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Organisationstheoretische Analyse des "Dritten Sektors" in der modernen Gesellschaft

©1998 Diplomarbeit 79 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Gang der Untersuchung:
Ausgehend von der Feststellung eines Mangels theoretischer Konzeptualisierung des sogenannten Dritten Sektors bzw. Nonprofit Sektors setzt sich die Arbeit mit der Frage nach dessen Existenzgrundlagen und Heterogenität auseinander. Aufgrund des Fehlens einer eindeutigen begrifflichen Bestimmung des Dritten Sektors wird in einem ersten Schritt eine Eingrenzung des Problemfeldes vorgenommen. Zu diesem Zweck wird eine Übersicht der unterschiedlichen Definitionsversuche zusammengestellt, anhand derer auch die Fragestellung weiter geschärft werden kann.
In dem darauf folgenden Schritt werden die Ansätze des Marktversagens (insbesondere Demand- und Supply-side-Hypothesen) und des Staatsversagens als Erklärungsversuche des Dritten Sektors dargestellt. Aus der Kritik an diesen Ansätzen heraus, wird daraufhin der Versuch unternommen, ein eigenes theoretisches Konzept zu entwickeln.
Kritisiert wird dabei vor allem, daß beide Erklärungsversuche sich am liberalistisch-pluralistischem Gesellschaftsmodell orientieren, und ihnen damit die Fixierung auf Markt und Staat als gesellschaftliche Strukturierungselemente gemeinsam ist. Die Arbeit stellt dar, daß durch diese theoretische Engführung charakteristische Merkmale des Dritten Sektors nicht ins Blickfeld geraten. Demgegenüber wird der Versuch unternommen mittels Arbeiten der neueren Organisationssoziologie, die Existenz und die Heterogenität des Dritten Sektors auf der Basis der modernen Organisationsgesellschaft zu entwickeln.
Für die Argumentation ist dabei im Gegensatz zu den oben angeführten Ansätzen zentral, daß nicht der Markt, sondern die Organisation das strukturierende Charakteristikum der modernen Gesellschaft ist. Diese Perspektivenverschiebung lenkt den Blick jedoch nicht nur von Staat und Markt auf Organisation, sondern auch auf die mit dem Organisationsphänomen verbundene Herrschaftsförmigkeit des Vergesellschaftungsprozesses. Mittels der Hinzunahme des Konzeptes gesellschaftlicher Differenzierung, der damit verbundenen Leitpräferenzen und der Unterscheidung von primären und sekundären Teilsystemen kann im Folgenden nachgewiesen werden, daß die am Pluralismus als Metaprinzip der unterschiedlichen Leitpräferenzen orientierten liberalistisch-pluralistischen Ansätze nicht in der Lage sind die Herrschaftsförmigkeit des Prozesses, der die Dritte-Sektor-Organisationen in die Gesellschaft einbindet, zu erfassen und deshalb den Dritten Sektor als autonomen Bereich […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 2597
Neubert, Markus: Organisationstheoretische Analyse des "Dritten Sektors" in der modernen
Gesellschaft / Markus Neubert - Hamburg: Diplomarbeiten Agentur, 2000
Zugl.: Wuppertal, Universität - Gesamthochschule, Diplom, 1998
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Dipl. Kfm. Dipl. Hdl. Björn Bedey, Dipl. Wi.-Ing. Martin Haschke & Guido Meyer GbR
Diplomarbeiten Agentur, http://www.diplom.de, Hamburg 2000
Printed in Germany


1. EINLEITUNG ... 2
2. EINGRENZUNG DES PROBLEMFELDES ... 3
3. ANSÄTZE ZUR ERKLÄRUNG DES DRITTEN SEKTORS ... 7
3.1 D
ER
E
RKLÄRUNGSANSATZ DES
M
ARKTVERSAGENS
...7
3.2 D
ER
E
RKLÄRUNGSANSATZ DES
S
TAATSVERSAGENS
...10
4. THEORETISCHER RAHMEN: DER MODERNE KAPITALISMUS ... 15
5. DER DRITTE SEKTOR ALS BESTANDTEIL DER KAPITALISTISCHEN
GESELLSCHAFTS-FORMATION ... 22
5.1 D
IE
E
XISTENZGRUNDLAGEN DER
D
RITTE
-S
EKTOR
-O
RGANISATIONEN IN DER
KAPITALISTISCHEN
G
ESELLSCHAFTSFORMATION
...22
5.1.1 I
NSTITUTIONEN UND
E
XTERNALITÄTEN
...22
5.1.2 E
XTERNALITÄTEN UND SOZIALE
S
CHLIEßUNG
...27
5.1.3 E
XTERNALITÄTEN UND ORGANISATIONALE
P
RAXEN
...29
5.2 I
MPLEMENTATION DER
D
RITTE
-S
EKTOR
-O
RGANISATIONEN IN DIE
KAPITALISTISCHE
G
ESELLSCHAFTSFORMATION
...33
5.2.1 D
IE
I
NTERESSENSFORM VON
W
ÜNSCHEN UND
B
EDÜRFNISSEN
...33
5.2.2 D
RITTE
-S
EKTOR
-O
RGANISATIONEN ALS
H
ERRSCHAFTSINSTRUMENTE
...36
5.2.3 D
IE
S
TELLUNG DER
K
LIENTEL VON
D
RITTE
-S
EKTOR
-O
RGANISATIONEN
...39
6. GESELLSCHAFTLICHE DIFFERENZIERUNG UND DER DRITTE SEKTOR
... 41
6.1 S
TRATIFIZIERENDE GESELLSCHAFTLICHE
D
IFFERENZIERUNG
...42
6.1.1 P
RIMÄRE UND SEKUNDÄRE
T
EILSYSTEME
...42
6.1.2 D
ER
C
ODE ALS INHALTSLEERER
S
IGNIFIKANT
...44
6.1.3 P
OLITISCHE
A
RENEN UND ORGANISATIONALE
B
ÜNDE
...47
6.2 F
UNKTIONALE GESELLSCHAFTLICHE
D
IFFERENZIERUNG
...49
6.2.1 D
IE
R
ESYMBOLISIERUNG VON
E
XTERNALITÄTEN
...49
6.2.2 D
IE
P
ROBLEMLÖSUNGSKOMPETENZ VON
D
RITTE
-S
EKTOR
-O
RGANISATIONEN
...53
6.2.3 E
RKLÄRUNG DER
,,H
ETEROGENITÄT DES
D
RITTEN
S
EKTORS
"...57
7. SCHLUß ... 62
A
NHANG
: K
LASSIFIKATIONSSCHEMATA VON
D
RITTE
-S
EKTOR
-O
RGANISATIONEN
..64
L
ITERATURVERZEICHNIS
...67

2
1. Einleitung
Im Rahmen meiner Diplomarbeit beschäftigt sich diese Arbeit mit der Frage nach
den Existenzgrundlagen und der Heterogenität des Dritten Sektors. Eine Frage-
stellung, die sich einem förmlich aufdrängt, wenn man sich mit dem Phänomen
,,Dritter Sektor" auseinanderzusetzen beginnt, denn nach Ansicht einiger Autoren
liegt die Nichtachtung, die dem Dritten Sektor seitens der Wissenschaft entgegen-
gebracht wird, nicht an der Schwäche dieses Sektors, sondern daran, daß brauch-
bare Konzepte und Definitionen zur wissenschaftlichen Bearbeitung fehlen (vgl.
Anheier/Salamon, 1992a:127; Horch, 1992:24). Seibel (vgl. 1992:39) führt weiter
aus, daß es auch keine Theorie gibt, die erklären könnte, warum Organisationen
existieren, die weder der staatlichen Behördenorganisation noch dem privaten
Unternehmensbereich angehören. Es existieren lediglich zahlreiche Hypothesen.
Eng verbunden mit der Frage nach den Existenzgrundlagen des Dritten Sektors ist
die Frage nach seiner Heterogenität. Diese wird von den Ansätzen zur Erklärung
des Dritten Sektors zwar ständig als charakteristisches Merkmal herausgestellt,
aber ebenso wie die Existenz des Dritten Sektors nur ansatzweise erklärt.
Da es sich bei dem Begriff des Dritten Sektors nur scheinbar um einen eindeutig
definierten Begriff handelt, wird vorab eine Eingrenzung des Problemfeldes vor-
genommen (Abschnitt 2). Diese kann aber nur als eine erste Annäherung an das
Thema dieser Arbeit verstanden werden. Im Folgenden sollen dann die Ansätze
zur Erklärung des Dritten Sektors dargestellt werden (Abschnitt 3), die durch ihre
unterschiedlichen Prämissen des Marktversagens (Abschnitt 3.1) und des Staats-
versagens (Abschnitt 3.2) unterschieden werden können.
Auffälligerweise handelt es sich bei diesen Erklärungsversuchen sämtlich um An-
sätze, die in einem liberalistisch-pluralistischen Theoriegebäude fußen, wie schon
das Konzept dreier gesellschaftlicher Sektoren anzeigt. Organisationstheoretische
Gedanken finden von daher in diese Ansätze nur am Rande Eingang. Aus diesem
Grund wird, in Absetzung zu den liberalistisch-pluralistischen Ansätzen, ein ande-
rer Ausgangspunkt für diese Arbeit gewählt. Dieser findet sich im modernen Ka-
pitalismus, der den theoretischen Rahmen dieser Arbeit bildet (Abschnitt 4).
Ausgehend von diesem theoretischen Rahmen werden in einer organisationstheo-
retischen Analyse die Existenzgrundlagen des Dritten Sektors herausgearbeitet

3
(Abschnitt 5.1), um im Anschluß der Frage nachzugehen, warum gerade formale
Organisationen den Dritten Sektor ausmachen (Abschnitt 5.2). Die leitenden The-
sen sind dabei, daß die Wurzeln der Organisationen des Dritten Sektors in den
Externalitäten der kapitalistischen Unternehmungen zu suchen sind, und daß es
sich bei formalen Organisationen um Herrschaftsinstrumente zur Disziplinierung
ihrer Mitglieder und Klientel handelt.
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird dann aus der Kritik an der Unterkomplexität
des Sektorenkonzeptes heraus näher auf die Heterogenität des Dritten Sektors und
seiner Organisationen im Zuge der gesellschaftlichen Differenzierung (Abschnitt
6) eingegangen. Dabei nimmt weiterhin die These der herrschaftlichen Einbindung
der Dritte-Sektor-Organisationen in die kapitalistische Gesellschaftsformation ei-
ne zentrale Stellung ein. Den Ausgangspunkt bildet in diesem Abschnitt die An-
nahme, daß sich der moderne Kapitalismus nicht durch eine dominante
Differenzierungsform auszeichnet, sondern daß sowohl stratifikatorische Diffe-
renzierung (Abschnitt 6.1), als auch funktionale Differenzierung (Abschnitt 6.2) in
aufeinanderbezogener Weise charakteristisch für den modernen Kapitalismus
sind.
Abschließend erfolgt dann eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse dieser
Arbeit und auf dieser Basis eine Erörterung, inwiefern der Terminus ,,Dritter
Sektor" für die weitere wissenschaftliche Verwendung noch sinnvoll ist.
2. Eingrenzung des Problemfeldes
In diesem Abschnitt soll zur Annäherung an den Gegenstand der Arbeit erst ein-
mal das Problemfeld eingegrenzt werden. Beschäftigt man sich nämlich mit dem
Dritten Sektor, so wird schnell deutlich, wie schwierig es ist, eine angemessene
Definition für diesen Terminus zu finden. Von gemeinnützigen Vereinigungen,
wie Wohlfahrtsverbänden, Selbsthilfegruppen und Genossenschaften bis hin zu
verselbständigten Verwaltungsträgern als Anstalten des öffentlichen Rechts, wie
Sozialversicherungen und Universitäten, wird eine große Anzahl verschiedener

4
Organisationen und Organisationsformen unter den Begriff Dritter Sektor subsu-
miert (vgl. Salamon/Anheier,1994:532; Seibel,1992:23f). Eine gewisse Einheit
läßt sich daher nur in der negativen Definition finden, daß der Dritte Sektor alle
Organisationen umfaßt, die weder erwerbswirtschaftliche Unternehmungen, noch
öffentliche Behörden der unmittelbaren Staats- oder Kommunalverwaltung sind.
Die Terminologie scheint hier aus der Not eine Tugend zu machen. Wenn man
nicht auf eine übergreifende Kategorisierung all jener Organisationen verzichten
will, die weder dem Staat noch dem Markt zuzuordnen sind, dann bleibt als ihre
gemeinsame Eigenschaft zunächst nichts anderes, als daß sie weder das eine noch
das andere sind, also etwas Drittes (vgl. Seibel,1992:23f).
Herrscht bei dieser allgemeinen Einschränkung des Problemfeldes noch Einigkeit,
so zeigen die spezifischeren Definitionen der Organisationen des Dritten Sektors
beachtliche Unterschiede. Generell lassen sich drei verschiedene Definitionen un-
terscheiden (vgl. Salamon/Anheier,1994:533ff):
1. Die legale Definition, auf der Basis der Gesetzgebung eines Landes. Die mei-
sten Länder haben spezifische gesetzliche Bestimmungen zur Klassifizierung von
verschiedenen Organisationen, dazu gehören auch Bestimmungen, die Organisa-
tionen dem Dritten Sektor zuordnen.
2. Die funktionale Definition, die alle Organisationen einschließt, deren Funktio-
nen Dienstleistungen bereitstellen, unterprivilegierten oder marginalisierten Grup-
pen helfen, ihre Freiheit zu vergrößern oder Menschen befähigen, sich für
sozialen Wandel einzusetzen.
3. Die ökonomisch/finanzielle Definition, die auf dem ökonomischen Charakter
einer Organisation basiert, der durch ihre Einkommensquellen reflektiert wird.
Demnach dürfen Organisationen des Dritten Sektors ihre Haupteinnahmequelle
nicht im Verkauf von Dienstleistungen oder Gütern haben, sondern in den Beiträ-
gen und Spenden ihrer Mitglieder und Unterstützer.
Des weiteren zeigt sich in der Literatur, daß es sich bei den oben gezogenen Gren-
zen zwischen Staat und Drittem Sektor und zwischen Markt und Drittem Sektor
eher um fließende Übergänge handelt.
In Richtung des Staates wird dieses am Begriff QUANGO (Quasi-
nongovernmental organization) deutlich (vgl. DiMaggio/Anheier,1994:173), zu

5
denen auch die deutschen Wohlfahrtsverbände gezählt werden können, die auf-
grund ihrer engen personellen Verflechtung mit staatlichen Funktionsträgern (vgl.
Backhaus-Maul/Olk,1997:29) und durch ihre Arbeitsteilung mit staatlichen Orga-
nen ,,staatlich lizensierte Vertreter von Interessen im Sozialbereich" darstellen
(vgl. Heinze/Olk,1981:108).
In anderer Richtung, in der Abgrenzung des Dritten Sektors zum Markt hin, zeigt
sich die Problematik am Begriff der NPO (Nonprofit Organization). Als
Hauptcharakteristikum von NPOs gilt dabei der Gewinnverzicht, der von den
Autoren dahingehend eingeschränkt wird, daß NPOs zwar Gewinn machen dür-
fen, dieser aber nicht Mittel zum Zweck sein darf (vgl. Hansmann,1994:14).
,,Nicht Gewinnverzicht, sondern die Art der Gewinnverteilung ist entscheidend"
(Horch,1992:21;). Aber eben die Notwendigkeit, Gewinne zu erzielen, verhindert
eine eindeutige Zuordnung verschiedener Organisationen zu einem bestimmten
Sektor. Andere Autoren sind nämlich der Auffassung, daß der Nonprofit-Sektor
stark in kommerzielle Tätigkeiten in dem generellen Sinne involviert ist, in dem
Gebühren für bestimmte Dienstleistungen und Produkte erhoben werden (vgl. Ro-
se-Ackerman,1990:13), oder sie sprechen aufgrund der Steuervergünstigungen
von NPOs von einem unfairen Wettbewerb zwischen NPOs und privaten Unter-
nehmungen (Benett/DiLorenzo,1989; Weisbrod,1991). Auf bestimmten Märkten,
beispielsweise der ambulanten Krankenpflege, die sowohl von NPOs als auch von
privaten Unternehmungen angeboten wird, ergeben sich dadurch sogar Konkur-
renzsituationen zwischen den sogenannten NPOs und FPOs (Forprofit-
Organization). Steinberg (vgl. 1987:121ff) stellt in diesem Kontext Analogien
zwischen NPOs und FPOs heraus. Er sieht zwischen dem Verkauf von Gütern
oder dem Sammeln von Spenden nur einen scheinbaren Unterschied in den Be-
mühungen, an Ressourcen zu gelangen. Im ersten Fall spricht Steinberg von einem
expliziten Geschäft, bei dem der Käufer eine Ware oder Leistung für sein Geld er-
hält, im zweiten Fall von einem impliziten Geschäft, bei dem der Käufer (Spen-
der) Vorteile, wie beispielsweise Opernkarten für die erste Reihe, öffentliche
Anerkennung oder berufliche Vorteile bezieht. Ebenso stellt er Marketingaufwen-
dungen von privaten Unternehmungen und Aufwendungen für Kapitalbildungs-
programme (original: fundraising programs) von NPOs auf dieselbe Stufe, da

6
beide einer Gewinnmaximierung entsprechen. Während die FPO versucht, auf-
grund von Marketing einen höheren Absatz für ihre Produkte zu erzielen, versucht
die NPO in ähnlicher Weise, durch die Kapitalbildungsprogramme ein höheres
Spendenaufkommen zu erreichen. Das entspricht, wenn man den Spender als Käu-
fer einer von der NPO bereitgestellten Leistung versteht, dem verstärkten Verkauf
der Produkte der FPO.
Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, stellt sich der Versuch einer um-
fassenden Definition des Dritten Sektors als schwierig heraus. Einerseits resultiert
die negative Definition aus dem Versuch, die gesamte Heterogenität des Dritten
Sektors zu erfassen, impliziert aber andererseits, daß die Grenzen des Dritten
Sektors durch ein fehlendes positives und ausschließendes Kriterium fließend
werden. Andere Ansätze, die versuchen, diesem Problem zu entgehen, wählen ei-
nen spezifischeren Begriff, der auf einem positiven Definitionskriterium beruht
(z.B. Charitable Sector, Independent Sector, Voluntary Sector, Tax-empt Sector,
Nongovernmental Sector, Economie Sociale oder Nonprofit Sector (vgl. Sala-
mon/Anheier,1992a:128f). Auf diese Weise kann aber nicht die gesamte Hetero-
genität des Dritten Sektors erfaßt werden, da eine Vielzahl von Organisationen per
Definition ausgeschlossen wird.
Unter Berücksichtigung der Heterogenität des Dritten Sektors soll von daher die
negative Definition des Begriffs bevorzugt werden, um den Gegenstandsbereich
dieser Arbeit nicht schon im Vorfeld zu verengen. Infolgedessen werden auch die
Organisationen des Dritten Sektors in dieser Arbeit als ,,Dritte-Sektor-
Organisationen" bezeichnet.
Die negative Definition soll aber nur als erste Annäherung an das Problemfeld der
Arbeit dienen, da die organisationstheoretische Analyse des Dritten Sektors ihre
Positionen nicht zuletzt aus der Kritik an den liberalistisch-pluralistischen Ansät-
zen gewinnt, in denen die Definition wurzelt. Aus diesem Grund sollen im folgen-
den Abschnitt dieser Arbeit zunächst die Ansätze dargestellt werden, die
versuchen, die Existenzgrundlagen und die Heterogenität des Dritten Sektors und
seiner Organisationen zu bestimmen.

7
3. Ansätze zur Erklärung des Dritten Sektors
3.1 Der Erklärungsansatz des Marktversagens
Neben der oben getroffenen Unterscheidung der verschiedenen Ansätze, die das
Bestehen von NPOs erklären, läßt sich eine weitere Unterteilung der verwendeten
Hypothesen in demand-side- und supply-side-Hypothesen in der gängigen Litera-
tur ablesen (vgl. Seibel,1992:45; Badelt,1997:90ff).
Demand-side-Hypothesen richten ihr Hauptaugenmerk auf die Frage, warum eine
Leistung in der speziellen Dritte-Sektor-Form nachgefragt wird. Gemäß der Prä-
misse dieser Ansätze, daß der Markt ein gesellschaftliches Strukturationselement
ist, wird die Terminologie aus diesem Bereich entlehnt. So werden die Geldgeber
oder Spender für eine von den Dritte-Sektor-Organisationen angebotene Leistung
als Käufer definiert und die Bezieher einer Leistung, die nicht zwangsläufig mit
dem Käufer übereinstimmen müssen, als Konsumenten. Damit rückt die Motivati-
on des Käufers einer Leistung in den Mittelpunkt der Betrachtungen.
Als Ursache für die Motivation des Käufers wird ein ,,Kontraktversagen" gesehen
(Hansmann,1994; Arrow,1963), das durch die fehlende Transparenz des Marktes
hervorgerufen wird. Ursachen dieser Intransparenz sind Informationsasymmetrien
(Weisbrod,1988:6; Badelt,1990:53), die dem Anbieter einer Leistung Vorteile ge-
genüber dem Käufer einbringen.
Diese Informationsasymmetrien treten auf, wenn: (a) Käufer und Konsument einer
Leistung nicht identisch sind, z.B. Spenden für die Entwicklungshilfe, (b) der
Konsument einer Leistung keine verläßlichen Angaben über die Qualität einer
Leistung machen kann, z.B. Kindergärten, psychiatrische Krankenhäuser, (c) die
Spenden in einen Fonds eingezahlt werden, von dem aus sich der Verwendungs-
zweck nicht mehr verfolgen läßt - der Spender ist hier zwar der Konsument einer
Leistung, hat aber keine Kontrolle über die Art, in der seine Spende verwendet
wird - wie beispielsweise in Umweltschutz- oder anderen Interessensorganisatio-
nen, (d) die Leistung so komplex ist, daß der Konsument keine Kontrolle über ihre
Qualität besitzt, was insbesondere bei solchen Leistungen wichtig ist, bei denen
eine niedrigere Qualität ein Risiko für den Konsumenten beinhaltet, z.B. medizi-
nische Leistungen. (vgl. Hansmann,1994:22ff; DiMaggio/Anheier,1994:168)

8
Infolge dieser Informationsasymmetrien werden bestimmte Leistungen bevorzugt
von Dritte-Sektor-Organisationen bezogen, da der Käufer einer Leistung dieser
aufgrund des gesetzlich vorgeschriebenen Gewinnverzichts ein größeres Vertrauen
entgegenbringt als Organisationen des privaten oder öffentlichen Sektors. Estell
James (1994:80f) stellt dies pointiert so dar:
If the donor cannot monitor the responce, there is a risk that the gift
will be absorbed into the organization without any change in its servi-
ces; for-profit organizations will simply add to their profits, while go-
vernments will simply reduce their deficits. But nonprofit
organizations derive utility from the delivery of services, not from the
generation of profits or surpluses.
Der Vertrauensvorsprung, den Dritte-Sektor-Organisationen durch das Kontrakt-
versagen vor privaten Unternehmungen haben, kann, nach der Ansicht Hans-
manns (1994:27ff), von den privaten Unternehmungen auch nicht durch
entsprechende ,,Kaufverträge" aufgehoben werden, in denen die aufgeführten
Mängel beseitigt sind. ,,Dies wäre sinnlos, da sich zum einen die Kontrolle des
Käufers über die gewünschte Leistung nicht herstellen ließe, und zum anderen ein
vertraglich festgeschriebener Gewinnverzicht ein gewinnorientiertes Unternehmen
zu einer Nonprofit Organisation machen würde." (ebd.)
Supply-side-Hypothesen gehen im Gegensatz zu demand-side-Hypothesen nicht
von der Motivation des Käufers oder Konsumenten aus, sondern versuchen Ant-
worten auf die Frage zu geben, warum ein Anbieter die Nonprofit-Form einer Or-
ganisation zur Bereitstellung bestimmter Güter wählt. In der Fachliteratur wird
dieses Problem auch unter der Bezeichnung ,,institutional choice" gefaßt (vgl.
Weisbrod,1988:16; Badelt,1997:84).
Das grundlegende Entscheidungskriterium bei der Wahl zwischen den institutio-
nellen Formen der drei Sektoren ist dabei, ob eine institutionelle Form ein be-
stimmtes Gut effektiver anbieten kann als eine andere (vgl. James,1994;
Scholz,1991; Weisbrod,1988). Die Wahl zwischen den institutionellen Formen
erhält damit zwei Seiten. Auf der einen Seite ist es die Wahl zwischen privaten
Unternehmen und institutionellen Formen der beiden anderen Sektoren. Hierbei
ist entscheidend, ob es sich bei dem angebotenen Gut um ein privates oder ein öf-

9
fentliches Gut handelt. Ein öffentliches Gut unterscheidet sich per Definition von
einem privatem Gut dadurch, daß es den anderen Personen einer Gruppe praktisch
nicht vorenthalten werden kann, wenn es von irgendeiner Person in der Gruppe
konsumiert wird (vgl. Olson,1968:13). Bei der Bereitstellung von privaten Gütern
liegt die große Stärke von privaten Unternehmen nach Weisbrod (vgl. 1988:18ff)
in ihrer Effektivität, der Nachfrage des Konsumenten mit minimalen Preisen zu
begegnen.
The attraction of profit is a powerful incentive for managers to seek
lower production costs and products that more fully meet demands.
(Weisbrod,1988:18)
Aufgrund des fehlenden Anreizes der Gewinnpartizipation für die Manager sind
öffentliche und Dritte-Sektor-Organisationen bei der Bereitstellung von privaten
Gütern unterlegen. Doch eben diese Gewinnorientierung von privaten Unterneh-
men führt zu einer geringeren Effektivität, wenn es sich bei dem angebotenen Gut
um ein öffentliches Gut handelt. Die Ursache für diese Ineffektivität der privaten
Unternehmen liegt in den oben beschriebenen Informationsasymmetrien, die von
den privaten Unternehmen zur Gewinnmaximierung und damit zum Nachteil des
Käufers einer Leistung genutzt werden können. Diese Gewinnorientierung fehlt
aber aufgrund des Nonprofit-constraints (Gewinnverzicht) bei den Organisationen
des öffentlichen und Dritten Sektors. Daher sind bei der Produktion von öffentli-
chen Gütern diese institutionellen Formen attraktiver als die des privaten Sektors.
Die Frage nach der Effektivität von Institutionen des öffentlichen und des
Dritten Sektors wird auf der anderen Seite danach entschieden, ob die Nachfrage
nach einem öffentlichen Gut homogener oder heterogener Natur ist. Ist die Nach-
frage relativ homogen, so wird sie in erster Linie von staatlichen Institutionen be-
friedigt werden. Je heterogener die Nachfrage allerdings wird, desto weniger
werden staatliche Institutionen in der Lage sein, sie zu befriedigen. Die dadurch
entstehende ,,qualitative Unterversorgung" (vgl. Badelt,1997:91) wird durch den
Dritten Sektor aufgefangen (vgl. James,1987:402). Weisbrod (1988:25ff) führt in

10
dieser Hinsicht aus:
All governmental units are defined by geographic boundaries. The
smaller the unit, the more its residents are likely to be similar ­ in in-
come, wealth, religion, ethnic backround, education, and other cha-
racteristics that lead them to have similar economic demands. The
geographic mobility that permits such sorting is, however, imperfect.
The demands for any specific collective-type service normally vary
among the persons within a geographic defined governmental unit. [...]
Nonprofits reflect the diversity of demands upon governments. The
undersatisfied demand for collective-type goods is a governmental
,,failure" analogous to private market failures.
In diesem Sinne hat für Estell James (vgl.;1994:76) der soziale Background und
die Ausbildung der Gründer einer Organisation entscheidenden Einfluß auf die
Wahl der Organisationsform. Aus einer Untersuchung in acht Ländern nennt sie
als wichtigste Motivation zur Gründung einer NPO religiösen Altruismus. Zudem
hebt sie in dieser Untersuchung die größere Effektivität von Dritte-Sektor-
Organisationen gegenüber staatlichen Organisationen aufgrund der Vermeidung
von Bürokratisierungseffekten und der Möglichkeit, durch die altruistische Moti-
vation ihrer Mitglieder auf ein großes Potential an ehrenamtlicher Hilfe zurückzu-
greifen, hervor (dies.,1987:403f).
3.2 Der Erklärungsansatz des Staatsversagens
Im Unterschied zu den ökonomisch orientierten Ansätzen des Marktversagens,
gehen die Ansätze, die die Existenz des Dritten Sektors aufgrund eines Staatsver-
sagens erklären, von einer politik- bzw. sozialwissenschaftlichen Perspektive aus.
Der kleinere Teil dieser Ansätze, wie beispielsweise der von Goncebate (1995),
gewinnt dabei seine Position aus einer kritischen Haltung gegenüber den Theorien
des Marktversagens. Goncebate (1995) stellt heraus, daß in Argentinien vor der
Militärdiktatur nur wenige Dritte-Sektor-Organisationen existierten. Ihre Anzahl
stieg erst nach dem Militärputsch, als ein Großteil der staatlichen Aufgaben nicht
mehr erfüllt oder ,,geächtet" wurden. Aus diesem Grund geht Goncebate von ei-

11
nem Moment der Krise aus, durch den sich Dritte-Sektor-Organisationen gründen,
um negativen gesellschaftlichen Effekten entgegenzuwirken.
Die Mehrzahl der Ansätze des Staatsversagens hingegen geht, ähnlich wie die
ökonomisch orientierten Ansätze des Marktversagens, von einem liberal-
pluralistischen Gesellschaftsmodell aus und weist daher eine hohe Affinität zu
diesen Ansätzen auf. Die Heterogenität der gesellschaftlichen Gruppen wird dabei
unter dem Gesichtspunkt der Integration des Individuums betrachtet. In dieser
Hinsicht besteht das Dilemma der Demokratie darin, daß über organisierte Wil-
lensbildungsprozesse der individuelle Wille nicht mit dem kollektiven Willen in
Einklang zu bringen ist (vgl. Seibel,1992:42). Dritte-Sektor-Organisationen wer-
den bezüglich ihrer Funktion in diesen Ansätzen so gesehen, daß sie den Staat von
Legitimationskonflikten entlasten, wenn staatliche Tätigkeiten im staatlich organi-
sierten Willensbildungsprozeß keine Mehrheit gefunden haben, aber von starken
Minderheitenpräferenzen gefordert werden oder wenn solche Tätigkeiten zwar ei-
ne Mehrheit gefunden haben, jedoch starke Präferenzen oder sogar Grundrechte
von Minderheiten verletzen würden (vgl. Douglas,1983:126).
Die Existenzgründe von Dritte-Sektor-Organisationen sind nun darin zu sehen,
daß sie die Nachteile staatlicher Tätigkeit ausgleichen können, da durch den Drit-
ten Sektor eine größere Vielfalt an sozialer Vorsorge erreicht werden kann, als es
allein durch staatliche Tätigkeit möglich wäre (Douglas,1987:46). Der große
Vorteil der Dritten-Sektor-Organisationen besteht in dieser Hinsicht nach Douglas
(1987) darin, daß ihre Tätigkeiten auf Wohltätigkeit beruhen und nicht wie staatli-
che Tätigkeiten auf dem Gesetz. Aus diesem Grund können Dritte-Sektor-
Organisationen spontaner und flexibler reagieren als staatliche Institutionen, da sie
zum einen nicht Fragen nach der politischen Durchführbarkeit von Projekten un-
terworfen und zum anderen vor dem Gesetz nicht begründungspflichtig sind. Da-
durch ergibt sich für sie zudem die Möglichkeit, Projekte oder Leistungen
exklusiv anzubieten, die dem Staat vorenthalten ist. Durch die gesetzliche Bin-
dung der staatlichen Tätigkeiten, die nicht exklusiv angeboten werden können, da
vor dem Gesetz Gleiches auch gleich behandelt werden muß, entsteht außerdem
das Problem einer zunehmenden Bürokratisierung der Gesellschaft. Dieser Büro-
kratisierung unterliegen Dritte-Sektor-Organisationen aber nur in einem geringen

12
Maße, was von staatlicher Seite durch Subventionen genutzt wird, um dieser Ten-
denz entgegenzuwirken. Nachteilig wirkt sich nach dem Ansatz von Douglas für
die Dritte-Sektor-Organisationen lediglich ihre Unfähigkeit aus, dem Trittbrettfah-
rerproblem
1
zu begegnen, da sie nicht über staatliche Machtmittel, wie Erhebung
genereller Steuern, verfügen (vgl. Douglas,1987:46). In diesem Sinne sieht er
Dritte-Sektor-Organisationen als eine Alternative zum Staat.
Ähnlich wie Douglas sieht Salamon (1987;1996) in seinem Ansatz des ,,Third
Party Government" die Existenz von Dritte-Sektor-Organisationen in der plurali-
stischen Struktur eines Landes und dem Wunsch nach sozialen Leistungen bei
gleichzeitiger Feindseligkeit gegenüber dem Staatsapparat begründet. Diesem
Wunsch kann der Staat, unter Vermeidung der weiteren Ausdehnung des Staats-
apparates, nur durch die Subventionierung des Dritten Sektors begegnen (vgl.
ders.1987:110). Salamon beurteilt allerdings die Rolle der Dritte-Sektor-
Organisationen nicht als Alternative, sondern als komplementär zum Staat. Beide
gelten in seinem Ansatz als defizitär, wobei der Staat, um seine Tätigkeit nicht
unnötig auszuweiten, nur da eingreift, wo sogenannte ,,voluntary failures" der
Dritte-Sektor-Organisationen vorliegen. Als ,,voluntary failures", die das Eingrei-
fen des Staates notwendig machen, stellt Salamon (vgl. 1987:111ff; 1996:90ff)
folgende vier Punkte heraus:
1. philanthrophic insufficiency: Die Ressourcen, auf die NPOs zugreifen können,
sind weder ausreichend noch verläßlich genug, um die erforderlichen Leistungen
für eine Industriegesellschaft anzubieten. Zudem sind NPOs mit dem oben schon
angesprochenen Trittbrettfahrerproblem konfrontiert.
2. philanthrophic particularism: Dienstleistungen von NPOs werden nur partiellen
Gruppen ethnischer, religiöser, nachbarschaftlicher Art zugänglich gemacht. Die-
ser Partikularismus führt zu Lücken in der Bereitstellung von sozialen Leistungen.
3. philanthrophic paternalism: Die Definition dessen, was eine Gemeinschaft
braucht, liegt in den Händen derer, die die Ressourcen kontrollieren. Demnach
1
Als Trittbrettfahrer werden jene Personen bezeichnet, die zwar an einem Kollektivgut partizipie-
ren und von der Partizipation auch nicht ausgeschlossen werden können, jedoch keinen Anteil an
den Kosten der Bereitstellung des Kollektivgutes tragen. Olson (1968:12ff) stellt in dieser Hinsicht
heraus, daß Steuern notwendigerweise Zwangszahlungen sind, um die grundlegenden vom Staat
bereitgestellten Kollektivgüter, wie Verteidigung, Polizeischutz etc. zu finanzieren.

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hängt die Größe des Sektors nicht von den Erfordernissen der Gemeinschaft, son-
dern von denen der reichen Mitglieder ab.
4. philanthrophic amateurism: Aufgrund der Angewiesenheit auf ehrenamtliche
Arbeit kann von den NPOs keine professionelle Hilfe gewährleistet werden.
Infolge dieser Defizite der Dritte-Sektor-Organisationen können der Staat und
Dritte-Sektor-Organisationen sich nicht gegenseitig ersetzen. Beide ,,arbeiten
Hand in Hand". (vgl. ders.1987:113)
In ähnlicher Weise wie Salamon analysiert Evers (1990;1991;1995; auch
Evers/Olk 1996), die verschiedenen Sektoren als komplementär zu einander.
Wichtig ist der Fakt, daß die spezifischen Schwächen und Stärken der
Sektoren und ihrer Organisationen nicht separat betrachtet werden
können, sondern in ihren Beziehungen untereinander und den sich da-
durch ergebenden sozialen und organisationalen Kontexten gesehen
werden müssen. (Evers,1995:175)
In seinem Konzept des ,,welfare mix" werden daher nicht so sehr Klassifizierungs-
und Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen Sektoren hergestellt, sondern Grenzsi-
tuationen, Übergänge und Spannungsfelder zwischen den Polen Markt, Staat und
Haushalt (Evers,1990:199). Damit sind die Grundlagen des Dritten Sektors nicht
nur abhängig von seinem Verhältnis zu Staat oder Markt, sondern werden anders
als in den anderen Ansätzen in ihrem Verhältnis zu Markt, Staat und Haushalt
2
betrachtet. Der Dritte Sektor wird dabei in einer ,,civil society" als Spannungsfeld
verortet, in dem unterschiedliche Rationalitäten und Diskurse ko-existieren und
sich schneiden (vgl. Evers,1995:161). Im welfare mix wird als konstitutives
Merkmal der freien Träger das Problem der Vermittlung zwischen den unter-
schiedlichen Handlungslogiken und Präferenzen sowie den unterschiedlichen Or-
ganisationsformen bei Markt, Staat und informellem Bereich gesehen (vgl.
Evers,1991:229). In diesem Sinne werden die Organisationen des Dritten Sektors
als intermediäre Organisationen bezeichnet, die vermitteln zwischen: 1.) den all-
gemeinen staatlichen Leistungsverpflichtungen und den besonderen innovativen
2
Bei dem Haushalt müßte es sich eigentlich um einen zusätzlichen Sektor handeln, denn er gehört
weder zum Markt, zum Staat noch zum Dritten Sektor. In den ökonomischen Theorien wird er

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Bedürfnissen in jeweils spezifischen kulturellen und sozialen Milieus, 2.) ökono-
mischen Imperativen und sozialen Aufgaben und 3.) formalen Organisationen als
Repräsentanten von formalen Regeln und der informellen Welt von Familie,
Nachbarschaft, persönlichen Beziehungen und sozialen Netzwerken (vgl.
Evers,1991:231;1995:168ff). Aufgrund dieser vielfältigen Vermittlungsbereiche
mischen sich die intermediären Organisationen im welfare mix zu polyvalenten
Hybriden, die verschiedene Rollen, Fähigkeiten und Rationalitäten in sich vereini-
gen - im Gegensatz zu Staats- oder Marktorganisationen, die nur von wenigen Ra-
tionalitäten dominiert werden (vgl. Evers,1995:171).
Auch Seibels (1990;1991;1992) Ansatz des ,,funktionalen Dilettantismus" von
Organisationen des Dritten Sektors enthält implizit die Annahme, daß die gesell-
schaftliche Stabilität nur durch ein Koexistieren der drei Sektoren zu gewährlei-
sten ist. Als Entstehungs- und Existenzbedingung des Dritten Sektors gelten bei
ihm ein kumulatives Markt- und Staatsversagen, das vor allem in wirtschaftlichen
Krisenzeiten auftritt (vgl. Seibel,1992:277). Von einem kumulativen Markt- und
Staatsversagen kann dann gesprochen werden, wenn die Nachfrage nach be-
stimmten Gütern, die vom Markt nicht bereitgestellt werden, und ein daraus ab-
geleitetes Erwartungsniveau an die Responsivität der politischen und
administrativen Struktur gegeben ist, der Staat jedoch keine Möglichkeit hat, die-
ser Nachfrage und den allgemeinen Erwartungen an seine Leistungsfähigkeit zu
entsprechen. Diese Problematik rührt daher, daß der Staat dieser Erwartungshal-
tung nur mit einer Steigerung seiner strukturellen Integrationsfunktion entgegen-
wirken kann. Eine solche Steigerung der Integrationsfunktion würde aber,
aufgrund der engen Bindung staatlichen Handelns an Grundsätze wie Rechtsstaat-
lichkeit und Demokratieprinzip zu Lasten seiner Allokationsfunktion gehen. (Sei-
bel,1992:275ff) Die Funktionszuweisung des Staates an die Organisationen des
Dritten Sektors besteht nun darin, daß sie den demokratischen Staat in Krisenzei-
ten von Ansprüchen und Forderungen seiner Bürger, die mit der marktwirtschaft-
lichen Ordnung nicht in Einklang zu bringen sind, entlasten sollen (vgl.
Seibel,1991:490). In diesem Sinne können sie als institutionelle Antwort auf nicht
nicht reflektiert, da er nicht als produktiv gilt. Zudem übernehmen Dritte-Sektor-Organisationen
häufig traditionelle Aufgaben des Haushaltes.

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zu erbringende Systemleistungen verstanden werden, die allerdings nicht in Form
von Leistung, sondern in Form hinnehmbarer Nicht-Leistung kompensiert werden,
da bei den Organisationen des Dritten Sektors eine Überdehnung der Integrations-
funktion auf Kosten der Allokationsfunktion möglich ist. (vgl. Seibel,1992:277)
So gesehen ist ihre Existenz auf dem Paradoxon begründet, daß sie nicht trotz,
sondern gerade wegen ihres Versagens gegenüber den Maßstäben der norm- und
zweckrationalen Steuerung und Kontrolle in ihrem Bestand erhalten bleiben. Zu-
sammenfassend schildert Seibel (1992:273) diesen Zusammenhang folgenderma-
ßen:
Diese Bestandssicherung ist möglich, weil Organisationen im Dritten
Sektor das auf Norm- und Zweckrationalität orientierte "Codesystem"
in der Peripherie der Organisationskultur einer modernen Gesellschaft
aufheben und durch Relativierungen von Norm- und Zweckrationalität
auf den verschiedenen Ebenen organisationaler und personaler Koor-
dination ersetzen. Entdifferenzierung und Personalisierung von Orga-
nisationsstrukturen und persönlichen Handlungsorientierungen sind
die wesentlichen Elemente dieser Entmodernisierung. Deren Funktion
liegt in der Entlastung von Risiken des dominierenden Codesystems
durch die Herabsetzung von Lernfähigkeit und Responsivität sowohl
persönlicher Handlungsorientierungen als auch politisch-
administrativer Strukturen in Situationen, wo Lernen und Responsivi-
tät entweder individuell belastend oder wegen des Bestandschutzes
mikro- oder makrosozialer Ordnungen unerwünscht oder ohne Aus-
sicht auf Realisierungschancen etwaiger Lerneffekte ist.
Nach dieser Darstellung der liberalistisch-pluralistischen Ansätze zur Erklärung
des Dritten Sektors erfolgt im nächsten Abschnitt eine Darstellung des theoreti-
schen Rahmens dieser Arbeit.
4. Theoretischer Rahmen: Der moderne Kapitalismus
So unterschiedlich die oben dargestellten Ansätze zur Erklärung des Dritten Sek-
tors auf den ersten Blick erscheinen, so wenig widersprüchlich erweisen sich ihre
Hauptthesen bei näherer Betrachtung. Tatsächlich ergänzen sie einander und wei-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1998
ISBN (eBook)
9783832425975
ISBN (Paperback)
9783838625973
Dateigröße
769 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Bergische Universität Wuppertal – Gesellschaftswissenschaften
Note
1,6
Schlagworte
nonprofit organisationen systemtheorie organisationsgesellschaft organisationssoziologie sektor
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Titel: Organisationstheoretische Analyse des "Dritten Sektors" in der modernen Gesellschaft
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