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Kommunikationsstörungen in Paarbeziehungen unter besonderer Berücksichtigung des unterschiedlichen Gesprächsverhaltens von Frauen und Männern

©2000 Diplomarbeit 95 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Inhalt dieser Arbeit ist die Auseinandersetzung mit den Verständnis-schwierigkeiten zwischen Frauen und Männern. Frauen und Männer fassen dieselbe Unterhaltung häufig ganz anders auf und reagieren unterschiedlich darauf, auch wenn es auf den ersten Blick betrachtet gar nicht zu Missverständnissen gekommen ist. Das ist vor allem in Paarbeziehungen der Fall, da Emotionen die Menschen sensibel machen für die Entscheidungen, Reaktionen und Launen des anderen. Wenn jemand zu einer anderen Person Zuneigung entwickelt, wird die daraus resultierende Beziehung wenig bis gar nicht übertragbar auf andere Personen. Je weniger übertragbar eine Beziehung ist, desto verletzlicher ist sie.
Wenn sich eine Partnerschaft auflöst, wird in der Regel der Grund angegeben: „Wir verstehen uns nicht mehr“ oder „Wir haben uns auseinandergelebt“. Demnach scheint die Umsetzung der Begriffe „Verstehen“ und „Miteinanderleben“ ausschlaggebend für den Zusammenhalt eines Paares zu sein.
Daß die Scheidungsraten jährlich zunehmen, liegt nicht daran, dass die Kommunikation weniger gut funktioniert als früher, sondern u.a. daran, dass Frauen heutzutage eher wissen, wohin sie wollen, wer sie sind und was für Erwartungen sie an sich selbst, an andere und an ihren Partner haben. Die Kritik an der mangelhaften Verständigung geht in der Regel von der Frau aus. Es existieren zahlreiche Untersuchungen und Theorien, die den Geschlechtsunterschied und das Verhalten, das Frauen und Männern zugeschrieben wird, zu erklären versuchen. Die Untersuchungen sind in ihren Ergebnissen teilweise nicht ganz eindeutig.
Fakt ist, dass durch die geschlechtsspezifische Erziehung und die Erfahrungen, die damit einhergehen, geschlechtsspezifische Unterschiede im Gesprächsverhalten vorhanden sind. Zu dem unterschiedlichen Sprachverhalten und dem oftmals gegensätzlichen Empfinden kommen die Unterschiede zwischen Frauen und Männern im biologischen Bereich, die sich ebenfalls auf die Persönlichkeit auswirken. (Was nicht heißen soll, dass Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern biologisch zu begründen sind. Die Verschiedenheit ist durch gesellschaftliche Strukturen festgelegt.) Im biologischen Bereich wurde z.B. festgestellt, dass im weiblichen Körper weniger Serotonin (=Stoff, der die Stimmung aufhellt) produziert wird und somit eine höhere Anfälligkeit für Depressionen besteht als bei Männern. (Wobei diese Begründung mit Sicherheit nicht die einzige Ursache weiblicher Depressionen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zum Begriff „Kommunikation“
2.1 Kommunikation verstehen
2.2 Kommunikationstheorie nach Schulz von Thun
2.3 Gesprächshemmer
2.3.1 Tonfall
2.3.2 Geschwindigkeit
2.3.3 Schweigen
2.3.4 Unterbrechen
2.3.5 Lautstärke
2.3.6 Körpersprache

3 Weibliche und männliche Sozialisation und die Auswirkungen
3.1 Zur Erforschung von Geschlechtsunterschieden
3.1.2 Differenz- Theorie
3.1.3 Gesellschaftliche Strukturen und traditionelles Verhalten
3.2 Komponenten der Geschlechtsidentität
3.2.1 Kern- Geschlechtsidentität
3.2.2 Geschlechtsrolle
3.2.3 Geschlechtspartner Orientierung
3.3 Sozialisation und unterschiedliche Verhaltensweisen von Mädchen / Frauen und Jungen/ Männern

4 Weibliche und männliche Sozialisation in bezug auf Sprache
4.1 Der theoretische Zusammenhang von Sozialisation und Sprache
4.2 Sozialisation und Sprachverhalten von Mädchen und Jungen
4.3 Merkmale des Sprachstils von Frauen und Männern
4.3.1 Geschlechtsspezifische Vorurteile bezüglich des weiblichen Kommunikationsstil
4.4 Macht und Kontrolle in Gesprächen
4.4.1 Macht und Kontrolle bei nichtverbaler Kommunikation
4.4.2 Macht und Kontrolle bei verbaler Kommunikation
4.5 Interaktionsarbeit in Paarbeziehungen – Eine Untersuchung von Fishman

5 Konflikte in Paarbeziehungen
5.1 Ursprung und Vermeidung von Konflikten nach Schulz von Thun
5.1.1 Interpunktion
5.2. Reaktionen zum Schutz des Selbstwertgefühls nach Satir
5.3 Strategien zum Schutz vor Verletzungen nach Gray
5.4 Streitpositionen nach Pieritz/ Spahn

6 Wege zur Konfliktlösung zwischen Frauen und Männern
6.1 Verständnis
6.2 Der Eigenanteil
6.3 Effektive Fragestellungen
6.4 Verhaltensregeln nach Gordon
6.4.1 Aktives Zuhören
6.4.2 Formen des Feed-back
6.4.3 Unterschiedliche Botschaften
6.5 Offene Appelle und die Schwierigkeit, sie anzuwenden nach Schulz von Thun
6.6 Flexibilität

7 Sozialpädagogische Relevanz

8 Benutzte Literatur

1 Einleitung

Inhalt dieser Arbeit ist die Auseinandersetzung mit den Verständnis-schwierigkeiten zwischen Frauen und Männern. Frauen und Männer fassen dieselbe Unterhaltung häufig ganz anders auf und reagieren unterschiedlich darauf, auch wenn es auf den ersten Blick betrachtet gar nicht zu Missverständnissen gekommen ist.

Das ist vor allem in Paarbeziehungen der Fall, da Emotionen die Menschen sensibel machen für die Entscheidungen, Reaktionen und Launen des anderen. Wenn jemand zu einer anderen Person Zuneigung entwickelt, wird die daraus resultierende Beziehung wenig bis gar nicht übertragbar auf andere Personen. Je weniger übertragbar eine Beziehung ist, desto verletzlicher ist sie.

Wenn sich eine Partnerschaft auflöst, wird in der Regel der Grund angegeben: „Wir verstehen uns nicht mehr“ oder „Wir haben uns auseinandergelebt“.

Demnach scheint die Umsetzung der Begriffe „Verstehen“ und „Miteinanderleben“ ausschlaggebend für den Zusammenhalt eines Paares zu sein.

Daß die Scheidungsraten jährlich zunehmen, liegt nicht daran, dass die Kommunikation weniger gut funktioniert als früher, sondern u.a. daran, dass Frauen heutzutage eher wissen, wohin sie wollen, wer sie sind und was für Erwartungen sie an sich selbst, an andere und an ihren Partner haben. Die Kritik an der mangelhaften Verständigung geht in der Regel von der Frau aus.

Es existieren zahlreiche Untersuchungen und Theorien, die den Geschlechtsunterschied und das Verhalten, das Frauen und Männern zugeschrieben wird, zu erklären versuchen.

Die Untersuchungen sind in ihren Ergebnissen teilweise nicht ganz eindeutig.

Fakt ist, dass durch die geschlechtsspezifische Erziehung und die Erfahrungen, die damit einhergehen, geschlechtsspezifische Unterschiede im Gesprächsverhalten vorhanden sind.

Zu dem unterschiedlichen Sprachverhalten und dem oftmals gegensätzlichen Empfinden kommen die Unterschiede zwischen Frauen und Männern im biologischen Bereich, die sich ebenfalls auf die Persönlichkeit auswirken. (Was nicht heißen soll, dass Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern biologisch zu begründen sind. Die Verschiedenheit ist durch gesellschaftliche Strukturen festgelegt.)

Im biologischen Bereich wurde z.B. festgestellt, dass im weiblichen Körper weniger Serotonin (=Stoff, der die Stimmung aufhellt) produziert wird und somit eine höhere Anfälligkeit für Depressionen besteht als bei Männern. (Wobei diese Begründung mit Sicherheit nicht die einzige Ursache weiblicher Depressionen ist.)

Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Man verhält sich immer irgendwie -auch nichtverbal- und jedes Verhalten löst ein Gegenverhalten aus.

Nach Heider reagiert eine Person auf das, wovon sie glaubt, das andere Personen wahrnehmen, denken und fühlen.

Viele Unterschiede/ Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern (auf die ich im weiteren Verlauf zu sprechen komme) basieren auf Vorurteilen. Einige dieser Vorurteile haben Einfluß auf das, was Menschen über sich selbst denken, also auch darauf, wie sie sich verhalten.

Zwischen Frauen und Männern sind lediglich die Bestandteile an sich, die zum Kommunikationsprozeß gehören, gleich: Jeder bringt seinen Körper mit, seine Worte, seine Stimme, seine Sinnesorgane, sein Gehirn, seine Erfahrungen und Werte.

Es geht mir in meiner Arbeit nicht darum, den einen oder anderen Kommunikationsstil zu pauschalisieren. Die unterschiedlichen weiblichen und männlichen Charaktere - u.a. bedingt durch unterschiedliche Erfahrungen - wirken sich auf das gesamte Verhalten eines Menschen positiv oder negativ aus. Nach Hagemann-White ist die Variation innerhalb eines Geschlechts in der Regel größer als die Differenz zwischen den Geschlechtern.

Trotzdem ist zwischen Frauen und Männern ein sehr unterschiedliches (Sprach-)Verhalten vorhanden. Dies basiert u.a. auf der unterschiedlichen Sozialisation von Mädchen und Jungen, auf die ich ab Kap.3 ausführlicher eingehen werde.

Es lässt sich zusammenfassen, dass Frauen tendenziell dazu neigen, eine „Bindungs- und Intimitätssprache“ zu sprechen, Männer dagegen eine „Status- und Unabhängigkeitssprache“.

Frauen sind auf dem „Beziehungsohr“ besonders sensibel, ihr Gesprächsstil ist ausgesprochen kooperativ. Männer dagegen haben gelernt, sich verbal zu behaupten und durchzusetzen. Sie sprechen häufiger und ungestörter über ihre Themen.

In Gesprächen zwischen Frau und Mann besteht eine Arbeitsteilung, die in der Regel folgendermaßen aussieht: Die Frau leistet die interaktionelle Arbeit (d.h., dass sie u.a. dafür sorgt, dass ein Gespräch bestehen bleibt, bzw. überhaupt zustande kommt) und der Mann übt Kontrolle auf das Gespräch aus.

Das bezieht sich sowohl auf Paarbeziehungen als auch auf jede andere Form von zwischenmenschlichen Beziehungen.

Daß unterschiedliche Kommunikationsstile zwischen Frauen und Männern vorhanden sind, muß beidseitig erkannt, akzeptiert und berücksichtigt werden. Ist dies nicht der Fall, sind Kommunikationsstörungen vorprogrammiert.

Ziel dieser Arbeit ist, herauszufinden, welche Ursachen für die Schwierigkeit, miteinander zu reden, (die in den meisten Paarbeziehungen auftaucht), vorhanden sind und welche Möglichkeiten zum besseren Verständnis zwischen Frauen und Männern beitragen können.

2 Zum Begriff „Kommunikation“

Die menschliche Kommunikation lässt sich in drei Gebiete unterteilen, die wechselseitig voneinander abhängig sind:

-Die Syntax (= „Satzlehre“) beschäftigt sich mit Satzkonstruktionen und der Anordnung der Wörter.

-Bei der Semantik (=“Lehre von der Bedeutung von Wörtern und sprachlichen Zeichen“) geht es vorrangig um die verbale Bedeutung.

Wenn Sender und Empfänger sich nicht im Voraus über die Bedeutung der verwendeten Symbole geeinigt haben, ist Kommunikation nicht möglich.

-Die Pragmatik (=“Zweig der Sprachwissenschaft, der das Sprachverhalten des Menschen untersucht“) befasst sich mit der Bedeutung von Worten und Körpersprache, d.h. mit der Wirkung der Kommunikation auf das Verhalten.

(vgl. Day 1976, S. 14)

Innerhalb der zwischenmenschlichen Kommunikation lassen sich zwei Ebenen unterscheiden:

Die rationale Ebene, die inhaltlich sachlich und rational ist und auf der Informationen ausgetauscht werden und die emotionale Ebene, auf der sich gefühlsmäßig angenähert (bzw. entfernt) werden kann. Diese beiden Ebenen stehen im Zusammenhang miteinander.

Unter den Begriff “Kommunikation” fällt laut Fremdwörterbuch: „Verbindung, Zusammenhang, Verständigung, Austausch von Informationen, zwischenmenschlicher Verkehr, Gespräch“ (Großes Wörterbuch 1992, S.200) Laut Lexikon wird lediglich „Zusammenhang, Verkehrssystem, Mitteilung“ aufgeführt. (Meyers großes Handlexikon 1974, S. 440) Der Verlauf der Kommunikation ist abhängig von der wechselseitigen Beziehung der KommunikationspartnerInnen (was in beiden Definitionen nicht erwähnt wird).

„Damit soll gesagt sein, dass die meisten der vorhandenen Studien sich mit den Wirkungen befassen, die Person A auf Person B ausübt, ohne aber in Betracht zu ziehen, dass, was immer B tut, auf A zurückwirkt und dessen nächsten ´Zug` beeinflusst und dass beide dabei weitgehend von dem Kontext, in dem ihre Wechselbeziehung abläuft, beeinflusst sind und ihn ihrerseits beeinflussen.“ (Watzlawick 1969, S.37)

Kommunikation dient der Sammlung von Informationen und der Einflussnahme auf alle an einer Beziehung Beteiligten. Es ist ein Mittel, mit dem das Verhältnis zu anderen Menschen gestaltet wird.

Kommunikation übermittelt Informationen und löst Verhalten aus. Diese beiden Aspekte werden als „Report“ und „Befehl“ bezeichnet.

(vgl. Day 1976, S.15)

Das ausgelöste Verhalten bezieht sich auf ein wechselseitiges Vorgehen; es fällt also unter den Begriff „Interaktion“. Da Kommunikation und Interaktion eng miteinander verbunden sind/ voneinander abhängen, müssen sie im Zusammenhang gesehen werden.

„Ein einfaches Kommunikationsmodell besteht aus einem Sender, einem Empfänger, einer Botschaft, einem Kanal, der Möglichkeit, Botschaften zu kodieren oder zu dekodieren und einem Rückkopplungssystem (Regelkreis).“ (Day 1976, S.22)

Kommunikation muß als komplexer Vorgang zwischen Sprache, Gedachtem und Handlung gesehen werden. Es wird eine Beziehung zwischen dem/ der Übermittelnden und dem/ der Empfangenden hergestellt – wobei die Rückkopplung („Feed-back“) eine wichtige Rolle für den weiteren Verlauf der Kommunikationsebene spielt. (vgl. Day 1976, S.19)

Gespräche, die von einer gemeinsamen Basis ausgingen, können ohne Rückmeldung getrennt verlaufen. Nur durch Rückmeldung erfahren wir, welche Wirkung unser Verhalten auf den/ die GesprächspartnerIn hat.

Der Kommunikationsprozeß ist sehr störanfällig und geprägt durch die individuelle Lebensgeschichte eines Menschen. Auf welche Art und Weise eine Botschaft vermittelt und verstanden wird, ist abhängig von der Familiensituation/ Lebensgeschichte, dem Selbstbild und den Bedürfnissen des Senders und Empfängers; also von den gesamten Vorerfahrungen, die im Laufe eines Lebens gemacht wurden/ werden.

Da die o.g. Punkte bei Menschen nie identisch sind, können Kommunikationsstörungen entstehen. (Weitere Ursachen bezüglich Kommu-nikationsstörungen sind in unter Kap. 4- 4.5 zu finden.)

Auf „das Verstehen“ innerhalb der Kommunikation gehe ich im Folgenden kurz ein.

2.1 Kommunikation verstehen

Durch die Auswahl bestimmter Worte stellen wir uns auf unsere Gesprächs-partnerin/ unseren Gesprächspartner ein. Jede Art einer Ausdrucksweise löst beim Gegenüber Gefühle aus und beeinflusst sein/ ihr Verhalten. Hierzu hat Schmidbauer die These aufgestellt:

„Nur die Erfahrung mit der Gefühlsabhängigkeit des eigenen Intellekts ermöglicht es uns, die innere Situation unserer Mitmenschen zu erkennen, uns in sie `einzufühlen`, sie zu verstehen.“ (Schmidbauer 1991, S.216)

Das „Verstehen“ an sich hat verschiedene Merkmale:

-Zeichen erkennen. Schrift- und Zahlsymbole werden verstanden. ---
-Wahrnehmung. Ein klar und deutlich ausgesprochener Satz wird verstanden.
-Bedürfnisbefriedigung. „Wir verstehen einander“ heißt, dass die wechselseitige Bedürfnisbefriedigung reibungslos abläuft.
-Nähe. „Wir verstehen uns ohne lange Erklärungen. Verstehen ist uns näher als Erklären.“ Ein Mensch, der uns sofort versteht, ist uns näher, als jemand, dem wir alles „umständlich“ erklären müssen. Verläuft die Sozialisation zweier/ mehrerer Menschen ähnlich, wie es z.B. in der Familie, unter Geschwistern, demselben Geburtsort, gleichem Beruf oder gleicher Schulbildung geschieht, erleichtert diese in der Regel wortloses Verstehen.

(vgl. Schmidbauer 1991, S.217f)

Abschließend ein Zitat von Hora: „Um sich selbst zu verstehen, muß man von einem anderen verstanden werden. Um vom anderen verstanden zu werden, muß man den anderen verstehen.“ (Hora 1959, in Watzlawick 1969, S.37)

Unter welchen Aspekten eine Nachricht aufgenommen und übermittelt werden kann, stellt die folgende Kommunikationstheorie dar.

2.2 Kommunikationstheorie nach Schulz von Thun

Der Sachverhalt, dass Kommunikation mehrere Seiten hat, wurde von Watzlawick (1969) als ein „Axiom“ bezeichnet. Dieses Axiom beinhaltet einen Inhalts- und Beziehungsaspekt.

Schulz von Thun fügte später den Selbstoffenbarungs- und Appellaspekt hinzu. Er deutete diese Aspekte folgendermaßen:

- Sachaspekt

„Wie kann ich Sachverhalte klar und verständlich mitteilen ? Worüber informiere ich ?“

- Beziehungsaspekt

„Wie behandele ich meinen Gesprächspartner durch die Art meiner Kommunikation ? Was halte ich von ihm ?“

- Selbstoffenbarungsaspekt

„Wenn ich etwas von mir gebe, gebe ich auch etwas von mir (von meiner Persönlichkeit).“

- Appellaspekt

„Wenn ich etwas von mir gebe, will ich auch etwas bewirken.“

(Schulz von Thun 1981, S.13f)

Der Sender, der etwas mitteilen möchte, verschlüsselt seine Nachricht in erkennbare Zeichen, welche der Empfänger zu entschlüsseln versucht. Stimmt beides überein, hat eine Verständigung stattgefunden. Wenn der Empfänger zurückmeldet, ob die Nachricht bei ihm angekommen ist (Feed-back), kann der Sender überprüfen, ob die Absicht seiner Sendung damit übereinstimmt. (vgl. Schulz von Thun 1981, S.25) Die vier o.g. Punkte beziehen sich allerdings nur auf den Sender.

Eine Nachricht (bzw. ein Appell) dient u.a. dazu, den anderen dazu zu veranlassen, bestimmte Dinge zu tun oder zu denken. Bei dem verdeckten Versuch, Einfluß zu nehmen, handelt es sich um Manipulation. Die anderen drei Seiten der Nachricht können dabei zur Unterstützung der Appellwirkung benutzt werden, d.h. sie werden funktionalisiert. Sie spiegeln dann nicht die Tatsache wieder, sondern werden zum Mittel der Zielerreichung eingesetzt. Das könnte so umgesetzt werden:

Die Sachseite ist einseitig; der Selbstoffenbarungsaspekt darauf ausgerichtet, bestimmte Wirkungen zu erzielen (z.B. Gefühle der Bewunderung oder Mitleid durch weinen zu erregen) und die Beziehungsseite könnte das Ziel verfolgen, den anderen durch Lob oder Unterwürfigkeit „bei Laune zu halten“.

Es gibt heimliche bzw. verdeckte, paradoxe und offene Appelle.

Bei der Kommunikation geht es immer um „Ausdruck und Wirkung“ und die Wahl, an welchem Aspekt sich ein Mensch hierfür schwerpunktmäßig orientiert. (vgl. Schulz von Thun 1981, S.29,S.209ff)

Das wohl bekannteste Beispiel von Schulz von Thun :

Der Mann sagt im Auto zu seiner Frau (die das Auto fährt): “Du, da vorne ist grün.“

Die Frau antwortet: “Fährst du, oder fahre ich?“

Der Sachinhalt in diesem Botschaftsgeflecht ist die grüne Ampel; der Appell ist, dass die Frau Gas geben soll; die Selbstoffenbarungsseite sagt aus, dass der Sender es eilig hat und sie für sein Empfinden zu langsam fährt die Beziehungsseite, dass sie seine Hilfestellung braucht.

Das „Drumherum“ der Botschaften ist entscheidend und das Gesendete unterscheidet sich hier vom Empfangenen. (vgl. Schulz von Thun 1981, S.25,S.31) Wie diese Bemerkung nun tatsächlich gemeint war, sei dahin gestellt. Auf jeden Fall nimmt die Empfängerin etwas anderes wahr, als der Sender ausgesagt hat.

Der/ die SenderIn muß seine/ ihre zu übermittelnden Gedanken/ Absichten in vernehmbare Zeichen übersetzen, um zu kommunizieren. Diese Übersetzungstätigkeit heißt „kodieren“.

Daraufhin muß der/ die EmpfängerIn in der Lage sein, Bedeutungen neu hineinzulegen. Diese Empfangstätigkeit nennt man „dekodieren“.

Das Ergebnis der Dekodierung hängt von der Persönlichkeit des Empfängers/ der Empfängerin ab. (vgl. Schulz von Thun 1981, S.61)

Das Verhalten bzw. die Reaktion des Empfängers/ der Empfängerin wird durch die Situation beeinflusst. Der Empfänger/ die Empfängerin entscheidet (in der Regel unbewusst), auf welchen der vier Aspekte der Nachricht er/ sie reagieren will. Diese Reaktion ist von der persönlichen Lebenssituation abhängig.

Welchen Verlauf ein Gespräch nimmt, hängt u.a. davon ab, welches seiner “ vier Ohren“ der Empfänger gerade vorrangig auf Empfang geschaltet hat. Also kann ein Gespräch dadurch einen sehr unterschiedlichen Verlauf nehmen. Auf diese Art und Weise werden die Weichen für das zwischenmenschliche Geschehen gestellt. Eine einseitige Hörweise löst Kommunikationsstörungen aus, da alle vier Seiten immer gleichzeitig beteiligt sind.

(vgl. Schulz von Thun 1981, S.44f)

Ein weiteres Beispiel für den unterschiedlich ausfallenden Empfang einer Nachricht:

Der Mann fragt beim Mittagessen: „Was ist denn das Grüne hier in der Soße?“

Die Frau antwortet: „Wenn es dir hier nicht schmeckt, kannst du ja woanders essen gehen!“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Solche verdeckten Missverständnisse bleiben häufig unaufgedeckt und lösen Beziehungsstörungen aus dem Verborgenen aus.

Missverständnisse ergeben sich fast zwangsläufig – schon aus „der Quadratur der Nachricht“ (=Sach-, Selbstoffenbarungs-, Beziehungs- und Appellaspekt).

(Schulz von Thun 1981, S.62)

2.3 Gesprächshemmer

Bestimmte Eigenschaften in bezug auf die Kommunikation werden eher Frauen, andere eher Männern zugeschrieben. Im Folgenden habe ich die Persönlichkeitsmerkmale jedoch geschlechtsneutral gehalten, da es mir in diesem Kapitel um die Gesprächshemmer an sich geht.

Die Reaktion eines Menschen auf die folgenden Punkte hängt von den vorangegangenen Erfahrungen des/ der Betreffenden ab und von seinem/ ihrem augenblicklichen Zustand. Die individuelle Wahrnehmung löst Assoziationen aus und beeinflusst den/ die GesprächspartnerIn. Dadurch können Botschaften anders interpretiert werden, als sie ursprünglich gemeint waren. So kommt keine Reaktion auf die Bedeutung der Worte zustande (neues Verhalten wird produziert). (vgl. Day 1976, S.18f)

Der Mensch reagiert also auf das, was er wahrnimmt: Auf das Wort an sich im Zusammenhang mit der individuellen Bedeutung (Wahrnehmung).

2.3.1 Tonfall

Ein entscheidender Punkt in bezug auf die Verständigung ist der Tonfall. Durch die Betonung kann ein Wort etwas völlig unterschiedliches zum Ausdruck bringen.

Ein aggressiver, ungeduldiger Tonfall erschwert es dem/ der GesprächspartnerIn, die Worte an sich aufzunehmen und nicht sofort in „Kontra-Stellung“ zu gehen. Richtig gewählte Worte können durch den falschen Tonfall zunichte gemacht werden. Freundliche Worte in unfreundlichem Tonfall können die Bedeutung der Worte ins Gegenteil kehren, d.h., die Stimme kann das Gegenteil von dem signalisieren, was gesagt wird.

(vgl. Lemke 2000, S.14f)

2.3.2 Geschwindigkeit

Ein weiterer Punkt ist die Sprechgeschwindigkeit. Bei übermäßig schnellem Sprechen wird die Verständigung enorm erschwert. Der/ die GesprächspartnerIn muß sich stärker konzentrieren, da die Informationen geballt eintreffen.

Das Gespräch entwickelt sich zu einem Monolog, da für den/ die GesprächspartnerIn kaum die Möglichkeit besteht, etwas zu dem Gespräch beizutragen bzw. einbezogen zu werden. Das kann dazu führen, dass den Worten nicht mehr gefolgt werden kann oder einfach resigniert wird.

(vgl. Lemke 2000, S.15)

2.3.3 Schweigen

Ein bewusst eingesetztes Schweigen kann zweierlei auslösen. Es kann in einer Gesprächspause bedeuten, dass die Worte ernst genommen und noch einmal durchdacht werden. Hierbei handelt es sich um ein angenehmes Schweigen.

Die unangenehme Variante ist die, wenn sich der/ die PartnerIn in „Schweigen hüllt“. Misslingen daraufhin die Versuche, das Schweigen zu brechen, werden wahrscheinlich Ärger oder Unsicherheit aufkommen und eine Klärung der Situation verhindert.

Ein weiteres negatives Ausweichen ist, Gesagtes zu ignorieren; was sich sowohl als Schweigen, aber auch als abrupter Themawechsel auswirken kann.

(vgl. Lemke 2000, S.17,S.20)

2.3.4. Unterbrechen

Ein ständiges Unterbrechen während eines Gespräches bzw. dem/ der anderen „ins Wort zu fallen“ schafft ein ausgesprochen ungünstiges (Gesprächs-) Klima. Der/ die Unterbrochene fühlt sich „nicht ernst genommen“, da anscheinend kein Interesse besteht, sich die Sätze vollständig anzuhören.

Kommt noch hinzu, dass auf eine bevormundende Art und Weise unterbrochen wird, ist eine Verständigungsbasis ausgeschlossen.

Den anderen/ die andere ausreden zu lassen ist nicht nur höflich, sondern ein Zeichen von Respekt. Nur wer sich respektiert fühlt, ist bereit, sich zu offenbaren. (vgl. Lemke 2000, S.21)

2.3.5 Lautstärke

Weiterhin ist eine angemessene Lautstärke von Bedeutung. Sowohl Schreien als auch Flüstern können sich negativ auswirken:

Schreien ist oftmals ein Zeichen von Hilflosigkeit oder begrenzten Kommunikationsmöglichkeiten. Es kann auch als ein Zeichen für Macht stehen (nach dem Motto: „Wer schreit hat Recht“). Wer schreit, muß nicht weiter kommunizieren, denn die Kommunikation bricht zusammen.

Flüstern bringt Anstrengung für den/ die GesprächspartnerIn mit sich, da die Konzentration beim Zuhören stärker gefordert wird.

Wer flüstert, macht sich „klein“ und trägt zu keiner gleichberechtigten Kommunikationsebene bei.

Davon, dass Flüstern auch gewollt eingesetzt werden kann (z.B. in gefährlichen oder intimen Situationen) gehe ich hierbei nicht aus.

2.3.6 Körpersprache

Die Körpersprache trägt wesentlich zur Verständigung bei.

Gerade auf emotionaler Ebene, die in Paarbeziehungen in der Regel bedeutungsvoller ist als die rationale Ebene (vgl. Kap. 2), spielt die nichtverbale Kommunikation eine große Rolle, da Gefühle deutlich (bewusst und unbewusst) über die Körpersprache mitgeteilt werden.

Jemand, der sich (verbal und nichtverbal) aggressiv verhält, nimmt eine völlig andere Haltung ein, als jemand, der sich entspannt unterhält. Verschränkte Arme signalisieren oftmals Abgrenzung, seitlich eingestützte Arme Dominanzverhalten. Eine geballte Hand kann aufkeimende Aggression anzeigen. Ein zurückgeneigter Oberkörper signalisiert in der Regel Distanz/ Abneigung. Häufig werden die Hände eingesetzt, um Gesagtes zu betonen; also um ein Wort gestisch zu unterstreichen.

Aufdringliche, aggressive oder verächtliche Gesten lösen negative Gefühle aus – auch wenn dabei kein Wort gesprochen wird.

Dem Augenkontakt werden verschiedene Funktionen (bezüglich der nichtverbalen Kommunikation) zugeschrieben. Durch Blickkontakt wird eine Beziehung hergestellt und die Art der Beziehung gesteuert.

Die Hauptinteraktionsdimensionen Freundlichkeit/ Feindlichkeit und Unterwürfigkeit/ Dominanz finden ihre Entsprechung in bestimmten Blickformen. Das Senken des Blickes wird der Unterwürfigkeit zugeschrieben, das Fixieren des Partners/ der Partnerin der dominanten Verhaltensform. Freundlichkeit wird mit Lächeln in Verbindung gebracht, Feindlichkeit mit Anstarren. (Hierbei kann aber auch manipuliert werden.)

Wird der Blickkontakt abgebrochen, kann das signalisieren, dass kein Interesse mehr (z.B. an der Unterhaltung) besteht.

Eine weitere Funktion des Blickkontakts liegt in dem Bedürfnis, über die Reaktion des Gegenübers Rückmeldung zu bekommen.

(vgl. Piontkowski 1976, S.172f)

Die Körperhaltung wird vom Gesichtsausdruck unterstützt (und umgekehrt). Signale, die oftmals vom Unterbewusstsein ausgesendet werden, nimmt der/ die GesprächspartnerIn innerhalb von Sekunden wahr und es wird ein Bild/ Eindruck vermittelt, noch bevor etwas gesagt wird.

Blicke, Mimik und Gestik können für das richtige Verständnis entscheidend sein. (vgl. Lemke 2000, S.22)

Nichtverbales Verhalten soll viermal informativer sein als verbales.

(vgl. Henley in Trömel-Plötz 1984, S.40) Es zeigt deutlich, wie die InteraktionspartnerInnen zueinander stehen und was sie voneinander und/ oder der Situation halten.

Als letztes Verhaltensmuster ist noch zu erwähnen, daß manche Menschen bei Auseinandersetzungen den Raum verlassen, sich also einfach körperlich (und demzufolge auch geistig) entziehen.

Da Verhalten kein Gegenteil hat, ist es nicht möglich, sich nicht nicht zu verhalten. Durch jegliches Verhalten, bzw. Nicht-Verhalten, wird etwas mitgeteilt. Diese Mitteilung (Kommunikation) beeinflusst andere und diese können ihrerseits nicht nicht darauf reagieren und kommunizieren somit selbst. (vgl. Watzlawick 1969, S.51) Durch jedes Verhalten (Mimik/ Gestik/ Sprache) wird also ein Gegenverhalten des Gesprächpartners/ der Gesprächspartnerin ausgelöst.

3 Weibliche und männliche Sozialisation und die Auswirkungen

In den Kommunikationstheorien von Watzlawick und Schulz von Thun werden Gründe angegeben, warum Botschaften verfälscht ankommen können. Es stellt sich nun die Frage, wie sich die Theorien unter Berücksichtigung des jeweiligen Geschlechts auswirken.

Jedoch besteht nicht nur eine (angenommene) Verbindung zwischen Geschlechtszugehörigkeit und Kommunikationsstörungen , sondern auch die Kultur, aus der die Familien stammen, spielt eine Rolle (allein schon deshalb, weil es in jeder Kultur ein anderes Empfinden gibt, was ein angemessenes Gesprächsverhalten ist). Hinzu kommen die sozialen Schichten, in denen Worte und Redewendungen an sich oft eine unterschiedliche Bedeutung haben. Durch Bernsteins Untersuchungen sozialer Schichtungskategorien wurde „ein `Beweis` für den angenommenen Bedingungszusammenhang von Sprache und sozialer Herkunft erbracht.“ (Mühlfeld 1975, S.9)

Wie sich nun das Geschlecht auf das Sozialverhalten und somit auch auf das Sprachverhalten auswirkt, werde ich in den folgenden Unterpunkten bearbeiten.

Vorab noch etwas zu dem Begriff „Sozialisation“:

Nach Meulenbelt wird darunter der gesamte Prozeß, bei dem gelernt wird, ein Teil der Gesellschaft zu werden, verstanden. Dabei machen wir uns Normen und Sitten unserer Gesellschaft zu eigen, bis sie ein Bestandteil unserer Persönlichkeit geworden sind. Ein Großteil des Sozialisationsprozesses ist die Sozialisation zu Frau oder Mann.

Die Geschlechtsidentität wird festgelegt in Verbindung mit dem Gefühl, ein Mädchen/ eine Frau oder ein Junge/ ein Mann zu sein. Damit ist die Sozialisation aber noch nicht beendet, da immer neue, andere Erwartungen an älter werdende Menschen gestellt werden. (Wenn Kinder z.B. zur Schule gehen, wird von ihnen dort etwas anderes erwartet als zu Hause. Eine ganz neue Phase beginnt beim Einstieg ins Berufsleben, usw.) Im Sozialisationsprozeß kann es Brüche und Übergänge geben, die mit Konflikten einhergehen können.

Diese Brüche entstehen in der Regel bei Mädchen/ Frauen und Jungen/ Männern nicht gleichzeitig, da deren Sozialisation unterschiedlich verläuft (worauf ich in weiteren Kapiteln zu sprechen komme).

Sozialisation ist ein breiterer Begriff als Erziehung, denn nicht nur die bewussten und unbewussten Einflüsse durch Eltern, LehrerInnen, etc., die versuchen, Kindern „Manieren“ beizubringen, spielen in der Sozialisation eine Rolle. Es kommen die gesellschaftlichen Einflüsse hinzu (z.B. Machtverhältnisse, Medien, sprachliche Inhalte), die nicht speziell zur persönlichen Erziehung gedacht sind. (vgl. Meulenbelt 1985, S.83f)

3.1 Zur Erforschung von Geschlechtsunterschieden

Erklärungsversuche geschlechtsspezifischer Unterschiede in Persönlichkeits-strukturen und sozialen Stellungen basieren auf individual-psychologischen, sozialpsychologischen, soziologischen, kulturanthropologischen, genetischen und historischen Theorien.

Soziologische Theorien fragen nach Art und Funktion eines spezifischen Geschlechtsklassifikationssystem. Sozialisationstheorien suchen nach der Genese individueller Persönlichkeitsmerkmale und Orientierungen. Psychologische Theorien über geschlechtsspezifische Sozialisation führen unterschiedliches Denken und Verhalten von Frauen und Männern auf soziale Einflussfaktoren zurück.

(vgl. Nunner-Winkler in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S.61)

Aus den Anfängen der Psychologie existieren zwei Vorurteile:

-Die Frau ist durch ihre Fortpflanzungsfunktion als Person geprägt/ festgelegt.
-Verhalten, Leistungen und Fähigkeiten der Menschen unterscheiden sich nach dem Geschlecht. (Wobei Unterschiede als Überlegenheit des Mannes gedeutet werden.)

Um diese Vorurteile aufrecht zu erhalten bzw. zu beweisen, wurden Zitate von Untersuchungsergebnissen verfälscht, statistische Überprüfungen quantitativer Daten vernachlässigt, etc. – vor allem dann, wenn der erwartete Unterschied sich nicht in den Daten abgezeichnet hat. (Dieses wird belegt durch Haraway 1978, Sherif 1977, Sherman 1978, Unger 1979 u.a. in Hagemann-White 1984, S.11)

In den frühen 70er Jahren gab es eine „Tendenzwende“ innerhalb der Sozialwissenschaften bezüglich ihrer Aussagen über geschlechtsspezifische Unterschiede.

Insgesamt liefert die empirische Forschung keine Belege für klar ausgeprägte und eindeutige Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die These, dass „gerade geschlechtstypisches Verhalten in hohem Maß situationsspezifisch ist, so dass widersprüchliche und unklare Forschungsergebnisse zu erwarten sind“, wurde von Weitzmann schon 1975 vertreten. (vgl. Hagemann-White „1984, S.42)

In der Psychologie kam es erst in den 80er Jahren zu Fragestellungen und Forschungsentwürfen zur Untersuchung vom Verhältnis Einflussfaktor Geschlecht und Verhalten. (vgl. Hagemann-White 1984, S.11)

Der erste Psychologe, der Erklärungsversuche über die Entstehung von Weiblichkeit und Männlichkeit gab, war Freud. (Frauen wie Mitchell oder Hagemann-White kritisierten Freuds psychoanalytische Theorie teilweise aufgrund von sexistischen Gedankengängen.)

Die allgemeine psychologische Sichtweise besagt u.a., dass das Erlernen von Verhaltensweisen durch Beobachtung und Imitation stattfindet.

„Grund für den Imitationswunsch ist die Assoziation der elterlichen Fürsorge mit Triebreduktion (...wie Hunger und Durst...oder emotionale Abhängigkeit...), der Neid auf die soziale Macht(...)oder der Wunsch, Kontrolle über das eigene Schicksal zu gewinnen... Geschlechtsrollenidentifikation ist...das Ergebnis einer durch Strafen und Belohnungen (Skinner 1974) beobachtetes Lernen und Identifikation erlernten Konformität mit kulturellen Rollenmustern.“ (Nunner-Winkler in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S.69)

In der Psychoanalyse wird also die Identifikation von Mädchen und Jungen mit dem Elterteil gleichen Geschlechts betont.

Kinder werden in der Regel für Anpassung belohnt und für Abweichung bestraft, so dass sie die ihnen zugedachte „Rolle“ schnell verinnerlichen. Hiervon wird in der Lerntheorie ausgegangen.

Mischel (1966) bestätigt, dass Kinder Geschlechtsunterschiede, wie auch eine Reihe anderer Verhaltensweisen, erlernen können. Und zwar durch Bestrafen des „falschen“ Verhaltens und Belohnen des „richtigen“ Verhaltens

und durch Beobachten und Imitieren der sie umgebenden (in zwei Geschlechter aufgeteilten) Welt.

Dieser Theorie widerspricht u.a. Bem (1974). Denn wenn weibliches und männliches Rollenverhalten so leicht zu erlernen ist wie auch andere Verhaltensweisen, müsste es auch möglich sein, dieses Rollenverhalten ebenso leicht wieder zu verlernen/ abzulegen. Und das ist es eindeutig nicht... (vgl. Meulenbelt 1985, S.99) Also kann nicht allein die Lerntheorie ausschlaggebend sein.

Eine einheitliche Sozialisationstheorie existiert auch heute nicht. Hierbei würde sich auch die Frage stellen, welches die „richtige“ ist, da sämtliche Untersuchungsergebnisse zum geschlechtsspezifischen Verhalten nicht ganz eindeutig sind und sich teilweise widersprechen. (Siehe hierzu auch die im Vorfeld zitierte These von Weitzmann, die besagt, dass geschlechtypisches Verhalten situationsspezifisch ist.)

Maccoby und Jacklin untersuchten eine große Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten zum Beweis von vorhandenen Geschlechtsunterschieden daraufhin, ob auch tatsächlich Geschlechtsunterschiede nachgewiesen wurden. (Hier muß erwähnt werden, dass sich alle vorhandenen Untersuchungen auf Unterschiede beziehen, nicht auf Übereinstimmungen!) Die Untersuchungsmethoden wurden durchleuchtet. Dabei wurde offensichtlich, dass ein Großteil der angeblichen Beweise von Geschlechtsunterschieden keine wirklichen Beweise sind.

Nach etlichen Auswertungen blieben lediglich drei nachweisbare Eigenschaften übrig:

-Mädchen haben eine höher entwickelte verbale Fähigkeit als Jungen.
-Jungen haben ein größeres räumliches Sehvermögen als Mädchen.
-Jungen verhalten sich im Durchschnitt aggressiver als Mädchen.

Hierbei könnten biologische Unterschiede eine Rolle spielen. Es ist jedoch auch möglich, dass es sich um anerzogene Fähigkeiten/ Eigenschaften handelt und Lernprozesse eine Rolle spielen. (vgl. Meulenbelt 1985, S.47) (Auf das zuletzt genannte werde ich in Kap. 3.3 näher eingehen.)

Interessant ist auch die soziologische Sichtweise, die besagt, dass wir „mit Haut und Haar“ zu Frau oder Mann werden und demzufolge Grenzüberschreitungen in unserer Gesellschaft tabuisiert werden.

(vgl. Nunner-Winkler in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S.76)

Der erste Schritt für die Geschlechtsrollensozialisation ist die Zuordnung weiblich/ männlich bei der Geburt eines Kindes. Durch diese Zuordnung wird unterstellt, dass Geschlechtszugehörigkeit ausschließlich ein biologisches Faktum ist. Doch wo sind demnach Transsexualität oder die Tatsache, dass nicht jedes Kind nach seiner Geburt eine eindeutige Geschlechtsidentität besitzt einzuordnen?

Das Fehlen der Geschlechtsidentität ist ein gesellschaftlicher Makel. Aus Kindern werden Mädchen oder Jungen, wenn die Eltern glauben (wollen), dass es ein Mädchen oder Junge ist; ganz gleich, ob der Hormonhaushalt des Kindes damit übereinstimmt oder nicht. Dieses geht aus allen darauf bezogenen Untersuchungen hervor. (vgl. Meulenbelt 1985, S.46)

Kinder unter drei Jahren halten die Geschlechtszuordnung für veränderbar und kategorisieren ihre Erfahrungen noch nicht in Geschlechtsbegriffen. (vgl. Nunner-Winkler in Deutsche Forschungs-gemeinschaft 1994, S.61f) Erst danach erfolgt die Selbst- und Fremdklassifizierung als Mädchen oder Junge und in höherem Alter die geschlechtsspezifische Zuordnung bestimmter Verhaltensweisen.

Dieser Punkt widerspricht Erklärungsversuchen, die besagen, dass weibliches und männliches Verhalten angeboren sei.

Was weiterhin dagegen spricht, ist die Tatsache, dass Kulturkreise mit umgekehrter Rollenverteilung existieren, wo sich auch das Verhalten, das Frauen und Männern zugeschrieben wird, umkehrt.

(Hierzu gibt es Untersuchungen über einen Indianerstamm, wo sich die Männer schmücken und den Haushalt versorgen und die Frauen jagen gehen.)

Die Beweisführung für biologische Ursachen geht davon aus, dass biologisch verursachte Unterschiede unveränderbar sind und dass es sich um ein biologisch verursachtes Merkmal handelt, das in allen uns bekannten Kulturen erscheint.

Jedoch beweist die Universalität von Verhaltensweisen in uns bekannten Kulturkreisen nichts über die Biologie. Es gibt laut Hagemann-White keine biologisch angelegte Verhaltenstendenz -einschließlich des Selbsterhaltungstriebs- die nicht aus kulturellen Gründen zu überwinden ist (z.B.Hungerstreik). (vgl. Hagemann-White 1984, S.41)

„Anatomie ist nicht wirklich Schicksal, Schicksal entsteht dadurch, wie Menschen Anatomie auffassen.“ (Stoller in Meulenbelt 1985, S.29)

Fest steht, dass die Geschlechtsdifferenzierung durch die Gesellschaft aufrecht erhalten wird. Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen werden von Männern bestimmt. Frauen werden andere Qualitäten zugeschrieben – diese sind jedoch für die Öffentlichkeit kaum vorhanden. Das den Frauen Zugewiesene wird als zweitrangig und gesellschaftlich weniger mächtig bewertet.

Durch u.a. diese Situation, und nicht durch die natürliche Verschiedenheit, wird die für Frauen negative Geschlechtsdifferenzierung aufrechtgehalten. (vgl. Stiegler in Arbeits-und Sozialforschung 1999, S.6)

3.1.2 Differenztheorie

Die Differenztheorie besagt, dass es zwei Geschlechter gibt, wovon beide

a) in der Natur des Menschen festgelegt sind.

b) durch Normen, die die Geschlechterbilder beeinflussen und prägen, kulturell und gesellschaftlich bestimmt sind.

Letzteres wird als Gender bezeichnet.

(vgl. Stiegler in Arbeits- und Sozialforschung 1999, S.6)

Es wird gesagt, dass Frauen und Männer „statt verschiedener Dialekte verschiedene Genderlekte (geschlechtsspezifische Sprachen) sprechen.“

(Tannen 1991, S.40)

Wenn der Lebensraum von Frauen und Männern verglichen wird, könnte von zwei verschiedenen Bevölkerungsgruppen mit einer jeweils eigenen Kultur gesprochen werden, da die Unterschiede größtenteils gravierend sind. Wählt man den (für Männer) einfachsten Erklärungsversuch und geht davon aus, dass die Ungleichheit von Frauen und Männern durch die Natur festgelegt wird (in bezug darauf, was Frauen und Männer beschäftigt, was für Eigenschaften und Interessen vorhanden sind, usw.), bedarf es keiner Erklärung, warum die Lebenswelten von Frauen und Männern so weit auseinanderliegen (und auch keiner Veränderung).

Die Ungleichheit ist jedoch nicht einfach nur ungleich, sondern beinhaltet auch eine große Ungerechtigkeit. Durch die bestehende Rollenverteilung werden Männern viele Vorteile verschafft, die Frauen nicht haben. (vgl. Meulenbelt 1985, S.10) (Beispiele hierfür sind im folgenden Kapitel zu finden.)

Die Ungleichheit/ Differenzierung zwischen Frauen und Männern ist festgelegt durch gesellschaftliche Strukturen und nicht durch die Natur!

Neben der Differenztheorie existieren noch andere (z.B. die Dekonstruktionstheorie), worauf ich im Rahmen meiner Arbeit jedoch nicht näher eingehen werde.

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2000
ISBN (eBook)
9783832441074
ISBN (Paperback)
9783838641072
Dateigröße
559 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel – Sozialpädagogik
Note
3,0
Schlagworte
sozialisation genderlekte verständnisschwierigkeiten sprache
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Titel: Kommunikationsstörungen in Paarbeziehungen unter besonderer Berücksichtigung des unterschiedlichen Gesprächsverhaltens von Frauen und Männern
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