Lade Inhalt...

Einsatzbedingter Stress und seine Folgen für Soldaten

Diagnostische,sozialpsychologische, psychoanalytische und individualpsychologische Betrachtungen sowie literarische Illustration von Streßschäden

©2000 Diplomarbeit 80 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Kriege sind so alt wie die Menschheit. Ihre Folgen auch. In der vorliegenden Arbeit soll eine zwangsläufige, vielfach erforschte und immer wieder rätselhafte Auswirkung militärischer Einsätze dargestellt werden: der Stressschaden.
Immer wieder hat es die Menschheit für notwendig erachtet Interessen, seien es die einer Person oder Gruppe mit Gewalt durchzusetzen. Diese Praxis hat sich bis in unsere Zeit unverändert erhalten. Die Unterschiede zu den frühen Formen der Kriegsführung liegen in der hohen Mechanisierung seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg 1860 - 1865 und der Elektronisierung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und Beginn des nuklearen Wettlaufes zwischen den USA und der damaligen UdSSR.
Dazwischen liegen etwa 100 Jahre der Kriegsindustrialisierung und der Stahlgewitter mit ihren unauslöschlichen Folgen.
Der Soldat als Mensch - Mittel der Kriegsführung spielt dabei eine zentrale Rolle. Er ist der Träger von militärischen Rollen, Funktionen und Idealen die auf seine Träger zurückstrahlen und sie als Individuum für nicht existent erklären.
Am Ende zählen nur Sieg oder Niederlage, Verlierer sind aber unweigerlich alle. Jeder Schuss den man auf einen anderen abfeuert und jede Kugel der man entgeht, das Entsetzen, der Verrat, die Schreie, die Flammen und die Verwesung reißen von Mal zu Mal größere Löcher in die Seele des Soldaten bis er nicht mehr kann.
Eine Schlacht oder einen Krieg gewinnt oder verliert man im Kollektiv, aber leiden ist etwas individuelles, privates, einsames. Dieses Leiden entbindet den Soldaten jedoch nicht von seiner Verpflichtung im Kollektiv weiter korrekt zu funktionieren wenn der Krieg vorüber ist.
Der Bundesrepublik ist diese Erfahrung von der Kriegsgeneration abgesehen bis jetzt erspart geblieben.
Seit der Gründung der Bundeswehr sind mehrere Generationen von Soldaten in Pension gegangen oder ins Zivilleben zurückgekehrt ohne jemals ernsthaft in Gefahr gewesen zu sein.
Seit dem ersten Auslandseinsatz der Bundeswehr 1993 in Kambodscha hat sich diese Situation geändert. Und spätestens seit dem Bürgerkrieg auf dem Balkan, de facto vor der Haustür ist klargeworden, dass die sich Bundesrepublik militärisch nicht einfach auf dem Sofakissen der historischen Schuld ausruhen kann und darf, sondern im Einklang mit den so häufig propagierten Idealen des Grundgesetzes konform handeln muss, um Leid zu mindern und Wehrlose zu schützen, auch auf die Gefahr hin eigene Verluste zu […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

0.0 Einleitung

1.0 Stress aus der Sicht des Soldaten
1.1 Einsatz
1.2 Stressoren
1.3 Stressreaktionen und Verhalten im Einsatz
1.4 Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD)
1.4.1 Zusammenfassung
1.4.2 Beispiel: Persönlichkeitszerstörung bei Vietnamsoldaten

2.0 Forschungsergebnisse
2.1 Deutschland
2.1.1 Kambodscha, Mai 1992 bis Oktober1993
2.1.2 Ex - Jugoslawien 1995 – 1997
2.2 Israel
2.3 USA
2.4 Schlußbemerkungen zum Kap. 2.

3.0 Sozialpsychologische, psychoanalytische und individualpsychologische Betrachtungen
3.1 Sozialpsychologische Betrachtung
3.1.1 Interaktion als Stressfaktor
3.2 Psychoanalytische Betrachtung
3.2.1 Verdrängung als Grundlage neurotischer Störungen
3.2.2 Psychoanalytische Deutungen zur Zeit des WK I
3.2.3 Folgerungen aus der psychoanalytischen Betrachtung
3.3 Individualpsychologische Betrachtung
3.3.1 Minderwertigkeitsgefühl des Soldaten als Basis der Kompensation durch Krankheit
3.3.2 Das „Zwei - Ebenen - Modell“ des soldatischen 51 Gemeinschaftsgefühls
3.3.3 Folgerungen aus der individualpsychologischen Betrachtung
3.4 Schlußbemerkungen zum Kap. 3.

4.0 „Im Westen nichts neues“, PTSD aus dem Grabenkrieg
4.1 „Im Westen nichts neues“
4.2 „Der Weg zurück“
4.3 Schlußbemerkungen zum Kap. 4.

5.0 Schlußwort

Literatur

Erklärung

0.0 Einleitung

Kriege sind so alt wie die Menschheit. Ihre Folgen auch. In der vorliegenden Arbeit soll eine zwangsläufige, vielfach erforschte und immer wieder rätselhafte Auswirkung militärischer Einsätze dargestellt werden: der Streßschaden.

Immer wieder hat es die Menschheit für notwendig erachtet Interessen, seien es die einer Person oder Gruppe mit Gewalt durchzusetzen. Diese Praxis hat sich bis in unsere Zeit unverändert erhalten. Die Unterschiede zu den frühen Formen der Kriegsführung liegen in der hohen Mechanisierung seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg 1860 - 1865 und der Elektronisierung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und Beginn des nuklearen Wettlaufes zwischen den USA und der damaligen UdSSR.

Dazwischen liegen etwa 100 Jahre der Kriegsindustrialisierung und der Stahlgewitter mit ihren unauslöschlichen Folgen.

Der Soldat als Mensch - Mittel der Kriegsführung spielt dabei eine zentrale Rolle. Er ist der Träger von militärischen Rollen, Funktionen und Idealen die auf seine Träger zurückstrahlen und sie als Individuum für nicht existent erklären.

Am Ende zählen nur Sieg oder Niederlage, Verlierer sind aber unweigerlich alle. Jeder Schuß den man auf einen anderen abfeuert und jede Kugel der man entgeht, das Entsetzen, der Verrat, die Schreie, die Flammen und die Verwesung reißen von Mal zu Mal größere Löcher in die Seele des Soldaten bis er nicht mehr kann.

Eine Schlacht oder einen Krieg gewinnt oder verliert man im Kollektiv, aber leiden ist etwas individuelles, privates, einsames. Dieses Leiden entbindet den Soldaten jedoch nicht von seiner Verpflichtung im Kollektiv weiter korrekt zu funktionieren wenn der Krieg vorüber ist.

Der Bundesrepublik ist diese Erfahrung von der Kriegsgeneration abgesehen bis jetzt erspart geblieben.

Seit der Gründung der Bundeswehr sind mehrere Generationen von Soldaten in Pension gegangen oder ins Zivilleben zurückgekehrt ohne jemals ernsthaft in Gefahr gewesen zu sein.

Seit dem ersten Auslandseinsatz der Bundeswehr 1993 in Kambodscha hat sich diese Situation geändert. Und spätestens seit dem Bürgerkrieg auf dem Balkan, de facto vor der Haustür ist klargeworden, daß die sich Bundesrepublik militärisch nicht einfach auf dem Sofakissen der historischen Schuld ausruhen kann und darf, sondern im Einklang mit den so häufig propagierten Idealen des Grundgesetzes konform handeln muß, um Leid zu mindern und Wehrlose zu schützen, auch auf die Gefahr hin eigene Verluste zu erleiden.

Als Gegenbeispiele für die deutsche Erfahrung dienen die USA und Israel.

In den USA ist es seit jeher Usus eigene Interessen militärisch durchzusetzen, ob im Alleingang oder an der Seite von Verbündeten. Deshalb liegen die USA mit der Erforschung von einsatzbedingten Streßschäden weit vor allen anderen Nationen, wobei ein Vergleich mit der Ex - Sowjetunion mangels zugänglichem Forschungsmaterial an dieser Stelle nicht möglich ist.

Zuletzt noch Israel. Auf dem Flecken Erde wo heute der Staat Israel liegt und der früher das britische Protektorat Palestina war hat es seit der Zeit Abrahams keinen Tag echten Friedens gegeben. Der Staat Israel ist seit seiner Gründung 1948 ununterbrochen in militärische Auseinandersetzungen mit seinen Nachbarn verwickelt. Entsprechend weit gediehen ist die militärische Streßforschung zumal der Stellenwert der Streitkräfte im Vergleich mit anderen Ländern sehr hoch ist.

Der Soldat, in welchem Land auch immer, ist Teil der Gesellschaft. Er ist Sohn, Vater, Bruder, Ehemann oder einfach Bürger. Kein Land und Deutschland schon gar nicht kann es sich leisten diese Menschen seelisch und geistig kaputtgehen zu lassen nur weil sie ihre Pflicht getan haben.

Die vorliegende Arbeit ist für Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagogen geschrieben worden, in der Hoffnung, daß Soldaten auch immer mehr als Fürsorgeberechtigte sozialarbeiterischen Bemühungen anerkannt werden und, daß der Spruch “Soldaten sind Mörder” von der Sozialen Arbeit als das gesehen wird was er ist, nämlich ein ideologisch gefärbter Literatursplitter.

1.0 Stress aus der Sicht des Soldaten

Stress ist für Soldaten wie Zivilisten zuerst mal nichts anderes als eine Serie von adaptiven Prozessen des Körpers die auftreten wenn das innere Gleichgewicht des Individuums durch intensive, langfristige oder wiederkehrende Beanspruchung gestört ist (vgl. Fröhlich 1998).

Der Unterschied zwischen diesen Gruppen jedoch liegt in der Tatsache, daß Soldaten berufsbedingt gezwungen waren und sind sich Umständen auszusetzen die sowohl psychisch als auch physisch bis an die Grenze der Belastbarkeit eines Menschen gehen können, diese häufig überschreiten bis an den Punkt wo es nicht mehr möglich ist diese zu verkraften.

Im Gegensatz zu den aktuellen, meist humanitären Einsätzen der Bundeswehr und anderer NATO - Streitkräften, waren WK I, WK II, Vietnam Krieg, Afghanistan Krieg, Golf Krieg um nur die bekanntesten zu nennen darauf ausgelegt präzise definierte Gegner, meist in fremden Ländern gezielt und systematisch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu vernichten oder kampfunfähig zu machen.

Millionen Zivilisten die dabei umkamen waren Teil des „Geschäfts“. Ob nun Soldaten die Täter, Opfer oder beides waren ändert nicht an der Tatsache, daß kriegerische Handlungen in hohem Maße Streß verursachen und verheerende

Auswirkungen auf die menschliche Psyche haben wie es bereits früh von Militärs und Medizinern erkannt wurde.

Die britische Armee richtete während WK I Versorgungseinheiten für geistig – seelisch verletzte Soldaten ein. Die US-Armee übernahm die Britischen Prinzipien 1917als die USA in den Krieg eintraten (US – Army 1994, FM 8-51).

Auch namhafte Forscher beschäftigten sich mit den psychischen Folgen des Krieges, z.B: Freud 1919, Ferenczy 1919, Kardiner 1941,1947, Adler 1918.

Für Streßreaktionen waren Bezeichnungen wie Shell Shock, Granatenschock oder Kriegszitter, später auch Combat Neurosis, War Neurosis, Battle - Shock oder Combat Stress Reaktion gängig (vgl. Palmer 1994).

Die Bezeichnung Kriegsneurose (Adler 1918, Freud 1919) zeigt, daß kriegsbedingte psychische Störungen, vor allem wenn sie verzögert aufgetreten sind und den Betroffenen massiv in seiner Lebensführung beeinträchtigt haben als Neurosen klassifiziert wurden (Kardiner 1941/1947).

Heutzutage sind akute Streßreaktionen im ICD 10 und DSM IV erfaßt.

Der Begriff Post Traumatic Stress Disorder (PTSD) oder Posttraumatische Belastungsstörung wurde unter dem Eindruck des Vietnam Krieges und der nachfolgenden Forschung erstmalig im DSM III aufgenommen. Er beschreibt verzögert auftretende Symptome einer Störung die von einem traumatischen Ereignis z.B. Kriegshandlungen, Katastrophe, Unfall herrührt.

Als Ursache gelten Ereignisse die traumatisierend wirken können weil sie ihrer Ausprägung nach schwerwiegend, außerhalb alltäglicher Erfahrungen liegend, schockierend und verletzend sind und potentiell großen Schaden an Körper und Psyche verursachen können. Sie werden allgemein und auch bei der Bundeswehr als „Critical Incident“ oder „CI“ bezeichnet (vgl. BW/IF 1996, Heft 2).

Im Falle von Soldaten sind CI ein breites Spektrum an Vorkommnissen das von Autounfall bis Zeckenbiß alles beinhaltet was während der Dienstausübung passieren kann.

Im Laufe des XX. Jahrhunderts waren solche “CI” unterschiedlich, sowohl in der Art wie sie auftraten als auch wie mit ihnen umgegangen wurde.

Im WK I und WK II waren endloses Töten, Verwundungsgefahr, Massenvernichtung, Witterungsbedingungen, oder ganz allgemein die Art und Weise der Kriegsführung Hauptdeterminanten für „CI“. Der Umgang mit ihnen sowohl vor als auch nach dem Kriegseinsatz war durch rigide Ideologien bestimmt. Im WK I war es die willhelministische Wehr - und Gesellschaftsmoral, im WK II die NS - Ideologie.

In den 90-er Jahren, soweit es die westlichen Industrienationen angeht, wandelte sich der Soldat zum humanitären Helfer. Er trat aus dem Schatten des Kalten Krieges und auch in den Augen der eigenen Dienstherren begann seine Menschwerdung.

Die humanitären Hilfseinsätze brachten im Vergleich mit den Weltkriegen nicht unbedingt neue Formen, jedoch eine Bewertungsumkehr der „CI“. Elend, Hunger, Vernichtung und Tod sind die zu eliminierenden Feinde, nicht gegnerische Armeen. Kampfhandlungen sind ebenso selten wie unerwünscht, die Umstände können nichtsdestotrotz zu schweren Belastung werden und bedingen „CI“.

1.1 Einsatz

Kriegseinsatz, humanitärer Hilfseinsatz, friedensschaffender Einsatz, friedenserhaltender Einsatz sind alles Bezeichnungen die nichts anderes bedeuten als, daß Soldaten aus politischen Erwägungen, im eigenen oder fremden Land mit den ihnen zur Verfügung stehenden militärischen Mitteln einen Zweck verfolgen müssen und diesen erfüllen oder auch nicht.

Bezüglich des Stress ist wichtig zu berücksichtigen, daß ein Soldat per definitionem immer im Dienst und damit immer im Einsatz ist, unabhängig davon ob er sich auf einen „heißen Einsatz“ lediglich vorbereitet oder diesen nachbereitet. In Zeiten ohne militärische Auseinandersetzungen übt der Soldat all das was er zum richtigen Funktionieren „im Felde“ braucht.

Heutzutage sind diese Anforderungen sehr vielfältig.

Der Soldat muß den Umgang mit den high - tech Waffen beherrschen, gleichzeitig muß er sich psychisch unter Kontrolle haben und hat im Vorfeld dafür sorgen, daß familiäre Umstände keine zusätzliche Streßbelastung verursachen.

Der eigentliche Einsatz zerfällt demnach in drei Teile der jeder für sich eigenständige Ursachen für die Streßentstehung hat und sowohl durch die Führung als auch von dem Soldaten Berücksichtigung finden muß.

1.2 Stressoren

Aus militärischer Sicht kann man alle Umstände im Umfeld militärischer Aktivitäten als Stressoren betrachten, die Streß bzw. Stressreaktionen auslösen oder auslösen könnten.

In Vorfeld aller „heißen Einsätze“ stehen die Vorbereitungen.

Militärische Einsatzvorbereitung oder Training zielt darauf ab den Soldaten für seine Auftragserfüllung durch die Erzeugung von Streß zu stärken.

Dies kann auch als positiver Streß bezeichnet werden der nötig ist um die individuelle Streßtoleranz zu steigern jedoch ohne dabei dem Soldaten zu schaden. Diese Streßerzeugung wird für nötig erachtet um die körperliche und geistig - seelische Stärke zu verbessern und zu erhalten.

Eine sukzessive Steigerung der Intensität von körperlichen Stressoren dient der Steigerung der soldatischen Widerstandskraft körperlichen Härten gegenüber und soll einen Zusammenbruch des Organismus verhindern oder verzögern.

Es wird angenommen, daß gleiches auch für den geistig - seelischen Stress gilt, ohne jedoch über allen Mechanismen die eine Rolle spielen im klaren zu sein (vgl. US – Army 1994, FM 8-51).

Die nichtmilitärische Seite der Vorbereitung betrifft den familiärer oder sozialen Umfeld des Soldaten.

Kriege oder humanitäre Einsätze finden fernab der Heimat statt und zwingen den Soldaten sich von allen Menschen die er liebt über einen längeren Zeitraum zu trennen.

Wie er das erlebt hängt von vielen inneren wie äußeren Einflußfaktoren ab und wenn er schon nicht ganz sicher sein kann ob er zurückkommt soll eine Vorbereitung auf den Stress der mit der Trennung verbunden ist stattfinden (vgl. BW/IF 1999, Heft 1).

Sobald die Vorbereitungen abgeschlossen sind wird es ernst, gegebenfalls tödlich ernst.

Die Einsatzbedingungen, seien sie kriegerisch oder nicht, konfrontieren den Soldaten mit vielfältigen Belastungen.

Die Stressoren die dabei auftreten kann man in zwei Typen aufteilen und diese noch mal je zweimal unterteilen:

(US – Army 1994, FM 8-51, Tabelle 1 - 1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.3 Stressreaktionen und Verhalten im Einsatz

Es ist davon auszugehen, daß Soldaten im Dienst, vor allem in Fronteinsätzen mit hohem Potential an traumatisierenden Ereignissen, Verhalten an den Tag legen die Rückschlüsse darüber zulassen wie sie mit dem erzeugten Streß fertigwerden.

Diese können unabhängig vom Willen des einzelnen als Symptome einer vorübergehenden psychischen Störung auftreten als auch als Dienstverhalten die als adaptiv oder disfunktional eingestuft werden können (vgl. US – Army 1994, FM 8-51, Palmer 1997).

Die akuten Kampfstressreaktionen sind als normal zu betrachten (vgl. BW/IF 1996, Heft 2), sofern man berücksichtigt, daß sie mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auftreten und, daß die Situation in der oder nach der sie auftreten als Critical Incident einzustufen ist und diese nun gar nicht normal ist.

Insoweit werden die Begriffe „normal“ und „üblich“ als Synonyme verwendet.

Als körperliche Reaktionen treten am häufigsten in Formen vegetativer Dystonie wie Übelkeit, Zittern, Schwitzen, Schwindelanfälle sowie erhöhtem Blutdruck auf.

Zeitgleich oder zeitversetzt zeigen sich geistig - seelische Reaktionen wie Angst, Furcht ,Wut, Raserei, Gereiztheit, Schuldgefühle, Kummer, Hoffnungslosigkeit, Verwirrung, Wahrnehmungsverzerrung, Haluzinationen, Apathie, Amnesie, Panik, Trauer, Lähmung, Mutismus, beeinträchtigtes Denkvermögen, Sorglosigkeit, uswm. (vgl. BW/IF 1996, Heft 2, US – Army, FM 8-51).

Diese Kampfstressreaktionen (Combat Stress Reactions), werden auch als Gefechtserschöpfung (Battle Fatigue) bezeichnet und sind hochgradig behandlungsbedürftig.

Obwohl CSR als Fehlanpassung an den Einsatzstress zu betrachten sind, erbringen manche Soldaten hervorragende Leistungen trotz dar auftretenden Symptomatik.

Parallel hierzu gelten auch Disziplinverstöße als Maladaption an den Kampfstress. Sie können unter Umständen Formen annehmen über die Vorgesetzte nicht hinwegsehen können und eine Ahndung zwingend erforderlich machen.

Alkohol und Substanzenmißbrauch gehören noch zu den teilweise tolerierten Verhaltensweisen und bis zu einem gewissen Ausmaß werden sie als soldatenüblich betrachtet.

Folgende Disziplinverstöße jedoch übersteigen alles akzeptierbare und ihre Verhinderung ist die Aufgabe nicht nur der Vorgesetzten, sondern auch der jeweiligen Kampfgruppen:

-Verstümmelung toter Feinde, keine Gefangene machen, Tötung von gegnerischen Gefangenen, Tötung von Zivilisten, Folterung, sinnloses Abschlachten von Tieren, Verbündete angreifen, Leichtsinnigkeit, Plünderung, Fraternisation, Simulieren, Vernachlässigung von Erkrankungen, Befehlsverweigerung, Selbstverstümmelung, Bedrohung oder Tötung eigener Vorgesetzter, Desertion.

Fehlanpassung an den Kampfstreß bedingt eine suboptimale Auftragserfüllung bis hin zum totalen Versagen im Einsatz.

Schlecht oder nicht erledigte Aufträge wiederum haben oft sowohl für Soldaten wie auch für Zivilisten verheerende Folgen, die einen Kreislauf von traumatischen Ereignissen perpetuieren die ihrerseits negative Rückwirkungen auf die Psyche der Beteiligten haben.

Daß dabei Menschen in Todesgefahr geraten können, oder gar den Tod finden ist in Kriegen üblich.

Bei humanitären Einsätzen steht aber nicht „nur“ das Leben des einzelnen Soldaten auf dem Spiel sonder auch von Zivilisten denen der Einsatz zugute kommen soll.

Die beteiligten Einheiten laufen Gefahr ihr Ansehen zu verlieren und evtl. eine besondere Beeinträchtigung ihrer Wirksamkeit zu erleiden.

Als positive Adaption an den Kampfstress gelten Verhaltensweisen die auf bestmögliche Auftragserfüllung ausgerichtet sind und aus den Fähigkeiten des Soldaten und seiner Einheit herrühren. Ein besonders hoher Stellenwert wird der Kohäsion in der Gruppe, Loyalität, Korpsgeist, Elitebewußtsein, Überzeugung, Mut, Heroismus, Zähigkeit und Selbstaufopferung beigemessen (vgl. US – Army 1994, FM 8-51).

1.4 Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD)

Berichte über Soldaten die an den psychischen Nachwirkungen ihrer Einsätze leiden sind nicht neu.

Ein gebräuchlicher Name für den Bündel an Symptomen die nach Kampfeinsätzen auftauchten war die Kriegsneurose. Nach dem WK I wurden Soldaten wegen psychischen Störungen behandelt deren Ursprung man vordergründig den Kampfeinsätzen der Patienten zuschrieb, obwohl prädisponierende Faktoren bereits in der prämorbiden Persönlichkeit des Soldaten vermutet wurden (vgl. Kardiner 1941).

Es dauerte noch einen Weltkrieg und noch etliche Kriege und bewaffnete Konflikte (Korea, Israel, Vietnam), bis unter dem Eindruck des Vietnam - Krieges in den Späten 70-er Jahren der PTSD als klassifiziertes psychiatrisches Syndrom in den offiziellen diagnostischen Kriterien der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft, dem DSM III, 1979, später DSM III-R, 1987 und DSM IV, 1994 aufgenommen wurde.

Die Klassifizierung bezog sich nicht ausschließlich auf Kriegsfolgen, denn Mitte der 70-er Jahre wurden ähnliche Symptombündel bei Zivilisten entdeckt die durch Verbrechen oder Naturkatastrophen betroffen waren oder berufsbedingt starken Gefährdungen ausgesetzt sind, wie z.B. Polizisten, Feuerwehrleute oder Katastrophenhelfer (vgl. US – Army 1994, FM 22-51).

Nach den DSM III-R Kriterien (DSM III-R) kann PTSD sein:

-akut (beginnend innerhalb von 6 Monaten nach dem traumatischen Ereignis, jedoch nicht länger als 6 Monate dauernd) -chronisch (beginnend innerhalb 6 Monate und länger andauernd), oder -verzögert (beginnend oder wiederkehrend nach 6 Monaten und sogar Jahre später)

DSM III-R, 1989

Diagnostische Kriterien der Posttraumatischen Belastungsstörung (309.89)

A) Die Person hat ein Ereignis erlebt, das außerhalb der üblichen menschlichen

Erfahrung liegt und fast jeden stark belasten würde, z.B. ernsthafte Bedrohung des eigenen Lebens oder der körperlichen Integrität; ernsthafte Bedrohung oder Schädigung der eigenen Kinder, des Ehepartners oder naher Verwandter und Freunde; plötzliche Zerstörung des eigenen Zuhauses bzw. der Gemeinde; oder mitanzusehen, wie eine andere Person infolge eines Unfalls bzw. körperlicher Gewalt vor kurzem oder gerade ernsthaft verletzt wurde oder starb.

B) Das traumatische Ereignis wird ständig auf mindestens eine der folgenden Arten wiedererlebt:

1) wiederholte und sich aufdrängende Erinnerungen an das Ereignis (bei kleinen Kindern Wiederholungsspiele , bei denen Themen oder Aspekte des Traumas Ausgedrückt werden);

2) wiederholte, stark belastende Träume;

3) plötzliches Handeln oder Fühlen, als ob das traumatische Ereignis wiedergekehrt wäre (dazu gehören ein Gefühl, das Ereignis wieder zu durchleben, Vorstellungen, Halluzinationen, dissozionsartigen Episoden (“flash backs”), auch im Wachzustand oder bei Intoxikation;

4) intensives psychisches Leid bei der Konfrontation mit Ereignissen, die das traumatische Ereignis symbolisieren oder ihm in irgendeiner Weise ähnlich sind, einschließlich Jahrestage des Traumas.

C) Anhaltende Vermeidung von Stimuli, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, oder eine Einschränkung der allgemeinen Reagibilität (war vor dem Trauma nicht vorhanden), was sich in mindestens drei der folgenden Merkmale ausdrückt:

1) Anstrengungen, Gedanken, oder Gefühle, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, zu vermeiden;

2) Anstrengungen, Aktivitäten oder Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen, zu vermeiden;

3) Unfähigkeit, sich an einen wichtigen Bestandteil des Traumas zu erinnern (psychogene Amnesie);

4) auffallend vermindertes Interesse an bedeutenden Aktivitäten (bei kleinen Kindern, Verlust neu angeeigneter entwicklungsbedingter Fähigkeiten, wie etwa Sauberkeitstraining oder Sprachfähigkeiten);

5) Gefühl der Isolierung bzw. Entfremdung von anderen;

6) eingeschränkter Affekt, z.B keine zärtlichen Gefühle mehr empfinden;

7) Gefühl der überschatteten Zukunft, z.B erwartet nicht, Karriere zu machen, zu heiraten, Kinder zu haben oder lange leben zu können.

D) Anhaltende Symptome eines erhöhten Erregungsniveaus (waren vor dem Trauma nicht vorhanden), durch mindestens zwei der folgenden Merkmale gekennzeichnet:

1) Ein- und Durchschlafstörungen;

2) Reizbarkeit oder Wutausbrüche;

3) Konzentrationsschwierigkeiten;

4) Hypervigilanz;

5) übertriebene Schreckreaktionen;

6) physiologische Reaktionen bei Konfrontation mit Ereignissen, die einem Bestandteil des traumatischen Ereignisses ähneln oder es symbolisieren (z.B. eine Frau, die in einem Aufzug vergewaltigt wurde, bricht beim Betreten von Aufzügen in Schweiß aus).

E) Die Dauer der Störung (Symptome aus B), C), und D) beträgt mindestens ein Monat. Bestimme ob verzögerter Beginn vorliegt, wenn die Symptomatik mindestens sechs Monate nach dem Trauma beginnt.

ICD-10, 1991

F 43.1

Posttraumatische Belastungsstörung

Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (kurz oder langanhaltend), die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.

Hierzu gehören eine durch Naturereignisse oder von Menschen verursachte Katastrophe, eine Kampfhandlung, ein schwerer Unfall oder Zeuge des gewaltsamen Todes anderer oder selbst Opfer von Folterung, Terrorismus, Vergewaltigung oder anderen Verbrechen zu sein.

(...)

Typische Merkmale sind das

-wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen
-(Nachhallerinnerungen, flashbacks), Träumen oder Alpträumen, vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit,
-Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen,
-Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber,
-Anhedonie sowie
-Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma Wachrufen könnten.

(...)

Gewöhnlich tritt ein Zustand vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit auf, Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten.

Drogeneinnahme oder übermäßiger Alkoholkonsum können als komplizierende Faktoren hinzukommen.

Die Störung folgt dem Trauma mit einer Latenz, die Wochen bis Monate dauern kann (doch selten mehr als 6 Monate nach dem Trauma).

Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden.

Bei wenigen Betroffenen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine dauernde Persönlichkeitsänderung über (siehe F 62.0).

Diagnostische Leitlinien:

Diese Störung soll nur dann diagnostiziert werden, wenn sie

-innerhalb von 6 Monaten nach einem traumatisierenden Ereignis von

außergewöhnlicher Schwere aufgetreten ist.

(...)

Zusätzlich zu dem Trauma muß eine wiederholte, unausweichliche Erinnerung oder Wiederinszenierung des Ereignisses in Gedächtnis, Tagträumen oder Träumen auftreten.

(...)

Späte, chronifizierte Folgen von extremer Belastung, d.h. solche, die noch Jahrzehnte nach der belastenden Erfahrung bestehen, sind unter F 62.0 (andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung) zu klassifizieren.

Kriterium A des DSM III-R geht davon aus, daß in der Gesellschaft eine überall gleiche Auffassung darüber was „üblich“ ist vorherrscht (vgl. Shay 1998).

Dieser Umstand erschwert die realistische Beurteilung gewisser Ereignisse die im Krieg durchaus zur üblichen Erfahrung gehören aber nichtsdestotrotz schwere Traumata verursachen.

Was Soldaten betrifft, kann es durchaus nicht unüblich sein routinemäßig Ereignisse zu durchleben die für einen Zivilisten schockierend und entsetzlich wären.

Andererseits gibt es auch für Soldaten eine ganze Palette von Vorkommnissen die, so hoffen oder glauben die meisten, einem selbst oder Freunden bzw. Kameraden nie zustoßen werden (vgl. US – Army 1994, FM 22-51/6).

Mit dem Ausdruck „außerhalb der üblichen menschlichen Erfahrung“ ist wohl das gemeint was nach christlich - humanistischer Auffassung nicht üblich sein sollte, also Grausamkeiten unter Menschen, Katastrophen, Verbrechen und Krieg.

Im DSM IV hingegen wird das kritische Ereignis als eines beschrieben, das eine gegenwärtige Bedrohung für Leib, Leben und Gesundheit darstellt und die betroffene Person mit Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen darauf reagiert (vgl. DSM IV 1994).

Diese Formulierung ist neutral genug um weltweit unabhängig von dem was in Kriegen oder Katastrophen gewöhnlich ist auf die gleiche Art und Weise interpretiert zu werden.

Traumatische Ereignisse sind oft Einzelereignisse die häufig mit intensiven sensorischen Stimuli verbunden sind. Bilder, Gerüche, Geräusche oder Gefühle werden im Gedächtnis gespeichert.

Diese Ereignisse bleiben in schrecklicher Erinnerung und werden beim späteren Auftreten der assoziierten Stimuli wieder durchlebt.

Folgende Situationen haben ein besonders hohes Potential PTSD zu verursachen:

-der Tod von Freunden, Kameraden und geliebte Personen unter besonders grausamen Umständen, verbunden mit Schuldgefühlen wegen des eigenen Überlebens (Survivor Guilt), eines tatsächlichen oder empfundenen eigenen Versagens;

-der Tod und Verletzung / Verwundung von unschuldigen, vor allem Frauen, Kinder und Hilflose;

-der Anblick von verstümmelten oder verwundeten Körper;

-Greueltaten, als Zeuge erlebt oder selbst begangen oder Mittäter gewesen zu sein bzw. nicht verhindert zu haben;

-Respektlosigkeit und Pietätslosigkeit toten Freunden und Kameraden gegenüber;

-scheinbare oder tatsächliche Bedeutungs- und Sinnlosigkeit der erlittenen / erbrachten Opfer die auf Unfälle, Sorglosigkeit oder militärische Fehler zurückgehen;

-kein angemessener Empfang und Anerkennung der erbrachten Opfer in der Heimat und dadurch eine Verhinderung der Vergesellschaftung des Traumas und der schrecklichen Erinnerungen indem man gegenüber einer verständnisvollen Öffentlichkeit darüber spricht (vgl. US – Army 1994, FM 22-51/6).

1.4.1 Zusammenfassung

PTSD basiert auf die drei grundlegenden Eckpunkte, und zwar Wiedererleben, Vermeidung und Übererregtheit.

Die betroffene Person hat neben Alpträumen in Verbindung mit den Erlebten auch eindringende, schmerzvolle Erinnerungen und das Empfinden alles noch mal zu durchleben, einschließlich sensorische Täuschungen wie Bilder, Geräusche oder Gerüche.

Sie handelt ganz so als ob das wiederkehrende Ereignis echt wäre und zeigt starken psychologischen oder physiologischen Stress bei Reizen die mit der Trauma assoziiert werden.

Dementsprechend wird versucht Gedanken, Gefühle oder Gespräche zu vermeiden die irgendwie mit dem Trauma in Verbindung gebracht werden können und das gleiche gilt für Orte und Aktivitäten.

In manchen Fällen besteht eine Teilamnesie für Aspekte des Traumas.

Als besonders hinderlich für das soziale Funktionieren gelten Interessen- und Teilnahmslosigkeit, Entfremdung, emotionale Abstumpfung und eine negative Einstellung und Annahme der eigenen Zukunft gegenüber.

Zeitgleich sind die Betroffenen übererregt, überwachsam, haben Schlafstörungen und Konzentrationschwierigkeiten, sind reizbar, zeigen übertriebene Schreckreaktionen und neigen zu Wutausbrüchen (vgl. Palmer 1997).

1.4.2 Beispiel: Persönlichkeitszerstörung bei Vietnamsoldaten

Katastrophale Ereignisse, also auch Kriegsereignisse ziehen häufig über die offiziellen diagnostischen Kriterien des DSM III-R hinaus auch zerstörerische Persönlichkeitsveränderungen nach sich die in der „Klassifizierung von geistigen und Verhaltensstörungen“ der WHO erfaßt werden (vgl. Shay 1988).

Die erfaßten Eigenschaften existierten vor dem traumatischen Ereignis nicht.

Sie gliedern sich wie folgt:

( a ) Eine feindselige oder mißtraurische Haltung gegenüber der Umwelt;

( b ) Rückzug aus der Gesellschaft;

( c ) Gefühle der Leere und der Hoffnungslosigkeit;

( d ) das chronische Gefühl, sich in einer Extremsituation zu befinden, als stehe man

ständig unter Bedrohung;

( e ) Entfremdung

(WHO 1992)

In der Praxis traten bei Vietnamsoldaten folgende Symptome mit variierender Intensität und Zusammensetzung auf:

-Verlust der Kontrolle über mentale Funktionen - insbesondere das Gedächtnis und

die zuverlässige Wahrnehmung.

-Ständige Mobilisierung von Körper und Geist angesichts einer vermeintlichen

Lebensgefahr, mit der Möglichkeit von gewaltsamen Ausbrüchen.

-Weiterbestehen und Aktivierung der Überlebenstechniken in Kampfsituationen im

zivilen Alltag.

-Chronische Gesundheitsprobleme, die sich aus der ständigen Mobilisierung des

Körpers angesichts einer vermeintlichen Gefahr ergeben.

-Ständige Erwartung betrogen und ausgebeutet zu werden; Zerstörung der Fähigkeit,

soziales Vertrauen aufzubauen.

-Ständiges Beschäftigtsein mit dem Feind und den militärischen und staatlichen

Autoritäten, die über den Veteranen bestimmen.

-Alkohol und Drogenmißbrauch.

-Selbstmordneigung, Verzweiflung, Isolation sowie ein Gefühl der Sinnleere und

Bedeutungslosigkeit (Shay 1988).

Shay führt die posttraumatische Persönlichkeitsveränderung des Frontsoldaten in Vietnam, von prädisponierenden Faktoren abgesehen, auf ein gehäuftes Auftreten und Zusammenspiel von Umständen, die rein technisch gesehen jedem Krieg innewohnen und menschliches Fehlverhalten zurück.

Letztere wirken um so verheerender, denn sie wären vielfach vermeidbar.

Er streicht folgende Punkte als besonders bedeutsam heraus:

Verrat an Recht und Moral, Verengung des sozialen Gesichtskreises, Schmerz und Trauer über den Tod von Kameraden, Schuld und unrechtmäßige Stellvertretung, blinde, rasende Wut, genannt „Berserkerwut“, Entehrung des Feindes, kriegsbedingte Umstände und Bedingungen, Schicksal und die Armee als Machtinstrument der Gesellschaft.

Mit dem Verrat an Recht und Moral meint Shay den Verstoß der militärischen Führung gegen die sittliche und ethische Wertvorstellung des Soldaten im allgemeinen und während der Kriegsführung im besonderen.

Auch im Krieg gibt es verbindliche Regeln die mit eine Grundlage der Ehrenhaftigkeit des soldatischen Tuns bilden und gemeinhin für recht und billig gehalten werden. Dazu gehört, daß man keine wehrlose Zivilisten, Frauen und Kinder ermordet.

Als US - Soldaten in Vietnam aufgrund eines Befehls bei Nacht eine Gruppe von vermeintlichen kommunistischen Waffenschmugglern angriffen und vernichteten war ihnen nicht klar, daß sie in der Dunkelheit eigentlich Fischer und ihre Familien töteten. Sie stellten dies am nächsten Morgen fest. Von nordvietnamesischen

Soldaten nicht die Spur.

Obwohl manche Soldaten dagegen aufbegehrten, wurde seitens der Führung abgewiegelt und anschließend bekamen alle einen Orden für hervorragenden Einsatz im Bodenkampf.

Für manchen Soldaten hätte die Entehrung und der Verrat an ihrer sittlichen Ordnung nicht größer sein können als für das Töten von Kindern und Frauen auch noch ausgezeichnet zu werden. Viele dieser Soldaten haben diese Ereignisse nie verwunden und kamen in Therapie (vgl. Shay 1988).

Im Verlauf der Kriegs - und Kampfhandlungen in Vietnam häuften sich Verstöße gegen „das was Recht ist“. Funktionsuntüchtige Waffen, unsinnige Befehle, Anmaßungen und vieles mehr.

Viele Soldaten gelangten zu der Überzeugung, daß auf „die da oben und die anderen Arschlöcher in der Kompanie“ kein Verlaß war.

Und so kümmerte man sich nur noch um die wenigen unmittelbaren Kampfgefährten mit denen man auf Gedeih und Verderb verbunden war.

Der soziale Gesichtskreis des Soldaten zog sich angesichts der Todesgefahr und des Verrats auf einige wenige Kameraden zusammen (vgl. Shay 1988).

Um den Schmerz über den Tod eines Kameraden, des besten Kumpels und Waffengefährten zu verstehen muß man sich darüber klar werden, wie intensiv und brüderlich die Beziehung von Soldaten im Kampfeinsatz sein kann.

Man ist jeweils Garant für das Überleben des anderen. Zwei Soldaten bilden je einmal fünfzig Prozent der gemeinsamen Existenz, psychisch wie physisch.

Stirbt einer, ist das Leben des anderen auch zerstört, vor allem wenn die Möglichkeiten zur Vergesellschaftung des Schmerzes durch Trauer, Zeremonien oder durch die öffentlich Anerkennung der Leistungen des Gefallenen verwehrt oder verhindert wird, wie das in den USA nach Vietnam geschah.

Der unterdrückte Schmerz wird zum immerwährenden Zorn und je länger er anhält um so hinderlicher wird er für die soziale Existenz des überlebenden Kameraden (vgl. Shay 1988).

Manch einer fühlt sich schuldig, daß es den anderen und nicht ihn getroffen hat. Wechsel im Dienstplan, Einspringen für den Kameraden, Zufälle oder einfach Heimaturlaub kann den Tod des einen und Überleben des anderen bedingen.

Das was man „survivor guilt“ oder „Überlebenschuld“ nennt drückt sich durch die Aussage: „Es hätte mich treffen sollen“ aus.

In diesem Aspekt verbirgt sich der Motor für suizidale Neigungen (vgl. Shay 1988).

Shay nennt den Zustand der blinden Raserei des Soldaten der von allem genug hat und dem alles egal ist „Berserkerwut“.

Als Ursache oder Auslöser solcher Zustände werden Verrat, Beleidigungen, Demütigungen, Tod von Freunden, Grausamkeiten des Feindes oder Errettungen vor dem sicheren Tod genannt. Unter den Umständen wie sie in Vietnam herrschten war so ein Verhalten mitunter von den Vorgesetzten begrüßt worden, zumindest so lange bis sich der Blutrausch und Raserei gegen den Feind richtete.

Soldaten in diesem Zustand töteten und begingen Grausamkeiten und hatten danach Teilamnesien bezüglich ihrer eigenen Taten.

Die Katastrophe des Soldaten ist dann perfekt wenn dieser Zustand lange, teilweise Jahre andauert und nach dem Fronteinsatz mit in die Heimat genommen wird und dort sein Leben in der Gemeinschaft vernichtet (vgl. Shay 1988).

Um jemanden auf Befehl töten zu können muß diese Person Eigenschaften aufweisen die sie von uns in negativer Weise unterscheidet. Wären die Feinde wie wir, könnten wir sie nicht töten.

Also hießen die Vietnamesen „gelbe, Reisfresser, Charlie, Schlitzaugen, usw.“ und waren mit allerlei negativen Eigenschaften wie „dreckig, gefühllos, grausam, hinterhältig, usw.“ behaftet.

Die antik anmutende Vorstellung vom ehrwürdigen Feind ist geradezu hinderlich wenn der Soldat blind den Tötungsbefehlen gehorchen soll.

Shay (1988) behauptet, daß solange dem Feind die Ehre nicht zuerkannt wird, kann der Selbstwert des Soldaten auch nicht wieder hergestellt werden, denn ein Krieg gegen „unmenschliche Parasiten“ sei an sich schon ehrlos, sagte ein PTSD - kranker Veteran.

2.0 Forschungsergebnisse

In den nachfolgenden Abschnitten werden wesentliche Forschungsergebnisse aus der Wehrmedizin zusammenfassend dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2000
ISBN (eBook)
9783832432348
ISBN (Paperback)
9783838632346
DOI
10.3239/9783832432348
Dateigröße
754 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Regensburg – Sozialwesen
Erscheinungsdatum
2001 (April)
Note
1,0
Schlagworte
kampftrauma ptsd kriegsneurose
Zurück

Titel: Einsatzbedingter Stress und seine Folgen für Soldaten
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
80 Seiten
Cookie-Einstellungen