Die Wahl zwischen GmbH und englischer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland als betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem
Zusammenfassung
Bei der Bestimmung der geeigneten Rechtsform eines Unternehmens handelt es sich um ein klassisches Entscheidungsproblem der Betriebswirtschaftslehre. Soll ein neues Unternehmen gegründet werden, wird ein Existenzgründer zusammen mit seinem steuerlichen und/oder betriebswirtschaftlichen Berater Überlegungen dahingehend zu treffen haben, welche organisatorische Grundform den individuellen Zielvorstellungen am ehesten gerecht wird. In den Fällen, in denen sich bei bestehenden Unternehmen persönliche, wirtschaftliche oder rechtliche Gegebenheiten geändert haben, wird das Entscheidungsproblem erneut aufgeworfen. Die mit der Rechtsformwahl getroffene Entscheidung ist somit zwar i.d.R. langfristig, jedoch keineswegs irreversibel.
Aus dem Spektrum der zur Verfügung stehenden Rechtsformen erfreut sich in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) einer hohen Beliebtheit. Angesichts der durch die Wahl dieser Rechtsform bedingten Formalisierung sowie der damit verbundenen Haftungsbeschränkung hat sie sich für den Mittelstand als besonders praktikabel erwiesen. Die Kapitalerfordernisse der GmbH sowie die durch das deutsche Gesellschafts-, Steuer- und Insolvenzrecht bedingten Nachteile haben jedoch seit langem zur Suche nach einer Gesellschaftsform geführt, die ebenfalls mit einer Haftungsbeschränkung einher geht, allerdings eine weitergehende Flexibilität ermöglicht.
Seit dem Überseering-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) können Unternehmer auch auf Rechtsformen anderer EU-Mitgliedstaaten zurückgreifen. Zu diesem Zweck ist zunächst eine ausländische Gesellschaft zu gründen, daraufhin der Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland zu verlegen und in Deutschland eine Zweigniederlassung in das Handelsregister einzutragen. In Abhängigkeit von der Art des Geschäfts sowie den verfolgten ökonomischen Zielen können sich durch die Inanspruchnahme derartiger Gesellschaften ggf. Vorteile ergeben. Damit wird der Wettbewerb der europäischen Rechtsordnungen eröffnet. Innerhalb der Gruppe dieser Rechtsformen weist die aus dem englischen Gesellschaftsrecht stammende Rechtsform der Private Company Limited by Shares (kurz: Limited, Ltd.) eine besonders hohe Beliebtheit auf, wofür u.a. die geringen Gründungskosten, die de facto fehlende Verpflichtung zur Einzahlung eines Stammkapitals und das fehlende notarielle Beurkundungserfordernis angeführt werden. Nach englischem Recht ist es […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Die Rechtsformwahl als betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem
2.1 Grundsätzliches
2.2 Relevante Entscheidungskriterien
2.2.1 Haftung
2.2.2 Leitungsbefugnisse
2.2.3 Ausschüttungen an die Gesellschafter
2.2.4 Finanzierungsmöglichkeiten
2.2.5 Rechnungslegungs-, Publizitäts- und Prüfungsvorschriften
2.2.6 Mitbestimmung
2.2.7 Aufwendungen der Rechtsform
2.2.8 Besteuerung
2.2.9 Auftreten im Geschäftsverkehr
2.3 Überblick über Unternehmensrechtsformen nach deutschem und europäischem Recht
2.3.1 Rechtsformen nach deutschem Recht
2.3.2 Rechtsformen nach europäischem Recht
3 Vorteilhaftigkeitsvergleich zwischen deutscher GmbH und englischer Limited
3.1 Grundsätzliches
3.2 Die Rechtsprechung des EuGH und des BGH als Basis der Zulässigkeit
der Limited in Deutschland
3.3 Grundlegende Kennzeichnung der Entscheidungsalternativen
3.3.1 GmbH
3.3.1.1 Begriff
3.3.1.2 Organisationsverfassung
3.3.1.3 Gründung
3.3.2 Limited
3.3.2.1 Begriff
3.3.2.2 Organisationsverfassung
3.3.2.3 Gründung
3.4 Analyse der Vorteilhaftigkeit der Entscheidungsalternativen im Einzelnen
3.4.1 Haftung
3.4.1.1 GmbH
3.4.1.2 Vergleich mit der Limited
3.4.2 Leitungsbefugnisse
3.4.2.1 GmbH
3.4.2.2 Vergleich mit der Limited
3.4.3 Ausschüttungen an die Gesellschafter
3.4.3.1 GmbH
3.4.3.2 Vergleich mit der Limited
3.4.4 Finanzierungsmöglichkeiten
3.4.4.1 GmbH
3.4.4.2 Vergleich mit der Limited
3.4.5 Rechnungslegungs-, Publizitäts- und Prüfungsvorschriften
3.4.5.1 GmbH
3.4.5.2 Vergleich mit der Limited
3.4.6 Mitbestimmung
3.4.6.1 GmbH
3.4.6.2 Vergleich mit der Limited
3.4.7 Aufwendungen der Rechtsform
3.4.7.1 GmbH
3.4.7.2 Vergleich mit der Limited
3.4.8 Besteuerung
3.4.8.1 GmbH
3.4.8.2 Vergleich mit der Limited
3.4.9 Auftreten im Geschäftsverkehr
3.4.9.1 GmbH
3.4.9.2 Vergleich mit der Limited
3.5 Kritische Würdigung
4 Zusammenfassung der Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Internetquellenverzeichnis
Verzeichnis der Rechtsquellen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gründer von Limiteds in Deutschland
Abbildung 2: Grundlegende Systematisierung der Rechtsformen
Abbildung 3: Verteilung der Rechtsformen in der Bundesrepublik Deutschland
Abbildung 4: Mögliche Rechtsformen nach europäischem Recht
Abbildung 5: Organe der GmbH
Abbildung 6: Organe der Ltd
Abbildung 7: Gegenüberstellung GmbH und Ltd.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Bei der Bestimmung der geeigneten Rechtsform[1] eines Unternehmens handelt es sich um ein klassisches Entscheidungsproblem der Betriebswirtschaftslehre. Soll ein neues Unternehmen gegründet werden, wird ein Existenzgründer zusammen mit seinem steuerlichen und/oder betriebswirtschaftlichen Berater Überlegungen dahingehend zu treffen haben, welche organisatorische Grundform den individuellen Zielvorstellungen am ehesten gerecht wird. In den Fällen, in denen sich bei bestehenden Unternehmen persönliche, wirtschaftliche oder rechtliche Gegebenheiten geändert haben, wird das Entscheidungsproblem erneut aufgeworfen. Die mit der Rechtsformwahl getroffene Entscheidung ist somit zwar i.d.R. langfristig, jedoch keineswegs irreversibel.[2]
Aus dem Spektrum der zur Verfügung stehenden Rechtsformen erfreut sich in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) einer hohen Beliebtheit. Angesichts der durch die Wahl dieser Rechtsform bedingten Formalisierung sowie der damit verbundenen Haftungsbeschränkung hat sie sich für den Mittelstand als besonders praktikabel erwiesen. Die Kapitalerfordernisse der GmbH sowie die durch das deutsche Gesellschafts-, Steuer- und Insolvenzrecht bedingten Nachteile haben jedoch seit langem zur Suche nach einer Gesellschaftsform geführt, die ebenfalls mit einer Haftungsbeschränkung einher geht, allerdings eine weitergehende Flexibilität ermöglicht.[3]
Seit dem Überseering-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)[4] können Unternehmer auch auf Rechtsformen anderer EU-Mitgliedstaaten zurückgreifen. Zu diesem Zweck ist zunächst eine ausländische Gesellschaft zu gründen, daraufhin der Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland zu verlegen[5] und in Deutschland eine Zweigniederlassung in das Handelsregister einzutragen.[6] In Abhängigkeit von der Art des Geschäfts sowie den verfolgten ökonomischen Zielen können sich durch die Inanspruchnahme derartiger Gesellschaften ggf. Vorteile ergeben. Damit wird der Wettbewerb der europäischen Rechtsordnungen eröffnet.[7] Innerhalb der Gruppe dieser Rechtsformen weist die aus dem englischen Gesellschaftsrecht stammende Rechtsform der „Private Company Limited by Shares“ (kurz: Limited, Ltd.) eine besonders hohe Beliebtheit auf,[8] wofür u.a. die geringen Gründungskosten, die de facto fehlende Verpflichtung zur Einzahlung eines Stammkapitals und das fehlende notarielle Beurkundungserfordernis angeführt werden.[9] Nach englischem Recht ist es zulässig, eine Ltd. mit Satzungssitz in England und Verwaltungssitz in Deutschland zu gründen.[10]
Auch in der Wirtschaftspresse erfreut sich die Ltd. gegenwärtig einer erheblichen Popularität.[11] In Zeitungen, Magazinen und im Internet finden sich zahlreiche Inserate, in denen auf die Vorzüge dieser Rechtsform aufmerksam gemacht wird. So heißt es in der Anzeige eines Anbieters im Internet:[12]
„Wenn Unternehmer ihre Haftung in Deutschland beschränken wollen, gründen sie eine GmbH. Dazu werden EUR 25.000,- Startkapital benötigt und es gilt ein strenges GmbH-Gesetz. In England sind Sie mit einem Startkapital ab 2,- engl. Pfund dabei. Wir vermitteln aber Gründungen grundsätzlich mit einem Stammkapital ab 100,- engl. Pfund (ca. EUR 175,-). Die Höhe des Stammkapitals bestimmen Sie selbst. Zudem ist das Britische Königreich im besten Sinne des Wortes unbürokratisch. Im Rahmen der Europäischen Union können jetzt auch Sie davon profitieren.“
Dem deutschen Schreinermeister, der eine Ltd. mit alleinigem Sitz in Oberammergau gründen möchte, stehen nunmehr keine juristischen Hürden mehr im Wege.[13] Einen Überblick über die Verteilung der Limited-Gründungen nach Branchen verschafft die nachstehende Abbildung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Gründer von Limiteds in Deutschland[14]
In der vorliegenden Arbeit wird die Annahme getroffen, dass die geeignete Organisationsform für eine neu zu gründende Gesellschaft ermittelt werden soll.[15] Das Ziel besteht darin, die Rechtsformen der GmbH und der Limited anhand geeigneter Kriterien miteinander zu vergleichen und dadurch Vor- und Nachteile der jeweiligen Rechtsform zu identifizieren. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse sollen zugleich mögliche Anwendungsfelder der Limited aufgezeigt werden.
1.2 Gang der Untersuchung
Im Anschluss an diese Einleitung wird im zweiten Kapitel der Untersuchung die Rechtsformwahl als betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem erörtert. Nach einigen grundsätzlichen Überlegungen erfolgt eine Darstellung der bei der Rechtsformwahl relevanten Entscheidungskriterien, wobei im Einzelnen auf die Aspekte Haftung, Leitungsbefugnisse, Ausschüttungen an die Gesellschafter, Finanzierungsmöglichkeiten, Rechnungslegungs-, Prüfungs- und Publizitätsvorschriften, Mitbestimmung, Aufwendungen der Rechtsform, Besteuerung sowie das Auftreten im Geschäftsverkehr eingegangen wird. Des Weiteren wird ein kurzer Überblick über die nach deutschem und europäischem Recht zur Verfügung stehenden Rechtsformen gegeben.
Den Gegenstand des dritten Kapitels, welches den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet, stellt ein Vorteilhaftigkeitsvergleich zwischen deutscher GmbH und englischer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland dar. Dieser Vergleich wird anhand der im zweiten Kapitel identifizierten Entscheidungskriterien angestellt. Zu diesem Zweck wird zunächst die Rechtsprechung des EuGH und des BGH als Basis der Zulässigkeit der Ltd. in Deutschland dargestellt sowie eine grundlegende Kennzeichnung der Entscheidungsalternativen vorgenommen. Unter Bezugnahme auf die beim Vorteilhaftigkeitsvergleich gewonnenen Ergebnisse werden im Rahmen einer kritischen Würdigung zudem bestehende Problemkreise und mögliche Anwendungsfelder der Limited diskutiert.
Den Inhalt des vierten Kapitels der Arbeit schließlich bildet eine Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse.
2 Die Rechtsformwahl als betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem
2.1 Grundsätzliches
Bei der Rechtsform eines Betriebs handelt es sich um dessen juristisches Gewand. Wer eine unternehmerische Betätigung anstrebt, kann i.d.R.[16] frei entscheiden, in welcher Form sich das Engagement vollziehen soll. Infolge des sog. Typenzwangs ist der Unternehmer lediglich an die rechtlichen Modelle gebunden, welche ihm die Rechtsordnung zur Verfügung stellt. Bei den verschiedenen Rechtsformen sind z.T. obligatorische gesetzliche Regelungen, von denen nicht abgewichen werden darf, zu beachten. Auf der anderen Seite dürfen z.T. auch Regelungen getroffen werden, die sich vom gesetzlichen Grundtypus unterscheiden.[17]
Im Rahmen der Ermittlung der optimalen Rechtsform müssen sämtliche Kriterien berücksichtigt werden, bei denen rechtsformspezifische Unterschiede bestehen.[18] Dabei hat auf der Grundlage der Zielsetzungen des Unternehmenseigners bzw. der Gesellschafter eine Gewichtung und Bewertung der Entscheidungskriterien zu erfolgen.[19] In diesem Zusammenhang besteht jedoch das Problem, dass ein Teil der Strukturmerkmale quantitativ bewertet werden kann (wie beispielsweise die steuerliche Behandlung einer Rechtsform), in anderen Bereichen jedoch nur qualitative Aussagen möglich sind (Beispiel: „unbeschränkte Haftung“ versus „beschränkte Haftung“).[20] Auch ist zu bedenken, dass, dass die einzelnen Kriterien z.T. Interdependenzen aufweisen.[21] Im weiteren Verlauf werden die Entscheidungskriterien „Haftung“, „Leitungsbefugnisse“, „Ausschüttungen an die Gesellschafter“, „Finanzierungsmöglichkeiten“, „Rechnungslegungs-, Publizitäts- und Prüfungsvorschriften“, „Mitbestimmung“, „Aufwendungen der Rechtsform“, „Besteuerung“ sowie „Auftreten im Geschäftsverkehr“ erläutert.
2.2 Relevante Entscheidungskriterien
2.2.1 Haftung
In Anbetracht der Tatsache, dass sowohl zwischen einem Unternehmen und fremden Dritten als auch zwischen einem Unternehmen und den zugehörigen Kapitalgebern schuldrechtliche Beziehungen möglich sind, stellt sich die Frage, inwieweit die Kapitalgeber für die Verbindlichkeiten des Unternehmens einzustehen haben. Hierbei ist zunächst zu klären, inwieweit sich die Haftung nach der Höhe des Eigenkapitals des betreffenden Unternehmens bemisst. In den Fällen, in denen die Unternehmenseigner mit ihrem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haften, besteht eine unbeschränkte Haftung. Sofern die Haftung die Höhe der Kapitaleinlage nicht übersteigt, wird von einer beschränkten Haftung gesprochen. Sind verschiedene Kapitalgeber an einem Unternehmen beteiligt, kann die Haftung für einige Personen begrenzt werden, während andere Personen der unbeschränkten Haftung unterliegen.[22] Das Ausmaß, in dem ein Unternehmer zu haften bereit ist, wird entscheidend durch die Einschätzung des unternehmerischen Risikos determiniert.[23]
2.2.2 Leitungsbefugnisse
Im Hinblick auf die Leitungsbefugnisse geht es zunächst um die Frage, wer im Außenverhältnis, mithin im Verhältnis der Gesellschafter gegenüber Dritten, das Recht und die Pflicht hat, das Unternehmen zu vertreten (Vertretungsbefugnis). Darüber hinaus ist das Innenverhältnis, d.h. das Verhältnis der Gesellschafter untereinander, zu klären (Geschäftsführungsbefugnis).[24]
Hinsichtlich der Vertretungsbefugnis besteht zumeist ein Zusammenhang mit dem Ausmaß der Haftung, wobei durch vertragliche Vereinbarungen z.T. von gesetzlichen Regelungen abgewichen werden darf. So kann geregelt werden, dass einzelne Kapitalgeber nicht zur Vertretung des Unternehmens befugt sind, während andere Personen nur zusammen mit einer zweiten Person vertretungsberechtigt sind. Bei der Geschäftsführungsbefugnis geht es demgegenüber um die Zuständigkeit für alle Maßnahmen innerhalb der Unternehmung, wobei beispielsweise die Bereiche Personal, Finanzen oder Produktion betroffen sein können. Auch hier kann die Befugnis für einen Teil der Kapitalgeber eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.[25]
2.2.3 Ausschüttungen an die Gesellschafter
Für die Gewinnbeteiligung eines Unternehmers kommt es entscheidend auf das Kapitalrisiko, das dieser zu tragen hat, an. Das Risiko eines Kapitalverlusts wiederum bemisst sich nach Art und Umfang der Haftung für die Verbindlichkeiten des Unternehmens.[26] Die Durchführung von Ausschüttungen ist durch gesetzliche Vorschriften geregelt. Des Weiteren ist zu klären, ob und inwieweit die Kapitalgeber bereits vor Ablauf des Geschäftsjahres und damit vor Feststellung eines verteilungsfähigen Gewinns berechtigt sind, Entnahmen zu tätigen bzw. Ausschüttungen durchzuführen. Auch hier kann z.T. durch entsprechende vertragliche Bestimmungen von den Leitvorstellungen des Gesetzgebers abgewichen werden, da es sich zivilrechtlich – ohne Verstoß gegen die „guten Sitten“ (sittenwidrig) und gegen herrschende Rechtsprechung des BGH - um abdingbares Recht handelt.[27]
2.2.4 Finanzierungsmöglichkeiten
Zur Realisierung der unternehmerischen Ziele bedarf es hinreichender finanzieller Ressourcen, die entweder aus eigenen Mitteln aufzubringen (Eigenfinanzierung) oder im Wege der Fremdfinanzierung von fremden Kapitalgebern zu beschaffen sind.[28] Die Möglichkeiten, Eigen- oder Fremdkapital zu beschaffen, hängen in hohem Maße von der Rechtsform des Unternehmens ab. So kann sich beispielsweise die Wahl einer Organisationsform, die mit einer Haftungsbeschränkung verbunden ist, negativ auf die Möglichkeiten der Kreditaufnahme auswirken. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass der Gesetzgeber bei bestimmten Rechtsformen eine Mindestausstattung mit Eigenkapital vorschreibt, während bei anderen Organisationsformen insoweit keine Vorgaben bestehen.[29]
2.2.5 Rechnungslegungs-, Publizitäts- und Prüfungsvorschriften
Handelt es sich um ein besonders großes Unternehmen, hat die Öffentlichkeit ein Interesse an gesteigerter Publizität, um von vornherein eine ordnungsgemäße Geschäftsführung sicherzustellen. Bei bestimmten Rechtsformen sowie bei Unternehmen ab einer gewissen Größenordnung wird daher eine gesetzliche Publizitätspflicht statuiert, wonach der Jahresabschluss zu veröffentlichen ist. Im Hinblick auf die Publizität spielt einerseits die Tatsache eine Rolle, dass diese unmittelbar zu Kosten führt, andererseits ist zu berücksichtigen, dass durch die Veröffentlichung von Jahresabschüssen Informationen gegenüber Wettbewerbern bereitgestellt werden.[30]
2.2.6 Mitbestimmung
Bei der Mitbestimmung geht es darum, ob bzw. inwieweit die Mitarbeiter eines Unternehmens betriebliche Entscheidungen beeinflussen können. Die gesetzlichen Regelungen machen die Mitbestimmung von der Unternehmensgröße abhängig.[31] Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Bildung eines Aufsichtsrats obligatorisch, welcher z.Z. von den Unternehmern nicht begrüßt wird, weil dieser einen zusätzlichen Aufwand der Verwaltung bedeutet und nicht der Produktion bzw. Leistungserstellung dient.
2.2.7 Aufwendungen der Rechtsform
In Anbetracht der unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften über die verschiedenen Rechtsformen liegt es auf der Hand, dass die Rechtsformen mit jeweils spezifischen Aufwendungen verbunden sind. Hinsichtlich der Aufwendungen ist zwischen solchen Aufwendungen zu unterscheiden, die nur einmalig anfallen (z.B. anlässlich der Unternehmensgründung), und jenen, die sich in regelmäßigen Abständen wiederholen.[32] Aus Sicht eines kleineren Unternehmens kann die Existenz hoher rechtsformspezifischer Aufwendungen dazu führen, dass sich die Wahl einer bestimmten Organisationsform als unzweckmäßig erweist.
2.2.8 Besteuerung
Die verschiedenen Rechtsformen werden steuerlich nicht einheitlich behandelt.[33] Infolgedessen kann weiterhin davon ausgegangen werden, dass die Besteuerung bei der Wahl des Rechtskleides eines Unternehmens von hoher Relevanz ist.[34] Abweichungen bestehen zunächst im Hinblick auf die Entstehung der Steuerpflichten. Darüber hinaus gibt es bei den einzelnen Organisationsformen z.T. erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen, der Höhe der darauf anzuwendenden Steuersätze sowie der Behandlung der Gesellschafter- und der Gesellschaftssphäre.[35]
2.2.9 Auftreten im Geschäftsverkehr
Für ein Unternehmen ist es von hoher Bedeutung, wie es gegenüber Dritten – beispielsweise Kunden oder Lieferanten – im Geschäftsverkehr auftritt. Auch hier besteht eine Abhängigkeit von der Rechtsform, wobei auch der Aspekt von Bedeutung ist, ob das Unternehmen nur national oder vorwiegend international tätig ist. So ist zu berücksichtigen, dass viele Rechtsformen nur in den zugehörigen Nationen bekannt sind, während andere Gesellschaften international einen hohen Bekanntheitsgrad aufweisen. In diesem Sinne tritt das „Image“ einer Rechtsform in den Mittelpunkt der Überlegungen.
2.3 Überblick über Unternehmensrechtsformen nach deutschem und europäischem Recht
2.3.1 Rechtsformen nach deutschem Recht
Die Rechtsformen nach deutschem Recht lassen sich in Personenunternehmen, Kapitalgesellschaften und sonstige Rechtsformen untergliedern. Hinsichtlich der Personenunternehmen kann wiederum eine Differenzierung in Einzelunternehmen und Personengesellschaften erfolgen. Unterfälle der Kapitalgesellschaft sind die GmbH, die Aktiengesellschaft (AG) und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Grundlegende Systematisierung der Rechtsformen[36]
Bezüglich der quantitativen Verteilung der einzelnen Rechtsformen bestehen erhebliche Unterschiede, was graphisch wie folgt veranschaulicht werden kann:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Verteilung der Rechtsformen in der Bundesrepublik Deutschland[37]
Die quantitativ höchste Relevanz weisen die Einzelunternehmen auf. Insgesamt rund 70% der deutschen Unternehmen, vor allem Klein- und Kleinstbetriebe, werden in dieser Rechtsform geführt. Einzelunternehmen werden formlos gegründet und entstehen mit der Vorbereitung bzw. Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit und. Alleiniger Inhaber eines Einzelunternehmens ist stets eine natürliche Person.[38]
Im Falle einer Personengesellschaft liegt demgegenüber ein Zusammenschluss mehrerer Personen vor. Zu dieser Kategorie zählen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die offene Handelsgesellschaft (oHG), der Partnerschaftsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft (KG) sowie die stille Gesellschaft.[39] Während die in den §§ 705 bis 740 BGB geregelte GbR einen vertraglichen Zusammenschluss mehrerer Personen zur Förderung eines von den Gesellschaftern verfolgten, nicht-kaufmännischen Zwecks darstellt, liegt im Falle der oHG[40] eine Gesellschaft vor, deren Zweck auf den Betrieb eines nach dem HGB gerichteten Gewerbes unter gemeinsamer Firma gerichtet ist. Sowohl bei der GbR als auch der oHG haften die Gesellschafter persönlich und unbeschränkt. Insoweit besteht ein Unterschied zur KG,[41] welche neben einem unbeschränkt haftenden Gesellschafter (Komplementär) über solche Gesellschafter verfügt, die lediglich in Höhe ihrer Kapitaleinlage haften (Kommanditisten). Schließlich sind auch die Rechtsformen der Partnerschaftsgesellschaft und der stillen Gesellschaft zu nennen. Während die Partnerschaftsgesellschaft[42] eine besondere Rechtsform für die Angehörigen freier Berufe darstellt, die rechtlich als nicht dem HGB unterworfenen Sonderform der oHG konzipiert wurde, beteiligt sich bei der stillen Gesellschaft[43] ein stiller Gesellschafter an dem Handelsgewerbe, das ein anderer betreibt, mit einer Vermögenseinlage. Dabei wird die Einlage gem. § 230 Abs. 1 HGB so geleistet, dass sie in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts übergeht.
Bei Kapitalgesellschaften[44] handelt es sich um Gebilde, die körperschaftlich strukturiert sind und eine eigene, aber nur formal juristische Rechtspersönlichkeit aufweisen. Sie handeln durch ihre Organe. Zu dieser Gruppe von Unternehmensformen gehört zunächst die GmbH, deren Rechtsgrundlage das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)[45] darstellt. Da diese Rechtsform in Abschnitt 3.3.1 eingehender dargestellt wird, erfolgt an dieser Stelle keine nähere Kennzeichnung. Zu den Kapitalgesellschaften zählt des Weiteren die im Aktiengesetz (AktG) geregelte Rechtsform der AG. Da diese die Beschaffung hoher Kapitalbeträge über den Kapitalmarkt ermöglicht, eignet sie sich insbesondere für Großunternehmen. Die AG stellt eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit dar, die zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck gegründet werden kann und für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern lediglich das Gesellschaftsvermögen haftet (§ 1 Abs. 1 AktG). Sie verfügt über ein in Aktien zerlegtes Grundkapital, das nach § 7 AktG mindestens 50.000 Euro betragen muss. Die AG handelt durch ihre Organe Vorstand (§§ 76ff. AktG), Aufsichtsrat (§§ 95ff. AktG) und Hauptversammlung (§§ 118ff. AktG). Einen weiteren Unterfall der Kapitalgesellschaft repräsentiert die KGaA,[46] bei der in Analogie zur KG mindestens ein Gesellschafter persönlich und unbeschränkt mit seinem Gesamtvermögen haftet. Demgegenüber beschränkt sich die Haftung der anderen Gesellschafter, die als Kommanditaktionäre bezeichnet werden, auf ihre in Aktien verbrieften Kapitaleinlagen.
Die sonstigen Rechtsformen umfassen die Mischformen (namentlich die GmbH & Co. KG, die Doppelgesellschaft sowie die GmbH & Still u.a.),[47] die eingetragene Genossenschaft (e.G.) und den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG). Ferner existieren bestimmte Sonderformen wie beispielsweise die Stiftung oder die Reederei, auf deren Darstellung im Rahmen dieser Untersuchung verzichtet wird.
2.3.2 Rechtsformen nach europäischem Recht
Das europäische Gesellschaftsrecht stellt den Unternehmen zahlreiche Organisationsformen zur Verfügung. Die nachfolgenden Ausführungen behandeln eine Auswahl besonders wichtiger Rechtsformen.
Da im Hinblick auf Kapitalgesellschaften in Großbritannien das Prinzip der einheitlichen Kapitalgesellschaftsform gilt, steht lediglich der Grundtyp der Company zur Verfügung.[48] Die Private Company Limited by Shares (Ltd.) und Public Limited Company (PLC) stellen somit verschiedene Ausprägungen einer einheitlichen Gesellschaftsform dar, welche grundsätzlich denselben Rechtsvorschriften unterliegen. Infolgedessen ist auch eine Umwandlung[49] einer Ltd. in eine PLC ohne Probleme realisierbar. Die PLC ist mit der deutschen AG vergleichbar.[50] Die Ltd. stellt demgegenüber die typische Rechtsform für kleinere und mittlere Unternehmen dar, deren Anteile nicht an der Börse gehandelt werden.[51] Zum Vergleich kann verdeutlicht werden, dass in Deutschland die Anteile jeder Kapitalgesellschaft gehandelt werden können, unabhängig von der Rechtsform der Kapitalgesellschaft. In Großbritannien können aber nur die Anteile einer PLC nach Prüfung für einen Börsengang zugelassen werden.
Die im niederländischen Recht geregelten Rechtsformen der Besloten Vennootschap (B.V.) und der Naamloze Vennootschap (N.V.) entsprechen größtenteils der deutschen GmbH bzw. AG. Das Mindestkapital der B.V. beträgt 18.000 Euro. Ihre Gründung setzt eine Unbedenklichkeitserklärung des Justizministeriums in Den Haag voraus, die zumeist innerhalb kurzer Zeit (wenige Tage) erteilt wird, weil die gesamte Verwaltung der Gewerbebetriebe und Freiberufler durch ein zuständiges Amt erledigt wird („belaasting offeres“).[52] Im Falle der N.V. wird lediglich ein Mindestkapital von 5.000 Euro verlangt. Bei beiden Gesellschaftsformen ist die Gründung mit geringeren Kosten verbunden als bei deutschen Kapitalgesellschaften.[53]
Zwei der wichtigsten Unternehmensformen in Frankreich stellen die Société à responsabilité limitée (S.A.R.L.) und die Société anonyme simplifiée (SAS) dar. Bei der S.A.R.L., die wiederum in etwa der deutschen GmbH entspricht, handelt es sich um die zahlenmäßig am meisten vertretene Gesellschaftsform.[54] Seit kurzem kann eine derartige Gesellschaft innerhalb von 24 Stunden gegründet werden. Dabei kann das Mindestkapital ab einer Größe von 1 Euro frei gewählt werden. Die S.A.R.L. verlangt jedoch einen französischen Inlandssitz.[55] Bei der SAS handelt es sich um die „kleine AG“ nach französischem Recht. Sie erfordert ein Gründungskapital von mindestens 37.000 Euro.[56]
Aus der Menge der spanischen Unternehmensformen sind die Sociedad Limitada Nueva Empresa (SLNE) und die Sociedad de Responsabilidad Limitada (S.L.) zu nennen. Die SLNE kann innerhalb von 48 Stunden gegründet werden und verlangt lediglich ein Mindeststammkapital von 3.012 Euro. Sie entspricht der deutschen GmbH. Da sie über ein vereinfachtes Buchhaltungssystem verfügt, ist der bürokratische Aufwand gering.[57] In Analogie zur französischen S.A.R.L. muss jedoch auch die SLNE stets in Spanien beheimatet sein.[58] Auch bei der S.L. handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft mit Haftungsbeschränkung.
In Portugal schließlich findet die Rechtsform Sociedade por Quotas (Lda.) Verwendung, die ebenfalls mit einem der deutschen GmbH vergleichbaren Haftungsmantel und der korrespondierenden Haftungsbeschränkung ausgestattet ist.[59] Einen zusammenfassenden Überblick über die dargestellten Unternehmensrechtsformen nach europäischem Recht verschafft die nachstehende Abbildung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Mögliche Rechtsformen nach europäischem Recht[60]
3 Vorteilhaftigkeitsvergleich zwischen deutscher GmbH und englischer Limited
3.1 Grundsätzliches
In den folgenden Abschnitten wird ein Vorteilhaftigkeitsvergleich zwischen der deutschen GmbH und der englischen Limited angestellt. Da die Rechtsprechung des EuGH und des BGH die Ursache dafür darstellt, dass das Entscheidungsproblem „Ltd. oder GmbH?“ überhaupt aufgeworfen wurde, erfolgt zunächst eine Darstellung der entsprechenden Urteile. Anhand der im Rahmen eines Vorteilhaftigkeitsvergleichs gewonnenen Ergebnisse werden die beiden Entscheidungsalternativen abschließend einer kritischen Würdigung unterzogen.
3.2 Die Rechtsprechung des EuGH und des BGH als Basis der Zulässigkeit der Limited in Deutschland
Bis zum Jahr 2000/2001 wurde eine Ltd., die in England keine Geschäftstätigkeit ausgeübt und den Sitz der Hauptverwaltung in Deutschland hatte, als „rechtliches Nullum“ ohne Rechts- und Parteifähigkeit behandelt. Gemäß der vom Bundesgerichtshof (BGH) vertretenen Sitztheorie,[61] die auf der Ort der tatsächlichen Leitungsmacht und den faktischen Sitz der Gesellschaft abstellte, war ausschließlich deutsches Recht anzuwenden, nach dem die Ltd. nicht die Gründungsvorschriften einer GmbH erfüllte. Die Missachtung dieser Gründungsvorschriften hatte zur Folge, dass die ausländische Gesellschaft nicht anerkannt wurde, woraus die persönliche Haftung des Handelnden bzw. der Gesellschafter resultierte.
Im Gegensatz zur Sitztheorie steht die in anderen Mitgliedstaaten der EU vertretene Gründungstheorie. Gemäß dieser Theorie ist die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in welchem die Gesellschaft gegründet wurde. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung ist in der Vergangenheit in vielen Fällen der Versuch unternommen worden, in ausländischen Staaten Kapitalgesellschaften unter weniger strengen Voraussetzungen – insbesondere ohne Ausstattung mit einem Mindestkapital – zu gründen, welche dann in der Bundesrepublik Deutschland ihrer eigentlichen Geschäftstätigkeit nachgehen sollten.[62]
Durch die beiden Entscheidungen in Sachen „Centros“[63] und „Überseering“[64] hat der EuGH nunmehr klargestellt, dass Gesellschaften, die zwar im Ausland gegründet wurden, jedoch im Inland ihrer Geschäftstätigkeit nachgehen, auch dort rechtsfähig sind und damit Zweigniederlassungen gründen können: In der Centros-Entscheidung aus dem Jahr 1999 billigte der EuGH einer englischen „Briefkastengesellschaft“ das Recht zu, im Land des tatsächlichen Sitzes eine Zweigniederlassung zu gründen. Ferner stellte er fest, dass dieser Staat nicht sein strengeres Gründungsrecht, sondern lediglich Schutzvorkehrungen, mit denen eine Gläubigerschädigung vermieden werden soll, zur Anwendung bringen darf. Nach der Überseering-Entscheidung aus dem Jahr 2002 darf einer im europäischen Ausland registrierten Gesellschaft, deren tatsächliche Verwaltung ihren Sitz in Deutschland hat, von einem deutschen Gericht nicht die Anerkennung versagt werden, sofern die Gesellschaft nach dem Recht ihres Heimatstaates über die Rechts- und Parteifähigkeit verfügt.[65]
In der Begründung des EuGH wird auf die in Art. 43 des EG-Vertrages garantierte Niederlassungsfreiheit[66] Bezug genommen, welche die Mitgliedstaaten der Europäischen Union dazu verpflichtet, die Rechts- und Parteifähigkeit von Gesellschaften aus anderen Mitgliedsstaaten anzuerkennen.
In einer Folgeentscheidung zum Überseering-Urteil im März 2003[67] hat sich nunmehr der BGH gebeugt und seine Sitztheorie aufgegeben. Gleichwohl wurde nach den zitierten Urteilen u.a. vom Amtsgericht Hamburg[68] die Auffassung vertreten, dass die Haftungsbeschränkung der Ltd. nicht anzuerkennen sei, sofern Rechtsmissbräuchlichkeit vorliege. Anknüpfungspunkt war für das Amtsgericht Hamburg die Tatsache der Gründung im Ausland und der späteren alleinigen Geschäftstätigkeit im Inland. Diese Auffassung steht jedoch im Widerspruch zum EuGH-Urteil in der Sache „Inspire Art,“[69] in dem klargestellt wird, dass es keinen Missbrauch darstellt, wenn ein Unternehmen zur Umgehung der nationalen Gründungsvorschriften ein ausländisches Unternehmen gründet und eine Zweigniederlassung im Inland die vollständigen Geschäfte führt. Nach dem Inspire Art-Urteil darf der Zuzugsstaat den Zuzug einer EU-Auslandsgesellschaft zudem grundsätzlich nicht durch Vorgabe einer bestimmten Mindestkapitalausstattung behindern.[70]
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Auslandsgesellschaften, welche in ihrem Gründungsstaat keinerlei Geschäftstätigkeit entfaltet haben, in Deutschland als rechtsfähig anerkannt werden und Zweigniederlassungen gründen können. Auch die Haftungsbeschränkung wird akzeptiert. Nur soweit durch nationale Gerichte in Einzelfällen das missbräuchliche oder betrügerische Verhalten der Betroffenen in Rechnung gestellt wird, kann die Berufung auf die Haftungsbeschränkung verwehrt werden.[71]
[...]
[1] Im weiteren Verlauf wird synonym zum Begriff „Rechtsform“ der Terminus „Organisationsform“ verwandt
[2] Vgl. König, R.; Sureth, C.: Besteuerung und Rechtsformwahl, 2001, S. 21; Maiterth, R.; Müller, H.: Gründung, Umwandlung und Liquidation, 2001, S. 1
[3] Vgl. Campos Nave, J.: Die deutsche GmbH, 2004, S. 4059
[4] Vgl. Abschnitt 3.2 dieser Untersuchung
[5] Hierdurch wird zugleich der deutsche Gerichtsstand begründet; vgl. Degenhardt, K.: Limited, 2004, S. 50f.
[6] Vgl. Campos Nave, J.: Die englische Limited, 2003, S. 4021 sowie § 13e Abs. 2 Satz 1 HGB. Zur Handelsregisteranmeldung der inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft vgl. ausführlich Wachter, T.: Handelsregisteranmeldung, 2004, S. 611-619
[7] Vgl. Weßling, J.; Romswinkel, M.: Diskriminierung ausländischer Gesellschaften, 2003, R 441; Happ, W.; Holler, L.: Limited statt GmbH?, 2004, S. 730; Heckschen, H.: Deutsche GmbH, 2004, R 25
[8] Vgl. Happ, W.; Holler, L.: Limited statt GmbH?, 2004, S. 730
[9] Vgl. Haack, H.: Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 2003, S. 3967; Campos Nave, J.: Die deutsche GmbH, 2004, S. 4061; Bernstorff, C. von: Betreiben einer englischen Limited, 2004, S. 498-502
[10] Vgl. Ebert, S.; Levedag, C.: Rechtsformalternative, 2003, S. 1337; Schumann, A.: Englische Limited, 2004, S. 743
[11] Vgl. o.V.: Rechtsform „Limited“, 2004, S. r03 oder Diefenbach, R.: Billig-GmbH, 2004, S. 90-93
[12] http://www.adcomp.de/vorteile.htm [19.08.2004]
[13] Vgl. Degenhardt, K.: Limited, 2004, S. 12
[14] Quelle: Go Ahead Limited-Beratung: Die Limited Company, 2004, S. 19
[15] Zur Umwandlung einer bestehenden Gesellschaft in eine Ltd. vgl. Busekist, K.P. von: Umwandlung einer GmbH, 2004, S. 650-659
[16] In bestimmten Fällen gibt der Gesetzgeber die Rechtsform des Unternehmens vor. Beispielsweise dürfen Hypotheken- und Schiffspfandbriefbanken nur als AG oder KGaA oder bestimmte Versicherungsunternehmen nur als AG geführt werden; vgl. Wöhe, G.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2002, S. 270
[17] Vgl. Schwarz, H.: Umwandlung mittelständischer Unternehmen, 1995, S. 24
[18] Vgl. König, R.; Sureth, C.: Besteuerung und Rechtsformwahl, 2001, S. 25
[19] Vgl. Maiterth, R.; Müller, H.: Gründung, Umwandlung und Liquidation, 2001, S. 1
[20] Vgl. König, R.; Sureth, C.: Besteuerung und Rechtsformwahl, 2001, S. 26
[21] Vgl. Wöhe, G.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2002, S. 269. Bei Vorliegen multidimensionaler Zielsysteme kann die Entscheidungsfindung durch Techniken wie die Nutzwertanalyse unterstützt werden; vgl. Heigl, A.: Unternehmensbesteuerung, 1996, S. 590-606
[22] Vgl. König, R.; Sureth, C.: Besteuerung und Rechtsformwahl, 2001, S. 27
[23] Vgl. Schwarz, H.: Umwandlung mittelständischer Unternehmen, 1995, S. 70
[24] Vgl. Wöhe, G.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2002, S. 278
[25] Vgl. König, R.; Sureth, C.: Besteuerung und Rechtsformwahl, 2001, S. 27f.
[26] Vgl. Wöhe, G.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2002, S. 282
[27] Vgl. König, R.; Sureth, C.: Besteuerung und Rechtsformwahl, 2001, S. 28
[28] Vgl. Schwarz, H.: Umwandlung mittelständischer Unternehmen, 1995, S. 69
[29] Vgl. König, R.; Sureth, C.: Besteuerung und Rechtsformwahl, 2001, S. 29
[30] Vgl. Wöhe, G.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2002, S. 301
[31] Vgl. König, R.; Sureth, C.: Besteuerung und Rechtsformwahl, 2001, S. 29
[32] Vgl. König, R.; Sureth, C.: Besteuerung und Rechtsformwahl, 2001, S. 29
[33] Vgl. Heigl, A.: Unternehmensbesteuerung, 1996, S. 1-6
[34] Vgl. Höflacher, S.; Wendlandt, K.: Rechtsformwahl nach der Unternehmenssteuerreform, 2001, S. 793
[35] Vgl. Haase, F.F.: Rechtsformwahl, 2002, S. 199
[36] Quelle: eigene Darstellung
[37] Quelle: eigene Darstellung auf der Grundlage von Wöhe, G.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2002, S. 268
[38] Vgl. Schwarz, H.: Umwandlung mittelständischer Unternehmen, 1995, S. 26
[39] Für einen Überblick vgl. Wöhe, G.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2002, S. 271-274
[40] Vgl. §§ 105-160 HGB
[41] Vgl. §§ 161-177a HGB
[42] Die Partnerschaftsgesellschaft wird im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) geregelt.
[43] Vgl. §§ 230-236 HGB
[44] Vgl. z.B. Wöhe, G.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2002, S. 274f. oder Jacobs, O.H.: Unternehmensbesteuerung, 2002, S. 32-49
[45] Zur historischen Entwicklung vgl. Kisker, A.: Struktur der deutschen GmbH, 1992, S. 4-6
[46] Vgl. §§ 278-290 AktG
[47] Vgl. etwa Jacobs, O.H.: Unternehmensbesteuerung, 2002, S. 50-64
[48] Vgl. Dierksmeier, J.: Private Limited Company, 1997, S. 26; Tersteegen, J.: Ausländische Gesellschaftstypen, 2002, S. 9
[49] Unter dem Terminus der Umwandlung ist die Umstrukturierung durch Überführung eines Betriebes von einer Rechtsform in eine andere zu verstehen; vgl. Wöhe, G.; Bieg, H.: Grundzüge, 1995, S. 265
[50] Vgl. Kisker, A.: Struktur der deutschen GmbH, 1992, S. 8
[51] Vgl. Dierksmeier, J.: Private Limited Company, 1997, S. 21
[52] Vgl. Diefenbach, R.: Billig-GmbH, 2004, S. 92
[53] Vgl. Lovells: Ltd und PLC, 2003, S. 10
[54] Vgl. Tersteegen, J.: Ausländische Gesellschaftstypen, 2002, S. 6
[55] Vgl. Degenhardt, K.: Limited, 2004, S. 36
[56] Vgl. Diefenbach, R.: Billig-GmbH, 2004, S. 91
[57] Vgl. Diefenbach, R.: Billig-GmbH, 2004, S. 90
[58] Vgl. Degenhardt, K.: Limited, 2004, S. 37
[59] Vgl. Campos Nave, J.: Die deutsche GmbH, 2004, S. 4059
[60] Quelle: eigene Darstellung
[61] Vgl. Haack, H.: Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 2003, S. 3968; Campos Nave, J.: Die englische Limited, 2003, S. 4021
[62] Vgl. Haack, H.: Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 2003, S. 3968
[63] EuGH, Urteil vom 09.03.1999, Rs. C-212/97, NJW 1999, S. 2027
[64] EuGH, Urteil vom 05.11.2002, Rs. C-208/00, NJW 2002, S. 3614
[65] Vgl. Schindler, C.P.: Überseering, 2003, S. 122-125
[66] In dieser Vorschrift heißt es: „Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.“
[67] BGH, Urteil vom 13.03.2003, VII ZR 370/98, NJW 2003, S. 1461
[68] AG Hamburg, Beschluss vom 14.05.2003, 67 g IN 358/02, NJW 2003, S. 2835
[69] EuGH, Urteil vom 30.09.2003, Rs. C-167/01, NJW 2003, S. 3331
[70] Vgl. Maul, S.; Schmidt, C.: Inspire Art, 2003, S. 2297-2300; Zimmer, D. : Inspire Art, 2003, S. 3585-3592; Kersting, C.; Schindler, C.P.: Inspire Art, 2003, S. 621-625; Weßling, J.; Romswinkel, M.: Diskriminierung ausländischer Gesellschaften, 2003, R 441; Happ, W.; Holler, L.: Limited statt GmbH?, 2004, S. 730
[71] Für eine Gesamtbetrachtung der dargestellten EuGH-Rechtsprechung vgl. Riegger, B.: Folgen für die Praxis, 2004, S. 510-530
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2004
- ISBN (eBook)
- 9783832440688
- ISBN (Paperback)
- 9783838640686
- DOI
- 10.3239/9783832440688
- Dateigröße
- 558 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Hochschule Bremen – Wirtschaftswissenschaften
- Erscheinungsdatum
- 2005 (Februar)
- Note
- 2,0
- Schlagworte
- gesellschaftsrecht rechtsform rechtsformwahl prüfungsvorschrift europäisches recht
- Produktsicherheit
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