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Die ökologische Steuerreform in Deutschland

©2001 Diplomarbeit 94 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Mit dem Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform hat der Deutsche Bundestag am 01.04.1999 die Einführung einer Ökosteuer in Deutschland beschlossen. Noch im gleichen Jahr ist die erste von insgesamt 5 Reformstufen in Kraft getreten, in deren Rahmen durch eine Erhöhung der Energiebesteuerung der Energieverbrauch in Deutschland und damit die daraus resultierenden Emissionen vermindert werden sollen. Mit den zusätzlichen Steuereinnahmen wird eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge und damit der Lohnnebenkosten finanziert.
Die ökologische Steuerreform war sowohl im Vorfeld als auch in den ersten Phasen ihrer Realisierung aus verschiedenen ökologischen, ökonomischen und juristischen Gründen umstritten. Der Streit gewann an politischer Brisanz, als zu Beginn des Jahres 2000 die Importpreise für Mineralölprodukte durch den Anstieg der Weltmarkpreise für Rohöl und die Abwertung des Euro drastisch gestiegen sind.
Dies hat unter anderem zu heftigem Widerstand bei Teilen der Wirtschaft und der Bevölkerung in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern geführt. Von da an gab es kaum ein anderes Thema, das den Volkszorn in dem Maße auf sich zog und an dem sich die politischen Geister so stark schieden. Im Besonderen stellten die Opposition und Interessenvertreter der Industrie den Sinn und die wirtschaftliche wie soziale Zumutbarkeit der Reform in Frage und forderten ihre Aussetzung bzw. Aufhebung. Somit wurde die ökologische Steuerreform auch innerhalb der Koalition zum „hässlichen Entlein“ und damit zu deren unpopulärsten Reformobjekt, was sehr oft von der Opposition und den gegnerischen Medien polemisch und unsachlich für eigene Zwecke missbraucht wurde. Unglücklicherweise behalten nur noch wenige im emotionsgeladenen Streit um das Ob und Wie den eigentlichen Sinn dieses Themas im Auge. Um so schwieriger gestaltet sich die Aufgabe, der Bevölkerung Sinn und Nutzen einer solchen Steuer zu vermitteln und weitgehende Akzeptanz bei ihr zu gewinnen. So halten 53% der Deutschen die Ökosteuer für sozial ungerecht und 59 % empfehlen der Regierung sogar, von der weiteren Durchsetzung unbedingt abzusehen.
Die hektische öffentliche Debatte hat inzwischen einer ruhigeren und sachlicheren Auseinandersetzung Platz gemacht. Und dies, obwohl am 1.1.2001 die dritte Stufe der ökologischen Steuerreform in Kraft getreten ist. Wenngleich nun andere Themen vorrangig das Politgeschehen beherrschen, bleibt die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung
1.1 Problemstellung- Einleitende Gedanken
1.2 Zielsetzung und Aufbau dieser Arbeit
1.3 Begriffsbestimmung

2. Entwicklung der Ökosteuerdiskussion in Deutschland
2.1 Zwei Grundprobleme in Deutschland
2.2.Analyse des Faktors Umwelt
2.2.1 Die momentane Umweltsituation
2.2.2 Die deutsche Umweltpolitik
2.3 Analyse des Faktors Arbeit
2.3.1. Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit
2.3.2. Die Arbeitsmarktpolitik
2.4 Die Kritik am deutschen Steuersystem

3. Theoretische Grundlagen der ökologischen Steuerreform
3.1 Internalisierung externer Kosten
3.2 Umweltökonomische Konzepte
3.2.1 Theorie nach Arthur C. Pigou
3.2.2 Theorie nach Ronald Coase
3.2.3 Der Standard-Preis-Ansatz

4. Ansprüche an eine ökologische Steuerreform in Deutschland
4.1 Konzeptionelle Ansprüche
4.2 Fiktiver Anspruch: Nachhaltigkeit

5. Historischer Verlauf der Ökosteuerdiskussion
5.1 Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992
5.2 Greenpeace/DIW-Studie 1994
5.3 „Die zweite Generation“
5.4 Der Montivorschlag
5.5 Klimakonferenz in Kyoto 1997

6. Die Ausgestaltung der ökologischen Steuerreform in Deutschland
6.1.Das Reformgesetz der ökologischen Steuerreform
6.1.1 Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform
6.1.2 Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform
6.2 Sonderreglungen für Industrie und Gewerbe
6.3 Soziale Ausgleichsmaßnahmen

7. Auswirkungen der ökologischen Steuerreform
7.1 Auswirkungen auf den Energieverbrauch und die Emissionen
7.2 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft
7.2.1 Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation
7.2.2 Auswirkungen auf das Wachstum
7.2.3 Auswirkungen auf die Verwendungskomponenten des BIP
7.2.4 Auswirkungen auf Preise und Nachfrage
7.2.5 Sektorale Auswirkungen: Gewinner und Verlierer der Reform
7.2.6 Auswirkungen auf Produktion und Technologie
7.3 Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen

8. Die politische Diskussion um die ökologische Steuerreform in Deutschland
8.1 Rolle der Medien
8.2 Argumentationen der Befürworter und Gegner der Reform
8.2.1 Kritik der Opposition
8.2.2 Kritik der Befürworter

9. Persönliche Beurteilung der Reform
9.1 Fehlende Zieldefinition
9.2 Mangelhafte Aufklärung der Bevölkerung
9.3 Konzeptionelle Kritik

10. Schlussbetrachtung
10.1 Ausblick
10.2 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Voraussichtliche Einnahmen und planmäßige Rentenversicherungsbeitragssenkungen

Tabelle 2: Mehreinnahmen und Mehrleistungen des Staates durch die Ökosteuer

Tabelle 3: Auswirkungen der ökologischen Steuerreform auf die CO2-Emissionen

Tabelle 4: Auswirkungen der ökologischen Steuerreform auf die Beschäftigungssituation

Tabelle 5: Preiswirkungen einer Energiesteuer im 10.Jahr auf ausgewählte Branchen mit und ohne Sonderreglungen

Abbildung 1: Änderung der Produktionskosten durch die ökologische Steuerreform

„Solange die Alternative der Wirtschaftspolitik auf umweltschädigendes Wachstum oder Arbeitslosigkeit reduziert wird, solange wird es unmöglich sein, die Schwierigkeiten der heutigen Situation zu überwinden. Es geht also darum, das Leitbild einer stabilen Wirtschaft zu entwickeln, die allen Menschen Beschäftigung und Lebensqualität ermöglicht“ (Binswanger, 1979) [1]

1.Einleitung

1.1 Problemstellung- Einleitende Gedanken

Mit dem Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform hat der Deutsche Bundestag am 01.04.1999 die Einführung einer Ökosteuer in Deutschland beschlossen. Noch im gleichen Jahr ist die erste von insgesamt 5 Reformstufen in Kraft getreten, in deren Rahmen durch eine Erhöhung der Energiebesteuerung der Energieverbrauch in Deutschland und damit die daraus resultierenden Emissionen vermindert werden sollen. Mit den zusätzlichen Steuereinnahmen wird eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge und damit der Lohnnebenkosten finanziert.

Die ökologische Steuerreform war sowohl im Vorfeld als auch in den ersten Phasen ihrer Realisierung aus verschiedenen ökologischen, ökonomischen und juristischen Gründen umstritten. Der Streit gewann an politischer Brisanz, als zu Beginn des Jahres 2000 die Importpreise für Mineralölprodukte durch den Anstieg der Weltmarkpreise für Rohöl und die Abwertung des Euro drastisch gestiegen sind.

Dies hat unter anderem zu heftigem Widerstand bei Teilen der Wirtschaft und der Bevölkerung in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern geführt. Von da an gab es kaum ein anderes Thema, das den Volkszorn in dem Maße auf sich zog und an dem sich die politischen Geister so stark schieden. Im Besonderen stellten die Opposition und Interessenvertreter der Industrie den Sinn und die wirtschaftliche wie soziale Zumutbarkeit der Reform in Frage und forderten ihre Aussetzung bzw. Aufhebung.[2] Somit wurde die ökologische Steuerreform auch innerhalb der Koalition zum „hässlichen Entlein“ und damit zu deren unpopulärsten Reformobjekt, was sehr oft von der Opposition und den gegnerischen Medien polemisch und unsachlich für eigene Zwecke missbraucht wurde. Unglücklicherweise behalten nur noch wenige im emotionsgeladenen Streit um das Ob und Wie den eigentlichen Sinn dieses Themas im Auge. Um so schwieriger gestaltet sich die Aufgabe, der Bevölkerung Sinn und Nutzen einer solchen Steuer zu vermitteln und weitgehende Akzeptanz bei ihr zu gewinnen. So halten 53% der Deutschen die Ökosteuer für sozial ungerecht und 59 % empfehlen der Regierung sogar, von der weiteren Durchsetzung unbedingt abzusehen.[3]

Die hektische öffentliche Debatte hat inzwischen einer ruhigeren und sachlicheren Auseinandersetzung Platz gemacht. Und dies, obwohl am 1.1.2001 die dritte Stufe der ökologischen Steuerreform in Kraft getreten ist. Wenngleich nun andere Themen vorrangig das Politgeschehen beherrschen, bleibt die Ökosteuerproblematik ein ernstzunehmender umweltpolitischer Brennpunkt. Gerade in Anbetracht der jüngsten Aussagen des Bundeskanzlers über die unwahrscheinliche Fortführung der Ökosteuerreform bleibt es von höchster Bedeutung, dass Umweltbewusstsein in der Regierung und unter der Bevölkerung zu erhöhen und sie für die Notwendigkeit einer derartigen Steuer zu sensibilisieren bzw. zu mobilisieren.

1.2 Zielsetzung und Aufbau dieser Arbeit

Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht zum einen in der Vermittlung wesentlicher Fakten über die Historie, die Notwendigkeit und die tatsächliche Einführung von ökologischen Steuern in Deutschland und zum anderen in der sachdienlichen Auseinandersetzung und Einschätzung der Ökosteuerproblematik.

Es soll darüber hinaus beurteilt werden, wie effizient und effektiv die ökologische Besteuerung als umweltpolitisches Instrument agiert.

Entsprechend dieser Zielsetzung ist die Arbeit wie folgt aufgebaut:

Im 1. Kapitel soll der Leser zunächst mit dem Begriff „ ökologische Steuerreform“ vertraut gemacht werden, um weitere Sachverhalte besser zu verstehen.

In Kapitel 2 erfolgt eine Untersuchung der Entwicklung der Ökosteuerdebatte. Dabei beziehe ich mich als Ausgangspunkt der Ökosteuerüberlegung auf die zwei Produktionsfaktoren Umwelt und Arbeit. Die derzeitigen Situationen der beiden Sektoren sowie ihre politischen Grundrisse werden aufgezeigt.

Im 3. Kapitel wird die Notwendigkeit einer ökologischen Ausrichtung der Politik mithilfe von wissenschaftlichen Theorien fundiert. Empfehlungen der Wissenschaft werden diskutiert und verglichen.

Welche Ansprüche eine erfolgreiche ökologische Steuerreform nach heutigem Wissenstand zu erfüllen hat, wird im 4. Kapitel aufgezeigt. Unter Bezugnahme bestimmter Kriterien wird deutlich, dass eine Reihe von Voraussetzungen gegeben sein müssen, um eine erfolgreiche Reform zu gewährleisten.

Kapitel 5 gibt einen historischen Abriss der Ökosteuerdiskussion in Deutschland.

Die konkrete Ausgestaltung der ökologischen Steuerreform in Deutschland seit 1999 ist Inhalt des 6. Kapitels. Die Kernaussagen der Gesetze „Einstieg in die ökologische Steuerreform“ und „Fortführung der ökologischen Steuerreform“ werden inhaltlich wiedergegeben und Sonderreglungen bzw. die sozialen Ausgleichsmaßnahmen eingehend beleuchtet.

Das 7. Kapitel befasst sich mit den Auswirkungen der ökologischen Steuerreform in Deutschland. Hierbei ergibt sich jedoch insbesondere die Schwierigkeit, dass die exakten Auswirkungen der seit 1999 eingeführten Ökosteuer noch nicht genau analysiert werden können. Daher konzentriere ich mich hauptsächlich auf ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahre 2001, das mit Hilfe von ökonomischen Modellen die erwarteten Effekte der Reform berechnet.

Die große Diskussion um die Ökosteuer und ihre vielfältigen Argumente ergeben den Schwerpunkt des 8. Kapitels. Durch die Wiedergabe der am häufigst genannten Kritikpunkte und deren Gegenargumentationen, soll versucht werden, einen neutralen Eindruck über die Debatte zu vermitteln. Bei dieser Untersuchung wird eine Unterteilung in Kritik der Ökosteuergegner und der Ökosteuerbefürworter vorgenommen, um die Verschiedenheit der einzelnen Argumentationsparteien zu verdeutlichen.

In Kapitel 9 nehme ich eine persönliche Stellungnahme sowie eine Beurteilung vor. Wertneutral und distanziert von Parteilichkeiten werde ich Verbesserungsvorschläge bzw. eine kritische Einschätzung der erfolgten Umsetzung herausarbeiten. Hierzu beziehe ich zu den im 5. Kapitel genannten Ansprüchen an eine erfolgreiche Umsetzung Standpunkt.

Abschließend erfolgt in Kapitel 10 ein Ausblick auf die Zukunft der ökologischen Steuerreform in Deutschland. Hierbei konzentriere ich mich hauptsächlich auf ihre Chancen für ein Fortbestehen. Ebenso werden Ideen für eventuelle Ausgestaltungsmöglichkeiten erörtert.

1.3 Begriffsbestimmung

Der Begriff „ökologische Steuerreform“ ist eine Wortschöpfung der umweltpolitischen Praxis und deshalb nicht genau abgegrenzt. Selbst in der Fachliteratur wird er sehr weit gefasst und unterschiedlich interpretiert. Daher werde ich zu Beginn meiner Arbeit mein persönliches Verständnis über das Wesen einer „ökologischen Steuerreform“ definieren und herausarbeiten.

Unter einer Steuerreform versteht man im allgemeinen „eine wesentliche Umgestaltung eines bestehenden Steuersystems oder einzelner Steuerarten.“(Bertelsmann, Band17, S.161) Der Zusatz „ökologisch“ macht darauf aufmerksam, dass es sich dabei um eine Neugestaltung unter Einbezug des Gesamthaushaltes der Natur handelt. Folglich ist eine ökologische Steuerreform eine grundlegende und tiefgreifende Umgestaltung des Steuersystems, die durch die Erhebung von Umweltsteuern eine unter ökologischen Gesichtspunkten geführte Neuausrichtung des bestehenden Abgabensystems bewirken soll.

Das DIW präzisiert den Grundgedanken einer ökologischen Steuerreform in der „ Erhebung von umweltpolitisch motivierten Lenkungsabgaben (...), deren Aufkommen zu wesentlichen Teilen eingesetzt wird, um unerwünschte Eigenschaften des bestehenden Steuersystems zu korrigieren“.[4]

Letzteres gestattet eine Abgrenzung zum Begriff „Einführung ökologisch motivierter Steuern“. Zieht man beide Zieldefinitionen heran, stellt man fest, dass es bei den „ökologisch motivierten Steuern“ alleinig um die Schonung der Umwelt geht, während das Herzstück der ökologischen Steuerreform in Deutschland die Realisierung einer doppelten Dividende ist. Demnach soll eine solche Reform nicht nur umweltpolitische sondern ebenfalls arbeitspolitische Vorteile bringen. Neben dem vorrangigen Ziel, die Umweltbelastungen zu vermindern, werden durch die Reform steigende Beschäftigungszahlen erwartet.

Fragwürdig ist, ob man angesichts der im Rahmen der ökologischen Steuerreform schon umgesetzten Maßnahmen in Deutschland tatsächlich von einer Reform nach o.g. Definition sprechen kann. Darauf soll erst nach der Abhandlung des Themas in Kapitel 10 eingegangen werden.

2. Entwicklung der Ökosteuerdiskussion in Deutschland

Fossile Energien sind ein knappes und endliches Gut. Die Preise für ihre Nutzung sind mittel- bis langfristig zu niedrig. Sie spiegeln nur einen Bruchteil ihrer tatsächlichen Kosten wieder. Daher bieten diese wenig Anreiz, vorhandene Energiesparpotentiale auszuschöpfen, erneuerbare Energien stärker auszubauen sowie energiesparende und ressourcenschonende Produkte und Produktionsverfahren zu entwickeln und anzuwenden.

Des Weiteren führt die Verbrennung fossiler Energieträger zu enormen Kohlendioxidemissionen; sie gehören zu den Ursachen des Treibhauseffekts und sind damit hauptverantwortlich für die gravierenden Umweltprobleme unserer Zeit.

Die Grundidee der Ökosteuer ist es, durch den verstärkten Einsatz von ökologischen Lenkungsabgaben, deren Bemessungsgrundlage der Ressourcenverzehr- bzw. die Schadstoffemissionen sind, den Energieverbrauch zu vermindern. Durch ein Umschichtungsverfahren werden diese Einnahmen genutzt, um die hohen Abgaben auf Arbeit kontinuierlich zu senken. Diese Art der Einnahmenverwendung folgt dem Gedanken, dass die derzeitig zu hohen Lohnnebenkosten, insbesondere Sozialversicherungsbeiträge, den Faktor Arbeit in Deutschland erheblich verteuern und damit die Beschäftigungs-situation in Deutschland beachtlich verschlechtern.

Im Zusammenhang mit beiden Problemstellungen spricht man von einer Doppelten Dividende. Man erhofft sich, Probleme beider Sektoren mit Hilfe einer Reform lösen zu können.

Beide Zielsetzungen sind in Anbetracht der derzeitigen Entwicklung von großer Bedeutung, denn der Großteil der westlichen Industriestaaten ist in diesem Zusammenhang mit zwei ungelösten Krisen konfrontiert:

- Die ökologische Krise ihres Wirtschaftsmodells, dessen Umweltbelastungen weder auf den Rest der Welt übertragbar ist, noch in Zukunft fortsetzbar ist, ohne die vorhandenen Kapazitäten des Planeten zu überfordern.
- die nach wie vor anhaltende Beschäftigungskrise mit über 35 Mio. Arbeitslosen in den OECD-Staaten[5]

2.1 Zwei Grundprobleme in Deutschland

Um nachzuvollziehen, wie beide Krisen im weitesten Sinne simultan bewältigt werden können, folgt eine kurze Beschreibung der Problematik der betroffenen Sektoren Umwelt und Arbeitsmarkt.

2.2.Analyse des Faktors Umwelt

2.2.1 Die momentane Umweltsituation

Die Umweltsituation in Deutschland hat innerhalb der letzten 20 Jahre Erfolge aufzuweisen. Diesen regionalen Erfolgen stehen wiederum globale Umweltbedrohungen mit weit größerem Ausmaß gegenüber. Klimakatastrophen mit daraus resultierenden Überschwemmungen und Stürmen, das wachsende Ozonloch, die zunehmende Wüstenbildung, der Schwund von täglich etwa 130 Tier- bzw. Pflanzenarten[6] und der übermäßige Ressourcenverbrauch sind einige Beispiele dafür. Zu den Hauptursachen für diese internationalen Umweltschäden zählen in erster Linie die gestiegenen Emissionen von sogenannten „Treibhausgasen“, wozu vor allem Kohlendioxid (CO2), aber auch Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O: Lachgas) und die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) zählen. Besonders der CO2-Gehalt in der Atmosphäre hat sich seit der Industrialisierung um 25% von 280 auf 365 ppm (parts per million) erhöht.[7] Eine entscheidende Ursache dieser Entwicklung ist der zu hohe Energieverbrauch in den Industrieländern. Der Einsatz von „billiger Energie“ ermöglicht riesige Stoffumsätze mit großem Ressourcenverbrauch und all ihren umweltschädlichen Folgen. Demnach verbrauchen noch immer 20% der Weltbevölkerung, vornehmlich die Industrienationen, rund 80% der verfügbaren Ressourcen.[8] Ein Deutscher verbraucht beispielsweise siebenmal so viel Brennstoff wie ein Ägypter.[9]

Der Straßenverkehr und industrielle Kraftwerke haben den größten Anteil an dieser Entwicklung, es folgen die Abholzung, Rodung und Verbrennung großer Waldgebiete.

Weitere Ursachen für die Verschlechterung der Umweltsituation ist die verstärkte Internationalisierung der Wirtschaftsaktivitäten, die zur Verlagerung gerade umweltrelevanter Produktionsarbeiten in Länder mit niedrigen Umweltstandards, wie Osteuropa oder Schwellenländer, führt. Dies schürt eine wachsende Gesamtbelastung der Umwelt.[10]

Anfang März 2001 präsentierte das UN-Expertengremium zum Klimaschutz Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) seine neuen Prognosen. Demnach könnte bei einer Stabilisierung der derzeitigen weltweiten Treibhausemissionen die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um 1,4 bis 5,6 Grad ansteigen[11] [12]

2.2.2 Die deutsche Umweltpolitik

Die deutsche Umweltpolitik, die jahrelang als Vorbildfunktion für andere Nationen fungierte, war vor der Einführung der ökologischen Steuerreform an ihre Grenzen gestoßen. Seit Jahren unterliegt sie der Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik, regionalen Interessen und der Strukturförderung.[13]

Zugegebenermaßen konnte man auch vereinzelte Erfolge der deutschen Umweltpolitik in der Vergangenheit beobachten. Grundlagen dafür waren das 1970 aufgelegte erste Sofortprogramm für Umweltschutz und die Einrichtung des Bundesumweltministeriums 1986. Doch diese Anstrengungen setzen zumeist nur bei regionalen oder nationalen Problemen an und sind nicht präventiver Natur. Noch heute wird versucht, mit viel Geld und Aufwand schon verursachte Umweltschäden zu reparieren. Diese Reparaturpolitik löst keine langfristigen Probleme und greift nicht vorbeugend ein. Sie erhöht gegebenenfalls die Profite der wachsenden Wirtschaftsbranche, die sich auf Umweltreparaturen spezialisiert.[14]

Überdies hinaus werden umweltschädigenden Maßnahmen belohnt, indem man sie subventioniert. Ein gutes Beispiel zeigt die Verkehrspolitik. Sie hat das Autofahren über Jahrzehnte hinweg durch Steuerentlastungen und den Bau neuer Autobahnen unterstützt und die umweltfreundlichere Schiene vernachlässigt. Die durch den Verkehr entstandenen Kosten für Umwelt- und Gesundheitsschäden schätzt das Umweltbundesamt (UBA) auf ca. 200 Mrd. DM pro Jahr.[15]

Nicht nur in der Verkehrspolitik wird noch immer antiökologisch gewirtschaftet, auch die Agrarpolitik subventioniert eine chemieintensive Bewirtschaftung, das Baugesetzbuch setzt den Landschaftsverbrauch und der Flächenversiegelung keine ernsthaften Grenzen und die Energiepolitik gestattet Energieverschwendung bei der Stromproduktion und subventioniert die Atomwirtschaft.

Mit der Einführung der Ökosteuer in Deutschland versucht man, eine ressourcenschonende und energiesparende Form der Produktion und des Konsums anzustoßen, die Umweltprobleme erst gar nicht entstehen lässt.

2.2.2.1 Instrumente der Umweltpolitik

Lange hat die Umweltpolitik überwiegend darauf vertraut, die Nutzung der Umwelt mit Hilfe des Ordnungsrechtes zu beschränken. Unter ordnungspolitischen Instrumenten werden Eingriffe des Staates in das Handeln der Akteure mittels Auflagen verstanden. Dabei nutzt die Umweltpolitik Mittel der Gebote, Verbote und der Normsetzung. Dem gegenüber stehen anreizorientierte Instrumente. Hierbei bedient sich der Staat dem Streben der Akteure nach individueller Nutzenmaximierung. So soll sich umweltschädliches Verhalten negativ auf den einzelwirtschaftlichen Nutzen auswirken und umweltfreundliches Verhalten eine Nutzensteigerung ermöglichen. Jeder Akteur kann somit nach seinen Präferenzen entscheiden, ob er dem Anreiz folgt, oder den Nachteil trägt. Hier ergibt sich im Gegensatz zum Ordnungsrecht ein individueller Entscheidungsspielraum. Überdies kann im Vergleich zum Ordnungsrecht ein umweltpolitisches Ziel zu geringeren Kosten erreicht werden.[16]

Anreizorientierte Instrumente sind Moral suasion[17], Verhandlungslösungen[18], Subventionen, Umwelthaftung sowie Umweltabgaben.

Im Mittelpunkt der ökologischen Steuerreform steht ein anreizorientiertes Instrument: eine Ökosteuer.

Die Begriffe „Ökosteuer“, „Umweltabgaben“ und „Ökoabgaben“ werden oft synonym verwendet. Genaugenommen sind Umweltabgaben nur solche Abgaben, deren primäres Ziel eine Lenkung des Verhaltens der Akteure im Hinblick auf eine Verbesserung der Umweltsituation ist. Nur sekundär betrachtet, verfolgt man ein Aufkommen, das einem sinnverwandten Zweck zugute kommt. Fließt hingegen ein Aufkommen in den staatlichen Gesamthaushalt oder wird für zweckentfremdete Maßnahmen eingesetzt, spricht man von Steuern. Abgaben und Steuern unterscheiden sich folglich durch ihre Verwendung.[19] Bei den ökologischen Zahlungen der derzeitigen Reform handelt es sich in bezug auf ihre Verwendung korrekterweise eher um Umweltsteuern als um Umweltabgaben, obwohl beide Definitionen nicht hundertprozentig zutreffen, was später aufgezeigt wird. In der weiteren Analyse werden daher beide Begriffe nebeneinander verwendet.

2.3 Analyse des Faktors Arbeit

2.3.1. Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Nachdem sich die Arbeitslosenzahlen in Deutschland in den letzten Jahren immer wieder Rekordläufe boten, wurde 1997 die jahresdurchschnittlich höchste Arbeitslosenquote der letzten 10 Jahre erreicht. In dem besagten Jahr zählten 4 384460 Menschen als arbeitslos, das entsprach einer Quote von 11,4 %. In den kommenden Jahren folgten leicht rückläufige Zahlen. Im Jahre 1998 lag der Jahresdurchschnitt bei 11,1%, 1999 bei 10, 5% und im letzten Jahr lag die Arbeitslosenquote bei 9,6%.[20]

Im März 2001 wurden in Deutschland 3.999.600 Menschen als arbeitslos registriert.[21]

2.3.2. Die Arbeitsmarktpolitik

Eine hohe Arbeitslosigkeit gefährdet den sozialen Standard und bietet Nährboden für Missmut und Aggression. Das Problem der Arbeitslosigkeit stellt aber nicht nur eine soziale Herausforderung, sondern auch eine finanzielle Belastung für die Regierung dar: Im Jahre 2001 sieht der Haushaltsplan der Bundesanstalt für Arbeit Ausgaben in Höhe von rund 101,2 Mrd. DM vor, das ist ca. 1 Mrd. DM mehr als im Vorjahr.[22] [23]

Hier stellt sich die Frage, wo die Ursachen für eine solche Arbeitslosigkeit zu finden sind. In der Diskussion um die deutsche Arbeitsmarktpolitik werden die Rationalisierungsmaßnahmen, eine wesentliche Ursache für die Arbeitslosigkeit, häufig mit dem zu hohen Lohnniveau in Deutschland begründet. Dabei spielen die Lohnnebenkosten die entscheidende Rolle, denn sie verteuern den Faktor Arbeit in dem Maße, dass in Folge davon die Beschäftigung rückläufig ist. So lag im Jahre 1999 die westdeutsche Industrie traditionsgemäß an erster Stelle der internationalen Arbeitskosten-Rangliste. Mit 49,23 DM war die westdeutsche Arbeiterstunde im verarbeitenden Gewerbe ca. 14 DM teuerer als im Schnitt der ausländischen Konkurrenz. Zum zweitplazierten Norwegen betrug der Abstand 2,95 DM pro Stunde. Damit war sie höher als in jedem anderen Industrieland. In Japan oder den USA schlugen die Arbeitskosten dagegen nur mit umgerechnet 39,23 DM bzw. 35,27 DM zu Buche. In Portugal wurde sogar nur 12,03 DM gezahlt.[24] Da es sich wiederum um unterschiedlich hohe Arbeitsproduktivitäten handelt, liegt es nahe, die Stückkosten, d.h. die Arbeitskosten in Abhängigkeit zur Arbeitsproduktivität, zu betrachten. Hier nahm Deutschland im Jahr 1999 wieder eine Spitzenposition ein. Zwar liegen Norwegen und Großbritannien vor Deutschland, aber alle anderen Industrieländer liegen durchschnittlich 8% niedriger.[25] Einen Überblick über die internationalen Arbeitskosten bzw. Lohnkosten gibt Anlage 1.

Die hohe Lohnsteuer einschließlich der hohen Lohnnebenkosten verteuern den Durchschnittslohn in Deutschland. Der Lohnsteuerspitzensatz lag im Jahre 1999 bei 50,7%. Der ständig steigende Sozialversicherungsaufwand bewirkte u.a. einen starken Anstieg der Lohnnebenkosten. Hierbei nahm die Rentenversicherung einen Spitzenplatz mit 20,3% im Jahre 1998 ein.[26]

Betrachtet man die Entwicklung des deutschen Steuer- und Abgabensystems seit den sechziger Jahren, so fällt zwar auf, dass die Steuerquote[27] in den letzten Jahren einen konstanten bis leicht rückläufigen Charakter hatte, demgegenüber die Belastung mit Sozialabgaben ständig und insbesondere seit Beginn der neunziger Jahre immer wieder anstieg. Im Jahr 1997 stammten ganze 65,6% aller öffentlichen Abgaben aus der Lohnsteuer und den Sozialabgaben, im Vergleich: 1970 lag der Anteil bei ca.45%.[28]

2.4 Die Kritik am deutschen Steuersystem

Zusammenfassend stellt man fest, dass das deutsche Steuersystem in zweifacher Hinsicht in die Kritik gerät.

Der umweltpolitische Kritikpunkt ist das Unvermögen der Marktwirtschaft, die Nutzung von Umweltgütern richtig zu steuern. In Anbetracht der Tatsache, dass fossile Ressourcen endlich sind und die bekannten Vorräte an Erdöl im Jahre 2042 aufgebraucht sein werden, sind ihre Preise nicht verhältnismäßig. So haben Abgaben vorrangig eine fiskalische Funktion und weniger die Aufgabe, als Steuerungsinstrument zu dienen. Denjenigen, die die Umwelt nutzen, werden außerdem dafür nicht in vollem Umfang die gesellschaftlichen Kosten angelastet. Der Markt kann nicht effizient steuern, da diese Kosten nicht in die individuelle Kostenrechnung der Produzenten und Konsumenten einfließen. Sie spielen daher auch keine Rolle in deren ökonomischer Entscheidung nach dem Motto „was nichts kostet, wird verschwenderisch gebraucht.“ Eine Folge davon ist der gestiegene Ausstoß an umweltschädlichen Emissionen. Das Ordnungsrecht kann das Vorsorgeprinzip im Umweltschutz nicht ausreichend verwirklichen, es erlaubt kaum Anpassungen an Marktentwicklungen und richtete das Interesse einseitig auf nachträgliche Schadstoffbeseitigung, die sogenannte end-of-pipe-technology. Zudem bremst das Ordnungsrecht die Entwicklung neuer Umwelttechnologien.[29]

Die wirtschafts- und sozialpolitische Kritik bezieht sich auf die hohe Arbeitsbesteuerung. Sie erschwert Neueinstellungen, entfacht Rationalisierungen und schreckt ausländische Direktinvestitionen ab. Ein Grund für die gestiegenen Lohnkosten ist die konstante Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge. Im globalisierten Kostendruck der Unternehmen wirken sich diese Bedingungen negativ auf den Standort Deutschland aus.

Eine Schlussfolgerung aus beiden Feststellungen ist, dass der Anteil der Abgaben auf den Faktor Arbeit in den letzten Jahren stetig erhöht wurde und gleichzeitig die steuerliche Belastung des Faktors Natur am Gesamtsteueraufkommen zurückging. Demnach unterstützt das deutsche Steuersystem Investitionen in die Arbeits- und nicht in die Energieproduktivität der Unternehmen.[30]

Um dieser arbeits- und umweltfeindlichen Entwicklung entgegenzuwirken, wurde in Deutschland das Instrumentarium der ökologischen Steuerreform eingeführt.

Durch sie erhofft man sich Lösungsansätze für beide Probleme: die Erfüllung der Doppelten Dividende.

3. Theoretische Grundlagen der ökologischen Steuerreform

3.1 Internalisierung externer Kosten

Vor der im Jahre 1999 eingeführten ökologischen Steuerreform in Deutschland gab es zunächst lediglich die Kraftfahrzeugsteuer und die Mineralölsteuer auf Kraftstoffe, Heizöl etc.. Diese stehen ökologischen Zielsetzungen neutral gegenüber, das bedeutet, dass in der Besteuerung grundsätzlich keine Differenzierung hinsichtlich der Umweltverträglichkeit erfolgt.[31] Man macht keinen Unterschied, ob es sich um umweltschädliche Transaktionen handelt, ob sie der Umwelt dienen oder ihr neutral gegenüberstehen. Beispielsweise zahlt ein Fahrzeughalter einen bestimmten Kraftfahrzeugsteuersatz, der seit 1.7.1997[32] zwar auf der Basis abgastechnischer Euro-Normen berechnet wird, jedoch ungeachtet davon, wie oft der Fahrzeugeigentümer sein Fahrzeug nutzt, bzw. wie viele Kilometer er zurücklegt.

Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der fehlenden Internalisierung externer Kosten.

In der ökonomischen Theorie werden Umweltprobleme als Folge des Auftretens von externen Effekten erklärt. Das Ausmaß dieser oft irreversiblen Umweltschäden und der hohe Sanierungsbedarf verdeutlichen, dass ein Großteil der Wirtschaftsaktivitäten, in unserem Fall die Gewinnung, Umwandlung und Nutzung von Energie, soziale Folgekosten nach sich zieht. Diese werden jedoch nicht von den Einzelakteuren getragen, sondern die Gemeinschaft tritt dafür ein.[33] Durch eine Internalisierung der externen Kosten mit Hilfe umweltpolitischer Instrumente kann dem gegengesteuert werden. Preisähnliche Anreize verhindern, dass ein Entscheidungsträger die Umweltwirkung seiner Aktivitäten ignoriert. Dem Verursacher entstehen dadurch Opportunitätskosten, wodurch seine Entscheidungsfindung beeinflusst wird. Die damit einhergehende Verteuerung der Umweltnutzung führt dazu, dass rationale Akteure mit dem Faktor Umwelt ebenso oder annähernd ökonomisch umgehen wie mit anderen kostenintensiven Produktionsfaktoren. Davon gehen nicht nur Impulse zu einer „ceteris paribus“ erfolgenden Senkung von Emissionen, sondern auch zu einem umweltsparenden Strukturwandel der Wirtschaft aus.[34]

3.2 Umweltökonomische Konzepte

In der Literatur stößt man auf zahlreiche Überlegungen und Theorien, die den Gedanken der Internalisierung externer Kosten aufgreifen. Im folgenden erläutere ich drei anerkannte Konzepte, um zum einen zu zeigen, wie divers und komplex sich der wissenschaftliche Hintergrund gestaltet und um zum anderen zu verdeutlichen, dass jede Überlegung unabhängig von ihrer Ausgestaltung Vor- und Nachteile mit sich bringt. Die Theorien von Arthur C. Pigou, das Konzept von Ronald Coase und der Standard-Preis-Ansatz von Baumol/Oates haben an der engagierten wissenschaftlichen Diskussion über die Umsetzung von umweltökonomischen Konzepten teilgenommen, die auf die neoklassische Wirtschaftstheorie zurückgehen. Die Auswirkungen dieser eher theoretischen Debatte auf die praktische Politik waren allerdings zum Teil begrenzt.

3.2.1 Theorie nach Arthur C. Pigou

Der Ansatz von Pigou aus dem Jahre 1923, auch Theorie der externen Kosten genannt, basiert auf der Erkenntnis, dass die Verursacher von Umweltschäden einen Teil der Kosten der Umweltnutzung auf die Allgemeinheit, auf die Umwelt im In- und Ausland sowie auf zukünftige Generationen abwälzen. Der Kern der Theorie ist es, mit einer staatlichen steuerbedingten Korrektur der Preise diese Kosten vollständig dem Verursacher anzulasten. Die Nutzung knapper Güter muss mit Knappheitspreisen versehen werden, um die gesamtwirtschaftlichen Kosten zuzuweisen und den Verursachern einen Anreiz zu geben, Emissionen zu vermeiden oder zu verringern. Pigou argumentierte, durch die Erhebung einer Steuer in Höhe der Differenz zwischen privaten und volkswirtschaftlichen Kosten könne die Effizienz der Allokation wiederhergestellt werden. Die Summe aus dem bisherigen Peis und der Steuer entspricht dann den volkswirtschaftlichen Kosten; die Voraussetzung für die effiziente Nutzung von Ressourcen ist also wiederhergestellt.[35]

Diesen Ansatz hat E. U. von Weizsäcker mit der populären Forderung „die Preise sollen die ökologische Wahrheit sagen“ in die heutige Zeit gesetzt. Doch eine Frage bleibt offen und darin besteht das grundsätzliche Problem. Welches sind die „wahren“ Preise und wie werden diese ermittelt? Nicht nur die Identifizierung der Gesamtschäden stellt sich als Barriere heraus, hinzukommend problematisch ist es, diese in einen monetären Wert zu setzen. Eine Überlegung zur möglichen Bewertung ist die Evaluation der Zahlungsbereitschaft der Akteure für die Vermeidung eines Schadens. Doch die vorherrschenden Wissensdefizite sind zum Teil so groß, dass oft keine der Realität entsprechenden Ursache-Wirkungsbeziehungen aufgestellt werden können. Insbesondere zeitverzögerte und synergetische Effekte erschweren die Feststellung und Bewertung der Schäden.[36] Zur Verdeutlichung des Problems kann ein Beispiel aus dem Straßenverkehr herangezogen werden. Laut verschiedener Studien liegen die errechneten Kosten der Schädigungen durch diesen Sektor zwischen 35 und 222 Mrd. DM. Diese enorme Schwankungsbreite macht es praktisch unmöglich, eine gerechte Umlage der Kosten für die Ökosteuersätze zu berechnen.[37]

3.2.2 Theorie nach Ronald Coase

Eine andere Möglichkeit, externe Effekte zu internalisieren, wurde 1960 von Ronald Coase vorgeschlagen. Er forderte in seiner Theorie eine Transformation öffentlicher Güter zu privaten Gütern. Im Unterschied zu Pigou steht bei seiner Überlegung eine Mengenregulierung und nicht eine Preisregulierung im Mittelpunkt. Demnach sollen Umweltgüter durch begrenzte Nutzungsrechte via Lizenzvergabe geschützt werden. Durch den Handel mit den Lizenzen entsteht ein Preis, der im weitesten Sinne die „wahren Kosten“ widerspiegelt. Aber auch dieser Ansatz lässt sich nicht problemlos realisieren, denn wie schon bei Pigou tritt hier erneut die Schwierigkeit der Feststellung der Schäden und die Zuordnung auf die Verursacher auf. Zusätzlich muss die Kenntnis gegeben sein, welche physischen Grenzen die Akteure am Markt einhalten sollen. Beispiel Klimaschutz: bei der Anwendung dieses Ansatzes muss vor der Zertifikatsvergabe die global verträgliche Menge an Treibhausgasen festgelegt werden. Doch die Klimaforschung ist noch keineswegs so weit, dass sie in der Lage wäre, diese Menge zahlenmäßig zu bestimmen. Die globale Grenze der CO2-Emissionen kann alternativ nur auf gesamtpolitischer Ebene durch Verhandlungen zwischen Ländern und Ländergruppen festgelegt werden. Vorteilhaft an dieser Theorie ist allerdings, dass man auf eine monetäre Bewertung des Umweltziels verzichten kann, da der Preis abhängig von Angebot und Nachfrage entsteht.

Im Vergleich beider Theorien kann man feststellen, dass beide Ansätze durch eine Änderung der Rahmenbedingungen die Entscheidungen der Akteure über Art und Umfang ihrer Umweltnutzung stärker durch den Markt-Preis-Mechanismus beeinflussen. Beide Ansätze sind daher neoklassisch und marktorientiert. Coase verfügt über die marktwirtschaftlichere Variante, da das festgelegte Ziel der Umweltentlastung kostenminimal erreicht wird, indem sich der Preis durch Angebot und Nachfrage ohne staatliche Interventionen bildet. Pigou nimmt hingegen bei der Festlegung des „gerechten“ Preises direkten Einfluss auf das wirtschaftlich Geschehen, und das ökologische Ergebnis muss als Resultat der Preisinterventionen akzeptiert werden.[38]

3.2.3 Der Standard-Preis-Ansatz

Obwohl Pigous Ansatz höhere Akzeptanz erreichte, hinderten die genannten Nachteile an seiner Umsetzung. Man wendete sich dem Standard-Preis-Ansatz von Baumol/Oates (1971) zu, der umweltpolitische Qualitätsziele (Standards) festlegt, und die Umweltabgaben so hoch bemessen werden, dass der ökologische Standard realisiert werden kann. Dieser Ansatz war die Basis der neuen Konzepte für eine ökologische Steuerreform. Der Ausgangspunkt ist demnach eine politische Entscheidung, beispielsweise die Verpflichtung von Deutschland auf der zweiten UNCED-Konferenz „Umwelt und Entwicklung“ im Juni 1992 in Rio, seine CO2-Emissionen bis zum Jahre 2005 um 25-30% (Basisjahr 1987) zu senken. An den Grenzkosten zur Erreichung dieses Umweltziels orientiert sich beim Standard-Preis-Ansatz dann die Höhe des Steuersatzes. Es wird eine Abgabe auf CO2- Emissionen erhoben, die dem Verbraucher erlaubt, frei zu entscheiden, ob er die Emission unterlässt oder die Abgabe bezahlt. Ökonomisch rationales Verhalten vorausgesetzt, vermeidet er genau so viel Emission bis die Vermeidung teurer ist als die Abgabenhöhe. Dieses Prinzip entspricht der in Deutschland eingeführten Ökoabgaben. Ohne den gesellschaftlichen Schaden aus der Emission und den Schnittpunkt zwischen Grenzschaden und Grenzvermeidungskosten zu kennen, wird der Grenzschaden doch als sehr hoch eingeschätzt, sodass eine Reduktion um 25% als wohlfahrtssteigernd betrachtet werden kann.

Bei der Analyse und der Umsetzung sollte man aber den Ansatz von Pigou nicht vollständig aus den Augen verlieren. Bei einem Anstieg von Einkommen und Preis, verschieben sich die privaten Grenzkosten des Angebots und die marginale Zahlungsbereitschaft der Nachfrage. Um dann die selbe Wohlfahrtswirkung zu haben, muss der Steuersatz ansteigen.[39]

Die aus den Theorien gewonnene Erkenntnis ist, dass der Marktpreis eines Gutes die Kosten seiner Nutzung für die Gesellschaft widerspiegelt, also externe Kosten internalisieren muss, um eine effiziente Verwendung der Ressourcen herbeizuführen. Abgaben sind ökonomisch effizient, da sie das Umweltziel zu den geringstmöglichen volkswirtschaftlichen Kosten erreichen können. Aus diesem Grund sind Abgaben auch dann als Instrument der Umweltpolitik dem Ordnungsrecht vorzuziehen oder zumindest gleichzustellen, wenn die hohen Ansprüche von Pigou nicht erfüllt werden.

4. Ansprüche an eine ökologische Steuerreform in Deutschland

Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Überlegungen kann der erfolgreiche Einsatz von Ökosteuern von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht werden.

Da diese Ansprüche je nach eigener Wertschätzung sehr unterschiedlich ausfallen können, beschränke ich mich bei der Darstellung auf vom Großteil der Experten anerkannte Kriterien. Ihre Abhandlung erfolgt in der chronologischen Reihe ihrer Relevanz. Da diese Bewertung ebenfalls subjektiv ist, beziehe ich mich auf meine persönliche Einschätzung, die ich während der Abhandlung des Themas gewonnen habe.

4.1 Konzeptionelle Ansprüche

Für eine erfolgreiche Realisierung der Reform müssen konzeptionelle Voraussetzungen erfüllt werden, die gegebenenfalls ihren strengen Rahmen lockern, jedoch die eigentliche Durchsetzung erst gestatten.

Die wichtigsten Ansprüche an die erfolgreiche Umsetzung der Ökosteuerreform in Deutschland sind folgende:

1.Die Verteuerung von nicht-regenerativer Energieträger: Die Steuerbasis muss sich auf umweltbelastende Aktivitäten beziehen. Die erhöhten Preise dieser Aktivitäten müssen eine Internalisierung der externen Kosten herbeiführen. Durch diese Veränderung des relativen Preisgefüges soll umweltschädliches Verhalten unattraktiv werden und zugleich eine Verminderung des Verbrauchs von endlichen Ressourcen und damit der Umweltbelastung bewirken.
2.Die gezielte Aufkommensverwendung: Das Aufkommen an Umweltsteuern soll dem Haushalt nicht für allgemeine Zwecke zur Verfügung stehen, sondern ganz oder teilweise zur Senkung der Lohnnebenkosten genutzt werden.
3.Die Aufkommensneutralität: Die Rückführung des Energiesteueraufkommens durch die Senkung der Lohnnebenkosten ist so zu gestalten, dass keine Nettobe- oder -entlastungen für durchschnittlich effiziente Unternehmen und Haushalte durch die Ökosteuerreform entstehen. Die Staatsquote soll dahingehend ebenfalls unberührt bleiben.
4.Die Kompensation benachteiligter Wirtschaftssubjekte: Haushalte und Unternehmen, die situations- oder branchenabhängig im überproportionalen Maße belastet werden, müssen durch zeitlich begrenzte Kompensationsmaßnahmen entlastet werden.
5.Die Dynamisierung der Steuersätze: Die Umstrukturierung des Steuersystems und damit die Erhöhungen der Besteuerung müssen sich schrittweise und langfristig vollziehen, damit diese für Produzenten und Konsumenten einkalkulier- und sozial verträglich ist.
6.Der Subventionsabbau: Ökologisch kontraproduktive Elemente des bestehenden Steuersystems müssen zunehmend abgebaut werden, denn sie bilden einen Widerspruch zur ökologischen Besteuerung.

4.2 Fiktiver Anspruch: Nachhaltigkeit

Neben den konzeptionellen Voraussetzungen, die kurzfristig erfüllt werden können und die man schon während der Reformphase auf Erfolg prüfen kann, besteht bei der Ökosteuerproblematik ein zusätzlich theoretischer Anspruch, der eine langfristige und dauerhafte Zielsetzung der Ökosteuerreform darstellt:

„Das Recht auf Entwicklung muß so erfüllt werden, daß den Entwicklungs- und Umweltbedürfnissen heutiger und künftiger Generationen in gerechter Weise entsprochen wird.“

Die Forderung nach „substainability“, zu deutsch Nachhaltigkeit, stammt aus dem Grundsatz 3 der Deklaration über Umwelt und Entwicklung der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992. Mit ihr wurde ein neuer Begriff in die Diskussion um die Umweltsteuern eingebracht. Unter Nachhaltigkeit versteht man eine dauerhaft umweltgerechte Entwicklung, die eine Nutzung von Ressourcen ohne irreparable Schäden zu verursachen, beabsichtigt.[40] Den Zustand der Nachhaltigkeit zu präzisieren und zu operationalisieren, verlangt es jedoch weiterer Forschungsarbeit.

Der theoretische Anspruch an Nachhaltigkeit besteht in der Rahmenschaffung für einen Wandel in der Denkweise. Er kann nur realisiert werden, wenn die konzeptionellen Ansprüche erfüllt sind.

Inwieweit die Erfüllung der konzeptionellen Kriterien und des fiktiven Anspruchs bei der ökologischen Steuerreform in Deutschland stattgefunden hat, wird in Kapitel 9 diskutiert.

5. Historischer Verlauf der Ökosteuerdiskussion

Bevor das „Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform“ am 01.04.1999 die Einführung von Ökosteuern in Deutschland manifestierte, gab es bereits breite wissenschaftliche Debatten über effizienzsteigernde, marktwirtschaftliche Instrumente im Umweltschutz. Eine ausschlaggebende Rolle bei der Lösung umweltpolitischer Aufgaben spielte dabei schon immer der Einsatz von Umweltabgaben oder Ökosteuern.

Als Vater der Reformidee gilt gemeinhin der Schweizer Ökonom Hans-Christoph Binswanger, der sich bereits 1983 mit dem heute noch geltenden Grundgedanken der ökologischen Steuerreform befasste und ihn in die Wissenschaft einführte. Ausgangspunkt seiner Idee war zum einen die Verteuerung des Ressourcenverbrauchs zur Internalisierung der externen Kosten. Und zum anderen beruhte sein Vorschlag auf der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, um den Faktor Arbeit zielgerecht zu entlasten. In den späten 80ern gab es weitere Entwürfe wie etwa die von E. U. von Weizsäcker[41]. Sie sahen eine Besteuerung von 34 Einzelprodukten zur Senkung der Mehrwertsteuer, der Lohnsteuer und der Rentenversicherungsbeiträge vor. Doch aufgrund von zu hoher Komplexität und fehlender Überschaubarkeit haben viele Überlegungen dieser Zeit in der darauffolgenden Debatte keine Rolle mehr gespielt.[42]

5.1 Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992

Ausgangspunkt der Ökosteuerdebatte in Deutschland war die Konferenz in Rio de Janeiro in Juni 1992. Dieser Umweltgipfel brachte 178 und damit nahezu alle Staats- und Regierungschefs an einen Tisch. Die Führungsrolle in Rio, die die USA unter der Regierung von Bush im Zuges des Wahlkampfes an Deutschland abgab, brachte das Gewicht der Konferenz in der Deutschen Republik zusätzlich hervor. In Rio hat man erstmals damit begonnen, die Verwirklichung einer nachhaltigen und bewahrenden Wirtschaftsweise zu einem erstrebenswerten Regierungsziel zu formulieren. Das Missverhältnis von Verursachung und Betroffenheit der Umweltschäden wurde zum ersten Mal angesprochen. Unter dieser Berücksichtigung erklärte man den Begriff Nachhaltigkeit zum Leitbild internationaler Politik und erstellte im Aktionsprogramm „Agenda 21[43] “ neue ökologische Richtlinien. Diese Richtlinien sind jedoch nicht verbindlich, sondern sollen nur als Hilfestellung dienen, um eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln.[44]

Deutschland entwickelte daraufhin das Ziel, die deutschen Co2-Emissionen bis zum Jahre 2005 (Basisjahr 1987) um 25-30% zu vermindern.[45] Welche große Herausforderung dieses Ziel für die Bundesrepublik darstellt, verdeutlicht die Darstellung in Anlage 2.

5.2 Greenpeace/DIW-Studie 1994

Ein entscheidender Faktor in der Diskussion war ein im Auftrag von Greenpeace erstelltes Gutachten des DIW aus dem Jahre 1994. Das DIW hat damit erstmals eine makroökonomische Analyse über die Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform im nationalen Rahmen vorgelegt. Diese beinhaltet als Kern die Einführung einer mengenbasierten Steuer auf alle nicht-regenerativen Energieträger und elektrischen Strom. Basierend auf dem Standard-Preis-Ansatz orientierte sich das Konzept bei der Höhe der Abgabe am Kohlendioxid-Reduktionsziel vom Umweltgipfel in Rio. Demnach wird in einem Zeitraum von 15 Jahren der Basispreis um real 7% erhöht. Die Einnahmen, die am Ende der Reform auf ca. 205 Mrd. DM anwachsen sollen, werden nach dem Prinzip der Aufkommensneutralität in Form einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge und der Zahlung eines Öko-Bonus an die privaten Haushalte zurückerstattet. Der Kern der Studie war die Analyse des Einflusses der ökologischen Steuerreform auf ökonomische Variablen wie Wachstum, Löhne, Einkommen, privaten und öffentlichen Verbrauch sowie Beschäftigung. Im Ergebnis wurden 330.000 bis 800.000 neue Arbeitsplätze und die Reduktion von Energieverbrauch und Kohlendioxidemissionen um ca. 21% prognostiziert.[46] Diese Studie löste eine heftige Debatte aus, da erstmals eines der wichtigsten Wirtschaftsforschungsinstitute mit einer Umweltschutzorganisation zusammenarbeitete. Zum ersten Mal wurde die Ökosteuer nicht nur als weiches, also ökologisches, sondern auch als hartes, d.h. ökonomisches i.S.v. beschäftigungspolitisches Instrument wahrgenommen. Dieses Konzept weitete den Unterstützerkreis aus und etliche Vorschläge zur Gestaltung der ökologischen Steuerreform wurden veröffentlicht.[47] Dabei kristallisierten sich 3 Grundausrichtungen bzw. Konzepte heraus:

- die Studie des DIW, sie konnte die größte wissenschaftliche Fundierung für sich beanspruchen;
- Entwürfe des eigens gegründeten Fördervereins Ökologische Steuerreform (FÖS), er setzt stärker auf politische und wirtschaftliche Durchsetzbarkeit der Reform;
- die Ideen des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) bzw. der Naturschutzbund (NABU), die sich in ihren im November 1995 veröffentlichten Studien an den ökologischen Notwendigkeiten orientierten und die radikalsten Positionen einnehmen.

An der wohl fundiertesten Studie von Greenpeace/DIW erkannten Skeptiker geringfügige Widersprüche in den Preiselastizitätsannahmen. Unternehmensverbände befürchteten zudem eine hohe Nettobelastungen für die Industrie und verhinderten zusammen mit der damaligen Regierung die Realisierung des Konzeptes. In den Folgejahren nach 1994/95 kam es zu einem erstaunlichen Abschwung: In den „Petersberger Beschlüssen“ für eine große Steuerreform waren Umweltabgaben nicht vorgesehen. Zahlreiche Unternehmensverbände hatten eine eindeutige Abwehrfront aufgebaut und angesichts der hohen Arbeitslosigkeit waren zusätzliche Abgaben kein Thema in öffentlichen Debatten. Nachdem die intensive Auseinandersetzung um die ökologische Steuerreform in dieser Zeit verstummte, erhielt das Thema erst 1997 durch die Veröffentlichung neuer Studien wieder ungewohnten Aufschwung.[48]

5.3 „Die zweite Generation“

Die Vorschläge der sogenannten „zweiten Generation“ wurden wirtschaftsfreundlicher und leichter durchsetzbar gestaltet, so dass man damals auch von „Ökosteuer light“ – Versionen sprach. Diese neuen Versionen vernachlässigten das ökologisch Ideale und orientierten sich an Kriterien wie Wettbewerbs- und Konsensfähigkeit. Zudem berücksichtigten sie praktische Erfahrungen mit Energiesteuern in anderen Ländern, wie z. B. in Dänemark oder Finnland. Mit diesen abgeschwächten Varianten konnte man den Widerstand gegen die Reform verringern und einen schnellen Reformeinstieg gewährleisten. Zu den bekanntesten Beispielen gehören die um Sonderreglungen für Industrie und Gewerbe ergänzte DIW-Studie im Jahre 1997 und das Gutachten der Universität Osnabrück unter der Leitung von Prof. Bernd Meyer im Februar 1997.

Trotz der differenzierten Ausgestaltungen der Vorschläge einigten sie sich in der Tatsache, dass je nach Variante 330.000 bis 390.000 neue Arbeitsplätze und eine Reduktion des Energieverbrauchs um 11-16% bis zum Ende der Laufzeit vorausgesagt wurden.[49]

5.4 Der Montivorschlag

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch der Monti-Vorschlag der EU-Kommission. Er sieht vor, das bestehende System der Mineralölbesteuerung auf alle Energieerzeugnisse zu erweitern und für alle Produkte preisliche Mindestniveaus festzulegen, die alle zwei Jahre bis 2002 erhöht werden sollen. Zudem sind zahlreiche Befreiungen geplant: u.a. für regenerative Energien, gewerbliche Luft- und Schifffahrt, Forst- und Landwirtschaft etc.. Alle Mitgliedsländer der EU werden aufgefordert, die Einnahmen zur Entlastung des Faktors Arbeit zu verwenden, wobei dies keine verbindliche Vorgabe ist. Dieser Vorschlag integriert aufgrund der zahlreichen Ausnahmen zwar weniger ökologische Belange, doch brachte er Bewegung in die Ökosteuerdebatte, da er bereits auf einer Ebene ansetzt, die mittelfristig alle Befürworter der ökologischen Steuerreform anstreben: die Ebene der Europäischen Union.[50] Warum eine Harmonisierung der ökologischen Besteuerung in der EU so wichtig ist, wird in Kapitel 8.2.1.2 aufgezeigt.

5.5 Klimakonferenz in Kyoto 1997

An supranationalen Lösungen hielten auch die UN-Klimakonferenzen fest. Zu den wichtigsten zählt das Zusammenkommen im japanischen Kyoto im Dezember 1997. Die Mitgliedsstaaten verpflichteten sich, ihre CO2-Emissionen bis zu den Jahren 2008-2012 um global etwa 5.2 % (Basisjahr 1990) zu reduzieren.[51] Hierbei hat sich Deutschland in der Folge der 3. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention verpflichtet, im Rahmen des europäischen „burden sharing“ den Ausstoß der wichtigsten Treibhausgase[52] bis zur Zielperiode um 21% zu verringern. Angesichts des insgesamt zu geringen Minderungsziels, dass zudem noch durch diverse Schlupflöcher untergraben wird, stellte diese Verpflichtung keine wirkliche Trendwende dar. Kein einziger der 37 Industriestaaten hat dieses Protokoll bis heute ratifiziert.[53]

Weitere Klimakonferenzen folgten, hielten sich jedoch mit innovativen Vorschlägen sehr zurück. In der Folgezeit wurde in Deutschland viel gestritten und diskutiert, aber weniger geschah. Die aus dem Jahre 1995 entstandene 5-Mark-Forderung der Grünen wurde 1998 im Wahlkampf erneut energisch aufgenommen und kommuniziert. Das Thema Energiepreise wurde damit schlagartig wieder ins Rampenlicht gerückt, was die Umweltpolitik zunächst jedoch enorm zurückwarf. Sachliche Debatten über ein ökologisches Umsteuern waren kaum noch möglich. Das Wort Reformstau machte die Runde.

6. Die Ausgestaltung der ökologischen Steuerreform in Deutschland

Mit dem Regierungswechsel von CDU/ F.D.P. zu SPD/ Bündnis90/Die Grünen im November 1998 kam es zu einem Prioritätenwandel, der insbesondere durch den Koalitionspartner Bündnis 90/Grüne ökologische Züge erhielt. Man einigte sich trotz differenzierter Meinungen bezüglich der Ausgestaltung in relativ kurzer Zeit auf eine schnelle Einführung der ökologischen Steuerreform. Als Besteuerungsgrundlage und somit Gegenstand der ökologischen Steuerreform legte man den Faktor Energie fest. Die schon zu Anfang der 90er Jahre entstandenen unabhängigen Forschungsarbeiten (z.B. von Weizsäcker [1990]) manifestieren, dass Energie[54] die geeignetste Steuerungsgröße für das Grund- und Schwergewicht einer ökologischen Steuerreform darstellt. Dafür gibt es vor allem drei Gründe:

- Der größte Teil der Umweltbelastung im lokalem und globalem Maßstab ist hauptsächlich direkt oder indirekt auf den Einsatz von Energie zurückzuführen.
- Wichtige ökologische Knappheitsprobleme beziehen sich auf fossile Energien.
- Die Erhebung einer ökologischen Steuer auf Energie ist vergleichsweise einfach.

Hier stellt sich die Frage, ob eine Besteuerung auf Emissionen nicht zielgerichteter ist, denn nicht Energie, sondern ihre Emissionen belasten die Umwelt. Aus der Sicht des Verursacherprinzips ist der Gedanke richtig, doch angesichts des Vollzugsaufwandes und der Praktikabilität stellt er eine Hürde dar. Bei allen wichtigen Schadstoffquellen müsste individuell die Emissionen über die Zeit gemessen werden, selbst wenn dies nur für große Quellen geschehen würde, wäre der Aufwand vergleichsweise enorm. Demgegenüber lenkt die ökologisch näherungsweise gewichtete Energie-Input-Besteuerung mit geringem Aufwand wichtige Umwelt- und Ressourcenprobleme direkt und indirekt.[55]

Die Besteuerung des Faktors Energie ist daher Kernstück der deutschen ökologischen Steuerreform.

6.1.Das Reformgesetz der ökologischen Steuerreform

6.1.1 Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform

Mit dem Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform wurde am 19.03.1999 eine solche Energiebesteuerung vom Bundestag gegen die Stimmen der unionsgeführten Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen beschlossen. Das Gesetz regelt die sogenannte erste Stufe der ökologischen Steuerreform, die am 01.04.1999 mit der Erhöhung bzw. Einführung von Energiesteuern in Kraft getreten ist und mit deren Einnahmen die Lohnkosten gesenkt werden sollen.[56]

Bei dem Ökosteuergesetz handelt es sich um ein Artikelgesetz.

- Artikel 1 regelt in 12 Paragrafen die Einführung einer neuen Stromsteuer (StromStG). Geregelt wird darin auch, wie die gewerbliche Wirtschaft einen verminderten Steuersatz in Anspruch nehmen kann.
- Artikel 2 enthält Bestimmungen über die im Rahmen der ökologischen Steuerreform erfolgten Änderungen des bestehenden Mineralölsteuergesetzes.
- Der abschließende Artikel 3 regelt den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Bestimmungen.
Nach diesen Regeln sind die Steuersätze für Mineralöl, Heizöl und Erdgas zum 01.04.1999 erhöht und eine neue Stromsteuer eingeführt worden.[57]
Im Zuge dieser ersten Stufe wurden im gleichen Jahr die Energiesteuersätze wie folgt erhöht[58]:
- Bleifreies Benzin und Diesel hatten einen bisherigen Steuersatz von 98 bzw. 62 Pfennigen pro Liter, diese Kraftstoffe wurden um je 6 Pfennige je Liter verteuert.
- Leichtes Heizöl war bisher mit 8 Pfennigen besteuert, hier fand eine Erhöhung um 4 Pfennige je Liter statt
- Auf Gas zahlte man zuvor eine Steuer von 0,36 Pfennige pro Kilowattstunde. Diese wurde um 0,32 Pfennige je Kilowattstunde angehoben.

Zudem wurde eine Stromsteuer in Höhe von 2 Pfennigen je Kilowattstunde neu eingeführt.[59]

Im Gegenzug wurden am 01.01.1999 die Beitragssätze zur Rentenversicherung um 0,8 Prozentpunkte von 20,3 auf 19,5 % verringert.[60]

6.1.2 Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform

Am 11.11.1999 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform. Es sieht eine ansteigende Besteuerung in vier weiteren Schritten ab dem Jahr 2000 bis zum Jahr 2003 vor. Demnach sind bzw. werden die folgenden Steuererhöhungen in Kraft treten:

[...]


[1] Vgl. Lorenz, 1999, S.13-14

[2] Von der CDU wurde im September 2000 ein entsprechender Gesetzentwurf eingebracht, der im Februar 2001 vom Deutschen Bundestag abgelehnt wurde. Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Mineralölsteuer und zur Abschaffung der Stromsteuer (Ökosteuerabschaffungsgesetz). BT-Drs. 14/4097 vom 15.9.2000

[3] Vgl. Der Spiegel, 1999, Nr.52, S.21

[4] Vgl. Kohlhaas, 1996, Protokoll Nr. 37, S.137

[5] Vgl. Görres, 1998, S.19

[6] Vgl. Volkens , 2000, S.4

[7] Durch diese menschlichen Aktivitäten verändert sich die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre und die Oberfläche der Erde. Die emittierten Gase reichern sich in der Atmosphäre an und stören den Wärmehaushalt der Erde, indem sie die Wärmeabstrahlung in den Weltraum blockieren und so die Durchschnittstemperatur erhöhen.

[8] Vgl. Greenpeace, 1999, S.8-10

[9] Vgl. Krebs, Reiche Rocholl, 1998, S.20

[10] Vgl. Köhn, 1996, S.21-25

[11] Vgl. Urbach, 2001, S.1-4 ; Krebs, Reiche, Rocholl, 1998, S.40-46

[12] Ein derartiger Temperaturunterschied kann verglichen werden mit der Differenz zwischen der Eiszeit vor 18.000 Jahren und der derzeitigen Warmzeit (4-5 Grad höher). Der entscheidende Unterschied ist, dass der damalige Übergang ein Prozess von mehr als 5000 Jahren war. Bei der derzeitigen Entwicklung spricht man von 200 Jahren.

[13] Vgl. Görres, 1998b, S.18

[14] Laut zahlreichen Berechnungen von Christian Leipert (z.B. Die heimlichen Kosten des Fortschrittes: Wie Umweltzerstörung das Wirtschaftswachstum fördert, 1989) belaufen sich die Ökologischen Reparaturkosten jährlich auf ca. 12% des BSP, demnach sind diese in den Jahren von 1970 bis 1988 von 6,9% auf 11,6% gestiegen und haben damit ein Wachstumstempo erreicht, was das Dreifache des BIP-Anstiegs übersteigt. Darin nicht enthalten sind immaterielle Kosten in Form von globalen Langzeitschäden.

[15] Vgl. Greenpeace, 1996, S.11

[16] Vgl. Greenpeace, 1994, S.5-20 Hamburg/Jacobs, 1997, S.33-37

[17] Moral suasion: (Lat: suasorisch: überredend): Beeinflussung des Staates auf die Zielbildung der Akteure im Hinblick auf die Umweltproblematik. Vgl. Jacobs, empirische Studie, 1997, S.35

[18] Die bekannteste Form der Verhandlungslösung ist ein Zertifikat. Vgl. Greenpeace, 1997, S.5-10

[19] Vgl. Jacobs/ Spengel/ Wünsche, 1997, S.35,

[20] Nach Gespräch mit Fr. Thiele (Statistisches Bundesamt), 10.04.2001

[21] Nach Gespräch mit Hrn. Arno Haas (Statistisches Bundesamt), 05.04.2001

[22] Dabei liegt der Kostenschwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik mit rund 28 Mrd. DM auf dem Eingliederungstitel. Ca. 2 Mrd. DM werden in ein Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit investiert, 750 Mio. DM fließen in das Programm zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit sowie 3 Mrd. DM in die Förderung von Strukturanpassungsprogrammen.

[23] Vgl. www.bma.bund.de/presse.asp?rd-1301, 13.12.2000

[24] Vgl. IWD, 2000, Nr.47, S.3

[25] Vgl. IWD, 2000, Nr.40, S.4-5

[26] Nach Gespräch mit Hrn. Haas (Statistisches Bundesamt), 14. März 2001

[27] Die gesamtwirtschaftliche Steuerquote ist das Steueraufkommen in Prozent des Bruttosozialproduktes. (Vgl. Bach, 1999)

[28] Vgl. Göppel, 1998, S.4

[29] Vgl. Bartelheimer, 1992, S.13-14

[30] Vgl. Reiche, 2001, Diskussion, Hannover

[31] Eine Ausnahme war die Steuerspreizung bei bleifreiem Benzin seit 1985. (nach Gespräch mit Hrn. Steffe)

[32] Bis zum Juni 1997 bezog sich die Berechnungsbasis für die Kraftfahrzeugsteuer auf den Hubraum bzw. auf das Gesamtgewicht des Fahrzeugs, was keinen ökologischen Bezug erkennen lässt.

[33] Vgl. Ifo, 1994, S.3-6

[34] Vgl. Endres, 1994, S.177

[35] Vgl. Greenpeace, 1994, S.13

[36] Vgl. Voss, 1999, S.4-6

[37] Vgl. Clemens, 1996, S.32

[38] Vgl. Voss, 1999, S.6-8

[39] Vgl. Hoffmann, 1999, S.15

[40] Vgl. FÖS, 1997, S. 12-14

[41] Ernst Ulrich von Weizsäcker, Präsident des Wuppertal Instituts für Umwelt, Klima und Energie

[42] Vgl. Steffe, 1998, S.28

[43] Die Agenda 21, der Aktionsplan zur Schaffung einer nachhaltigen Entwicklung, umfasst in 40 Kapitel weitgesteckte Ziele der Konferenz in Rio. Diese Ziele reichen vom Schutz von Feuchtgebieten und Wüsten bis zur Reduzierung von Luft- und Wasserverschmutzung, der Verbesserung von Energietechnik und von landwirtschaftlichen Technologien, dem vernünftigen Umgang mit giftigen Chemikalien sowie mit radioaktiven Abfällen. (Vgl. BMU)

[44] Vgl. Krebs/Reiche, 1998b, S.24

[45] Dies entspricht einer Reduktion um ca. 250 Mio. t auf rund 750 Mio. t jährlich. (Bach, 2001, S.56)

[46] Vgl. Greenpeace, 1994, S. 60-63

[47] Vgl.Reiche/Krebs, 1999, S.103-104

[48] Vgl. Priewe, 1998, S.9

[49] Vgl. Steffe, 1998, S.28-29

[50] Vgl. Steffe, 1998, S.29-31

[51] Vgl. Koch, Schaltegger, 2000, S.4

[52] CO2, N2O, CH4, PFC, HFC und SF3

[53] Vgl. Töpfer, 2000, S.111

[54] Der Begriff Energie bezieht sich einerseits auf die entwickelten kommerziellen Energien wie fossile Energie (Öl, Gas, Kohle), Kernenergie, Hydroenergie und andererseits auf alternative Energien wie solarthermische und photovoltaische E., Wind, Biogas, Geothermie, Gezeitenenergie.

[55] Vgl. Mauch, u.a., 1995, S.130-131

[56] Vgl. Reiche, Krebs, 1999, S.267

[57] Vgl. Voss, 1999, S.37

[58] Alle folgenden Angaben sind Nettobeträge ohne Berücksichtigung der Mehrwertsteuer von 16%.

[59] Vg. www.bmu.de/sachthemen/steuer/oekosteuerreform.htm, S.1-3, 13.01.2001

[60] Vgl. Loske, 1998, S.1-3

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Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783832441616
ISBN (Paperback)
9783838641614
DOI
10.3239/9783832441616
Dateigröße
1011 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule RheinMain – Wirtschaft
Erscheinungsdatum
2001 (Mai)
Schlagworte
ökologie ökosteuer steuerreform ökosteuerreform
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Titel: Die ökologische Steuerreform in Deutschland
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