden. Insbesondere der vielfach abgeschlossene Charakter und die Konkurrenz
zum eingesessenen Einzelhandel werden kritisiert (J
UNKER
& K
ÜHN
1997, S. 739).
2.4.2 Sonstige öffentliche und privatwirtschaftliche Nutzungsformen
Unternehmensverwaltungen und private Dienstleistungen
Höherwertige private Dienstleistungen und Unternehmensverwaltungen stellen die
zweite wichtige Gruppe der Innenstadtfunktionen dar (vgl. H
OFMEISTER
1997, S.
168). Diese Nutzungen profitieren zum einen von der Repräsentativität, der Zentra-
lität bzw. den Agglomerations- und Fühlungsvorteilen, zum anderen können sie die
entsprechende Zahlungsfähigkeit vorweisen, die die Inanspruchnahme dieses
Standorts überhaupt erst ermöglicht. In erster Linie konzentrieren sich Einrichtungen
des Geld- und Versicherungswesens, Makler-, Architekten- Ingenieur- und Daten-
verarbeitungsbüros sowie Anwaltskanzleien und Werbeagenturen in den zentralen
Bereichen der Innenstädte. Teilweise bilden die einzelnen Wirtschaftszweige regel-
rechte Branchenquartiere (z.B. Bankenviertel), oftmals, vor allem bei Büros ohne
regelmäßigen Besucherverkehr, werden aber auch die oberen Etagen der Gebäude
genutzt, deren Erdgeschosse durch die hochrangigen Einzelhandelsfachgeschäfte
belegt sind.
Während vor allem in den Segmenten des tertiären Sektors ohne Citygebundenheit
schon seit Jahrzehnten deutliche Suburbanisierungstendenzen nachzuweisen sind,
lassen sich in jüngster Zeit auch im hier angesprochenen Segment der höher- und
23
44
63
30
41
31
47
15
6
0%
20%
40%
60%
80%
100%
1991-1995
1996-1998
1999-2000 (Planung)
Innenstadt
Stadtteil
Grüne Wiese
Abb. 9:
Neu errichte Einkaufszentren in Deutschland
nach Standortlage
Quelle:
Eigene Darstellung nach Angaben des PdH
Pressedienst 12/99 des HDE, zitiert in J
UNKER
&
K
ÜHN
(1999, S. 12)

26
höchstrangigen innerstädtischen Akteure neue bzw. deutlich beschleunigte Struktur-
und Standorttrends feststellen, die einen Bedeutungsverlust der Innenstadt nach
sich ziehen. Rationalisierungstendenzen (speziell im Banken- und Versicherungs-
sektor), Auslagerungen von Teilfunktionen wie auch die einsetzende Auflösung tra-
ditioneller Organisationsformen (z.B. durch Telearbeit und virtuelle Unternehmen,
vgl. z.B. P
ICOT
1998) sorgen für rückläufige Flächenbedarfe und fallende Büromie-
ten in den vielen Innenstädten. Dagegen wird die Entstehung peripherer Büroparks
vor allem im Umland der Metropolen (z. B. in Frankfurt a.M. und München, vgl.
B
RAKE ET AL
1997) eher als Überlaufeffekt interpretiert (vgl. K
AHNERT
1998, S.
512ff), hervorgerufen u.a. durch die zunehmende Polarisierung im Städtesystem.
Gastronomie, Freizeit-, Unterhaltungs- und Kultureinrichtungen
Häufig haben sich Kernbereiche der Innenstadt zu ausgesprochenen Unterhaltungs-
und Vergnügungsvierteln entwickelt, charakteristisch sind beispielsweise Standort-
gemeinschaften von Bars, Kinos, Kabaretts, Boulevardtheatern und Literatencafés.
Einrichtungen des Kunstsektors, Sprechbühnen und Opern besetzen ebenfalls tra-
ditionell zentrale Innenstadtbereiche (vgl. H
OFMEISTER
1997, S. 169). Eine räumli-
che Durchdringung bevorzugter Standorte der genannten Branchen mit den zentra-
len Einkaufsbereichen ist heute allerdings nur in Ausnahmefällen gegeben; vor al-
lem die geringere Flächenrentabilität des Vergnügungs- und Freizeitsektors verhin-
dert eine derartige Funktionsmischung weitgehend.
Aufgrund veränderter gesellschaftlicher Bedürfnisse (vgl. 3.4) sowie der Fähigkeit,
beträchtliche Besucherströme aus teilweise überregionalen Einzugsbereichen, d.h.
nicht zuletzt Touristen, in die Innenstädte zu lenken und die Verweildauer zudem
über die Öffnungszeiten der Geschäfte hinaus auszudehnen, gewinnt der Freizeit-
markt zunehmend an Bedeutung für die Innenstadtentwicklung. Bestrebungen, mehr
Vitalität in den Innenstädten zu erzeugen, setzen dabei zunehmend auf eine stärke-
re Durchmischung der innerstädtischen Funktionen, insbesondere auf eine Integra-
tion von Freizeiteinrichtungen und Einkauf, beispielsweise in Form von großmaß-
stäbigen ,Urban Entertainment Centers` (UEC) (vgl. z.B. B
LUME
1999, H
ATZFELD
1999a).
Auch im innerstädtischen Freizeitsektor zeichnet sich dabei, vergleichbar den Strö-
mungen in der Einzelhandelslandschaft, ein durchgreifender Strukturwandel ab. Der
Einzug von Großstrukturen (z.B. in der Gastronomie, Multiplex-Kinos, UECs, Musi-
cals), die oftmals Industriebrachen unmittelbar außerhalb des mittelalterlichen
Stadtkerns (z.B. in Bahnhofsnähe, vgl. H
ÄUSSERMANN
& S
IEBEL
1993, S. 9) über-
nehmen, und der wachsende Einfluß von einigen wenigen Großinvestoren kenn-
zeichnen die derzeitige Entwicklung. Die zweite Ebene der Expansion des Freizeit-
sektors in den Innenstädten stellen außerhalb der bevorzugten Standorte kleine,

27
,,durch Franchising multiplizierbare Freizeiteinrichtungen" dar, z.B. Sonnenstudios
und Spielhallen (H
ATZFELD
1999a, S. 10). Hinzu kommt als weiterer wichtiger An-
ziehungsfaktor der Innenstädte ein breites Spektrum periodischer Veranstaltungen,
wie beispielsweise Weihnachtsmärkte und Kulturevents.
Das innerstädtische Beherbergungsgewerbe profitiert ebenfalls von den Entwicklun-
gen im Freizeitsektor, insbesondere vom zunehmenden Städtetourismus, der mitt-
lerweile ein wichtiges wirtschaftliches Standbein neben den Geschäftsreisen dar-
stellt. Bedingt durch die günstige Erreichbarkeit der wichtigsten Wirtschafts- und
Freizeiteinrichtungen fungiert die Innenstadt und insbesondere die City (z.B. der
Bahnhofsbereich) als wichtigster Standort der Hotellerie in den westdeutschen
Städten (vgl. H
OFMEISTER
1997, S. 170).
Sonstige gewerbliche Nutzungen
Das traditionell citygebundene Gewerbe, zu dem insbesondere das Zeitungs- und
Verlagswesen sowie das Druckereigewerbe zu zählen ist, wie auch innerstädtische
oder innenstadtnah angesiedelte Industriebetriebe verbleiben zwar teilweise bis
heute an diesen zentralen Standorten, grundsätzlich ist aber eine sukzessive Rück-
zugstendenz auszumachen (vgl. z. B. H
OFMEISTER
1997, S. 168). Durch Standort-
splitting werden häufig flächenintensive Nutzungen ausgelagert und es verbleiben
schließlich vornehmlich Kontrollfunktionen in den Innenstädten - ein Prozeß, der
nicht zuletzt durch die Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstech-
nologien erheblichen Auftrieb erfährt.
Das in den vergangenen Jahrhunderten zunächst charakteristische Kleingewerbe
hat sich dagegen weitgehend aus den zentralen Bereichen der Innenstädte in die
Randbereiche zurückgezogen. Zurückgeblieben sind primär exklusive Betriebe, bei-
spielsweise Kleinkunstgewerbe in stark touristisch frequentierten Bereichen.
Öffentliche Verwaltung, offizielle und offiziöse Vertretungen
Das Rathaus gehörte von Beginn an zu den wichtigsten und repräsentativsten Ge-
bäuden im Zentrum der Stadt (vgl. 2.2). Bis heute hat sich die Präsenz der ver-
schiedensten Institutionen der öffentlichen Hand in den zentralen Bereichen, häufig
im historischen Zentrum der Stadt, erhalten, wobei die Anzahl der Einrichtungen und
Gebäude von der Stellung der Stadt innerhalb der Verwaltungshierarchie abhängt
(vgl. H
OFMEISTER
1997, S. 170). Im Zuge der gegenwärtigen Finanzmisere der öf-
fentlichen Haushalte wie auch infolge der zunehmenden Rationalisierung und Priva-
tisierung von Verwaltungsaufgaben entwickelt sich in jüngster Zeit allerdings eine
Tendenz zur Veräußerung öffentlicher Liegenschaften und Gebäude, die das Nach-
rücken neuer privater Nutzungen im Stadtzentrum ermöglicht. So werden beispiels-
weise in der Bremer Innenstadt innerhalb kurzer Zeit mit dem ehemaligen Fernmel-
deamt in der Langenstraße, dem Postamt 5 in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2000
ISBN (eBook)
9783832442033
ISBN (Paperback)
9783838642031
DOI
10.3239/9783832442033
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bremen – Geographie, Wirtschaftsgeographie
Erscheinungsdatum
2001 (Juni)
Note
1,0
Schlagworte
innenstadt stadtentwicklung online-marketing electronic commerce einzelhandel
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Titel: Einzelhandel als Leitfunktion der Innenstädte
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