Nachweis von Erythropoietin-Missbrauch im Sport
Am Beispiel der Dopingkontrollen während der Olympischen Winterspiele Salt Lake City 2002
©2004
Doktorarbeit / Dissertation
127 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Einleitung:
Diese Arbeit beschreibt die Methodik der Erythropoietin (EPO)-Dopingkontrollanalytik am Beispiel der Olympischen Winterspiele Salt Lake City 2002 (SLC2002) und wertet die dort gesammelten Daten aus. Es wurde bei einem Athleten und zwei Athletinnen ein Missbrauch von Darbepoetin alfa (Aranesp Ô) nachgewiesen, ein zu der Zeit erst seit kurzem erhältliches Nachfolgeprodukt von rekombinanten, humanem EPO (rhEPO).
Humanes EPO, ein Glykoprotein mit 165 Aminosäuren, einem Sauerstoffund drei Stickstoff-gebundenen Kohlenhydratresten, ist ein Hormon, dass die Bildung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) im menschlichen Körper steuert. Sein Molekulargewicht beträgt ca. 30 kDa mit einem Kohlenhydratanteil von 30-40 %. Die Existenz dieses Hormons ist bereits 1906 postuliert worden. Seit 1948 wird es Erythropoietin genannt. 1957 wurde als Hauptbildungsort im erwachsenen Menschen die Niere ausgemacht. 1977 ist dann mit der Isolierung von wenigen Milligramm EPO aus dem Urin von Patienten mit aplastischer Anämie ein Meilenstein in der EPO-Forschung erreicht worden. Acht Jahre später, 1985, wurde das EPO-Gen erfolgreich kloniert.
Seit 1988 ist rhEPO für die Behandlung von Anämie als Folge von Nierenversagen erhältlich. Die Verfügbarkeit von rhEPO hat seitdem wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Nierenversagen beigetragen. Inzwischen wird rhEPO auch in vielen anderen Gebieten als Behandlungsmittel eingesetzt.
Auch im gesunden Menschen kann rhEPO die Anzahl der Erythrozyten erhöhen. Dies macht es zu einem potenten Dopingmittel, da die Ausdauerleistungsfähigkeit durch diese Erhöhung verbessert wird. Aus diesem Grund hat 1990 das Internationale Olympische Komitee rhEPO in die ?Liste der verbotenen Substanzen? aufgenommen. Aber bis zum Jahre 2000, als zwei unterschiedliche Nachweisverfahren veröffentlicht wurden, war ein Missbrauch von rhEPO nicht nachweisbar.
Das eine dieser zwei Verfahren beruhte auf den Veränderungen im roten Blutbild, die durch die Anwendung von rhEPO verursacht werden. Damit ist es ein indirektes Verfahren, da nur Wirkungen gemessen werden. Das andere Verfahren beruht auf dem Erkennen von rhEPO im Urin durch isoelektrische Fokussierung eines Urinkonzentrates mit nachfolgendem Immunoblotting, was ein direktes Verfahren darstellt und einem indirekten vorzuziehen ist. Beide Verfahren sind bei SLC2002 eingesetzt worden und werden hier beschrieben.
Es wird gezeigt, dass ein erster, schneller […]
Diese Arbeit beschreibt die Methodik der Erythropoietin (EPO)-Dopingkontrollanalytik am Beispiel der Olympischen Winterspiele Salt Lake City 2002 (SLC2002) und wertet die dort gesammelten Daten aus. Es wurde bei einem Athleten und zwei Athletinnen ein Missbrauch von Darbepoetin alfa (Aranesp Ô) nachgewiesen, ein zu der Zeit erst seit kurzem erhältliches Nachfolgeprodukt von rekombinanten, humanem EPO (rhEPO).
Humanes EPO, ein Glykoprotein mit 165 Aminosäuren, einem Sauerstoffund drei Stickstoff-gebundenen Kohlenhydratresten, ist ein Hormon, dass die Bildung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) im menschlichen Körper steuert. Sein Molekulargewicht beträgt ca. 30 kDa mit einem Kohlenhydratanteil von 30-40 %. Die Existenz dieses Hormons ist bereits 1906 postuliert worden. Seit 1948 wird es Erythropoietin genannt. 1957 wurde als Hauptbildungsort im erwachsenen Menschen die Niere ausgemacht. 1977 ist dann mit der Isolierung von wenigen Milligramm EPO aus dem Urin von Patienten mit aplastischer Anämie ein Meilenstein in der EPO-Forschung erreicht worden. Acht Jahre später, 1985, wurde das EPO-Gen erfolgreich kloniert.
Seit 1988 ist rhEPO für die Behandlung von Anämie als Folge von Nierenversagen erhältlich. Die Verfügbarkeit von rhEPO hat seitdem wesentlich zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Nierenversagen beigetragen. Inzwischen wird rhEPO auch in vielen anderen Gebieten als Behandlungsmittel eingesetzt.
Auch im gesunden Menschen kann rhEPO die Anzahl der Erythrozyten erhöhen. Dies macht es zu einem potenten Dopingmittel, da die Ausdauerleistungsfähigkeit durch diese Erhöhung verbessert wird. Aus diesem Grund hat 1990 das Internationale Olympische Komitee rhEPO in die ?Liste der verbotenen Substanzen? aufgenommen. Aber bis zum Jahre 2000, als zwei unterschiedliche Nachweisverfahren veröffentlicht wurden, war ein Missbrauch von rhEPO nicht nachweisbar.
Das eine dieser zwei Verfahren beruhte auf den Veränderungen im roten Blutbild, die durch die Anwendung von rhEPO verursacht werden. Damit ist es ein indirektes Verfahren, da nur Wirkungen gemessen werden. Das andere Verfahren beruht auf dem Erkennen von rhEPO im Urin durch isoelektrische Fokussierung eines Urinkonzentrates mit nachfolgendem Immunoblotting, was ein direktes Verfahren darstellt und einem indirekten vorzuziehen ist. Beide Verfahren sind bei SLC2002 eingesetzt worden und werden hier beschrieben.
Es wird gezeigt, dass ein erster, schneller […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ID 4097
Breidbach, Andreas:
Nachweis von Erythropoietin-Missbrauch im Sport, am Beispiel der Dopingkontrollen
während der Olympischen Winterspiele Salt Lake City 2002
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Deutsche Sporthochschule Köln, Dissertation / Doktorarbeit, 2004
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany
Lebenslauf
Name Andreas Breidbach
geboren 23.05.1964 in Köln
Schulbildung:
1970-1974 Grundschule Gr. Griechenmarkt, 50676 Köln
1974-1980 Theodor-Heuss-Realschule, Euskirchener Str., 50935 Köln
1980-1982 Gewerbliche Schule II, Perlengraben 101, 50676 Köln
1982-1983 Fachoberschule für Ernährung und Hauswirtschaft Weins-
bergstr, 50823 Köln
Studium:
1984 Einsemestriges Studium (General Chemistry, General Phy-
sics, College Algebra, Butchery) am BHC College, Boston, MA,
USA
1986-1991 Studium der Lebensmittelchemie an der BUGH Wuppertal
1995-2000 Promotionsvorbereitendes Studium DSHS Köln
2002-2003 Promotionsvorbereitendes Studium DSHS Köln
Beruflicher und wissenschaftlicher Werdegang:
1980-1982 Ausbildung zum Fleischergesellen: Metzgerei P. Becker, Je-
suittengasse 117, 50737 Köln
1983-1984 Grundwehrdienst
1985 Beschäftigung als Meat-Cutter: Butcher Block, Boston, MA,
USA
1985-1986 Beschäftigung als Fleichergeselle: Metzgerei W. Breidbach,
Blaubach 4, 50676 Köln
1992 Wiss. Hilfskraft am Institut für Biochemie, DSHS Köln
1992-2000 Wiss. Angestellter am Institut für Biochemie, DSHS Köln
1995 Zweiwöchiger Aufenthalt in Harare/ Zimbabwe zur Inbetrieb-
nahme eines temp. Dopingkontrolllabors und Ausbildung lo-
kaler Wissenschaftler anlässlisch der All African Games 1995
2000 Dreiwöchige Mitarbeit im Australian Sport Drug Testing La-
boratory, Sydney, anlässlich der Olymp. Sommerspiele 2000
2001-2002 Staff Research Associate III: Paul Ziffren Olympic Analytical
Laboratory, University of California, Los Angeles, CA, USA
2002 Leitung des Arbeitsbereiches Erythropoietin im temp. Doping-
kontrollabor Salt Lake City anlässlich der Olymp. Winterspie-
le 2002
Seit 2003 Staff Research Associate III-Supervisor: Paul Ziffren Olympic
Analytical Laboratory, UC Los Angeles, CA, USA
Zusammenfassung
Diese Arbeit beschreibt die Methodik der Erythropoietin (EPO)-Dopingkon-
trollanalytik am Beispiel der Olympischen Winterspiele Salt Lake City 2002
(SLC2002) und wertet die dort gesammelten Daten aus. Es wurde bei einem
Athleten und zwei Athletinnen ein Missbrauch von Darbepoetin alfa (Arane-
spTM) nachgewiesen, ein zu der Zeit erst seit kurzem erhältliches Nachfolge-
produkt von rekombinanten, humanem EPO (rhEPO).
Humanes EPO, ein Glykoprotein mit 165 Aminosäuren, einem Sauerstoff-
und drei Stickstoff-gebundenen Kohlenhydratresten, ist ein Hormon, dass die
Bildung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) im menschlichen Körper
steuert. Sein Molekulargewicht beträgt ca. 30 kDa mit einem Kohlenhydra-
tanteil von 3040 %. Die Existenz dieses Hormons ist bereits 1906 postuliert
worden. Seit 1948 wird es Erythropoietin genannt. 1957 wurde als Hauptbil-
dungsort im erwachsenen Menschen die Niere ausgemacht. 1977 ist dann mit
der Isolierung von wenigen Milligramm EPO aus dem Urin von Patienten mit
aplastischer Anämie ein Meilenstein in der EPO-Forschung erreicht worden.
Acht Jahre später, 1985, wurde das EPO-Gen erfolgreich kloniert.
Seit 1988 ist rhEPO für die Behandlung von Anämie als Folge von Nie-
renversagen erhältlich. Die Verfügbarkeit von rhEPO hat seitdem wesentlich
zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Nierenversagen bei-
getragen. Inzwischen wird rhEPO auch in vielen anderen Gebieten als Be-
handlungsmittel eingesetzt.
Auch im gesunden Menschen kann rhEPO die Anzahl der Erythrozyten
erhöhen. Dies macht es zu einem potenten Dopingmittel, da die Ausdauer-
leistungsfähigkeit durch diese Erhöhung verbessert wird. Aus diesem Grund
hat 1990 das Internationale Olympische Komitee rhEPO in die ,,Liste der ver-
botenen Substanzen" aufgenommen. Aber bis zum Jahre 2000, als zwei un-
terschiedliche Nachweisverfahren veröffentlicht wurden, war ein Missbrauch
von rhEPO nicht nachweisbar.
Das eine dieser zwei Verfahren beruhte auf den Veränderungen im roten
Blutbild, die durch die Anwendung von rhEPO verursacht werden. Damit ist
es ein indirektes Verfahren, da nur Wirkungen gemessen werden. Das andere
Verfahren beruht auf dem Erkennen von rhEPO im Urin durch isoelektri-
sche Fokussierung eines Urinkonzentrates mit nachfolgendem Immunoblot-
ting, was ein direktes Verfahren darstellt und einem indirekten vorzuziehen
ist. Beide Verfahren sind bei SLC2002 eingesetzt worden und werden hier
beschrieben.
Es wird gezeigt, dass ein erster, schneller und einfacher Bluttest 133 ver-
dächtige Proben identifizierte. 72 Blut- und Urinproben wurden daraufhin
eingehender untersucht. Danach bestand nur noch bei 25 Blutproben ein Ver-
dacht auf aktuellen Missbrauch, der aber durch den Urintest bei allen außer
fünf Proben von drei Athleten/innen entkräftet wurde.
iii
Abstract
This work describes the methodology of the erythropoietin (EPO) doping con-
trol analyses at the Winter Olympics Salt Lake City 2002 (SLC2002) and eva-
luates the data obtained there. For three athletes a misuse of darbepoetin alfa
(AranespTM) was detected. At the time AranespTM, which is an analog of recom-
binant human erythropoietin (rhEPO), had only been commercially available
for a short period of time.
Human EPO, a glycoprotein of 165 amino acids, one oxygen- and two
nitrogen-linked carbohydrate moieties, is a hormone, that regulates the pro-
duction of red blood cells (erythrocytes) in the human body. Its molecular
weight is ca. 30 kDa with a carbohydrate fraction of 3040%. The existence
of this hormone had been postulated as early as 1906 and it was named ery-
thropoietin in 1948. In 1957 its main production site in the adult human was
recognized as the kidney. A milestone in EPO research occured 1977 with the
isolation of a few milligrams of EPO from urine of patients with aplastic ane-
mia. Eight years later, 1985, the EPO gene was successfully cloned.
Since 1988 rhEPO has been availble for the treatment of anemia due to
renal failure. The availability of rhEPO has improved the quality of life of
patients with kidney failure significantly since then. Meanwhile rhEPO is
being used as a treatment in many other areas.
Recombinant hEPO also increases the number of erythrocytes in healthy
humans. This makes it a potent means of doping, since an increase in ery-
throcytes improves endurance performance. Because of this, the Internatio-
nal Olympic Committee added rhEPO to its "list of prohibited substances"
in 1990. However, misuse was not detectable until 2000 when two different
detection methods were published.
One of the two methods is based on changes in red blood cell parameters
caused by rhEPO administration. This makes it an indirect method, because
secondary effects are measured. The other method is based on the recognition
of rhEPO in urine by isoelectric focusing of urine concentrates followed by
immuno blotting, which is a direct and more preferable method. Both methods
were used during SLC2002 and are described herein.
It will be shown that an initial, quick, and simple blood test produced
133 suspicious samples. 72 blood and urine samples then underwent more
sophisticated testing. Afterwards, 25 blood samples were still suspicious for
current misuse, but the urine test was negative for all but five samples from
three athletes.
iv
Danksagungen
Hiermit möchte ich Dr. Don H. Catlin und dem Paul Ziffren Olym-
pic Analytical Laboratory der Universität von Kalifornien, Los Ange-
les, dafür danken, dass sie mir die Möglichkeit gegeben haben, wäh-
rend der Olympischen Winterspiele in Salt Lake City 2002 die EPO-
Analytik zu leiten.
Meinen Mitarbeitern Inna Tregub, Henry Truong, Jeffrey Gorzek
und Anni Ramseyer gehört Dank, weil ohne sie diese Daten nicht in
dieser Form hätten gesammelt werden können.
Danken möchte ich auch dem Direktor der Medizinischen Kommis-
sion des IOC, Dr. Patrick Schamasch, und den internationalen Verbän-
den FIS, ISU, IBU, für die Erlaubnis, die in Salt Lake City gesammel-
ten Daten für diese Arbeit verwenden zu dürfen.
Ralf Meutgens und meine Frau Sabine Nießen haben Dank verdient
für ihre wertvollen Tipps beim Korrekturlesen dieser Arbeit.
Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Wilhelm Schänzer, der es mir
ermöglicht hat, diese Arbeit zu schreiben. Ohne seinen Ansporn und
Unterstützung wäre diese Arbeit immer noch nicht geschrieben.
v
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1
1.1 Humanes Erythropoietin . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1.1.1 Geschichtlicher Überblick . . . . . . . . . . . . . .
1
1.1.2 Molekularbiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.1.3 Leistungssteigernde Wirkung . . . . . . . . . . . .
4
1.1.4 Nachweisbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
1.2 EPO-Tests bei Olympischen Spielen . . . . . . . . . . . .
9
1.3 ,,Paul Ziffren Olympic Analytical Laboratory" . . . . . . .
11
1.4 Ziel dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
2 Experimenteller Teil
13
2.1 Direkter Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
2.1.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
2.1.2 Der uEPO-Test nach Lasne . . . . . . . . . . . . .
19
2.2 Indirekter Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
2.2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
2.2.2 Der Bluttest nach Parisotto . . . . . . . . . . . . .
31
2.3 Der kombinierte Blut/ Urin-Test . . . . . . . . . . . . . .
33
2.3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
2.3.2 Durchführung des kombinierten Test während
der Winterspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
2.4 Untersuchte Sportler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
2.5 Vergleichswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
2.6 ,,Zweite-Generation Bluttest" . . . . . . . . . . . . . . . .
37
2.7 Isoformenprofile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
2.8 Statistische Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
3 Ergebnisse
39
3.1 Blut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
3.2 Urin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
3.2.1 Qualitätskontroll-Urinproben . . . . . . . . . . . .
50
vii
3.2.2 Athleten-Urinproben . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
3.3 Kombinierter Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
3.3.1 ,,Normale" Profile . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
3.3.2 ,,Unnormale" Profile . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
3.3.3 ,,Saure" Profile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
3.3.4 ,,Keine" Profile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
4 Diskussion
61
4.1 ,,Vor-Ort-Screening" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
4.2 ,,ON model score" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
4.3 Der Urintest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
4.4 Blut vor Urin: Sinn und Notwendigkeit . . . . . . . . . .
69
4.4.1 ,,Zweite-Generation"-Bluttest . . . . . . . . . . . .
72
4.4.2 Trainings- oder Wettkampfkontrollen . . . . . . .
73
4.5 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
Anhang A
77
Glossar
109
viii
Abbildungsverzeichnis
1.1 Aminosäuresequenz von hEPO . . . . . . . . . . . . . . .
2
1.2 Tertiär-Struktur von hEPO . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2.1 EPO-Isoformenmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
2.2 Densitogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
2.3 Laseroptik des ADVIA 120 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
Histogramme: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
3.1 Hämatokritwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
3.2 Retikulozyten-Hämatokritwerte . . . . . . . . . . . . . . .
41
3.3 Prozent Makrozytenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
3.4 Hämoglobinwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
3.5 Prozent Retikulozytenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
3.6 sEPO-Konzentrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
3.7 sTfR-Konzentrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
3.8 ,,ON model scores" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
3.9 ,,OFF model scores" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
3.10 uEPO-Isoforme von Athleten . . . . . . . . . . . . . . . .
50
3.11 Isoformenprofile der Qualitätskontroll-Urinproben . . . .
51
3.12 Isoformenprofile der Athleten-Urinproben . . . . . . . . .
53
ix
Tabellenverzeichnis
3.1 Charakteristische Größen von allen Athleten . . . . . . .
49
3.2 Charakteristische Größen von den Athleten mit ,,norma-
len" Profilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
3.3 Median und alle Werte für die Athleten mit ,,unnorma-
len" Pofilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
3.4 Median und alle Werte für die Athleten mit ,,sauren" Po-
filen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
3.5 Median und alle Werte für die Athleten ohne detektier-
bare Profile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
xi
Kapitel 1
Einleitung
1.1 Humanes Erythropoietin
Humanes Erythropoietin (hEPO)
a
, ein Glykoprotein mit 165 Amino-
säuren, einem Sauerstoff- und drei Stickstoff-gebundenen Kohlenhy-
dratresten, steuert die Bildung der roten Blutkörperchen (Erythro-
zyten) im menschlichen Körper. Sein Molekulargewicht beträgt ca.
30 kDa mit einem Kohlenhydratanteil von 3040 %.
1.1.1 Geschichtlicher Überblick
Bereits 1906 haben Carnot und Deflandre
1
die Existenz eines Hormons
postuliert, das die Erythropoese steuert und welches sie ,,Hémopoïétin"
nannten. Dieses Postulat basierte auf der Beobachtung, dass in Kanin-
chen, denen man Serum eines anämischen Kaninchens injizierte, die
Anzahl der Erythrozyten bis zu 40 % anstieg. Weil die Aktivität die-
ses Hormones auf die Bildung von roten Blutkörperchen beschränkt
ist, wurde 1948 von Bonsdorff und Jalavisto
2
der Begriff ,,Erythropoie-
tin" (EPO) eingeführt. In den 50er Jahre wurde durch eine Reihe neu-
er Beobachtungen und Versuche die Existenz von EPO gestützt. 1957
dann zeigten Jacobson et. al.,
3
das die Niere der Hauptbildungsort für
EPO ist. Man wusste inzwischen, dass Menschen mit aplastischer An-
ämie sehr große Mengen EPO im Urin ausscheiden und solche mit
Nierenversagen bei niedrigen Serum-EPO-Konzentrationen sehr stark
anämisch sind. Dieses Wissen führte dazu, dass intensiv an der Isolie-
rung und Aufreinigung von EPO gearbeitet wurde. 1977 wurde dieser
Meilenstein von Miyake et. al.
4
erreicht. Dieses aus 2500 Litern Urin
a
Für Bedeutung von Abkürzungen siehe Glossar (S. 109)
2
KAPITEL 1. EINLEITUNG
Abbildung 1.1: Die Aminosäuresequenz von humanem Erythropoietin
von Patienten mit aplastischer Anämie isolierte Erythropoietin, ins-
gesamt nur wenige Milligramm, bildete die Basis für die erfolgreiche
Klonierung des EPO-Gens im Jahr 1985.
57
1.1.2 Molekularbiologie
Das menschliche EPO-Gen, das in Chromosom 7 zu finden ist, kodiert
insgesamt 193 Aminosäuren. Post-translational werden aber durch ei-
ne Endopeptidase die ersten 27 Aminosäuren, eine hydrophobe Se-
quenz, und durch eine Carboxypeptidase das C-terminale Arginin ent-
fernt. Die Glykosylierung findet ebenfalls post-translational an den Po-
sitionen Asparagin 24, 38 und 83 (Stickstoff-Bindung) sowie Serin 126
(Sauerstoff-Bindung) (Abb.1.1) statt. Zwei Disulfid-Brücken zwischen
Cystein 7/161 und 29/33 stabilisieren die korrekte Faltung des Glyko-
proteins (Abb.1.2).
Anders als die anderen Mitglieder der Cytokin-Superfamilie wird
hEPO hauptsächlich in einem Organ, der Niere, gebildet. Zu einem
geringen Teil wird hEPO auch noch in der Leber produziert, die das
Hauptorgan der fetalen EPO-Produktion ist. Die EPO-Bildung wird
1.1. HUMANES ERYTHROPOIETIN
3
Abbildung 1.2: Die tertiäre Struktur von humanem Erythropoietin
durch einen klassischen Rückkopplungsmechanismus gesteuert. Sau-
erstoffmangel (Hypoxie) im betreffenden Gewebe aktiviert einen Sau-
erstoff-Sensor, der seinerseits das EPO-Gen aktiviert, was zu einer ver-
stärkten Produktion führt. Es existieren keine Speicher, sondern hEPO
wird jeweils
de novo gebildet.
79
Sauerstoffüberschuss (Hyperoxie) hat
die gegensätzliche Wirkung und vermindert die hEPO-Produktion.
Da hEPO, wie eingangs erwähnt, ein Glycoprotein ist, muss rhEPO
durch Säugetierzellen, denen das menschliche EPO-Gen eingepflanzt
wurde, exprimiert werden. Weder Bakterien- noch Hefezellen besitzen
den notwendigen Enzymapparat, der für die Glykolysierung notwendig
ist. Und ohne diese Glykolisierung ist die
in vivo-Aktivität äußerst ge-
ring. Da sie durch das gleiche Gen kodiert werden, besitzen endogenes
und rekombinantes hEPO ein identisches Aminosäure-Grundgerüst.
Aber die gebundenen Kohlenhydratketten sind nicht identisch, son-
dern folgen zelllinien-spezifischen Mustern. Sie sind entweder un-,
einfach-, zweifach- oder dreifach-verzweigt, was dann als mono-, bi-,
tri- oder tetra-antennär bezeichnet wird. Das trifft aber nur auf die drei
N-gebundenen Ketten zu. Die O-gebundene kann maximal bi-antennär
sein. Jede dieser Antennen kann eine oder zwei Laktosamin-Gruppen
enthalten und mit einem Sialinsäure-Rest abschließen.
10
Daraus folgt
das ein EPO-Molekül vier (vier mono-antennäre) bis 14 (drei tetra- plus
eine bi-antennäre) Kohlenhydrat-Antennen besitzt, die mit 0 bis 14
Sialinsäure-Resten besetzt sein können.
11
Aufgrund dieser Vielfalt ist
4
KAPITEL 1. EINLEITUNG
EPO kein wohldefiniertes Molekül, sondern besteht aus einer Vielzahl
unterschiedlicher Spezien. Diese Vielfalt wird als
Mikroheterogenität
bezeichnet und ist Glykoproteinen eigen.
Seit 1988 ist rhEPO als Medikament auf dem Markt. Die zwei
großen Produzenten, Amgen (Epoetin alfa, USA) und Roche (vorm.
Boehringer-Mannheim, Epoetin beta, Schweiz) exprimieren aus CHO-
Zellen, das sind Zellen aus den Ovarien chinesischer Hamster (CHO -
engl.: Chinese Hamster Ovary). Aber auch Nierenzellen von Babyham-
stern (BHK - engl.: Baby Hamster Kidney) und humane Zellen kom-
men in der großtechnischen Produktion zum Einsatz. Da die Moleküle
mit dem höchsten Sialinsäuregehalt die höchste biologische Aktivität
haben,
11
werden sie bei der Isolierung aus dem Kulturmedium bevor-
zugt. Deshalb findet man in Epoetin alfa nur EPO-Moleküle mit 1014
Sialinsäure-Resten, in Epoetin beta nur solche mit 914 Resten.
In der Therapie von Patienten mit Nierenversagen hat der Einsatz
von rhEPO sehr viel zur Verbesserung der Lebensqualität beigetra-
gen, weil damit die Notwendigkeit von regelmäßigen Bluttransfusio-
nen mit den einhergehenden Risiken und Unannehmlichkeiten weg-
fiel. Aber auch auf vielen anderen Gebieten wird rhEPO als Therapeu-
tikum eingesetzt, z.B. zur Gewinnung von Eigenblutkonserven vor grö-
ßeren Operationen, in der Behandlung von entzündlichen Krankheiten
und in der Nachbehandlung von Krebspatienten.
1.1.3 Leistungssteigernde Wirkung
Die menschliche Ausdauerleistungsfähigkeit wird im wesentlichen
durch das Sauerstoffaufnahmevermögen limitiert.
12
Andere Faktoren
wie aerob-anaerobe Schwelle und Bewegungsökonomie spielen im Ver-
gleich nur eine untergeordnete Rolle.
13
Das Sauerstoffaufnahmever-
mögen hängt vom Herzminutenvolumen und der Sauerstofftransport-
kapazität des Blutes ab. Die Sauerstofftransportkapazität des Blutes
und folglich auch die Ausdauerleistungsfähigkeit steigt mit der Zahl
der Erythrozyten. Sie enthalten das Hämoglobin, welches den Sauer-
stoff auf dem Weg von der Lunge zum Zielgewebe bindet.
Eine Änderung der Erythrozytenzahl bzw. Hämoglobinkonzentrati-
on hat immer eine proportionale Änderung der Leistungsfähigkeit zur
Folge.
14
Und das ist unabhängig von den Ausgangswerten, was bedeu-
tet, dass hochtrainierte Ausdauersportler die gleichen relativen Ände-
rungen erfahren wie untrainierte Personen.
1.1. HUMANES ERYTHROPOIETIN
5
Da rhEPO die Ausdauerleistungsfähigkeit direkt positiv beein-
flusst, muss es als potenzielle Dopingsubstanz gesehen werden. Seit
1990 wird rhEPO deshalb auf der ,,Liste der verbotenen Substanzen"
des
Internationalen Olympischen Komitees (IOC) geführt.
1991 zeigten Eckblom und Berglund,
15
dass eine längere Behand-
lung mit rhEPO bei mittel bis gut trainierten Sportstudenten zu ei-
nem signifikanten Anstieg der Hämoglobinkonzentration (Hgb) und
des Hämatokrits (Hkt) führte. Damit verbunden war eine signifikan-
te Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO
2 max
) und der
Belastungszeit bis zur Erschöpfung. Diese Ergebnisse waren vergleich-
bar mit Ergebnissen, die bei einem Teil der Probanden nach Reinfusion
von Blutkonserven erhalten wurden. Auch Casoni et al.,
16
Souillard et
al.
17
und Breidbach et al.
18
konnten einen signifikanten Anstieg von
Hgb und Hkt nachweisen. Die Verbesserung der VO
2 max
wurde dar-
überhinaus auch von Birkeland et al.
19
gemessen.
Der Missbrauch von rhEPO durch ,,gesunde" Athleten
b
birgt aber
nicht nur einen Verstoß gegen die Sportethik in sich, sondern auch eine
nicht unerhebliche Gesundheitsgefahr. Es kann zu einem unkontrol-
liertem Anstieg des Hkt kommen mit der damit verbundenen Gefahr
von Kreislaufkomplikationen, wie z.B. Thrombosen, da die Viskosität
des Blutes stark ansteigt. Außerdem ist ein signifikanter Anstieg des
Belastungsblutdruckes in der Literatur beschrieben.
15
1.1.4 Nachweisbarkeit
Zum Nachweis eines Erythropoietin-Missbrauchs werden grundsätz-
lich zwei verschiedene Wege unterschieden:
Indirekter Nachweis: im Blut werden die Konzentrationen von Ery-
thropoietin und anderer, von EPO beeinflusster Parameter ge-
messen. Sollten diese Konzentrationen außerhalb festzulegender
Bereiche liegen, ohne dass dafür eine hinreichende Erklärung ge-
funden werden kann, ist der Nachweis geführt.
Direkter Nachweis: im Urin wird das Vorhandensein von applizier-
tem, rekombinanten Erythropoietin nachgewiesen.
b
Die Begriffe Athlet, Sportler, Proband, etc., werden synonym für weibliche und
männliche Personen verwendet
6
KAPITEL 1. EINLEITUNG
Indirekter Nachweis
Der
indirekte Nachweis beruht auf dem Vergleich von gemessenen
Konzentrationen bestimmter Parameter mit Referenzbereichen für
diese Parameter. Die Methodik zur Bestimmung z.B. der EPO-Konzen-
tration im Blut existiert, seit versucht wurde dieses Hormon zu cha-
rakterisieren. Sie ist in den letzten Jahren ständig verbessert worden,
da sie von großer Bedeutung für Diagnose und Therapiesteuerung ist.
Allerdings kann damit immer nur die Gesamtkonzentration von endo-
genem und rekombinanten EPO zusammen gemessen werden.
Da die Beweiskraft eines indirekten Nachweises immer schwä-
cher ist als die eines direkten, und um die Wahrscheinlichkeit ,,falsch-
positiver" Nachweise zu vermindern, versucht man, mehrere Parame-
ter zu kombinieren. Deshalb wird, neben der EPO-Konzentration, auch
die Konzentration anderer Parameter, die mit EPO korrelieren, gemes-
sen. Zu den Parametern, die in diesem Zusammenhang diskutiert wer-
den, zählen:
17, 2025
· löslischer Transferrin-Rezeptor (sTfR)
· Ferritin (Ftn)
· Hämatokrit (Hkt)
· Gesamt-Hämoglobin
· Hämoglobin-Konzentration (Hgb)
· Erythrozytenzahl (ERY)
· Retikulozytenzahl (RET)
· Retikulozyten-Hämoglobin (rHgb)
· Retikulozyten-Hämatokrit (rHkt)
· Makrozytenanteil (MAKRO)
· Gesamt-Serumprotein
· -Globin mRNS
Der
lösliche Transferrinrezeptor ist ein Maß für die Rate der Neu-
bildung von Erythrozyten. Die unreifen Erythrozyten besitzen an der
Zellaussenseite Rezeptoren für Transferrin, das Protein, das Eisen im
1.1. HUMANES ERYTHROPOIETIN
7
Körper transportiert. Sobald Transferrin an seinen Rezeptor gebun-
den hat, wird der Rezeptor-Ligand-Komplex ins Zellinnere befördert,
das gebundene Eisen inkorporiert und dann das eisenfreie Apotrans-
ferrin und der Rezeptor, der dann löslich ist, ins Blut abgegeben. Je
höher die Bildungsrate, destso größer ist die Konzentration von sTfR
im Blut. EPO induziert eine höhere Erythrozytenbildungsrate und da-
mit eine Erhöhung der sTfR-Konzentration. Aber auch funktioneller
Eisenmangel und alle physiologischen Zustände, die eine erhöhte Bil-
dungsrate mit sich bringen, sorgen für einen Anstieg.
Ferritin ist ein Protein, das der Eisenspeicherung dient. Erhöhte
Erythrozytenbildungsraten bedingen einen erhöhten Eisenbedarf, was
zu einer Verarmung an Ferritin führt, wenn unzureichend Eisen sup-
plementiert wird. Da gleichzeitig sTfR ansteigt, kann der Quotient
sTfR/Ftn
20
längere Zeit erhöht sein.
Der
Hämatokrit ist ein Maß für das Verhältnis von zellulären zu
nicht-zellulären Blutbestandteilen. Ein Hkt von 45 bedeutet, dass das
Blut sich zu 45 % aus Blutzellen und zu 55 % aus Plasma zusammen-
setzt. Eine erhöhte Neubildung von Erythrozyten, wie sie durch Appli-
kation von rhEPO erreicht wird, führt zu einem Anstieg des Hkt.
Parallel dazu steigt auch das
Gesamt-Hämoglobin und die Hämo-
globinkonzentration. Zweiteres ist einfach zu messen, in dem in einer
kleinen Menge Blut die Menge an Hämoglobin bestimmt wird. Die Hä-
moglobinkonzentration hat aber wie der Hämatokrit nur wenig Aus-
sagekraft im Doping-Kontext wegen der leichten Manipulierbarkeit
dieser Werte (z.B. Infusion von Plasmaexpandern). Die Bestimmung
des Gesamt-Hämoglobins im Körper ist dagegen sehr viel aufwändiger
aber wesentlich aussagekräftiger, da dieser Wert nur schwer zu mani-
pulieren ist.
26
Die
Retikulozytenzahl, das Retikulozyten-Hämoglobin und der Re-
tikulozyten-Hämatokrit sind Größen, die ebenfalls Aufschluss über die
Blutbildungsrate geben. Ein Anstieg dieser Werte ist ein erster Indi-
kator für eine gesteigerte Erythropoese. Retikulozyten sind junge Ery-
throzyten, die noch Reste von Zellorganellen, wie den Zellkern und da-
mit RNS, enthalten.
Makrozyten sind Erythrozyten, die ein Volumen größer als 120 fL
haben. Bei einer erhöhten Blutbildungsrate steigt die Zahl der
Makro-
zyten relativ zur Erythrozytenzahl.
Gesamt-Serumprotein stellt die Konzentration aller Proteine im
Serum dar. Dieser Parameter wird zur Normalisierung benutzt, z.B.
könnte die sTfR-Konzentration durch Dehydratation des getesteten
Athleten erhöht sein. Da aber gleichzeitig das
Gesamt-Serumprotein
8
KAPITEL 1. EINLEITUNG
auch anstiege, wäre nach der Normalisierung der Einfluss des Hydra-
tationszustandes eliminiert.
21
Ebenfalls ein Indikator der Blutbildungsrate ist die
-Globin
mRNS. Hämoglobin besteht aus vier Untereinheiten, beim Erwachse-
nen sind das zwei - und zwei -Globine. Jede dieser Globin-Ketten
bindet eine Häm-Gruppe. Eine Erhöhung der Expression des -Globins
hat auch eine Erhöhung der ,,Messenger"-Ribonukleinsäure (mRNS)
zur Folge.
25
Alle oben genannten Indikatoren der Blutbildungsrate folgen un-
terschiedlichen Pharmakokinetiken und erlauben so unterschiedliche
Retrospektivitäten bezüglich eines EPO-Missbrauches. Die Messme-
thodik für diese Parameter existiert schon seit geraumer Zeit, weshalb
bis zum Jahr 2000 der Hauptaugenmerk auf dem indirekten Nachweis
lag.
Es gibt aber ein entscheidendes Problem: Die Abnahme von Blut zu
Dopingkontrollzwecken ist noch rechtlich umstritten. Zur Zeit werden
von vier internationalen Sportverbänden regelmäßig Blutkontrollen
im Wettkampf durchgeführt. Das sind der Internationale Radsportver-
band (UCI), der Internationale Skiverband (FIS) im Bereich Nordisch,
die Internationale Biathlon- (IBU) und die Internationale Schlittschuh
Union (ISU) im Bereich Eisschnelllauf. Diese Kontrollen stellen aber
keine Dopingkontrollen dar, sondern sind in den jeweiligen Wettkampf-
bestimmungen reglementiert. Nur Athleten, die unterhalb festgelegter
Grenzwerte liegen, werden für den jeweiligen Wettkampf zugelassen.
Ein Überschreiten der Grenzwerte hat nur sehr kurze Sperren zur Fol-
ge, meist für den jeweiligen Wettkampf und bis die Grenzwerte wieder
unterschritten sind.
Zwar werden z.B. vom internationalen Leichtathletikverband
(IAAF) und der ISU auch Blutproben in der Trainingskontrolle ent-
nommen, aber immer in Verbindung mit einer Urinprobe. Und die
Ergebnisse der Blutprobe dienen dann auch nur der Unterstützung
des Ergebnisses der Urinprobe.
Direkter Nachweis
Der
direkte Nachweis wird durch die Glykosylierung des EPO-
Moleküls erst ermöglicht, aber durch die damit verbundene Mikro-
heterogenität auch erheblich erschwert. Als reines Polypeptid wären
endogenes und rekombinantes EPO nicht zu unterscheiden, da die
Aminosäuresequenzen identisch sind. Erst durch die Glykosylierung,
die zelllinien-spezifischen Mustern folgt, entsteht ein Unterschied
1.2. EPO-TESTS BEI OLYMPISCHEN SPIELEN
9
zwischen endogenem und rekombinantem EPO. Durch die Mikrohete-
rogenität ist dieser Unterschied aber diffuser Natur. Außerdem sind
die Mengen an EPO in der Zirkulation sehr niedrig, was die heutige
Analysentechnik an ihre Grenzen führt.
Wide et al.
27
haben mittels freier Zonen-Elektrophorese, einer Tech-
nik, die Substanzen aufgrund von unterschiedlichen elektrischen Mo-
bilitäten trennt, 1995 als erste gezeigt, dass ein direkter Nachweis ge-
führt werden kann. Die eingesetzte Methodik war aber sehr arbeits-
und zeitintensiv und in dieser Form für die Dopinganalytik nicht prak-
tikabel. Bisher sind diese Ergebnisse auch nicht verifiziert worden.
2000 ist dann von Lasne/de Ceaurriz
28
eine Methode, die auf iso-
elektrischer Fokussierung beruht, veröffentlicht worden. Bei der iso-
elektrischen Fokussierung (IEF) wird EPO in seine Isoforme aufge-
trennt. Durch eine signifikante Verbesserung des klassischen Western-
Blots, die von Lasne ,,Double-blotting"
29
genannt wurde, wurde es mög-
lich mit praktikablen Urinmengen aussagekräftige Isoformen-Muster
zu erhalten. Das Isoformen-Muster von endogenem EPO ist von dem
des rekombinanten Produkts unterscheidbar. Allerdings besteht ein
beträchtliches Maß an Überlappung zwischen den zwei Isoformen-
Mustern. Aber mit Erfahrung und/oder dem Einsatz von verschiedenen
Kenngrößen ist eine sichere Unterscheidung möglich.
Diese Methode ist wesentlich praktikabler für die Dopinganalytik
als die von Wide et al., aber immer noch weit entfernt von den klas-
sischen Methoden, die meist auf Gaschromatographie/ Massenspektro-
metrie
3032
beruhen und durch weitgehende Automatisierung einen ho-
hen Probendurchsatz ermöglichen.
1.2 Der Einsatz des EPO-Tests bei Olympi-
schen Spielen
Nach dem Wettkampfausschluss eines kompletten Teams wegen EPO-
Missbrauches im Jahr 1998 von der weltweit größten Radsportveran-
staltung ,,Tour de France"
3335
wurde auch die breite Öffentlichkeit auf
EPO aufmerksam. Die Bemühungen, einen funktionierenden Nach-
weis zu entwickeln, wurden daraufhin intensiviert.
Im Jahr 2000 war es dann so weit, dass ein Test eingeführt wur-
de. Wenige Monate vor Beginn der Olympischen Spiele in Sydney
2000 hatte das IOC namhafte Experten zu einem Treffen in Lausan-
ne eingeladen. Dort hat eine australische Gruppe um Robin Parisotto
23
10
KAPITEL 1. EINLEITUNG
einen auf Blut basierenden, indirekten Nachweis und eine französische
Gruppe um Françoise Lasne
28
einen auf Urin basierenden, direkten
Nachweis präsentiert. Auf Rat der anwesenden Experten wurde dann
ein kombinierter Test, für den Blut und Urin untersucht wurden, bei
den Spielen in Sydney eingesetzt.
Der Test ist so gestaltet, dass zuerst eine Blutprobe untersucht
wird. Durch den Einsatz automatischer Analysatoren kann eine große
Anzahl von Blutproben in relativ kurzer Zeit untersucht werden. Nur
von solchen Blutproben, bei denen die Berechnung eines sogenannten
,,ON model scores"
24
einen erhöhten Wert liefert, wird dann die zuge-
hörige Urinprobe untersucht. Durch dieses ,,Screening" sollte erreicht
werden, dass unverdächtige Proben schon vor dem aufwändigen Urin-
test herausgefiltert werden. Der Nachweis des EPO-Missbrauches ist
dann geführt, wenn das Isoformen-Muster aus dem Urintest dem von
rhEPO entspricht. Bei keiner der getesteten Blut/Urin-Proben in Syd-
ney 2000 war dies der Fall.
Bei den olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City (SLC
2002) wurde vom IOC ein ähnliches Protokoll zum Nachweis eines
EPO-Missbrauches vorgegeben (siehe Anhang A, Abschnitt: ,,Blood Te-
sting Programme", sowie die dazu gehörigen Tabellen 4a und 4b). Das
,,Screening" mittels Blutproben wurde neu gestaltet. Alle Ausdauer-
athleten/innen sollten auf erhöhte Hämoglobinkonzentration und Re-
tikulozytenzahl getestet werden. Athleten, bei denen ein Verdacht auf
EPO-Missbrauch entstand, sollten am Tag des nächsten Wettkamp-
fes erneut getestet werden. Zusätzlich sollten bis zu 20 % der Star-
ter/innen am Tage ihres Wettkampfes getestet werden. Von den drei in-
ternationalen Verbänden, FIS (Bereich Ski/Nordisch), IBU (Biathlon)
und ISU (Bereich Eisschnelllauf), wurden direkt an den Wettkampfs-
tätten insgesamt 1222 Blutproben gemessen. Davon zeigten 133 Pro-
ben einen Retikulozytenanteil über dem Grenzwert von 2.0 % und 8 ei-
ne erhöhte Hämoglobinkonzentration (Hgb). Zu 77 dieser Proben wur-
de dann eine Urinprobe gesammelt und mit der Blutprobe gemäß dem
Protokoll, das in Sydney 2000 verwendet wurde, untersucht. In keiner
dieser Proben konnte rhEPO nachgewiesen werden, trotz ungewöhn-
lich hoher Werte des ,,ON model scores".
Aber bei drei Athleten wurde der Missbrauch des erst seit Dez. 2001
auf dem nordamerikanischen Markt befindlichen Nachfolgeproduktes
von rhEPO, Darbepoitin alfa (AranespTM, AMGEN), nachgewiesen. Al-
lerdings sind diese Athleten nicht im ,,Screening" der internationalen
Verbände aufgefallen, sondern nach einer gezielten Kontrolle durch
das IOC.
1.3. ,,PAUL ZIFFREN OLYMPIC ANALYTICAL LABORATORY"
11
1.3 ,,Paul Ziffren Olympic Analytical Labo-
ratory"
Die Untersuchungen auf den Missbrauch von rhEPO und anderen ver-
botenen Substanzen fanden in einem, eigens für die olympischen Win-
terspiele eingerichtetem, Labor in Salt Lake City statt. Dieses Labor
wurde vom ,,Paul Ziffren Olympic Analytical Laboratory" (PZOAL) der
Universität von Californien in Los Angeles (UCLA) unter der Leitung
von Dr. Don H. Catlin betrieben. PZOAL wurde anlässlich der olympi-
schen Sommerspiele 1984 in Los Angeles gegründet, um die dort abge-
nommenen Dopingproben zu analysieren und ist seitdem vom IOC für
Dopinganalytik akkreditiert. Im April 2001, 10 Monate vor Beginn der
Spiele, wurde ich eingestellt, um die nötigen Voraussetzungen für eine
erfolgreiche Durchführung des EPO-Tests zu schaffen. Ich war verant-
wortlich für die Anschaffung der notwendigen Geräte und die Ausbil-
dung meiner Mitarbeiter, sowie die Implementierung, Durchführung
und Auswertung des EPO-Testverfahrens, auch und gerade während
SLC 2002.
36
1.4 Ziel dieser Arbeit
Die Wettkampfstätten in SLC 2002 lagen alle auf über 1500 m ü. N.N.
Die daraus resultierende Hypoxie kann kurzfristig zu einem Anstieg
der Retikulozytenzahl und damit langfristig zu einem Anstieg der Hä-
moglobinkonzentration führen.
In dieser Arbeit soll anhand der in SLC 2002 gesammelten Daten
gezeigt werden, dass die erhöhten ,,ON model scores" auf diese Höhen-
lage und nicht auf EPO-Missbrauch zurückzuführen sind. Auf dieser
Grundlage soll dann der Nutzen und Sinn von Blutkontrollen in die-
sem Kontext diskutiert werden, für den speziellen Fall einer Umge-
bung wie in SLC 2002.
Aufgrund der Pharmakodynamik und -kinetik von rhEPO wäre der
Test auf Missbrauch am wirkungsvollsten, wenn er als unangemeldete
Trainingskontrolle durchgeführt würde. Die Vorgabe des IOC, einen
kombinierten Blut/Urin-Test durchzuführen, erschwert aber die an-
gemessene Durchführung von Trainingskontrollen erheblich. Deshalb
soll auch für die generelle Kontrolle eines EPO-Missbrauches der Sinn
von Blutproben diskutiert werden.
Kapitel 2
Experimenteller Teil
2.1 Direkter Nachweis
2.1.1 Grundlagen
Da rhEPO
a
aus Zellen exprimiert wird, denen das menschliche EPO-
Gen eingebaut wurde, ist die Aminosäuresequenz identisch mit der des
endogenen, menschlichen EPOs. Die Glykosylierung erfolgt durch en-
zymatische Prozesse und ist deshalb abhängig vom Zelltyp und den
Umgebungsbedingungen. Der aufälligste Unterschied ist der Verzwei-
gungsgrad der Kohlenhydrate und damit die mögliche maximale An-
zahl an Sialinsäureresten.
Ein anderer Grund für den Unterschied zwischen rekombinantem
und endogenem EPO ist die Art und Weise, wie das exprimierte rhE-
PO aus dem Zellkultur-Medium gewonnen wird. Dabei werden bewusst
die Moleküle mit einem hohen Sialinsäuregehalt bevorzugt. Das beein-
flusst das Verhalten von rhEPO während der Elektrophorese, da die
Sialinsäurereste leicht ionisierbare, funktionelle Gruppen in den Koh-
lenhydratketten sind. Zwar enthält auch die Aminosäurekette ionisier-
bare Seitenketten, deren Effekt ist aber im Vergleich gering.
Die Ionisierbarkeit und die damit verbundene Ladung des Moleküls
macht man sich bei der Trennung durch Elektrophorese zu Nutze. Bei
einem bestimmten pH-Wert der Umgebung hat ein gegebenes EPO-
Molekül in Lösung eine ganz bestimmte, positive oder negative, La-
dung. Gleichzeitig hat es ein davon relativ unabhängiges Volumen. In
einem elektrischen Feld wird durch die Ladung eine Kraft erzeugt, die
das Molekül zur Elektrode mit der entgegengesetzten Polarität bewegt.
a
Für Abkürzungen siehe Glossar (S. 109)
14
KAPITEL 2. EXPERIMENTELLER TEIL
Durch die Bewegung wird gleichzeitig eine, der elektrischen Kraft ent-
gegengesetzte, Reibungskraft erzeugt, die proportional zum Molekül-
volumen ist. Die resultierende Nettokraft erzeugt eine Mobilität, die
für die gegebenen Umgebungsbedingungen spezifisch für ein Molekül
ist. Für die verschiedenen EPO-Moleküle bedeutet dies, dass bei geeig-
neter Wahl der Bedingungen eine Auftrennung im elektrischen Feld in
die unterschiedlichen Ladungen, z.B. unterschiedliche Anzahlen von
Sialinsäureresten, erfolgt.
Als erste zeigten Wide et al.
27
dies mit freier Zonenelektrophorese.
Dabei wurden in einem U-förmigen Glasrohr Serum- oder Urindialysa-
te im elektrischen Feld getrennt. Das Glasrohr war mit einer 0.1 %igen
Agararose-Suspension gefüllt, um Diffusionseffekte einzuschränken.
Nach erfolgter Trennung wurde der Glasrohrinhalt vorsichtig fraktio-
niert, um die Trennung nicht zu zerstören, und in den Fraktionen mit-
tels RIA die EPO-Konzentration bestimmt.
Ein anderer elektrophoretischer Modus, nämlich die isoelektrische
Fokussierung (IEF), ist von Lasne et al.
37
eingesetzt worden. Bei der
isoelektrischen Fokussierung wird der amphotere Charakter der EPO-
Moleküle genutzt. Da EPO, wie alle Proteine, sowohl saure als auch ba-
sische Gruppen besitzt, gibt es einen pH-Wert bei dem sich die Anzahl
positiver und negativer Ladungen gerade aufhebt, die Netto-Ladung
also Null ist. Dieser pH-Wert wird isoelektrischer Punkt (pI) genannt.
Wenn die Trennung in einem pH-Gradienten stattfindet, wird das Mo-
lekül so lange wandern, bis es zu seinem isoelektrischen Punkt kommt.
Dort wird seine Nettoladung und somit auch die elektrische Kraft
gleich Null und das Molekül bleibt stehen. Wird es durch Diffusion
vom isoelektrischen Punkt entfernt, erhält es wieder eine Nettoladung
und wird zum pI zurück transportiert. Dadurch kommt es zu einer Fo-
kussierung, da alle Moleküle mit dem gleichen pI sich idealer Weise
an einem Punkt versammeln. Da die Probenaufgabe aber eine gewisse
Ausdehnung hat und die Fokusierung nur in Richtung des elektrischen
Feldes, nicht aber quer dazu, erfolgt, erhält man Banden.
Im Falle von Epoetin alfa erhält man vier und von Epoetin beta fünf
starke Banden. Jede dieser Banden stellt ein Isoform dar und damit bei
rhEPO eine bestimmte Anzahl an Sialinsäureresten. Die Bande mit
dem niedrigsten pI-Wert repräsentiert das Isoform mit der maximalen
Anzahl von 14 Sialinsäureresten. Bei endogenem, humanem EPO er-
scheinen noch eine ganze Reihe von Banden mit niedrigeren pI-Werten
(s. Abb. 2.1, Bahn N).
2.1. DIREKTER NACHWEIS
15
Abbildung 2.1: Repräsentative EPO-Isoformen-Muster; der pH-Wert,
und damit auch der pI der einzelnen Banden, wird von oben nach unten
grösser; + Anode, - Kathode; S: Bahn mit Standards (je 2 fmol EPO-
BRP vier dunkle Banden nahe der Kathode und Aranesp vier
dunkle Banden nahe der Anode), N: Bahn mit nur endogenem EPO,
P: Bahn mit rekombinanten und endogenem EPO; die eingekreisten
Banden in Bahn N und P werden mit 0 indiziert.
Die isoelektrische Fokussierung findet in den meisten Fällen in ei-
nem Gel statt. Die Gelmatrix besteht entweder aus dem Polysaccharid
Agarose oder aus Polyacrylamid. Beide Substanzen bilden ein stabiles
Netzwerk mit einer wohl definierten und kontrollierbaren Porengrö-
ße. Durch Veränderung der Porengröße kann man Diffusionseffekte
und Mobilität des Analyten beeinflussen. Generell besitzen Agarose-
Gele größere Poren und werden deshalb vornehmlich zur Trennung
von großen Proteinen und DNA eingesetzt.
Bei Polyacrylamid-Gelen (PAG) ist die Porengröße von der Konzen-
tration des Acrylamids und dem Grad der Quervernetzung, die durch
die Zugabe von Bisacrylamid erreicht und gesteuert wird, abhängig
und lässt sich gut kontrollieren. Bei der isoelektrischen Fokussierung
wird in der Regel mit einem Acrylamid/ Bisacrylamid-Gesamtgehalt
(T) von 5 % und einem Bisacrylamid-Acrylamid-Verhältnis (C) von 3 %
gearbeitet. Der Grund hierfür ist, dass der vorherrschende Trenneffekt
die pH-Abhängigkeit der Netto-Ladung sein soll und nicht die Restrik-
tion der Mobilität durch zu kleine Poren.
Die Gele mit den notwendigen pH-Gradient können auf zwei Ar-
ten hergestellt werden. Die eine Art, die auch für die Herstellung der
16
KAPITEL 2. EXPERIMENTELLER TEIL
Gele für den EPO-Test eingesetz wird, ist die Zugabe von Ampholyt-
Lösungen. Bei diesen Ampholyten handelt es sich um Kopolymerisate
von Aminosäuren. Diese Kopolymerisate müssen folgende Bedingun-
gen erfüllen: Sie sollen eine Mischung von Molekülen mit wohldefi-
nierten pI-Werten sein, sie sollen eine möglichst hohe Pufferkapazität
haben und sie sollen eine gute Stromleitfähigkeit bei ihrem pI-Wert ha-
ben. Ampholyte sind von verschiedenen Herstellern für verschiedenste
pH-Bereiche erhältlich. Sie können entweder der Gel-Lösung vor der
Polymerisierung zugemischt werden oder aber der Rehydratationslö-
sung, mit der getrocknete, gewaschene, fertig polymerisierte, Gele re-
konstituiert werden. Ampholyt-IEF-Gele haben vor der Elektrophore-
se einen einheitlichen pH, der etwa in der Mitte des gewählten pH-
Bereiches liegt. Erst nach Anlegen eines elektrischen Stromes bildet
sich der pH-Gradient aus, der für die Fokussierung benötigt wird. Und
dies beschreibt den bedeutenden Nachteil: der pH-Gradient ist dyna-
misch und kann leicht durch Probenbestandteile beeinflusst werden.
Auch ist der Herstellungsprozess der Ampholyte nicht perfekt steuer-
bar, so dass bei verschiedenen Chargen der gleichen Ampholyt-Lösung
verschiedene Arten von Gradienten (linear, konkav, konvex) ausgebil-
det werden können. Der Vorteil dieser Herstellungsart ist, dass sie sehr
einfach ist und das die Fokussierungszeiten kürzer sind als bei den im
folgenden beschriebenen IPG-Gelen.
Die andere Art ist die Herstellung von Gelen mit immobilisier-
ten pH-Gradienten (IPG-Gel). Die Immobilisierung des pH-Gradienten
wird durch amphotere Acrylamid-Derivate erreicht, die kovalent an
die Gelmatrix gebunden sind. Es gibt verschiedene dieser Acrylamid-
Derivate, die wohl definierte Substanzen mit einem bestimmten pI-
Wert darstellen. Die Vor- und Nachteile kehren sich im Vergleich zum
Ampholyt-Gel um. Die Herstellung der Gele ist komplizierter und auf-
wändiger. Dafür aber ist der pH-Gradient, wie der Name schon sagt,
immobilisiert und kann durch äußere Einflüsse nicht verändert wer-
den. Und da sich die Acrylamid-Derivate immer wieder mit gleichblei-
bender Qualität herstellen und exakt mischen lassen, sind IPG-Gele
mit identischen pH-Gradienten sehr reproduzierbar verfügbar. Die Art
und die Weite des Gradienten lässt sich sehr genau kontrollieren.
38
Beide Arten von Gelen sind auch kommerziell erhältlich, allerdings
nicht immer mit den gewünschten pH-Gradienten und Abmessungen.
Da Proteine bei ihrem pI stark an Löslichkeit verlieren und zu Prä-
zipitation neigen, werden IEF-Gelen oft Substanzen zugegeben, die die
Löslichkeit verbessern. Eine dieser chaotropen Substanzen ist Harn-
stoff. Aber z.B. auch Sukrose kann diese Aufgabe erfüllen. Außerdem
2.1. DIREKTER NACHWEIS
17
hilft Sukrose durch Erhöhung der Viskosität den elektroendosmoti-
schen Fluss zu unterdrücken. Der elektroendosmotische Fluss ist ein
Phänomen, das Auftritt, wenn im elektrischen Feld die gegensätzli-
chen Ladungen der Gelmatrix und des darin enthaltenen Wassers da-
zu führen, dass das Wasser Richtung Kathode transportiert wird. Dies
führt zur Entwässerung des Gels und ist unerwünscht.
Nach der Trennung müssen die EPO-Isoformen noch detektiert
werden. Wegen der extrem kleinen Mengen an EPO in der Zirkula-
tion und dem großen Überschuss an anderen Substanzen muss die
Detektionsmethode hohe Ansprüche an Selektivität, Spezifizität und
Nachweisgrenze erfüllen. Die Methode der Wahl für die Detektion von
Proteinen nach Elekrophorese ist das Immunoblotting. Dabei werden
die Proteine aus dem Gel auf eine Membran transferiert. Dieser Trans-
fer kann durch ein Druckgefälle oder durch Anlegen eines elektrischen
Feldes orthogonal zum Gel erfolgen. Die letztere Variante heißt Elek-
troblotting und zeichnet sich durch eine hohe Transferrate aus. Beim
Elektroblotting von IEF-Gelen ergibt sich eine Besonderheit: Da die
Proteine sich an ihrem pI befinden und damit keine Ladung haben,
wären sie auch durch ein elektrisches Feld nicht zu transferieren. Des-
halb muss das Gel vor dem Transfer in einem Puffer equilibriert wer-
den. Bei diesem Schritt wird dann auch gleich ein großer Teil des z. B.
Harnstoffes entfernt, da er sich störend auf die Detektion auswirken
würde.
Die transferierten Proteine bleiben aufgrund hydrophober oder
elektrostatischer Wechselwirkungen an der Oberfläche der Membran
haften und sind so sehr gut für spezifische Antikörper zugänglich.
Beim klassischen Immunoblotting ist der primäre Antikörper spezi-
fisch auf den Analyten und nicht markiert. Auf diese Weise ist er durch
klassische immunologische Methoden zugänglich und es besteht nicht
die Gefahr eines Aktivitätsverlustes durch eine Markierung.
Ein sekundärer Antikörper, der in einer zweiten Tiergattung ex-
primiert wurde und gegen die Tiergattung des primären Antikörpers
spezifisch ist, ist markiert. Der sekundäre Antikörper bindet an den
primären und kann dann wegen seiner Markierung detektiert werden.
Diese Markierung kann ein Chromophor oder Fluorophor sein und
mit einem geeigneten Photometer kann dann sofort detektiert werden.
Oder die Markierung ist ein Enzym, dann wird ein Substrat umgesetzt,
das dann detektiert wird. Diese Variante hat eine Verstärkungswir-
kung. Der Nachteil dieser Varianten ist, dass die Chromophore, Fluo-
rophore und Enzyme in der Regel größere Moleküle sind, die die Akti-
vität des an sie gebundenen Antikörpers vermindern können.
18
KAPITEL 2. EXPERIMENTELLER TEIL
Darum hat sich eine weitere Variante durchgesetzt: Der sekundäre
Antikörper ist mit Biotin konjugiert, das ein relativ kleines Molekül
ist. Damit ist ein möglicher Aktivitätsverlust minimiert. Avidin bzw.
Streptavidin bindet sehr spezifisch an Biotin. Die Bindungskonstan-
te ist eine der stärksten in der Natur bekannten und steht nur wenig
hinter einer kovalenten Bindung zurück. Wenn nun das Chromophor,
Fluorophor oder Enzym mit Streptavidin konjugiert wird, kann es so
an den Antigen-primärer Antikörper-sekundärer Antikörper-Komplex
gebunden werden und für alle Bindungsschritte wurde eine maxi-
mal mögliche Aktivität erhalten. Als eine der empfindlichsten und
unkompliziertesten Markierungen hat sich das Enzym Meerrettich-
Peroxidase durchgesetzt. In Verbindung mit einem Luminol-Peroxid
haltigen Substratgemisch kann mittels der auftretenden Chemilumi-
neszenz bis in niedrigste Bereiche detektiert werden.
39
Der Ablauf der Detektion mit primärem Antikörper, sekun-
därem Antikörper, der mit Biotin konjugiert ist, einem Streptavidin-
Peroxidase-Konjugat und dann einer Substratinkubation erscheint zu
aufwändig und komplex. Aber alle Schritte wirken sich günstig auf die
Empfindlichkeit aus und schaffen eine große Flexibilität. Bei einem
anderen Antigen kann ein bestehendes System erhalten werden, es
muss nur der primäre Antikörper innerhalb der gleichen Tiergattung
angepasst werden. Bei einem markierten ersten Antikörper wäre dies
nicht so ohne weiteres möglich. Allerdings gibt es auch einen entschei-
denden Nachteil für die Detektion: wenn der sekundäre Antikörper
hohe Kreuzreaktivitäten mit den IgGs anderer Gattungen zeigt. Dann
kommt es zu einer wesentlichen Erhöhung des Untergrundes und
damit zu einer wesentlich höheren Nachweisgrenze.
Lasne
29
hat durch eine Modifikation der klassischen Methode die-
ses Problem sehr elegant gelöst. Der Antigen-primärer Antikörper-
Komplex wird im sauren Milieu gelöst und der primäre Antikörper
dann auf eine zweite Membran geblottet. Dadurch entsteht auf der
zweiten Membran ein Spiegelbild der Anordnung des Antigens auf der
ersten Membran, ohne dass die durch hydrophobe Wechselwirkungen
gebundenen Proteine mit transferiert werden. Da sich auf der zweiten
Membran nur der primäre Antikörper befindet, kann der sekundäre
Antikörper nicht mehr kreuzreagieren und der Untergrund, und da-
mit auch die Nachweisgrenze, sind sehr niedrig. Erst durch diese Mo-
difikation wurde die Detektion von endogenem EPO möglich, das aus
praktikablen Urinmengen von Athleten isoliert wurde.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2004
- ISBN (eBook)
- 9783832440978
- ISBN (Paperback)
- 9783838640976
- DOI
- 10.3239/9783832440978
- Dateigröße
- 1.2 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Deutsche Sporthochschule Köln – III
- Erscheinungsdatum
- 2005 (Februar)
- Note
- 1,0
- Schlagworte
- isoelektrische fokussierung hämatologie immuno blotting urin
- Produktsicherheit
- Diplom.de