Lade Inhalt...

Die Kosten-Nutzen-Analyse betrieblicher Gesundheitsförderung

©2004 Magisterarbeit 100 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung etablieren sich seit den 80er Jahren zunehmend in deutschen Unternehmen. Ihre Durchführung wurde anfänglich vor allem mit humanorientierten Argumenten begründet (Thiehoff, 2000). Die gegenwärtige Wirtschaftslage macht jedoch besonders deutlich, dass humanorientierte Argumente alleine nicht zu einer dauerhaften Etablierung betrieblicher Gesundheitsförderung ausreichen. Betriebliche Gesundheitsförderung muss trotz humanitärer Zielsetzung im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen zur kostenminimalen Gestaltung der Produktion beitragen. Um ein möglichst gutes Unternehmensergebnis zu erreichen, müssen alle Ressourcen optimal genutzt werden. Für das Unternehmen ist daher entscheidend, dass Investitionen in eine Gesundheitsförderungsmaßnahme mehr Nutzen als Kosten verursachen. Damit rückt im unternehmerischen Umfeld das Kosten-Nutzen-Verhältnis von betrieblicher Gesundheitsförderung in den Vordergrund.
Die Effizienz ist, wie die Effektivität, wichtiges Qualitätskriterium einer Gesundheitsförderungsmaßnahme. Nur betriebliche Gesundheitsförderung, die effektiv die Gesundheit verbessert und den Unternehmen, welche die Maßnahmen finanzieren, ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis gewährleistet, kann auf Dauer durchgeführt werden und somit zu einer humaneren und gesünderen Arbeitswelt beitragen. Das positive Kosten-Nutzen-Verhältnis zu belegen oder zur Weiterentwicklung der entsprechenden Maßnahmen beizutragen, ist Aufgabe der Evaluation.
Die vorliegende Arbeit betrachtet im Rahmen der Evaluation eines Projektes der betrieblichen Gesundheitsförderung in einem großen Automobilunternehmen die Kosten und die Nutzeneffekte von betrieblicher Gesundheitsförderung und stellt Methoden zur Wirtschaftlichkeitsanalyse vor. Konkrete Aufgabenstellung dieser Magisterarbeit ist, die Wirtschaftlichkeit des Projektes „Gesund X“, das zur Prävention von Rückenschmerzen eingeführt wurde, zu untersuchen.
Um die Bedeutung der Wirtschaftlichkeit, aber auch die Notwendigkeit von Gesundheitsförderung einzuordnen, werden einleitend in Kapitel 2 ausgewählte Rahmenbedingungen betrachtet. Der anhaltende Wandel in der Arbeitswelt bringt einerseits Veränderungen für die Arbeitnehmer mit sich, andererseits entsteht ein hoher Wettbewerbsdruck auf die Unternehmen, die gerade deshalb auf gesunde, leistungsfähige Arbeitnehmer angewiesen sind. Beides macht die Notwendigkeit von betrieblicher Gesundheitsförderung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 4057
Schäfer, Juliane: Die Kosten-Nutzen-Analyse betrieblicher Gesundheitsförderung
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Magisterarbeit, 2004
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany

Autorenprofil
Juliane Schäfer
geb. 06.11.1978 in Mannheim
Maria-Probst-Str. 13
69151 Neckargemünd
E-mail: julianeschaef@web.de
Ausbildung
10/1998 ­ 10/2004
Studium Sportwissenschaft (HF), Volkswirtschaft (NF)
und Sport im Bereich Rehabilitation und Prävention (NF)
an der Universität Heidelberg
Abschluss: Magister Artium (Note 1,1)
Schwerpunkte: Gesundheitsökonomie, Sportökonomie
Thema der Magisterarbeit: ,,Die Kosten-Nutzen-Analyse betrieb-
licher Gesundheitsförderung" (Note 1,0) in Zusammenarbeit mit
einem großen Automobilunternehmen
Praktische Erfahrung
ab 10/2004
studentische Mitarbeiterin bei SAP, Walldorf
10/2003 ­ 04/2004
Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Public Health
10/2002 ­ 12/2002
Praktikum bei der Atos Praxisklinik Heidelberg im Bereich Quali-
tätsmanagement
04/2002 ­ 05/2002
Praktikum beim Landessportverband Baden Württemberg im
Bereich Veranstaltungsorganisation
10/2000 ­ 05/2001
Organisation des Heidelberger Sportbusiness Forums
08/2000 ­ 09/2000
Praktikum bei der Rehabilitationsklinik Göhren
Engagement und Auszeichnungen
September 2002
Moderatorentraining und Einführung in Didaktik und Gruppenlei-
ten, Weiterbildung bei der Abteilung Schlüsselkompetenzen, U-
niversität Heidelberg
10/1999 ­ 02/2003
Mitarbeit in der Fachschaft Sport, Universität Heidelberg
04/2001 ­ 04/2002
Gemeinderatsmitglied der evangelischen Studierendengemeinde
Heidelberg
seit Oktober 2003
Stipendiatin bei e-fellows.net
Dezember 2004
Hermann-Rieder-Preis für die besten Abschlussarbeiten am In-
stitut für Sportwissenschaft
Sprach- und EDV-Kenntniss
Englisch
sehr gute Kenntnisse in Wort und Schrift (APIEL-Test,
,,extremely well qualified")
Französisch
gute Schulkenntnisse
Rumänisch
ausreichende Kenntnisse für eine einfache Konversation
MS Office
gute Kenntnisse

Inhaltsverzeichnis
1
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung und Problemstellung ... 3
2
Arbeit und Gesundheit ... 5
2.1
Wandel der Arbeitswelt ... 5
2.2
Einfluss der Arbeit auf die Gesundheit ... 7
2.3
Personal: Produktions-, Wettbewerbs- und Kostenfaktor ... 11
2.4
Betriebliche Gesundheitsförderung ... 15
2.4.1 Ziele
betrieblicher
Gesundheitsförderung ... 19
2.4.2 Fehlzeiten... 22
3
Die ökonomische Evaluation betrieblicher
Gesundheitsförderung ... 25
3.1
Wirtschaftlichkeitsrechnungen ... 27
3.1.1 Die
Investitionsrechnung ... 27
3.1.2 Die
Kosten-Nutzen-Analyse ... 28
3.1.3 Die
Kosten-Wirksamkeits-Analyse ... 29
3.1.4 Die
Nutzwert-Analyse ... 30
3.2
Schwierigkeiten bei der ökonomischen Analyse... 32
3.3
Vorüberlegungen zu einer Wirtschaftlichkeitsanalyse... 33
3.4
Effekte betrieblicher Gesundheitsförderung... 35
3.4.1 Kosten ... 37
3.4.2 Nutzeneffekte... 38
3.4.2.1 Monetäre
Nutzeneffekte... 39
3.4.2.2
Schwer quantifizierbare und intangible Nutzeneffekte... 42
3.5
Studien zur ökonomischen Evaluation von betrieblicher
Gesundheitsförderung... 44

Inhaltsverzeichnis
2
4
Wirtschaftlichkeitsanalyse einer Gesundheitsförderungs-
maßnahme in einem Automobilunternehmen ... 47
4.1
Projektbeschreibung ... 47
4.1.1 Trainingssteuerung... 50
4.2
Einbettung der Wirtschaftlichkeitsanalyse in die Gesamtevaluation des
Projektes ,,Gesund X"... 54
4.3
Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten... 56
4.3.1 Zusammensetzung der Stichprobe ... 56
4.3.2 Auswertung der Arbeitsunfähigkeitsdaten... 58
4.3.3 Beurteilung
der
Ergebnisse... 62
4.4
Kosten und Nutzen der Intervention ,,Gesund X"... 65
4.4.1 Nutzeneffekte des Projektes ,,Gesund X"... 65
4.4.2 Kosten des Projektes ,,Gesund X" ... 70
4.5
Kosten-Nutzen-Analyse für das Projekt ,,Gesund X" ... 72
4.5.1 Berechnung
des
Vermögensendwertes ... 73
4.5.2 Berechnung
der
Amortisationszeit... 75
4.5.3 Mindestteilnehmerzahl und Einsparungspotenzial ... 79
4.6
Zusammenfassung der Ergebnisse und Beurteilung... 80
5
Schlussbetrachtung und Ausblick ... 83
Abbildungsverzeichnis... 86
Tabellenverzeichnis... 87
Literaturverzeichnis ... 88

1 Einleitung und Problemstellung
3
1 Einleitung und Problemstellung
Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung etablieren sich seit den 80er Jahren
zunehmend in deutschen Unternehmen. Ihre Durchführung wurde anfänglich vor allem
mit humanorientierten Argumenten begründet (Thiehoff, 2000). Die gegenwärtige Wirt-
schaftslage macht jedoch besonders deutlich, dass humanorientierte Argumente alleine
nicht zu einer dauerhaften Etablierung betrieblicher Gesundheitsförderung ausreichen.
Betriebliche Gesundheitsförderung muss trotz humanitärer Zielsetzung im Rahmen un-
ternehmerischer Entscheidungen zur kostenminimalen Gestaltung der Produktion bei-
tragen. Um ein möglichst gutes Unternehmensergebnis zu erreichen, müssen alle Res-
sourcen optimal genutzt werden. Für das Unternehmen ist daher entscheidend, dass In-
vestitionen in eine Gesundheitsförderungsmaßnahme mehr Nutzen als Kosten
1
verursa-
chen. Damit rückt im unternehmerischen Umfeld das Kosten-Nutzen-Verhältnis von be-
trieblicher Gesundheitsförderung in den Vordergrund.
Die Effizienz ist, wie die Effektivität, wichtiges Qualitätskriterium einer Gesundheits-
förderungsmaßnahme. Nur betriebliche Gesundheitsförderung, die effektiv die Gesund-
heit verbessert und den Unternehmen, welche die Maßnahmen finanzieren, ein positives
Kosten-Nutzen-Verhältnis gewährleistet, kann auf Dauer durchgeführt werden und so-
mit zu einer humaneren und gesünderen Arbeitswelt beitragen. Das positive Kosten-
Nutzen-Verhältnis zu belegen oder zur Weiterentwicklung der entsprechenden Maß-
nahmen beizutragen, ist Aufgabe der Evaluation.
Die vorliegende Arbeit betrachtet im Rahmen der Evaluation eines Projektes der be-
trieblichen Gesundheitsförderung in einem großen Automobilunternehmen die Kosten
und die Nutzeneffekte von betrieblicher Gesundheitsförderung und stellt Methoden zur
Wirtschaftlichkeitsanalyse vor. Konkrete Aufgabenstellung dieser Magisterarbeit ist, die
Wirtschaftlichkeit des Projektes ,,Gesund X", das zur Prävention von Rückenschmerzen
eingeführt wurde, zu untersuchen.
1
Die Begriffe Kosten und Nutzen werden in dieser Arbeit im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs
verwendet. Eine betriebswirtschaftliche Abgrenzung von Kosten gegenüber Aufwendungen wird in Kapi-
tel 3.4.2.1 vorgenommen. Eine Unterscheidung des Begriffs Nutzen in Erträge oder Leistungen erfolgt
nicht, da sie für diese Arbeit nicht notwendig ist.

1 Einleitung und Problemstellung
4
Um die Bedeutung der Wirtschaftlichkeit, aber auch die Notwendigkeit von Gesund-
heitsförderung einzuordnen, werden einleitend in Kapitel 2 ausgewählte Rahmenbedin-
gungen betrachtet. Der anhaltende Wandel in der Arbeitswelt bringt einerseits Verände-
rungen für die Arbeitnehmer mit sich, andererseits entsteht ein hoher Wettbewerbsdruck
auf die Unternehmen, die gerade deshalb auf gesunde, leistungsfähige Arbeitnehmer
angewiesen sind. Beides macht die Notwendigkeit von betrieblicher Gesundheitsförde-
rung deutlich, auf die am Ende des 2. Kapitels eingegangen wird.
Verschiedene Methoden der Wirtschaftlichkeitsanalyse, anhand derer die Effizienz ei-
ner betrieblichen Gesundheitsförderungsmaßnahme beurteilt werden kann, stellt Kapitel
3 vor. Dabei werden die Schwierigkeiten und Besonderheiten der Wirtschaftlichkeits-
analyse von betrieblicher Gesundheitsförderung aufgezeigt. Besonders die Nutzenbe-
stimmung von betrieblicher Gesundheitsförderung bereitet Probleme. Deshalb wird ne-
ben den Kosten von betrieblicher Gesundheitsförderung ausführlich auf die Nutzenef-
fekte einer Gesundheitsförderungsmaßnahme eingegangen. Das Kapitel schließt mit ei-
nem Überblick über bisher durchgeführte Evaluationsstudien von betrieblicher Gesund-
heitsförderung, die ökonomische Komponenten berücksichtigen.
Nach einer theoretischen Darstellung der Analysemöglichkeiten von Gesundheitsförde-
rungsmaßnahmen in Kapitel 3 folgt in Kapitel 4 eine Wirtschaftlichkeitsanalyse für das
Projekt ,,Gesund X". Zur Nutzenbestimmung des Projektes werden zunächst für die
Teilnehmer an dem Projekt ,,Gesund X" die Arbeitsunfähigkeitsdaten ausgewertet. Dar-
auf aufbauend werden die Nutzen- und Kostenkomponenten der Maßnahme ermittelt
und anschließend durch Verfahren der Investitionsrechnung gegenübergestellt. Diese
Wirtschaftlichkeitsrechnungen erlauben nach der zusammenfassenden Darstellung der
Ergebnisse eine Einschätzung der Effizienz der Gesundheitsförderungsmaßnahme aus
Unternehmenssicht.
Die Schlussbetrachtung der Arbeit spricht Lösungsvorschläge für weiterführende Fra-
gen an und führt zu einem Ausblick auf zukünftige Anforderungen und Aufgaben von
Wissenschaft und Wirtschaft sowie anderer Beteiligter der betrieblichen Gesundheits-
förderung.

2 Arbeit und Gesundheit
5
2 Arbeit und Gesundheit
2.1 Wandel der Arbeitswelt
Globalisierung, rasante Entwicklung von Technologien, veränderte Organisationsstruk-
turen, verschärfter Wettbewerb und demographischer Wandel sind die Schlagwörter
des Abschlussberichts der europäischen Konferenz zum Thema ,,The Future of Working
Conditions" im Jahr 1999 (Lehmann & Kuhn, 2000).
Seit zwei Jahrzehnten prägen und verändern die fortschreitende Internationalisierung
und die Globalisierung der Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialbeziehungen den Arbeits-
alltag und die Entwicklung der Arbeit. Der Wegfall von Handelsbarrieren sowie moder-
ne Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen eine weltweite Ver-
netzung. Zusätzlich verstärkt die Reduktion von Transportkosten die Internationalisie-
rung der Wirtschaftsbeziehungen. Unter den bisher eher abgeschotteten nationalen Ar-
beits- und Absatzmärkten entsteht ein immer höherer globaler Wettbewerbsdruck. Ver-
schärft wird der Wettbewerb durch den anhaltenden Wandel vom Anbietermarkt zum
Käufermarkt. Er zwingt die Unternehmen zu besonderer Kundenorientierung und Flexi-
bilität. Dienstleister und Betriebe stehen steigenden Qualitätsansprüchen, individuellen
Produkt- und Lieferanforderungen sowie kurzen Lieferfristen gegenüber (vgl. Bullinger
& Bauer, 2000; Kuhn, 2000; Tegtmeier, 2000). Durch Fusion und Übernahme von
Wettbewerbern entstehen Weltunternehmen, die darin eine Möglichkeit sehen, ihre
Marktposition zu stärken. Denn Zusammenschlüsse führen zu Kostensenkung, Zeiter-
sparnis, Bündelung von Know-how und bieten Zugang zu neuen Märkten und Rohstof-
fen. Es entstehen neue Betriebsstrukturen und Arbeitsbedingungen. Diese ergeben sich
nicht nur durch die Zusammenschlüsse, sondern auch durch die Veränderungen bei der
inner- und zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung. Beispiele hierfür sind Dezentralisie-
rung von Produktions- und Dienstleistungen, Outsourcing betrieblicher Funktionen, vir-
tuelle Unternehmen sowie Ausgliederung und Neugründung von Kleinunternehmen
(Kuhn, 2000).
Um erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen mit großer Flexibilität auf die Anforde-
rungen des Marktes reagieren. Diese Flexibilität überträgt sich auf die Arbeitsorganisa-

2 Arbeit und Gesundheit
6
tion innerhalb der Unternehmen. Die Veränderung in der Organisationsstruktur voll-
zieht sich von einer extrem arbeitsteiligen fordistisch-tayloristischen Arbeitsgestaltung
zu einer holistischen Arbeitsorganisation, bei der die Team- und Kommunikationsfä-
higkeit der Mitarbeiter eine große Rolle spielen. Zeitliche, rechtliche und räumliche
Flexibilität kennzeichnen neue Formen von Arbeitsverhältnissen.
Zeitliche Flexibilität
Rechtliche Flexibilität
Räumliche Flexibilität
Leih- und Zeitarbeit
Saisonale Arbeit
Teilzeit-Jobs
Individuelle Gestal-
tung von Arbeitsver-
trägen
Freiberufliche Tätig-
keit
Bereitschaft zur Mig-
ration
Telearbeit von zu
Hause
Home-Office
Abbildung 1: Flexibilitätsanforderungen neuer Arbeitsverhältnisse
Die neuen Arbeits- und Beschäftigungsformen haben seit den 80er Jahren deutlich zu-
genommen. Mitte der 90er Jahre ging schon jeder zweite Erwerbstätige nicht mehr einer
traditionellen Vollzeitbeschäftigung nach (Jähnichen, 2000). Wechselnde Beschäfti-
gungsverhältnisse und auch zeitweise Arbeitslosigkeit kennzeichnen immer häufiger die
Erwerbsbiographien. Eine Größe, die das Bedingungsfeld der Unternehmen nachhaltig
prägt, ist der demographische Wandel. Der Anteil der über 50-Jährigen des gesamtdeut-
schen Erwerbspotenzials wird laut einer Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeit (in
Morschhäuser, 2001) von 23 Prozent im Basisjahr 1996 bis zum Jahr 2020 auf 30 Pro-
zent ansteigen und langfristig dieses Niveau nicht unterschreiten. Dies bedeutet, zukünf-
tige Herausforderungen der Arbeitswelt müssen mit einer immer älter werdenden Ar-
beitnehmerschaft gemeistert werden (Tegtmeier, 2000). Diese Entwicklung der Aging
work force erfordert besondere Aufmerksamkeit der Unternehmen. Da immer weniger
junge Arbeitskräfte dem Unternehmen zur Verfügung stehen, muss die Arbeitskraft äl-
terer Mitarbeiter möglichst lange erhalten werden (vgl. Kap. 2.3).
Nach diesem kurzen Überblick
2
über aktuelle Tendenzen in der Arbeits- und Wirt-
schaftswelt stellt das folgende Kapitel dar, was die gewandelten Arbeitsbedingungen für
Arbeitnehmer bedeuten.
2
Für eine tiefere und auch kontroverse Diskussion des Themas wird auf folgende Literatur verwiesen:
Rauscher, A. (2002), Arbeitsgesellschaft im Umbruch und Beck, U. (1999), Schöne neue Arbeitswelt.

2 Arbeit und Gesundheit
7
2.2 Einfluss der Arbeit auf die Gesundheit
Die von Arbeitnehmern empfundenen Veränderungen der Arbeitsbedingungen sind Ge-
genstand einer Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des Instituts
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt für Arbeit von 1998/99
(in Jansen, 2000). Laut dieser Umfrage haben rund drei Viertel (77 %) aller Erwerbstä-
tigen in den letzten zwei Jahren eine Änderung in ihrem Betrieb wahrgenommen. Als
häufigste Veränderung wird die Einführung neuer Produktionstechniken genannt. Ne-
ben technischen Innovationen spielen aber auch organisatorische Veränderungen eine
wichtige Rolle. Bei der Frage nach Veränderungen der persönlichen Arbeitssituation
empfanden 46 Prozent der Erwerbstätigen einen Anstieg von Stress und Arbeitsdruck,
24 Prozent gaben an, dass die körperliche Belastung gestiegen sei (Jansen, 2000). Das
nachstehende Schaubild zeigt die subjektiv wahrgenommenen Änderungen der Arbeits-
bedingungen in einem Zeitraum von 2 Jahren.
Abbildung 2: Änderungen der Arbeitsbedingungen (Sonntag, 2001, S.3)
Aus dem Schaubild ist ersichtlich, dass nicht nur negative Entwicklungen zu beobach-
ten sind. 26 Prozent der Befragten gaben eine Zunahme der ,,Vielseitigkeit und Interes-
santheit" der Arbeit an. Auch Bullinger und Bauer (2000) zeigen, dass der sich weiter

2 Arbeit und Gesundheit
8
fortsetzende Umbruch in der Arbeitswelt sowohl neue Risiken als auch Chancen birgt:
Erhöhte Anforderungen an den einzelnen, sich ständig auch in Eigeninitiative fortzubil-
den, müssen nicht nur als erhöhter Leistungsdruck empfunden werden, denn Freiräume,
die für Weiterqualifikation gegeben werden z.B. in Form von Sabbaticals, ermöglichen
auch ,,im Sinne einer Selbstverwirklichung neue Qualifikationen, Fähigkeiten und
know-how zu erwerben." (Bullinger & Bauer, 2000, S.11).
Die gewandelten Arbeitsbedingungen beinhalten sowohl Gesundheitsgefahren als auch
gesundheitsfördernde Aspekte. Ob sich Arbeit positiv oder negativ auf die Gesundheit
auswirkt, hängt mit vielen verschiedenen Faktoren zusammen. Diese Faktoren werden
als Ressourcen und Belastungen gekennzeichnet und treten in unterschiedlichen Kons-
tellationen auf. Sie beeinflussen sich gegenseitig und wirken in ihrer Gesamtheit auf die
Gesundheit der Mitarbeiter.
Abbildung 3: Belastungen und Ressourcen der Arbeit (nach Ducki, 1998)
Belastungen am Arbeitsplatz sind z.B. Störungen des Arbeitsablaufes, Probleme mit
dem Informationsfluss, Monotonie und Zeitdruck, Umgebungsbedingungen wie Lärm,
Schadstoffe und Lichtverhältnisse oder soziale Belastungen. Soziale Belastungen ent-
stehen durch ein schlechtes Betriebsklima, fehlende soziale Unterstützung oder ein re-
striktives Führungsverhalten. Auslöser dafür können sowohl persönliche Defizite von
Persönliche
Ressourcen
Belastungen auf
überbetriebli-
cher Ebene
Belastungen
am Arbeits-
platz
Situative
Ressourcen
Mitarbeiter

2 Arbeit und Gesundheit
9
Führungskräften und Mitarbeitern sein als auch schlechte Arbeitsorganisation. Schlech-
te Arbeitsorganisation, ungerecht empfundene Gratifikation, Arbeitsplatzunsicherheit
und Arbeitszeitenregelungen wie Schichtarbeit und Überstunden sind sowohl gesamtbe-
triebliche als auch überbetriebliche Belastungsfaktoren, die sich auf die Gesundheit des
einzelnen Mitarbeiters auswirken. Zu bedenken ist, dass mehrere Stressoren gleichzeitig
auftreten und sich in ihrer Wirkung verstärken.
Ressourcen, die es dem Menschen erlauben Belastungen auszugleichen teilt Ducki
(1998) in personale und situative Ressourcen:
Ressourcen
Personale Ressourcen
Situative Ressourcen
internale Kontrollüberzeugung
Bewältigungskompetenzen
ein generelles Gefühl der Durchschaubar-
keit, Beeinflussbarkeit und Sinnhaftigkeit,
(=
,sense of coherence` im Sinne Anto-
novskys (1987))
physische Faktoren
Befriedigende Arbeitsbedingungen
Vollständigkeit der Arbeitsaufga-
ben (dies bedeutet sowohl planende
als auch ausführende und kontrol-
lierende Tätigkeiten auszuüben)
Handlungs- und Entscheidungs-
spielräume
gesunde Umwelt
funktionierende familiäre und sozi-
ale Bedingungen
Abbildung 4: Ressourcen (nach Ducki, 1998, S. 145 ff)
Da die meisten Mitglieder der Bevölkerung einen großen Teil ihrer Zeit im Berufsleben
verbringen, haben die Belastungen und Ressourcen der Arbeit erhebliche Auswirkungen
auf die körperliche und seelische Gesundheit (Siegrist & Möller-Leimkühler, 1998). In
der Gesundheitswissenschaft besteht Übereinstimmung, dass Gesundheit und Krankheit
multifaktoriell determiniert sind und die Arbeitswelt eine entscheidende Rolle bei der
Entstehung und dem Verlauf gerade der modernen Zivilisationskrankheiten wie z. B.
Herz- Kreislauf- und Muskel- Skelett- Erkrankungen spielt (Brandenburg, Nieder & Su-
sen, 2000). Dabei wird Gesundheit und Krankheit nicht als Dichotomie betrachtet, son-

2 Arbeit und Gesundheit
10
dern nach dem Salutogenesemodell von Antonovsky (1987) als Kontinuum, auf dem
sich das Individuum je nach Vorhandensein und Zusammenwirken der Stressoren und
Ressourcen näher an dem Pol Gesundheit oder dem Pol Krankheit befindet. Um Ge-
sundheit zu erhalten und zu stärken, müssen nicht nur Stressoren reduziert, sondern die
Ressourcen und Widerstandsquellen des Individuums erhöht werden. Die Gesundheit
und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten und zu fördern, steht nicht allein im
Interesse der Mitarbeiter selbst, sondern auch im Interesse der Arbeitgeber. Sie sind,
wie im nächsten Kapitel dargestellt, auf die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter ange-
wiesen, um erfolgreich zu sein.

2 Arbeit und Gesundheit
11
2.3 Personal: Produktions-, Wettbewerbs- und Kostenfaktor
Erich Gutenberg sieht menschliche Arbeit in seinem Produktionsfaktor-Ansatz (vgl.
Abb. 5) neben Betriebsmitteln und Werkstoffen als Elementarfaktor, der zur Leistungs-
erstellung im Betrieb beiträgt (Oechsler, 2000). Die Kombination der Elementarfaktoren
ist das Ergebnis planender, leitender und organisierender Tätigkeit des Menschen, die
als dispositiver Faktor bezeichnet wird. Arbeitskraft wird also in zwei Formen, die aus-
führende (objektbezogene) und die leitende (dispositive) Arbeit, gegliedert. Beide sind
wichtige Produktionsfaktoren für das Unternehmen. Die konkrete Abgrenzung von
dispositiver und objektbezogener Arbeit ist schwierig, da die meisten Führungskräfte
selbst Weisungen übergeordneter Instanzen auszuführen haben (Wöhe, 1996).
Abbildung 5: Betriebliche Produktionsfaktoren (Oechsler, 2000, S.15)
Als theoretische Grundlage für die Personalarbeit wird der Produktionsfaktor-Ansatz in
modernen Personallehrbüchern überwiegend abgelehnt (vgl. Krell, 1996; Oechsler,
2000). Kritikpunkte sind zum einen moralischer Natur, da der Ansatz ein Bild der ,,zwei
Klassen Gesellschaft" vermittelt und die Betrachtung menschlicher Arbeit als Produkti-
onsfaktor zu ,,mechanistisch" ist (Krell, 1996; Wöhe, 1996). Zum andern wird kritisiert,

2 Arbeit und Gesundheit
12
dass der Ansatz die Berücksichtigung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse ausschließe
und nicht geeignet sei die Realität zu erklären (Krell, 1996; Oechsler, 2000).
Die Berücksichtigung sozialpsychologischer und soziologischer Erkenntnisse bei der
Personalführung, wie z.B. Erkenntnisse über Führung, Arbeitszufriedenheit und Moti-
vation, führen zu einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive der Personallehre. Sie
verweist auf die Besonderheit des Produktionsfaktors Arbeit, der untrennbar an den
Menschen als Leistungsträger gebunden ist. Die Analyse von Organisationen und spe-
ziell von Unternehmen als Herrschaftsgebilde und interessenspluralistische Gebilde
führt zu einem organisationstheoretischen Ansatz und einer politikorientierten Perspek-
tive. Im interessenspluralistischen Sozialgebilde Unternehmen wird der Mitarbeiter
nicht mehr nur als Objekt, sondern auch als Akteur der betrieblichen Personalpolitik ge-
sehen, der über Interessenvertretung Einfluss nehmen kann (vgl. Krell, 1996).
Trotz aller Kritik und neuer theoretischer Ansätze bringt Gutenbergs Systematisierung
die ökonomische Perspektive auf menschliche Arbeit als Einsatzfaktor klar und einfach
auf den Punkt. Sie zeigt, dass menschliche Arbeit für ein Unternehmen notwendiger
Einsatzfaktor (sowohl als Elementarfaktor als auch als dispositiver Faktor) ist, um sei-
nen Unternehmenszweck zu erfüllen. Dies gilt nach wie vor. Besonders in unserer Wis-
sens- und Dienstleistungsgesellschaft ist der Produktionsfaktor Arbeit von großer Be-
deutung für die Wertschöpfung. Durch die beschriebenen Rahmenbedingungen für Un-
ternehmen (vgl. Kap. 2.1) bekommen das Personal und insbesondere seine Qualifikation
und Motivation eine unternehmensstrategische Dimension. Durch die Globalisierung
werden Technik, Maschinen, Hardware und Software global agierender Firmen immer
ähnlicher. Wettbewerbsvorteile werden verstärkt durch die Qualität der Mitarbeiter und
Führungskräfte erzielt. Bei gleichen Produkten und Preisen wird sich dasjenige Unter-
nehmen mit der besten Beratung und Betreuung von Kunden durchsetzen (vgl. Frey,
2001).
Den gestiegenen Anforderungen der Wirtschaft können nur Unternehmen mit qualifi-
zierten und motivierten Mitarbeitern entgegen treten. Harz (2000) bestätigt, dass vor al-
lem das Engagement, die Kreativität und das selbständige Handeln von Mitarbeitern
über die Marktposition und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens bestimmen.

2 Arbeit und Gesundheit
13
Er sieht den wirtschaftlichen Erfolg abhängig von der optimalen Nutzung, aber auch
von der nachhaltigen Pflege des Humankapitals. Empirisch bekräftigt wird dies von
Wucknitz (2002), der mehrere Studien zitiert, bei denen ein Zusammenhang zwischen
Unternehmenserfolg und Personalentwicklung von 17 bis 40 Prozent ermittelt wurde.
Eine der von ihm zitierten Studien belegt, dass diejenigen 1988 an der US-Börse einge-
führten Unternehmen überdurchschnittlich häufig überlebten, die Mitarbeiter ausdrück-
lich als Wettbewerbsvorteil in ihrer Unternehmensstrategie nennen, einen hohen Anteil
an Vollbeschäftigten haben, in denen gute Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Ar-
beitnehmern herrschen und mindestens eine Person ausdrücklich für Personalmanage-
ment verantwortlich ist (Wucknitz, 2002). Bei einer Studie des Managermagazines
(N.N., 1997), bei der international 500 Manager befragt wurden, belegte das Humanka-
pital als Erfolgsfaktor Platz 1. Bei diesem Ergebnis ist jedoch zu bedenken, dass die
Qualifikation der Mitarbeiter eine große Rolle spielt.
Humankapital, treffender Humanvermögen oder Human resource, eines Unternehmens
bezeichnet die Leistungspotenziale der Mitarbeiter, die sie der Unternehmung zur Ver-
fügung stellen. Das Leistungspotenzial ist bestimmt durch die individuelle Leistungsfä-
higkeit, die Leistungsbereitschaft und den Zeitraum, über den der Mitarbeiter in der La-
ge ist, seine Leistung anzubieten (Gabler, 1988). Voraussetzung dafür, dass Mitarbeiter
ihre Fähigkeiten voll einbringen können, ist die physische und psychische Gesundheit.
Investitionen in die Qualifikation der Mitarbeiter, wie betriebliche Fortbildung, können
sich nur bei gesunden Mitarbeitern voll auszahlen. Insofern verstärken Investitionen in
die Gesundheit der Mitarbeiter jegliche Personalmaßnahmen und damit verbunden den
Unternehmenserfolg (vgl. Kap. 2.4).
Die in Kapitel 2.1 bereits kurz angesprochene demographische Entwicklung verändert
die Altersstruktur in den Unternehmen nachhaltig. Für Unternehmen ist es daher not-
wendig, sich auf eine ältere Belegschaft einzustellen und Arbeits- und Organisationsbe-
dingungen zu schaffen, die es den Beschäftigten erlauben, gesünder älter zu werden. So
können die Unternehmen die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter stärken und die Ar-
beitskraft älterer, erfahrener Mitarbeiter erhalten. Alter ist neben Schichtzugehörigkeit
einer der wichtigsten Prädikatoren für Krankheitsanfälligkeit. Die Altersstruktur der Be-
legschaft ist deshalb mitverantwortlich für das Fehlzeitengeschehen und die dadurch

2 Arbeit und Gesundheit
14
entstehenden Kosten. Häufiger Grund für Frühberentung sind chronisch degenerative
Krankheiten; diesen kann durch Prävention und Gesundheitsförderung effektiv entge-
gengewirkt werden (Badura, 2002).
Morschhäuser (2001) sieht ältere Arbeitnehmer grundsätzlich nicht als minder leis-
tungsfähig als jüngere Kollegen an, im Gegenteil garantieren sie durch ihre langjährige
Berufserfahrung häufig für Qualität und Stabilität im Unternehmen. Statistische Daten
zur Arbeitsunfähigkeit (AU) zeigen zwei gegenläufige Entwicklungen: Die Anzahl der
AU-Fälle sinkt eher mit steigendem Alter, jedoch steigt die Zahl der AU-Tage drastisch
an. Das bedeutet, dass Ältere nicht häufiger krank sind als Jüngere, im Falle einer Er-
krankung aber im Durchschnitt länger arbeitsunfähig sind (Morschhäuser, 2001). Grö-
ßere Auswirkungen für Unternehmen entstehen nicht vornehmlich durch die Lohnfort-
zahlungen im Krankheitsfall, da diese nach 6 Wochen der Krankenkasse und nicht mehr
dem Betrieb anfallen, sondern durch ältere Arbeitnehmer, die nicht mehr voll leistungs-
fähig, jedoch arbeitsfähig sind. Nischenplätze mit reduzierter Arbeitsbelastung, die von
solchen Mitarbeitern besetzt werden könnten, entfallen im Zuge von Rationalisierung
und Modernisierung häufig (Morschhäuser, 2001). Dies zeigt, dass Personal für Unter-
nehmen nicht nur Produktions- und Erfolgsfaktor ist, sonder auch Kostenfaktor. Durch
die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen entsteht ein großer Wettbewerbsdruck auf
die Unternehmen, der die Notwendigkeit zur Kostenminimierung stärker betont denn je.
Schlanke Produktions- und Dienstleistungskonzepte zielen auf den Abbau von Perso-
nalkapazität; Personalpuffer werden reduziert und so Kosten eingespart. Immer wichti-
ger wird hier die zuverlässige Einsatzfähigkeit und -bereitschaft der verbleibenden Mit-
arbeiter (vgl. Thiehoff, 2000). Durch Gesundheitsförderungsmaßnahmen im Betrieb
wird die Einsatzfähigkeit gestärkt und erhalten. Die Ausgaben für Gesundheitsförde-
rung, Arbeits- und Gesundheitsschutz erhöhen jedoch die Lohnkosten. Die Konkurrenz
von Ländern mit niedrigem Lohnniveau erzeugt eine Zwickmühlensituation: Sichere,
gesundheitsgerechte Arbeitsplätze führen über hohe Lohnnebenkosten zu weiterem Ex-
port der Arbeitsplätze in Länder, in denen Arbeits- und Gesundheitsschutz einen weit
geringeren Stellenwert einnehmen (Thiehoff, 2000). In diesen Ländern können kranke
und somit ,,teure" Mitarbeiter ohne großen finanziellen und rechtlichen Aufwand durch
gesunde Arbeitnehmer ersetzt werden.

2 Arbeit und Gesundheit
15
2.4 Betriebliche Gesundheitsförderung
Der Begriff der Gesundheitsförderung ist maßgeblich durch die Definition von Gesund-
heit und die Konzepte der WHO geprägt. Diese betont in der vielzitierten Ottawa-
Charta (WHO, 1986), dass Gesundheitsförderung auf einen Prozess abzielt, ,,allen Men-
schen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und
sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperli-
ches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, daß sowohl
einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen
wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können. In
diesem Sinne ist Gesundheit als ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu
verstehen (...). Die sich verändernden Lebens-, Arbeits- und Freizeitbedingungen haben
entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit. Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft
die Arbeit, die Arbeitsbedingungen und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der
Gesundheit und nicht der Krankheit sein."
Die Orientierung der Gesundheitsförderung an der Ottawa-Charta betont die gesell-
schaftliche Bedingtheit von Krankheit und Gesundheit. Wichtige Krankheits- bzw. Ge-
sundheitsursachen liegen in den Lebens-, Arbeits- und Umweltverhältnissen sowie der
Art und Weise wie Menschen auf diese reagieren. Gesundheitsförderung im Betrieb be-
deutet somit, sichere, befriedigende und angenehme Arbeits- und Lebensbedingungen
zu schaffen (vgl. Susen, 2000).
Den Gesundheitsbegriff als physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden, das
durch die Fähigkeit der Menschen zur Selbst- und Situationsbewältigung bestimmt
wird, greift das Europäische Netzwerk für betriebliche Gesundheitsförderung in seiner
1997 verabschiedeten ,,Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförde-
rung" auf. Sie definiert betriebliche Gesundheitsförderung als ,,moderne Unternehmens-
strategie, die darauf abzielt, Krankheiten am Arbeitsplatz vorzubeugen, Gesundheitspo-
tentiale zu stärken und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu verbessern." Ansätze dazu
sind:
· Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen
· Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung
· Stärkung persönlicher Kompetenzen.

2 Arbeit und Gesundheit
16
Als Leitlinien für erfolgreiche betriebliche Gesundheitsförderung werden Partizipation
der Belegschaft, Einbeziehung der betrieblichen Gesundheitsförderung in alle Entschei-
dungen und Unternehmensbereiche, systematische Durchführung im Sinne von Pro-
jektmanagement und Einbeziehung von verhaltens- und verhältnisorientierten Maßnah-
men zur Risikoreduktion und dem Ausbau von Schutzfaktoren und Gesundheitspotenzi-
alen genannt (Europäisches Netzwerk für BGF, 1997).
Aktuelle Bücher zu dem Thema betriebliche Gesundheitsförderung verwenden häufig
den Begriff ,,Gesundheitsmanagement" (vgl. Meifert & Kesting, 2004; Badura &
Hehlmann, 2003; Münch, Walter & Badura, 2003; Pfaff, 2001; Badura, 2001). Der Beg-
riff Management wird in unserer Zeit sehr inflationär gebraucht, im betriebswirtschaftli-
chen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff Management jedoch alle Aufgaben, welche
die Leitung eines Unternehmens mit sich bringt (Gabler, 1988). Insofern wird durch den
Begriff Gesundheitsmanagement die Verantwortung der Unternehmensleitung bezüg-
lich der betrieblichen Gesundheitsförderung betont.
Pfaff (2001, S. 32) bezeichnet als betriebliches Gesundheitsmanagement ,,alle Tätigkei-
ten des Managements, die darauf abzielen, die betriebliche Gesundheitspolitik festzule-
gen und diese durch Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle von strukturel-
len und prozessbezogenen Gesundheitsmaßnahmen und -programmen zu verwirkli-
chen." Diese Maßnahmen und Programme beinhalten sowohl Interventionen des Ar-
beits- und Gesundheitsschutzes als auch der betrieblichen Gesundheitsförderung. Sie
stellen inhaltsbezogene Interventionen dar, während es auf der Ebene des betrieblichen
Gesundheitsmanagements um die Wahl, Steuerung und Kontrolle einzelner Maßnahmen
und Programme, ihre Koordination sowie die Festlegung gesundheitspolitischer Ziele
und Verantwortlichkeiten geht.
Badura (2001) sieht betriebliches Gesundheitsmanagement verwirklicht, wenn der zyk-
lisch iterative Ablauf der vier Kernprozesse der betrieblichen Gesundheitsförderung als
Führungsaufgabe institutionalisiert wurde, kontinuierlich wahrgenommen und verbes-
sert wird.

2 Arbeit und Gesundheit
17
Die Kernprozesse der betrieblichen Gesundheitsförderung sind:
· Diagnose des Gesundheitszustandes der Beschäftigten und ihrer Arbeits- und
Organisationsbedingungen,
· die Maßnahmenplanung,
· die Durchführung und Steuerung der Intervention und
· die Evaluation der vorangegangenen Prozesse.
Was die Implementierung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements für ein Unter-
nehmen bedeutet, stellt Badura (2003) in seinem Beitrag ,,Betriebliches Gesundheits-
management - eine Investition in das Sozial- und Humankapital" dar. Unter Sozialkapi-
tal verstehen sich laut Badura (2003, S. 10) ,,Merkmale sozialer Systeme, die sich glei-
chermaßen positiv auf die Leitungsfähigkeit und das Wohlbefinden ihrer Mitglieder
auswirken und sich in ihren Wirkungen dabei wechselseitig verstärken." Nachstehendes
Schaubild verdeutlicht den Zusammenhang von betrieblichem Gesundheitsmanagement,
Sozialkapital und dem Unternehmenserfolg.
Abbildung 6: Zusammenhang von betrieblichem Gesundheitsmanagement, Sozialkapital und
Unternehmenserfolg (Badura, 2003, S. 9)

2 Arbeit und Gesundheit
18
Dauerhafter Unternehmenserfolg bedarf nicht nur hoch entwickelter Techniken und
fachlicher Kompetenz der Beschäftigten, sondern sozialer Beziehungen, die Wohlbefin-
den und Gesundheit der Mitarbeiter stärken (Badura, 2003). Investitionen in das Sozial-
kapital tragen über Motivation, Gesundheit und Stärkung der Leistungsfähigkeit der
Mitarbeiter zum Unternehmenserfolg bei. Sie unterstützen die Wirkung anderer betrieb-
licher Investitionen in das Humankapital, wie z.B. Weiterbildungsmaßnahmen, aber
auch in das Sachkapital, da beispielsweise eine neue Maschine durch gesunde Mitarbei-
ter voll ausgelastet werden kann. Der Ansatz von Badura zeigt den für Arbeitgeber rele-
vanten Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen, Mitarbeitern und Unternehmens-
erfolg auf. Investitionen in das Sozialkapital, wie Gesundheitsmanagement, wirken
zugleich produktiv als auch salutogen. Gesundheitsmanagement leistet einen Beitrag
zur Steigerung von Wohlbefinden und Gesundheit der Beschäftigten und steigert da-
durch die Wettbewerbskraft und die Produktivität der Unternehmen. So ist die zentrale
Fragestellung des Gesundheitsmanagements: wie kann die Anwesenheit und Motivation
der Mitarbeiter erhöht werden und die Gesundheit erhalten werden. Der wesentliche
Unterschied zu der Frage, wie die Fehlzeiten gesenkt werden können, liegt darin, dass
Gesundheitsmanagement nicht erst ansetzt, wenn das Problem existiert, sondern präven-
tiv arbeitet (Elke & Zimolong, 2000).
Leider hinkt die Umsetzung betrieblichen Gesundheitsmanagements in der Praxis hinter
der Theorie her. Trotz vieler fundierter gesundheitswissenschaftlicher Erkenntnisse und
Konzepte, hat das Thema Gesundheit in Unternehmen laut Badura (2003) eine zu gerin-
ge Priorität. Evaluation und insbesondere Wirtschaftlichkeitsanalysen von Gesundheits-
förderungsmaßnahmen, die die win/win Situation einer derartigen Maßnahme belegen,
sind ein schlagkräftiges Argument für die weitere Durchsetzung der betrieblichen Ge-
sundheitsförderung und somit ein Schritt auf ein umfassendes Gesundheitsmanagement
zu. Grundlage jeder Evaluation einer Maßnahme ist die Kenntnis der genauen Ziele der
einzelnen Beteiligten. Diese werden im nachfolgenden Kapitel betrachtet.

2 Arbeit und Gesundheit
19
2.4.1 Ziele betrieblicher Gesundheitsförderung
Das Interesse an Gesundheitsförderungsmaßnahmen und die Ziele, die im Einzelnen
verfolgt werden, hängen von der Perspektive der Beteiligten und der Träger der Maß-
nahme ab. Als Träger von Gesundheitsförderungsmaßnahmen kommen Unternehmen,
der Staat, die Sozialversicherungen, Anbieter von Gesundheitsleistungen und die Mit-
glieder privater Haushalte in Betracht (Thiehoff, 2000). Im Folgenden werden vor allem
die Ziele der Hauptakteure der betrieblichen Gesundheitsförderung, d.h. die Ziele der
Arbeitgeber und der Arbeitnehmer betrachtet.
Grundlegendes Ziel der betrieblichen Gesundheitsförderung ist der Erhalt und die Ver-
besserung der Gesundheit am Arbeitsplatz. Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer haben
daran ein gemeinsames Interesse. Krell (1996, S. 35) sieht das Feld der betrieblichen
Gesundheitspolitik geradezu als ideal für ,,Pakte" zwischen Arbeitgeber und Interes-
sensvertretung der Beschäftigten an, da gesundheitsförderliche Verhältnisse und ge-
sundheitsförderliches Verhalten aus beider Sicht wünschenswert sind. Auch Bamberg,
Ducki & Metz (1998) sehen ein gemeinsames Interesse an einer gesunden und leis-
tungsfähigen Beschäftigtenpopulation und somit das Thema ,,Gesundheit" als prinzi-
piell konsensfähig zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Bezüglich der speziellen
Zielkonstellation und der Schwerpunkte im Einzelnen haben Arbeitnehmer und Arbeit-
geber jedoch unterschiedliche Vorstellungen. Während aus Arbeitnehmersicht der Ge-
winn an Lebensqualität im Vordergrund steht, tragen für Arbeitgeber gesunde Mitarbei-
ter vor allem zur verbesserten Kostenstruktur des Unternehmens bei (Bamberg et al.,
1998).
Nachstehende Auflistung nennt verschiedene Zielvorstellungen, die mit Maßnahmen
der betrieblichen Gesundheitsförderung verbunden sind (vgl. Huber, 1999; Krüger,
Müller & Stegemann, 1998; Susen, 2000):
1. Reduktion der Arbeitsbelastung
2. Schaffung gesundheitsgerechter Arbeitsbedingungen und ­tätigkeiten
3. Steigerung der individuellen Gesundheit und des Wohlbefindens bei der Arbeit
4. Vermeidung von Erkrankungen, insbesondere ihrer Chronifizierung
5. Förderung der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter und des Betriebsklimas

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832440572
ISBN (Paperback)
9783838640570
DOI
10.3239/9783832440572
Dateigröße
903 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg – Fakultät für Verhaltens- und Empirische Kulturwissenschaften
Erscheinungsdatum
2005 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
evalution wirtschaftlichkeitsrechnung gesundheitsmanagement wirtschaftlichkeitsanalyse prävention
Zurück

Titel: Die Kosten-Nutzen-Analyse betrieblicher Gesundheitsförderung
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
100 Seiten
Cookie-Einstellungen