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Empowerment im Quartiersmanagement von Berlin - Ideologie und Wirklichkeit eines sozialpolitischen Konzeptes

Empirische Untersuchung am Beispiel der Bürgerbeteiligungsverfahren "Planungszelle" und "Open Space Technology"

©2000 Diplomarbeit 138 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Thema der Arbeit ist das in Berlin 1999 initiierte Sozialprogramm „Quartiersmanagement“. Quartiersmanagements sind staatlich beauftragte und bezahlte Einrichtungen mitten in Stadtteilen mit großen sozialen Problemen. Die Aufgabe dieser Quartiersmanagements ist es, ihrem Gebiet neue Perspektiven zu verschaffen – und zwar vor allem durch „Empowerment“: Durch Empowerment sollen die Bewohner instand gesetzt werden, die Belange ihres Stadtteils auf der Grundlage eigener Strategien selbst in die Hand zu nehmen. Die Diplomarbeit zeigt auf empirischer und theoretischer Basis, inwieweit die in zwei verschiedenen Quartiersmanagements durchgeführten Bürgerbeteiligungsverfahren „Planungszelle“ und „Open Space Technology“ geeignet sind, in einem Wohnquartier Empowermentprozesse anzustossen.
Die Diplomarbeit fokussiert ein Thema, das immer aktueller wird: Bürgerbeteiligung zur Lösung lokaler Probleme, Eigenverantwortung in der Zivilgesellschaft.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung1
2.Quartiersmanagement3
2.1Allgemein3
2.2Quartiersmanagement in Berlin7
3.Bürgeraktivierung und Empowerment13
4.Zwei Quartiersmanagements21
4.1Wrangelkiez (Kreuzberg)21
4.2Boxhagener Platz (Friedrichshain)22
5.Bürgerbeteiligungsverfahren23
5.1Planungszellen (Wrangelkiez)23
5.2Open Space Technology (Boxhagener Platz)26
6.Fragestellung und Zielsetzung der Diplomarbeit29
7.Methoden der Erhebung31
7.1Allgemein31
7.2Teilnehmende Beobachtung34
7.3Leitfadeninterview36
8.Zur Auswertung der Leitfadeninterviews42
9.Zur Organisation der Ergebnisdarstellung44
10.Erfolg und Misserfolg: Open Space Technology und Planungszellen45
11.Die Bürgerbeteiligungsverfahren und die Frage nach Empowerment48
11.1Theoretische Orientierung48
11.2Beschränkung in der Planungszelle55
11.2.1Organisatorische Hintergründe55
11.2.2Deskription und Bewertung56
11.3Entfaltung im Open Space65
11.3.1Organisatorische Hintergründe65
11.3.2Deskription und Bewertung66
12.Kritische Perspektiven77
12.1Empowerment und Verwaltung: Ideologische Diskrepanzen und ihre Folgen77
12.2Empowerment im Quartiersmanagement: Das Paradox und seine Deutung84
13.Zusammenfassung der Ergebnisse97
14.Schluss und Anschluss102
Literatur104
Anhang:107
1.Karten107
2.Das Projekt für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie (Auszug)108
3.Ein Interviewleitfaden109
4.Übersicht zu den interviewten Teilnehmern der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 2732
Schönberg, Martin: Empowerment im Quartiersmanagement von Berlin - Ideologie und Wirklichkeit
eines soialpolitischen Konzeptes: Empirische Untersuchung am Beispiel der
Bürgerbeteiligungsverfahren "Planungszelle" und "Open Space Technology" / Martin Schönb -
Hamburg: Diplomarbeiten Agentur, 2000
Zugl.: Berlin, Universität, Diplom, 2000
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Dipl. Kfm. Dipl. Hdl. Björn Bedey, Dipl. Wi.-Ing. Martin Haschke & Guido Meyer GbR
Diplomarbeiten Agentur, http://www.diplom.de, Hamburg 2000
Printed in Germany


1
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG 3
THEMATISCHE EINGRENZUNGEN UND HINTERGRÜNDE 5
2. QUARTIERSMANAGEMENT 5
2.1. A
LLGEMEIN
5
2.2. Q
UARTIERSMANAGEMENT IN
B
ERLIN
9
3. BÜRGERAKTIVIERUNG UND EMPOWERMENT 15
4. ZWEI QUARTIERSMANAGEMENTS 24
4.1. W
RANGELKIEZ
(K
REUZBERG
)
24
4.2. B
OXHAGENER
P
LATZ
(F
RIEDRICHSHAIN
)
25
5. BÜRGERBETEILIGUNGSVERFAHREN 26
5.1. P
LANUNGSZELLEN
(W
RANGELKIEZ
)
27
5.2. O
PEN
S
PACE
T
ECHNOLOGY
(B
OXHAGENER
P
LATZ
)
30
FRAGESTELLUNG, ZIELSETZUNG UND METHODEN 33
6. FRAGESTELLUNG UND ZIELSETZUNG DER DIPLOMARBEIT 33
7. METHODEN DER ERHEBUNG 35
7.1. A
LLGEMEIN
35
7.2. T
EILNEHMENDE
B
EOBACHTUNG
37
7.3. L
EITFADENINTERVIEW
40
8. ZUR AUSWERTUNG DER LEITFADENINTERVIEWS 46
DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE 48
9. ZUR ORGANISATION DER ERGEBNISDARSTELLUNG 48
10. ERFOLG UND MISSERFOLG: OPEN SPACE TECHNOLOGY UND
PLANUNGSZELLEN 49
11. DIE BÜRGERBETEILIGUNGSVERFAHREN UND DIE FRAGE NACH
EMPOWERMENT 52

2
11.1. T
HEORETISCHE
O
RIENTIERUNG
52
11.2. B
ESCHRÄNKUNG IN DER
P
LANUNGSZELLE
59
11.2.1. O
RGANISATORISCHE
H
INTERGRÜNDE
59
11.2.2. D
ESKRIPTION UND
B
EWERTUNG
61
11.3. E
NTFALTUNG IM
O
PEN
S
PACE
71
11.3.1. O
RGANISATORISCHE
H
INTERGRÜNDE
71
11.3.2. D
ESKRIPTION UND
B
EWERTUNG
71
12. KRITISCHE PERSPEKTIVEN 84
12.1. E
MPOWERMENT UND
V
ERWALTUNG
: I
DEOLOGISCHE
D
ISKREPANZEN UND IHRE
F
OLGEN
84
12.2. E
MPOWERMENT IM
Q
UARTIERSMANAGEMENT
: D
AS
P
ARADOX UND SEINE
D
EUTUNG
91
13. ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE 104
14. SCHLUSS UND ANSCHLUSS 109
ANHANG
1. KARTEN 115
2. DAS PROJEKT FÜR DIE SENATSVERWALTUNG FÜR STADTENTWICKLUNG,
UMWELTSCHUTZ UND TECHNOLOGIE (AUSZUG) 116
3. EIN INTERVIEWLEITFADEN 117
4. ÜBERSICHT ZU DEN INTERVIEWTEN TEILNEHMERN DER
BÜRGERBETEILIGUNGSVERFAHREN 120
4.1. P
LANUNGSZELLEN
(W
RANGELKIEZ
)
120
4.2. O
PEN
S
PACE
T
ECHNOLOGY
(B
OXHAGENER
P
LATZ
)
123
5. EIN INTERVIEWPROTOKOLL 125
I
NTERVIEW MIT
G
UDRUN
B
RENDEL
, 24.01. 2000, 18.30-20.30 U
HR
125

3
1. Einleitung
Die vorliegende empirische Arbeit ist in drei Blöcke unterteilt. Im Folgenden möchte ich diese
Systematik mit der Forschungschronologie in Verbindung setzen.
Im Frühling 1999 begann ich, mich für das Berliner Sozialprogramm ,,Quartiersmanagement"
(2.) zu interessieren. Quartiersmanagements sind staatlich beauftragte und bezahlte Einrich-
tungen mitten in Stadtteilen mit großen sozialen Problemen. Die Aufgabe dieser Quartiersma-
nagements ist es, ihrem Gebiet neue Perspektiven zu verschaffen. ­ Dieses Interesse reifte
schnell zur Entscheidung, eine Zentraldimension des Konzeptes zu thematisieren: ,,Empo-
werment" (3.). Empowerment in diesem Kontext meint eine bestimmte Form der Aktivierung
der Kiezbewohner durch das Quartiersmanagement. Durch diese Aktivierung sollen die Be-
wohner instand gesetzt werden, die Belange ihres Stadtteils auf der Grundlage eigener Strate-
gien selbst zu vertreten. ­ Empowerment sollte in zwei verschiedenen Quartiersmanagements
untersucht werden. Monate vergingen, ehe über ein Verwaltungspraktikum im Frühherbst
1999 festgelegt werden konnte, welche Quartiersmanagements dies sein sollten (4.) und wor-
an Empowerment studiert werden konnte. Die Bürgerbeteiligungsverfahren ,,Planungszelle"
(5.1.) und ,,Open Space Technology" (5.2.) der Quartiersmanagements ,,Wrangelkiez" und
,,Boxhagener Platz" boten eine geeignete Vergleichsmöglichkeit.
Damit war die Phase der thematischen Eingrenzungen abgeschlossen. Das Thema der Diplo-
marbeit stand fest: Empowerment im Quartiersmanagement am Beispiel von zwei verschie-
denen Bürgerbeteiligungsverfahren in zwei Quartieren.
Für die Umsetzung des Themas galt es, eine Forschungsfrage zu formulieren und ein Ziel zu
benennen (6.). Die Forschungsfrage lautet: Inwieweit sind die durchgeführten Bürgerbeteili-
gungsverfahren geeignet, bei den teilnehmenden Kiezbewohnern Empowermentprozesse aus-
zulösen? Ziel ist, ausgehend von der Beantwortung der Forschungsfrage das Konzept Empo-
werment im Quartiersmanagement einer Kritik zu unterziehen. ­ Die endgültige Festlegung
der Forschungsfrage beanspruchte einen Prozess, der über die Anwendung und Reflexion der

4
Methoden (7.) und die Auswertung der Interviews (8.) bis in die Ergebnisentwicklung hinein
reichte.
Die Feldphase erstreckte sich über fast vier Monate (November 1999 bis Februar 2000). Da-
nach konnte ich mich bis zur Abgabe der Diplomarbeit (Anfang Mai) auf die Darstellung der
Ergebnisse, die letzte Phase der Forschungschronologie, konzentrieren. Sie ist folgenderma-
ßen organisiert (9.): Zunächst wird festgehalten, wie erfolgreich die beiden Bürgerbeteili-
gungsverfahren im Sinne von Empowerment waren (10.). Anschließend sind dafür über theo-
retisch angeleitete Deskriptionen Gründe zu plausibilisieren (11.). Mit der Entfaltung kriti-
scher Perspektiven (12.) sollte das Ziel erreicht werden.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse (13.) und ein Schlussteil, in dem ich Anschlussmög-
lichkeiten benennen möchte (14.), runden die Arbeit ab.
Die wichtigste Station in meiner Annäherung ans Feld bedeutete das Praktikum, das ich vom
30.08. bis zum 08.10.1999 in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und
Verkehr absolviert habe. In der Gruppe von Hajo Bergandt und seinen Mitarbeitern erhielt ich
Gelegenheit, themarelevante Akteure kennen zu lernen und eine Fülle wichtiger Informatio-
nen zu sammeln. Dafür schulde ich insbesondere Heidrun Nagel und Raimund Schmelcher
Dank. ­ Ich hoffe, sie verstehen meine Kritik nicht als das Gegenteil.
Berlin, den 1. Mai 2000

5
THEMATISCHE EINGRENZUNGEN UND HINTERGRÜNDE
2. Quartiersmanagement
In 2.1. möchte ich zunächst die sozio-ökonomischen Entwicklungen und ihre lebensweltlichen
Folgen darlegen, die den Hintergrund für die Einrichtung von Quartiersmanagements in der
Bundesrepublik Deutschland und Europa bilden. Darauf bezogen folgt eine Beschreibung
seiner allgemeinen Charakteristika und Ziele. Abschließend sollen auf Grundlage bereits vor-
liegender Erfahrungen mit Quartiersprogrammen einige kritische Perspektiven angesprochen
werden.
Das Programm ,,Quartiersmanagement" in Berlin beruht auf den Analysen und Empfeh-
lungen des sogenannten ,,Häußermann-Gutachtens", welches im April 1998 fertig gestellt und
im Herbst darauf vorgelegt wurde (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz
und Technologie
1
1998). Folglich wird in 2.2. ausgeführt, welche Überlegungen zur Erstel-
lung des Gutachtens geführt haben, zu welchen Ergebnissen und Empfehlungen es gelangt
und was anschließend durch Politik und Verwaltung geschehen ist.
2.1. Allgemein
Die zunehmende Polarisierung bzw. Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft vor allem in
Großstädten ist der Ausgangspunkt für die Einrichtung von Quartiersmanagements (Alisch
1998: 7; Häußermann 1998: 79).
Einkommen und Einkommens- und Arbeitsplatzsicherheit unterliegen einer Ausdifferenzie-
rung, was zu einer ,,sozio-ökonom. Polarisierung" führt (Alisch 1998: 7). Lebens- und Wohn-
formen fächern sich auf und schaffen eine ,,sozio-demographische Ungleichheit". Hinzu treten
sozial höchst selektive Wanderungen. ,,Hinter diesen strukturellen Ausdifferenzierungen ste-
1
Im Folgenden immer nur: Senatsverwaltung.

6
hen" schließlich ,,sozio-kulturelle Heterogenisierungen (Lebensstile, multikulturelle Ausdiffe-
renzierungen)", die über die sozial selektive Nachfrage nach Wohnraum eine ,,sozial-
räumliche" Polarisierung hervorrufen (Alisch 1998: 7).
Entscheidende Kategorie zur Analyse des Prozesses einer sozial-räumlichen Polarisierung ist
die ,,Segregation". Der Begriff meint die Entmischung der Bevölkerungszusammensetzung
von Wohnquartieren: Ein räumlicher Sortierungsprozess der Wohnbevölkerung nach ethni-
schen, sozialen, oder lebensstilbedingten Differenzen (Senatsverwaltung 1998: 3). Die Ent-
mischung führt zu einer Verstärkung bereits vorher sichtbarer Entwicklungen (Senatsver-
waltung 1998: 14). In den problembehafteten Gebieten bedeutet dies eine Verschärfung der
Missstände.
Es kommt zu einer Konzentration von Benachteiligten, von Menschen mit sehr wenig öko-
nomischem, kulturellem und sozialem Kapital (Dangschat 1998: 207ff). Dem Kiez droht
Verwahrlosung sowohl der Sitten als auch des öffentlichen Raumes. Zu befürchten sind au-
ßerdem: Gewalt, vor allem in Form von Konflikten zwischen verschiedenen Ethnien, und
Verarmung, d.h. ein Sinken der Kaufkraft, damit ein Sinken des Warenangebotes usw. ­
Durch diese Faktoren erhöht sich wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass die Bewohner, die in
der Lage wären, das Kiezniveau zu heben, auch noch wegziehen, womit sich die beschriebe-
nen Prozesse noch verstärken. Das Quartier benachteiligt seine Bewohner und schränkt sie in
ihrer Entfaltung ein.
An diese Probleme knüpfen einige quartiersbezogene Programme in der Bundesrepublik
Deutschland seit den späten 80er und den 90er Jahren an. Sie heißen ,,Stadtteile mit besonde-
rem Erneuerungsbedarf" (Nordrhein-Westfalen) oder ,,Armutsbekämpfung" (Hamburg) und
sind inspiriert von Programmen anderer europäischer Länder, wie z.B. Frankreich, Großbri-
tannien und der Niederlande (Alisch 1998: 9f). Sie sollen eine neue Form der Stadtpolitik für
dem Umgang mit Armut in ihrer räumlichen Konzentration in bestimmten städtischen Teilge-
bieten darstellen. Ziel ist es, die Wohn- und Lebensbedingungen deren Bewohner nachhaltig
zu verbessern (Alisch 1998: 12f). Dies zu bewerkstelligen, ist Aufgabe von Quartiersmana-
gements (Stadtteilmanagements).

7
Quartiersmanagements sind von der Kommune bezahlte, kontrollierte und zeitlich befristete
Einrichtungen in einem Stadtteil.
Der Begriffsbestandteil ,,Management" gibt Hinweis darauf, dass ehedem staatliche Aufgaben
an eine unternehmerisch agierende Einrichtung delegiert werden. Hintergrund dafür ist ein
,,neues Steuerungsmodell" der Verwaltung, das unter dem angenommenen Druck engerer fi-
nanzieller Spielräume ein Mehr an dezentraler Organisationsstruktur, Leistungstransparenz
und betriebswirtschaftlicher Organisation vorsieht (Herrmann 1998: 172). Alisch bezeichnet
das Stadtteilmanagement als eine moderne Kommunalpolitik, mit der versucht werde, die
lokale Unfähigkeit des Staates durch betriebswirtschaftlich ausgerichtete Management-
Konzepte zu kompensieren (dies. 1998: 12f).
Kennzeichnend für die Arbeit des Quartiersmanagements sind folgende Merkmale: Quartiers-
bezug und Bürgeraktivierung bzw. Empowerment, horizontale und vertikale Kooperation und
Vernetzung (Alisch 1998: 10).
Das Merkmal Quartiersbezug ist übergeordnet. In der Einrichtung von Quartiersmanagements
drückt sich eine Re-Regionalisierungstendenz aus, die den Stadtteil mit neuer Hoffnung auf-
lädt (Häußermann 1998: 81). Das Wohnquartier als überschaubarer und gestaltbarer Lebens-
raum, in dem sich Lebensbewältigung, Existenzsicherung, Austausch und Teilhabe an gesell-
schaftlichen Institutionen vollziehen, soll eine neue gesellschaftliche Integration leisten
(Alisch 1998: 7). In dieser Perspektive versuchen die Städte, mit Hilfe des Quartiersmanage-
ments einen Ausgleich für den mangelhaften Zugang zur wichtigsten gesellschaftlichen Inte-
grationsinstanz, dem regionalen Arbeitsmarkt, zu schaffen (Alisch 1998: 9).
Um ein Quartiersmanagement handelt es sich insofern, als das Management im Quartier und
bezogen auf das Quartier operiert. Es sollen finanzielle, personelle, räumliche und institutio-
nelle Potenziale erkundet und für das Quartier und seine ihm, und womöglich nur ihm eigenen
Bedürfnisse fruchtbar gemacht werden (Alisch 1998: 13).
Ferner soll es die Bewohnerschaft dahingehend aktivieren, dass sie die Kiezbelange auf der
Basis eigener, sich selbst tragender Strukturen zunehmend selbst in die Hand nimmt (Alisch
1998: 13f). Der Ideologie des Quartiersmanagements eignet somit die Überzeugung, die öf-

8
fentlichen Aufgaben müssten zwischen Staat und Bürger neu aufgeteilt werden. Die Verant-
wortung für die Kiezbelange muss `nach unten', an die Bewohner, delegiert werden. Der
Schlüssel zu dieser Delegierung soll lauten: Empowerment. Dieser Begriff bezeichnet den
Prozess von einem Zustand der Resignation, der Depression, über die Wahrnehmung eigener
Interessen, die Solidarisierung und Selbstorganisation mit Gleichgesinnten, bis hin zur Befä-
higung, die eigenen Interessen zu vertreten und Ziele selbständig zu erreichen (Stark 1993:
41ff). Das Quartiersmanagement soll diesen Prozess bei den Bewohnern der Stadtteile einlei-
ten und unterstützen.
Die Aktivierung ist ein komplexes Unterfangen und vollzieht sich auf verschiedene, jeweils
flexibel (lokal) auszuwählende Weisen. Die unten thematisierten Bürgerbeteiligungsverfahren
sind nur ein Baustein.
Weiterhin sollen lokale Kooperationen durch die horizontale Vernetzung und Bündelung be-
reits auf Stadtteilebene aktiver Kräfte (Nachbarschaftsläden, Schulen, Kirchengemeinden,
Mietervereine, Sportvereine, lokale Wirschaftsbündnisse usw.) eine Rolle spielen (Hinte
1998: 160ff). Bedingung dafür kann das Aushandeln von Gegensätzen oder sogar eine Befrie-
dung kontraproduktiver Konkurrenzen sein. In jedem Fall muss vermittelt werden, dass das
Quartiersmanagement, obwohl seine Einrichtung den lokal mitunter jahrelang tätigen Akteu-
ren aufgepropft erscheinen mag, diese übergeordnete Koordinierungsfunktion legitimerweise
übernehmen darf. In der Vertikalen soll das Quartiersmanagement als Vermittler zwischen der
Verwaltung bzw. der Politik und den Bewohnern agieren. Probleme sind in dieser Sicht quer
zu den Politiksparten und den verschiedenen Verwaltungen als vernetzt (systemisch) zu be-
greifen und anzugehen.
Die nachstehend genannten Erfahrungen aus Hamburg und Nordrhein-Westfalen lehren, dass
dem Ansatz Grenzen gesetzt sind. Die Ergebnisse dieser Diplomarbeit (10.­12.) können sich
teilweise darauf beziehen (Alisch 1998: 10):
·
Lokale Strategien bleiben oft ohne Wirkung, weil die Handlungsspielräume der
Kommunen von externen ökonomischen Faktoren und institutionellen (rechtlichen und
finanziellen) Rahmenbedingungen abhängig sind.

9
·
Eingeübte Denk- und Handlungsweisen und lang gehegte Machtstrukturen wir-
ken hemmend und führen dazu, dass sich Verwaltung und Politik inflexibel und halb-
herzig verhalten.
·
Die Umsetzung des Programms vollzieht sich auf der Basis unzureichender In-
formationen über die Sozial- und Wirtschaftsstrukturen, Bedürfnisse und Werthaltun-
gen der Bewohner.
·
Die Quartiersmanager sind mit einer Aufgabe betraut, für die sie nicht hinrei-
chend qualifiziert sind.
·
Es ist mitunter schwierig, den Bürgern zu vermitteln, dass sie von den Proble-
men betroffen sind. Für Integration und Aktivierung ist das Wissen um die eigene Be-
troffenheit aber notwendig (Hinte 1998: 163).
2.2. Quartiersmanagement in Berlin
Das Berlin nach der Wende ist von großen Strukturveränderungen betroffen (Senatsverwal-
tung 1998: 6ff). Diese sind durch zwei gegensätzliche Entwicklungen gekennzeichnet: Auf
der einen Seite entstehen durch die Modernisierung der städtischen Infrastruktur, die Integra-
tion von Berlin in die internationale Kommunikation, private Investitionen und den Umzug
von Parlament und Regierung neue Chancen, etwa im Bereich der Dienstleistungen. Auf der
anderen Seite gibt es immer mehr Arbeitslosigkeit und Armut in der Stadt. Für beide Ent-
wicklungen gilt, dass sie sich in den betreffenden Gebieten verstärkt haben. Die Kluft zwi-
schen den sich oft in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander befindlichen armen und reichen
Kiezen wird also immer größer. So manifestiert sich auch in Berlin, was oben unter dem
Stichwort Polarisierung beschrieben ist. ­ Diese Einsicht hat zu der Auffassung geführt, dass
sich auch Berlin mit den typischen Großstadtphänomenen der westlichen Welt befassen müsse
(Senatsverwaltung 1998: 13).
Die Berliner Stadtentwicklungsplanung der ersten Hälfte der 90er Jahre hat sich in erster Linie
mit den erstgenannten Aspekten befasst (Senatsverwaltung 1998: 8). Themen der Planung
waren demnach Fragen der allgemeinen Standortentwicklung unter der Hauptstadt- und Me-
tropolenperspektive, Lenkung des Wachstums und die Ordnung des Bauprogramms im Ostteil
der Stadt. Es kam zu einer ,,Neuformierung der funktionalen Struktur der Gesamtstadt". ,,Vor
diesem Hintergrund stellte sich für die Stadtentwicklungsplanung die Frage, inwieweit die [...]

10
bekannten negativen Auswirkungen für die Bewohner und Gewerbestrukturen betroffener
Stadtbereiche zu erwarten wären, und welche Aufgaben für Politik und Verwaltung hieraus
abzuleiten seien."
Ein Gutachten, mit dessen Erstellung die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umwelt-
schutz und Technologie im November 1996 eine Forschungsgruppe um Hartmut Häußermann
beauftragt hatte, sollte unter anderem folgende Fragen beantworten (Senatsverwaltung 1998:
8):
,,Welche sozialen/sozialräumlichen Auswirkungen hat der rasante Strukturwandel in Berlin?"
Sind auch in Berlin Tendenzen einer sozialen Exklusion zu beobachten? Welches sind die
Gebiete, ,,in denen ein besonderer Handlungsbedarf besteht?" Welche Instrumente und
Handlungsstrategien braucht man, um der sozial negativen Entwicklung entgegen wirken zu
können?
Das Gutachten liefert eine Analyse der sozialen Situation der Stadt und ihrer Quartiere. Diese
Analyse enthält sowohl qualitative als auch quantitative Teile, aus deren Vergleich das Ergeb-
nis gewonnen wird. Zu den qualitativen Erhebungen gehören: Gespräche mit den Bezirks-
stadträten und Amtsleitern der Ressorts Bau/Wohnen, Soziales sowie Jugend. Befragt wurden
auch Vertreter von Wohnungsbaugesellschaften und lokale Akteure. Erbeten waren ,,Ein-
schätzungen zu möglichen oder zu erwartenden Auswirkungen von Großprojekten im stadt-
räumlichen Zusammenhang auf die strukturelle Entwicklung der bezirklichen Gebiete". Hinzu
kam eine statistische Analyse von Sozialdaten mit Unterstützung des Statistischen Landes-
amtes. Die Daten ,,stammen überwiegend aus den Jahren 1994 bis 1996" (Senatsverwaltung
1998: 13). Die Entwicklungstrends sollten mit Hilfe dynamischer Indikatoren festgestellt wer-
den: städtebauliche Merkmale, Infrastruktur und Versorgung, soziale Lage der Bevölkerung
und der Zustand des öffentlichen Raumes. Überdies wurden auch Analysen der Zustände an-
derer Städte (z.B. Hamburg) herangezogen.
Die Ergebnisse entsprechen den oben geschilderten Phänomenen, die zur Einrichtung von
Stadtteilmanagements bzw. Quartiersmanagements führen (Senatsverwaltung 1998: 14f).
Stark zunehmende Umzugsbewegungen wirken sozial selektiv und verschärfen bereits beste-
hende ,,Sozialprofile". In die innerstädtischen Bereiche ziehen vor allem jüngere Menschen,
davon überproportional viele aus dem Ausland, und Erwerbslose. Dies erhöht die Zahl der

11
Erwerbstätigen und Familien mit Kindern, die in die sich weiter stabilisierenden Außenbezir-
ke abwandern (s.o.). Die Einwohnerzahl der innerstädtischen Bezirke nimmt ab. Im Ergebnis
wird festgehalten, dass die soziale Segregation der Stadt durch selektive Mobilität zunimmt.
Es zeichnet sich also ein stärkerer Sortierungsprozess nach Einkommen, Nationalität und Fa-
milienstand als vor 1990 ab, und zwar sowohl im West- als auch, wenngleich etwas schwä-
cher, im Ostteil der Stadt (Senatsverwaltung 1998: 14ff).
Im Gutachten werden vier verschiedene Gebietstypen benannt, die durch einen sozialen Ent-
mischungsprozess charakterisiert sind, ,,der so stark ist, dass Handlungsbedarf besteht" (Se-
natsverwaltung 1998: 15). Diese Gebietstypen sind: innerstädtische Altbaugebiete im Westteil
Berlins, innerstädtische Altbaugebiete im Ostteil Berlins, Wohnkomplexe des sozialen Woh-
nungsbaus im Westteil, Großsiedlungen am Stadtrand im Ostteil (Plattenbausiedlungen).
Gemeinsam sind den Quartieren mehr oder weniger die unter 2.1. beschriebenen Kennzeichen
des Elends: Arbeitslosigkeit, Armut, Verwahrlosung usw. ­ Hervorzuheben ist dabei: Die
östlichen Innenstadtgebiete zehren noch von ,,homogenen Sozialstrukturen der DDR-
Gesellschaft", sind aber von den gleichen Entwicklungen wie im Westen betroffen. In den
Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus im Westen verschlimmern die baulichen Mono-
strukturen die soziale Lage zusätzlich. Auch in Plattenbausiedlungen am Stadtrand von Ost-
Berlin, die noch nicht saniert sind und wegen ihrer Größe soziale Kontrolle nur unzureichend
ermöglichen, ist verstärkt soziale Entmischung zu beobachten.
Häußermanns Empfehlungen zur Intervention liegen folgende Auffassungen zugrunde (Se-
natsverwaltung 1998: 16):
Die negative Entwicklung bestimmter Stadtteile ist nicht in den Gebieten selbst verursacht
worden. Arbeitslosigkeit, ethnische Konflikte und eine Verteuerung des Wohnens in großen
Teilgebieten der Stadt sind Resultate von Prozessen, die sich dem Zugriff der Stadtpolitik
entziehen. Gleichwohl ist die Stadtpolitik gefragt, wenn es darum geht zu verhindern, dass
sich Gebiete herausbilden, ,,in denen die rechtlichen, sozialen und kulturellen Standards der
Gesellschaft für viele nicht mehr zu gelten scheinen". Empfohlen wird deshalb die Einrich-
tung von Quartiersmanagements.

12
Der Einwand, dass auch Stadtteilinitiativen, Beschäftigungsgesellschaften, Beratungsbüros
und Jugendtreffs die Negativentwicklung nicht haben stoppen können, wird entkräftet mit
dem Hinweis auf den Charakter des Programms (s.o.). Dabei wird das Prinzip Empowerment
besonders herausgehoben (Senatsverwaltung 1998: 17, 77).
Segregation und Empowerment sind in ihren Wirkungen gegenläufig: Bedeutet die Segregati-
on in ihren Folgen eine Reduktion von Entfaltungsmöglichkeiten, soll Empowerment eben
diese wieder ins Zentrum rücken und erweitern. ­ Es stellt sich die Frage, ob Empowerment
ein sinnvoller Ausgleich für lebensweltliche Beschränkungen sein kann oder ob eben diese
Beschränkungen Stärkungsprozesse bis zur Unmöglichkeit erschweren.
Zu den im Gutachten außerdem genannten Elementen einer urbanen Integration durch Quar-
tiersmanagement gehören (Senatsverwaltung 1998: 17): ,,Bremsen des Rückgangs von Bele-
gungsbindungen bei Wohnungen und Kauf zusätzlicher Bindungen", ,,Umstellung der Städte-
bauförderung von einer Dominanz baulich-investiver Maßnahmen auf eine Verknüpfung mit
Maßnahmen zur Qualifizierung, Arbeitsplatzschaffung und quartiersbezogene Wirtschaftsför-
derung", Einbindung der Privatwirtschaft, Aufbau lokaler Kooperationsrunden. Betont wird
die Notwendigkeit einer ökonomischen Quartiersentwicklung, ,,weil die ökonomische Be-
nachteiligung zu den zentralen Ursachen der sozialen Lage der Bewohner gehört." ­ Auf diese
Punkte werde ich im Rahmen meiner Arbeit nicht eingehen.
Nach Vorlage des Gutachtens setzte ein politischer Prozess ein, der in der Einrichtung von 15
Quartiersmanagements seinen vorläufigen Abschluss fand.
2
Der Beschluss, Quartiersmanagements einzurichten, fiel 1998 auf der von dem Regierenden
Bürgermeister Diepgen einberufenen dritten Innenstadtkonferenz von den Senatsverwaltungen
in Abstimmung mit den Bezirken. Nachdem der Bund seine finanzielle Unterstützung zuge-
sagt hatte, gelang es auch, die zuvor abgeneigte Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und
Verkehr zu gewinnen.
Ende März 1999 wurde dann das Quartiersmanagement-Programm gestartet.
2
Die folgende Darstellung der Rahmenbedingungen des Quartiersmanagements in Berlin beruht auf Infor-
mationen, die ich während meines Praktikums in der Verwaltung in vielen Gesprächen zusammengetragen habe.

13
Finanziert wird es mit 18 Mio. DM. Es ist als ein Pilotprojekt auf knapp drei Jahre, d.h. bis
Ende 2001 angelegt. Mit Bezug auf Häußermanns Kriterien wurden letztlich 15 Quartiere
ausgewählt, von denen die die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und
Technologie fünf übernommen hat:
Sparrplatz (Wedding);
Magdeburger Platz (Tiergarten);
Wrangelkiez (Kreuzberg);
Schillerpromenade (Neukölln);
Boxhagener Platz (Friedrichshain).
Die anderen zehn betreut die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr:
Beusselkiez (Tiergarten);
Soldiner-, Wollankstraße (Wedding);
Helmholtzplatz (Prenzlauer Berg);
Falkplatz (Prenzlauer Berg);
Neues Kreuzberger Zentrum ­ Wassertorplatz;
Bülowstraße - Wohnen am Kleistpark (Schöneberg);
Rollbergsiedlung (Neukölln);
Sonnenallee (Neukölln);
Oberschöneweide (Köpenick);
Marzahn-Nord.
In der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr ist Herr Bartz für das Quartiersma-
nagement zuständig, in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Tech-
nologie war es bis zu seiner Pensionierung Herr Bergandt. Unter ihrer Federführung ist die
Auswahl der Quartiere und ihrer `Manager' getroffen worden, und unter ihnen läuft (lief) auch
die Kontrolle bzw. die Betreuung der Quartiersmanagements ab.

14
Die Kieze haben jeweils etwa 10-20000 Einwohner und wurden zumeist um eine bestimmte
Straße oder einen bestimmten Platz herum abgegrenzt. Die Quartiersmanagements haben ihre
Arbeit im Laufe der ersten Jahreshälfte 1999 aufgenommen.
Mit Bezug auf das Häußermann-Gutachten verfasste Hajo Bergandt von der Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie ein Exposee, das die Einrichtung des
Quartiersmanagements anleiten sollte.
3
Die im Exposee genannten vier Aufgabenbereiche der Quartiersmanagemens sind folgende:
Stadtteilkoordination (Vernetzung lokaler Akteure), Organisation der Bewohneraktivierung,
Projektinitiierung (vor allem zu Bildung und Beschäftigung) und Mitwirkung an der Erfolgs-
kontrolle. Im Hinblick auf Empowerment steht das Exposee den Ausführungen von Häußer-
mann in nichts nach: Gleich an mehreren Stellen wird die Bewohneraktivierung als ein
wesentliches Ziel erwähnt. Die starke Betonung legt nahe, dass die Bewohneraktivierung als
eine Art Metaziel verstanden werden kann. In diesem Sinne wäre auch die Stadtteilkoordina-
tion eine besondere, eine elaborierte Form der Aktivierung bereits vorhandener Aktivitäten im
Sinne von Vernetzung.
Auftraggeber sind die oben genannten Senatsverwaltungen und die jeweiligen Bezirksämter.
Die Auftragnehmer müssen folgende Anforderungen erfüllen: betriebswirtschaftliche Kennt-
nisse (Arbeitsmarkt usw.), soziale Kompetenz (Moderation, Konfliktmanagement, Methoden
der Bewohneraktivierung), Gebietsbezogenheit, technisch-organisatorische Infrastruktur,
Überblick zu Fördermöglichkeiten (Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen etc.) und Erfahrung in
der Stadtteilarbeit, im Projektmanagement, in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Darüber
hinaus sind (im Westen) Einzelpersonen gefragt, die ihre besonderen Fähigkeiten in der
Kommunikation mit der türkischen Bevölkerungsgruppe in ein Management-Team einbringen
können (Senatsverwaltung 1999: 2).
Den Zuschlag erhielten bevorzugt Stadtteilbüros, Bildungsträger und Sozialprojekte, die
schon vorher in den Vierteln tätig waren. Da die Gebiete unterhalb der Ebene grundlegender
3
Von diesem Exposee habe ich Gedächtnisprotokolle angefertigt.

15
Gemeinsamkeiten wie Arbeitslosigkeit usw. durchaus unterschiedlich sind, werden in der Pi-
lotphase auch verschiedene Arbeitsstrukturen ausprobiert. Manche Quartiersmanagements
waren vorher bereits in ihrer heutigen personellen Besetzung als Nachbarschaftshaus z.B. ak-
tiv, andere bestehen aus Akteuren ganz verschiedener Bereiche, die sich eigens für diesen
Auftrag zusammengeschlossen und beworben haben (vgl. 4.). Die letzte Variante liegt nahe,
denn aus der Bandbreite der Aufgaben und dem daran orientierten Anforderungsprofil, das
schwerlich von einer Person oder Personen des gleichen Arbeitsbereichs verkörpert werden
kann, ergibt sich die Notwendigkeit einer heterogenen Zusammensetzung.
Die Quartiersmanagements erhalten einen jährlich festgelegten Pauschalbetrag, mit dem alle
Kosten bestritten werden müssen (Telefon, Miete für das Büro, Versicherung, Steuern, Öf-
fentlichkeitsarbeit und Personalkosten).
4
Mittel für Projekte und Aktionen müssen über För-
dertöpfe aquiriert werden. Für die Finanzierung kurzfristiger, schnell sichtbarer Maßnahmen
stehen jährlich 30000 DM zur Verfügung, die von lokalen Initiativen und Bewohnergruppen
beantragt werden können. Über die Vergabe entscheiden die Quartiersmanager und die Ver-
treter von Senat und Bezirk, später ein gewählter Beirat oder ein anderes Gremium auf Quar-
tiersebene.
Das Quartiersmanagement soll evaluiert werden. Zum Zeitpunkt meines letzten Gesprächs mit
einem Vertreter der Senatsverwaltung wurde mir dies bestätigt. Der Auftragnehmer stand
noch nicht fest.
3. Bürgeraktivierung und Empowerment
Die Kategorie Empowerment hat den Verfasser dieser Diplomarbeit zunächst stark für sich
eingenommen. ­ Im Folgenden wird daher auch zu zeigen sein, wodurch diese Faszination
konstruiert und anschließend dekonstruiert wird.
4
Diese Informationen habe ich einem im Quartiersmanagement ,,Boxhagener Platz" ausliegenden Handzettel
entnommen.

16
Eine zweite Vorbemerkung: Dieser Gliederungspunkt eignet sich gut, eine grundsätzliche
Gefahr der Beschäftigung mit dem Gegenstand zu illustrieren. Der Dschungel von Akteuren,
Organisationsformen, örtlichen Bedingungen und Befindlichkeiten usw. könnte Beobachter
daran hindern, die Vielfalt im Kleinen und Komplexen mit Blick auf die Funktionen von
Quartiersmanagement und Empowerment im Großen zu übersteigen.
Empowerment ist eine ambitionierte und grundlegende Form der Bürgeraktivierung. Für den
Zweck dieser Arbeit sollen Bürgeraktivierung im Allgemeinen und dann Empowerment im
Besonderen erörtert werden. Dabei sind jeweils der Kontext des Begriffs, seine Bedeutung in
der Praxis und darin auftretende Probleme einzubeziehen.
In den letzten 25 Jahre bilden ,,Gemeinwesenarbeit", ,,stadtteilbezogene Arbeit" und schließ-
lich das ,,Stadtteilmanagement" (Quartiersmanagement) die Stationen eines sozialräumlichen
Arbeitsansatzes (Hinte 1998: 156).
Das gewandelte Verständnis von Bürgeraktivierung ist ein Kennzeichen dieser Entwicklung
(Hinte 1998: 154). In den 70er Jahren entwickelte sich in der Bundesrepublik Deutschland mit
der ,,Gemeinwesenarbeit" (GWA) eine bestimmte Form der Bürgeraktivierung. Von progres-
siven Sozialarbeitern gefördert und von vielen konventionellen Planern gefürchtet, sollten
Bürger dazu gebracht werden, sich für ihre Belange einzusetzen, Widerstand zu entwickeln
und selbst zur Gestaltung ihrer Lebenswelt beizutragen. Angesprochen waren vor allem
benachteiligte Bürger. Ein Vorwurf an aktuelle Autoren des Partizipationsdiskurses lautet:
Diese Tradition wird nicht oder nur widerwillig rezipiert (Hinte a.a.O.). Je mehr sich im Laufe
dieser Arbeit das heutige praktische Verständnis von Bürgeraktivierung als ideologisch auf-
geweicht herausschält, desto überzeugender erscheint die Kritik an der gängigen Theorie. In
den 70er Jahren indes ging es darum, durchaus konfrontativ und gesellschaftlich begleitet von
einem im linken Spektrum mitunter noch üblichen Gestus der Revolution eine Gegenmacht zu
den Apparaten herauszubilden.
Heute sind die Verhältnisse anders, subtiler (Hinte 1998: 154): Die Verwaltung will Bürger-
beteiligung, sendet aber widersprüchliche Signale aus. Bürgerbeteiligung ist erwünscht, doch
sie muss ordentlich vonstatten gehen und keinesfalls subversiv oder kritisch. Binnenorientie-
rung von Verwaltung und Politik, knappere Ressourcen und komplexere Apparate behindern

17
die Bürgeraktivierung. Und: ,,Damals mussten die BürgerInnen die Macht erkämpfen, heute
wird so getan, als hätten sie sie bereits ('Sie können ja, wenn sie nur wollen.'), doch in Wirk-
lichkeit weiß keiner genau, wer was wann entscheiden kann."
Die Fachliteratur weist bezüglich der Bürgeraktivierung im Quartiersmanagement auf einige
Erfordernisse und Probleme hin (Hinte 1998: 153). Sie zeigen die große Bandbreite der Akti-
vierung auf.
Stadtteilmanager müssen herausfinden, was den Leuten wichtig ist (Hinte 1998: 160). Wenn
die Bedürfnisse im Verborgenen liegen, so müssen sie zum Beispiel in Gesprächen erschlos-
sen werden, die als Vorbereitung oder Beginn der Aktivierung eigens zu organisieren sind.
Dies ist deshalb wichtig, weil die für die Menschen in einem Stadtteil auch emotional wichti-
gen Themen oft nicht die Themen der staatlichen Stadtplanung sind (Hinte 1998: 162). Inso-
fern hat das Quartiersmanagement zunächst die Aufgabe, die Verwaltung mit dem Relevanz-
system der Lebenswelt Kiez zu konfrontieren (Hinte 1998: 157).
Da die Bedürfnislagen disparat sind, muss ein Dialog gemanagt werden. "Kommunikation als
Grundlage einer zivilen Gesellschaft" ist das Medium des Quartiersmanagements (Hinte
1998: 158). Sie ist nicht nur zwischen den Bürgern erforderlich, sondern auch zwischen den
Bürgern und der Verwaltung. Denn: ,,Die Menschen im Stadtteil sind häufig auf konkrete,
machbare und rasch zu realisierende Massnahmen orientiert, während bürokratische
Organisationen vornehmlich in mehrjährigen Prozessen, sauber geführten Akten und korrekt
eingeholten Auftragsvergaben denken." (Hinte 1998: 163)
Die Bürger müssen kurzfristig integriert und aktiviert werden, und zwar mit Perspektive auf
mittel- und langfristige Prozesse. Dazu gehört eine dauernde Information der Kiezbewohner
(Hinte 1998: 163).
Die Formen der Aktivierung und Beteiligung sind entsprechend dem Postulat der Ortsbezo-
genheit durchaus heterogen: themen- oder zielgruppenorientierte Versammlungen, Stadtteil-
feste, Kulturveranstaltungen, Zusammenarbeit mit bestehenden Initiativen und Stadtteilorga-
nisationen, Bürgerkommitees, Elternbeiräte, Pfarrgemeinderäte, ferner Haustürgespräche, Öf-

18
fentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligungsverfahren (s. 5.). Einen Eindruck dieser Vielfalt soll
in dem Auszug aus meinem Projekt für die Senatsverwaltung gegeben werden (s. Anhang 2.).
Über kurzfristige Aktionen hinaus sollen Strukturen aufgebaut werden, die die Aktivierung
unterstützen und ein dauerhaftes Ermutigungsklima schaffen (Hinte 1998: 165.). Dieses Kli-
ma muss ­ zunächst noch mit kommunaler Unterstützung etwa durch das Quartiersmanage-
ment ­ von unten entstehen, denn solange die Bewohner lediglich Empfänger sind, können sie
die Aktivitäten nicht mit Leben füllen. Die richtigen Strukturen sind flexibel und ermöglichen
viel Spielraum für eigenwillige Akteure und dynamische, kreative Prozesse. Nur diese Struk-
turen werden der Lebenswelt gerecht, auch wenn sie nach wie vor (oder vorläufig noch) der
Notwendigkeit unterliegen, an die Verwaltung anzudocken.
Generalisierbare Erfahrungen zu diesen Versuchen der Aktivierung liegen nur in Ansätzen
vor. Die Heterogenität der Erfahrungen beruht auf je individuellen Formen. Gemeinsam
scheint ihnen die gesellschaftstypische Abkehr von langfristiger Verbindlichkeit zu sein.
Gruppen kommen oft zufällig und kurzfristig zusammen, planen nicht langfristig (Hinte 1998:
161). ­ Dabei stellt sich mir die Frage, wie bei einem Organisationsmodus, der als Symptom
des Individualismus eine permanente Exitoption aufrechterhält, über kurze Aktionen hinaus
selbst tragende Strukturen aufgebaut werden können.
Als Lösung des Problems der Verschiedenartigkeit von Akteuren, Interessen Organisa-
tionszusammenhängen und Handlungslogiken werden ,anarchistische' Verfahren empfohlen,
die in einer Mischung von geregelten und ungeregelten Verfahren die Kooperation mit den
Menschen vor Ort organisieren (Hinte 1998: 165).
Der Versuch, Bewohner zu aktivieren, wird in der Fachliteratur durchaus in einer Weise pro-
blematisiert, an die ich in meiner Arbeit anschließen kann, mitunter allerdings in einer Ab-
setzbewegung.
Eine kritische Perspektive rekurriert auf den Begriff der ,,Aktivierung": Dieser legt nahe, die
Bewohner seien inaktiv und müssten erst aktiviert werden (Hinte 1998: 159). In der Tat aber
,,sind Menschen in einem Quartier auf vielfältige Weise aktiv" ­ jedoch nicht so, wie die
Stadtteilmanager sich das vorstellen, das heißt nicht als Repräsentanten eines Typus, der fort-

19
laufend sinnvolle Taten vollbringt. Daher darf nicht versucht werden, die Motivation von au-
ßen herzustellen, sondern es muss an die schon bestehende angeknüpft werden. Zu vermeiden
ist die ,,Sozialarbeiterische Pädagogenfalle". Es geht nicht darum, die Menschen dort abzu-
holen, wo sie stehen, und dahin zu bringen, wo sie gemäß dem Menschenbild hin sollen.
Vielmehr kommt es darauf an, dass man versucht, mit den Menschen zusammen die Lebens-
welt zu gestalten ­ unter Akzeptierung ihrer privaten Interessen und Eigenarten (Hinte 1998:
159).
Diese Kritik ist selbst fragwürdig, wenn nicht scheinheilig: Der eingeforderte Respekt vor der
Freiheit der Kiezbewohner bleibt immer eingelagert in die Ideologie einer Sozialpolitik, deren
Logik eine Verpflichtung der Bürger zu einem lokalen Engagement als Kompensation des als
unumgänglich vorgestellten staatlichen Rückzugs zwingend voraussetzt.
Ein anderes Problem der Aktivierung wird darin gesehen, dass sie sich auf sozial Benachtei-
ligte mit wenig materiellen, kulturellen und sozialen Mitteln bezieht (Herrmann 1998: 181).
Die herkömmlichen Formen der Bürgerbeteiligung legen zumeist Maßstäbe für die ,,bürgerli-
che" Mittelschicht an (Hinte 1998: 155). Bürgersprechstunden werden von Menschen wahr-
genommen, die gelernt haben, damit umzugehen. Geordnete runde Tische sind nicht das
Richtige für laute und ungeordnete Bevölkerungskreise. So entsteht der Verdacht, dass trotz
aller Aktivierungsrethorik die Problemkinder fern und die Vertreter der bürgerlichen Mittel-
schicht bei Laune gehalten werden.
Die Schichtdifferenz manifestiert sich insbesondere in der Akzeptanz des Mediums Sprache
(Herrmann 1998: 182). Der Anspruch, zu aktivieren oder den Menschen sogar ihre Würde
wiederzugeben, kann fehlschlagen, wenn sich die Problemfindungsprozesse vor allem sprach-
lich vollziehen. Sprache als handlungs(an)leitendes Medium gewinnt erst in mittleren Bil-
dungsschichten an Bedeutung. Daher ist es wichtig, unmittelbare Anschaulichkeit zu organi-
sieren. Diese Überlegung mag dazu geführt haben, dass im Rahmen des Bürgerbeteiligungs-
verfahrens ,,Planungszelle" (in Berlin) eine Ortsbegehung angesetzt wird.

20
Im Kontext des Quartiersmanagements hat sich ,,Empowerment" als eine Kategorie etabliert,
die ein bestimmtes Verständnis von Bürgeraktivierung ausdrückt.
Inspiriert von der US-amerikanischen Bürgerrechts- und Frauenbewegung, wird der Begriff
seit Anfang der 80er Jahre in den USA in Diskursen über Gemeindepsychologie erörtert
(Keupp 1993b: 366). Wurde die Diskussion anfangs vor allem in angelsächsischen Ländern
geführt, rückt Empowerment seit Anfang der 90er Jahre zunehmend auch in Deutschland in
den Blickpunkt von Sozialarbeit und Sozialpolitik (Stark 1993: 41).
Empowerment als Hilfe zur Selbsthilfe richtet sich, wie andere sozialarbeiterische Ansätze
auch, auf ,,Individuen, Gruppen, Organisationen oder Strukturen", die gelähmt sind durch
Gefühle wie Ohnmacht, Ratlosigkeit usw. (Herriger 1993: 224).
Besonders angesprochen sind Gruppen, die typischerweise schlechte Voraussetzungen zur
Selbstentfaltung haben. Dazu gehören zum Beispiel Frauen und Mädchen, die oftmals ,,Ab-
wertungserfahrungen" und ,,Enteignungserlebnisse" verarbeiten müssen (Sonntag 1993: 50).
Es liegt aus diesem Grund nahe, die feministischen Erfahrungen von (Auto-) Empowerment
als Modell heranzuziehen. Adressaten sind auch Kinder und Jugendliche, die lernen müssen,
sich selbständig in einer Gesellschaft zurechtzufinden, in der Prozesse von Enttraditionalisie-
rung, Entstandardisierung von Lebensläufen und Pluralisierung von Lebensstilen die Lebens-
bewältigung grundsätzlich erschweren (Keupp 1993b: 365ff). Diese Perspektive kann man
freilich auf alle Bevölkerungsteile ausdehnen, da alle von der postmodernen Unübersichtlich-
keit und Orientierungslosigkeit betroffen sind.
In diesem allgemeinen Kontext ist Empowerment zu beschreiben als der Versuch, die indivi-
duelle Entscheidungskompetenz zu stärken, unter anderem durch Anleitung zum Aufbau
,,selbstorganisierter sozialer Beziehungsnetze" (Keupp 1993a: 52). Adressaten sind somit alle
Gruppen, die sich selbständig um die Lösung lokaler Probleme bemühen und Unterstützung
brauchen. Die Unterstützung erhalten sie durch bestimmte Personen und Gruppen, ein ,,so-
ziales Klima" und ein ,,mentorship", wie das Quartiersmanagement eines zu sein beansprucht
(vgl. Keupp a.a.O.).

21
Empowerment im Rahmen des Diskurses der Gemeindepsychologie und Sozialarbeit wird
folgendermaßen umschrieben:
Es geht um die Einleitung und Unterstützung eines Prozesses, bei dem Menschen im lokalen
Rahmen ihre eigenen Stärken und Interessen erkennen, Ziele definieren und versuchen, diese
zusammen mit anderen zu erreichen (Stark 1993: 41ff). Das Besondere des Konzepts liegt in
einem neuen Begriff von Hilfe: Sie versucht, die Menschen als kompetente Akteure wahrzu-
nehmen. Sie tut dies in der Weise, dass sie personelle Potenziale als Ressourcen zur Pro-
blemlösung hervorhebt und aktiviert (Keupp 1993b: 366). Im Ergebnis sollen die so Akti-
vierten Autonomie und Souveränität erlangen.
Überraschend ist Herrigers Vorstellung des Prozesses von Empowerment (Herriger 1991:
224f). Er unterteilt ihn in die drei Stufen der Mobilisierung, Formierung und Politikfähigkeit.
In der ersten Phase, der Mobilisierung, ist die Betroffenheit extrem, und der Zorn gegenüber
der Ignoranz der Macht schlägt um in eine ,,Neudefinition der Beziehung zwischen Selbst und
staatlicher Autorität", die eine ,,Ent-Mythifikation" bedeutet. In der zweiten Phase, der For-
mierung, entsteht in einer Gruppe ein ,,Gefühl kollektiver Stärke", aus dem heraus Allianzen
mit der Umwelt geschmieden und Strategien entwickelt werden, die die Gruppe zu einem
Faktor in der Lokalpolitik macht. Drittens schließlich tritt die Gruppe in die ,,Phase der ent-
wickelten Politikfähigkeit" ein. Dies bedeutet Organisationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit.
Herriger exemplifiziert diesen Prozess an einer Gruppe von Familien: Nachdem zwei Kinder
auf der Straße umgekommen sind, versucht diese Gruppe, eine andere Verkehrsführung zu
erwirken. Bis zur gereiften Politikfähigkeit, die ein Durchsetzen der eigenen Interessen mög-
lich erscheinen lässt, müssen die genannten Phasen durchlaufen werden.
Das Beispiel und auch das daraus abstrahierte Modell sind deshalb interessant, weil sie ge-
genüber den kommunalen Behörden eine konfrontative Stellungnahme implizieren. Hier er-
scheint Empowerment durch das Quartiersmanagement als eine umfassende, weil theoretisch
die Pole Depression und Politikfähigkeit umgreifende Form der Aktivierung. Gleichzeitig ist
es jedoch verankert in einem ,,Fortschrittsprogramm der sozialen Arbeit" (Herriger 1991:
221). Es besteht also die Gefahr, dass die von der Verwaltung eingesetzten Quartiersmanager

22
oder Sozialarbeiter den Menschen dazu verhelfen, sich gegen die Verwaltung zu engagieren. ­
So deutet sich ein Widerspruch an, der in der Verwendung des Konzeptes Empowerment im
Rahmen eines staatlichen Sozialprogramms a priori angelegt ist. Der Widerspruch führt zu
einem notwendig inkonsistenten Umgang mit Empowerment und dazu, dass sich der Empo-
wermentbegriff von Herriger in dieser entlarvenden Schärfe nur selten in die Texte des ge-
genwärtigen Partizipationsdiskurses verirrt. Er ist nicht mehr zeitgemäß, weil ideologisch un-
passend.
Doch auch die Explikation der guten Folgen von Empowerment stößt an die für Verwaltung
und Politik kritische Schwelle politischer Mündigkeit.
Einmal in Gang gesetzt, ergeben sich Veränderungen "auf der emotionalen, kognitiven und
interaktiven Ebene", die sich subsumieren lassen unter einer gesteigerten Aneignung der Um-
welt (Stark 1993: 41). Es stellt sich eine allgemeine Steigerung des Selbstbewusstseins und
Zufriedenheit ein (Stark 1993: 44). Wer empowert wurde, ist in seiner Perspektive nicht nur
begrenzt auf bestimmte psychosoziale Handlungsfelder, er erweitert seinen Blick auf gesell-
schaftliches Handeln insgesamt.
Abzugrenzen ist Empowerment von allen Spielarten des "advokatorischen Modells" sozialer
Arbeit. Dieses setzt bei den Defiziten der Menschen an und fragt danach, wie diese zu behe-
ben sind. Dabei ­ und das ist die Kritik von Seiten der Vertreter von Empowerment ­ werden
die Betroffenen auf die Rolle der Hilfebedürfigen festgelegt und in ihrer Entfaltung gehemmt.
Hierfür steht die Formel der "erlernten Hilflosigkeit" (Stark 1993: 41; Keupp 1993b: 365):
Die Beziehung zwischen sozialen Dienstleistern und den benachteiligten ,Problemkindern'
der Gesellschaft ist eine patriarchale. Die aufgezwungenen sozialen Dienstleistungen entmün-
digen die Menschen. Die Hilflosigkeit wird unterstellt und generalisiert (Herriger 1991: 223;
Schober 1993: 45). Dies bedeutet eine Reduktion der Komplexität von Persönlichkeiten oder
Kiezen, die immer Schwächen und Stärken haben. Dadurch gehen Kompetenzen verloren,
einfach weil sie verlernt werden. Die womöglich nur partiell oder punktuell bestehende Hilf-
losigkeit wird habitualisiert und damit teilweise konstruiert. ­ Die Folge: Ein allgemeines und
diffuses Gefühl von Hoffnungslosigkeit, Antriebsschwäche usw.

23
Der Charme des Konzepts beruht meines Erachtens auf einer Rhetorik der Emanzipation und
einer Abgrenzung von Szenarien der fremdverschuldeten Hilflosigkeit. Die Texte evozieren
eine für unsere Zeit untypische und darum umso attraktivere Feierlichkeit der Menschwer-
dung.
Das Konzept von Quartiersmanagement hat diesen heute in der Sozialarbeit verbreiteten Be-
griff adaptiert. Es versteht darunter eine Form der Aktivierung der Bewohner benachteiligter
Kieze, die diese langfristig befähigt, auf der Basis eigener Strukturen Kiezbelange selbständig
wahrzunehmen. Insofern bedeutet Empowerment im Quartiersmanagement den Versuch, städ-
tische Lebensweise zu verändern. In diesen Prozess lassen sich die oben genannten Stufen
(von der Resignation bis zur Selbstorganisation) einordnen (Senatsverwaltung 1998: 17, 77ff).
Um dies zu leisten, muss sich das Quartiersmanagement fragen, welche Bedingungen die Em-
powermentprozesse fördern oder behindern bzw. wie diese Bedingungen hergestellt oder ver-
mieden werden können (Stark 1993: 42).
Allgemein geht es dem Quartiersmanagement darum, Gleichbetroffene miteinander ins Ge-
spräch zu bringen, eigeninitiierte Projekte zu unterstützen und Zusammenhänge zu unterstüt-
zen (Keupp 1993b: 378). Bezugsgröße von Empowerment im Quartiersmanagement ist also
die Gruppe.
Die gesellschaftlichen Bedingungen des Konzeptes werden von den Autoren des Partizipa-
tionsdiskurses nur vereinzelt thematisiert, offenbar handelt es sich hier um einen blinden
Fleck.
Immerhin hat Julian Rappaport, der Empowerment Mitte der 80er Jahre als Begriff in der
Gemeindepsychologie stark gemacht hat, eine Dialektik von Rechten und Bedürfigkeiten ge-
sehen (Keupp 1993b: 371). Auf der einen Seite kritisiert er den Sozialstaat, dieser mache mit
seinen wohlwollenden Helfern die Menschen zu Kindern, lege sie auf die Rolle der Bedürfti-
gen fest und nehme ihnen damit ihre Rechte. Gleichzeitig bemerkt er am Beispiel von Rea-
gans ,Sozial'-Politik, dass der Staat mit Schlagworten wie Bürgerrechten und Freiheit wohl-
fahrtsstaatliche Leistungen abbaut und reale Bedürftigkeiten verkennt. In diesem Zusammen-
hang meint er treffend: ,,Rechte ohne Ressourcen zu besitzen, ist ein grausamer Scherz." (zit.

24
nach Keupp a.a.O.) ­ Somit wäre die oben (2.2.) gestellte Frage abschlägig beantwortet. Ohne
gegebene Entfaltungsmöglichkeiten bleibt jede Empowermentanstrengung ohne Bezug und
damit ohne Sinn.
Andere Autoren konstatieren den Riss durch die Gesellschaft: Arme, Alte und Behinderte
werden von der Sozialpolitik nicht mehr wahrgenommen, gesellschaftliche Chancengleichheit
gibt es nicht mehr (Keupp 1993b: 379). Auch wird eingeräumt, dass eine reformunfähige Ge-
sellschaft den Selbsthilfegruppen ungeheure, ja zu große Lasten zumutet. Trotzdem wird dar-
aus hartnäckig die Konsequenz gezogen, Selbstorganisation müsse gerade dort gefördert wer-
den, wo die Bedingungen dafür besonders schlecht seien ­ und zwar mit geeigneten Strategien
und gezielter gesellschaftlicher Ressourcenschöpfung.
4. Zwei Quartiersmanagements
Sowohl der Wrangelkiez in Kreuzberg als auch der Stadtteil um den Boxhagener Platz in
Friedrichshain gehören zu den innerstädtischen Problemgebieten (s. 2.2.). Gleichzeitig unter-
scheiden sie sich jedoch grundlegend als Ost- und Westbezirke.
Dieser Abschnitt der Arbeit enthält einige grundlegende Informationen zu den beiden Quar-
tiersmanagements und ihren Kiezen.
5
4.1. Wrangelkiez (Kreuzberg)
Im Wrangelkiez hat das Quartiersmanagement seine Arbeit im März 1999 aufgenommen.
Auftragnehmer waren ursprünglich ,,die KirchBauhof gGmbH" und das Planungsbüro ,,urba-
nistica", beide als eigenständige Vertragspartner des Landes Berlin, das vertreten wird durch
die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie und das Bezirk-
samt von Kreuzberg.
5
Die folgenden Ausführungen basieren, sofern nicht anders ausgewiesen, auf Informationen aus meinem
Verwaltungspraktikum.

25
Die ,,KirchBauhof gGmbH" ist eine seit 1991 bestehende Qualifizierungs- und Beschäfti-
gungsgesellschaft mit heute 400 Mitarbeitern. Sie befasst sich vor allem mit Benachteiligten
und Arbeitslosen, organsisiert aber auch Projekte in den Bereichen Kultur,
Unternehmensberatung, Stadtentwicklung und neuen Technologien. Als Quartiersmanager
tritt aus den Reihen des KirchBauhofs Herr Martin Thiel hervor. Das Planungsbüro urbanisti-
ca ist seit vielen Jahren schon mit Stadtteilentwicklung und Sanierungsorganisation befasst.
Von dieser Seite war bis Ende 1999 Herr Volker von Tiedemann als Quartiersmanager aktiv.
Seitdem führt der KirchBauhof das Quartiersmanagement alleine weiter.
Das Quartiersmanagement hat zwei Büros, und zwar in der Falckensteinstraße 49 und in der
Skalitzer Straße 57.
Das Gebiet ist im östlichsten Teil von Kreuzberg zu finden, von Friedrichshain nur durch die
Spree getrennt. Es wird begrenzt durch die Görlitzer Straße, die Skalitzer Straße, die Pfuel-
straße, das Gröbenufer, das Spreeufer und den Landwehrkanal, das Heckmannufer und das
Görlitzer Ufer (s. Anhang 1.). In diesem 6 ha großen Gebiet leben 12800 Menschen (Senats-
verwaltung 1999: 3).
Kreuzberg allgemein und der Wrangelkiez insbesondere erreichen im Hinblick auf die wich-
tig-sten Sozialindikatoren wie Langzeitarbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit,
Anzahl der Sozialhilfeempfänger und Personen ohne Berufsabschluss Berliner ,Spitzenwerte'.
Die statistischen Daten aus dem Häußermann-Gutachten (Senatsverwaltung 1998: 132ff) be-
stätigen dies. Es geht um die Probleme, die unter dem Stichwort Segregation und ihre lebens-
weltlichen Folgen gefasst werden können.
Es besteht also Grund zur Annahme, dass sich hier eine Resignation breit macht, die der er-ste
Ansatzpunkt von Empowerment sein könnte.
4.2. Boxhagener Platz (Friedrichshain)
Das Quartiersmanagement am Boxhagener Platz, dessen Büro sich in der Krossener Straße
9/10 befindet, hat mit seiner Arbeit im Juni 1999 angefangen. Auftraggeber sind die Senats-
verwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie und das Bezirksamt Fried-

26
richshain. Auftragnehmer ist die ,,Arbeitsgemeinschaft Boxhagener Platz GbR" , zu der sich
drei Firmen zusammengeschlossen haben: Dies ist zum ersten die ,,ASUM", die ,,Arbeits-
gruppe für Sozialplanung und Mieterberatung" (Frau Hausotter und Herrn Helfen). Dazu ge-
hören zum zweiten das ,,BWP", das ,,Büro für Wirtschafts- und Projektberatung" (Herr
Tragsdorf) und schließlich drittens die Organisationsberatung ,,Kairos" mit ihrem Vertreter
Herrn Stiefel.
Das Gebiet ist etwa doppelt so groß wie der Wrangelkiez. Im Stadtteil um den Boxhagener
Platz leben 18000 Menschen, also erheblich mehr als im Wrangelkiez.
Die Gegend befindet sich mitten in Friedrichshain, aber ganz nah an der Grenze zum We-
sten. Der Stadtteil wird begrenzt durch die Frankfurter Allee, den S-Bahnring, die Scharnwe-
berstraße, die Weichselstraße, die Holteistraße, die Wühlischstraße, die Böcklinstraße, die
Sonntagstraße, die Helmerdinger Straße, die Revaler Straße, die Libauer Straße, die Koperni-
kusstraße, die Simon-Dach-Straße und die Niederbarnimstraße (s. Anhang 1.).
Die dort auftretenden Missstände sind typisch für die problematischen Innenstadtquartiere,
wenn auch nicht ganz so schlimm wie in Kreuzberg. Auffällig ist das außerordentlich junge
Durchschnittsalter von 32 Jahren. Dies liegt vor allem an vielen Studenten, die auch das Aus-
bildungsniveau stark anheben.
5. Bürgerbeteiligungsverfahren
Im Folgenden möchte ich die Verfahren ,,Planungszellen" und ,,Open Space Technology"
vorstellen. An beiden habe ich auch teilgenommen. Im Falle der Planungszelle Wrangelkiez
war dies allerdings nicht möglich. Ersatzweise konnte ich einer Planungszelle beiwohnen, die
am Magdeburger Platz durchgeführt wurde. Die Texte auf Basis der Teilnehmenden Beob-
achtungen beinhalten eine Beschreibung der Verfahren (s. 11.). Trotzdem spreche ich schon in
den allgemeinen Ausführungen dieses Abschnitts Probleme an, die die Kompatibilität des
Verfahrens mit den Zielen des Quartiersmanagements betreffen. Im Ergebnisteil sind sie auf
empirischer Grundlage wieder aufzugreifen.

27
5.1. Planungszellen (Wrangelkiez)
Das Bürgerbeteiligungsverfahren ,,Planungszelle" wurde in den 70er Jahren von dem Soziolo-
gieprofessor Peter C. Dienel von der ,,Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und Planungsver-
fahren" der Bergischen Universität Wuppertal entwickelt (Senatsverwaltung 1999: 18).
Dienel stellt dem gesellschaftlichen ,,Steuerungssystem" ein schlechtes Zeugnis aus (Dienel
1998: 2ff): Viele eigentlich unumgängliche Entscheidungen auf der Makroebene kämen nicht
zustande, und viele Fehlentwicklungen beschwörten bedrohliche Zukunftsaussichten herauf.
Das Steuerungssystem löse die Probleme nicht, und es sei nicht in der Lage, die aus dieser
Schwäche folgende Konsequenz zu ziehen, nämlich das System zu überholen. Mit ,,Verwal-
tungsreformen" und ,,neuen Steuerungsmodellen" konzentrierten sich die Veränderungen
,,rührenderweise auf die Exekutive". Die ,,Reparatur muss umfassender gedacht werden." Sie
müsse auch den Bereich mit einschließen, in dem die Vorgaben produziert würden, die die
Verwaltung umzusetzen hätte, also die Legislative.
Auch die Demokratie in der bisherigen Organisation verspreche keine Lösung. Die Apparate
seien mit sich selbst befasst (Dienel 1998: 59), und die Parteien würden von der Mehrheit der
Bevölkerung nicht ernst genommen (Dienel 1998: 4f). Bürgerinitiativen und non-
governmental organizations stießen an ihre Grenzen, wobei ihre ,,anfängliche Spontaneität"
verloren gehe. Fungierten sie zunächst als ,,Lückenbüßer für einen versagenden Staat", wür-
den sie nun ,,zu einem Stoßtrupp für eine Weltrevolution" oder ,,verstehen sich als eine Loge
zum diakonischen Einsatz Entschlossener, werden zu einem Ashram Erleuchteter oder zu ei-
nem Verbund strategisch Taktierender auf Gegenseitigkeit."
Die erforderliche Korrektur brauche den Bürger, und zwar weder den ,,apathischen", ,,fru-
strierten" und ,,gelangweilten", noch den ,,aggressiven" oder den ,,notorische(n) Queru-
lant(en)" (Dienel 1998: 6). Dieser ,Bürger' kann im Sinne Dienels nur ausgeschlossen wer-
den, wenn dreierlei gewährleistet ist: ,,Informiertheit über das anstehende Problem", ,,die Fä-
higkeit und Bereitschaft, das Gemeininteresse zu erkennen und sich damit zu identifizieren,
und die Motivation zur Teilnahme am Lösungsprozess".
Er bezieht dies ausdrücklich nicht auf Zusammenhänge des Nahbereichs, weil etwa im Rah-
men von Nachbarschaft die genannten Bedingungen durchaus selbständig von Bürgern ge-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2000
ISBN (eBook)
9783832427320
ISBN (Paperback)
9783838627328
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Freie Universität Berlin – Soziologie
Note
1,0
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Titel: Empowerment im Quartiersmanagement von Berlin - Ideologie und Wirklichkeit eines sozialpolitischen Konzeptes
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