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Widerstand gegen die Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR 1952-1961

©1999 Examensarbeit 93 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Staatsexamensarbeit befaßt sich in erster Linie mit dem Widerstand, welcher von Teilen der Landbevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik gegen die Kollektivierungsmaßnahmen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in den Jahren 1952 bis 1961 geleistet wurde. Es handelte sich dabei um eine weitverbreitete Gegenwehr, die sich gegen den sogenannten "Aufbau des Sozialismus" auf dem Lande und der damit einhergehenden "Vergenossenschaftlichung" aller Produktionsmittel richtete. Eben jene Gegenwehr ist es, die im Mittelpunkt der Betrachtungen der vorliegenden Staatsexamensarbeit stehen soll.
Das genaue Ziel der Untersuchungen liegt dabei in der Analyse, Typologisierung und Darstellung jenes widerständigen Verhaltens, obgleich politischer Widerstand weder genau definiert, noch absolut gemessen werden kann und allenfalls relativ und prozessual einzuschätzen ist. Die zentrale Fragestellung der Examensarbeit lautet also: Auf welche Art und Weise hat die Landbevölkerung der DDR auf die von Partei und Staat oktroyierte "Sozialisierung" ihres Eigentums reagiert und inwieweit läßt sich das jeweilige Verhalten als Widerstand deuten bzw. typisieren?
Gang der Untersuchung:
Um diese zentrale Fragestellung bearbeiten und beantworten zu können, findet sich zunächst einmal ein historischer Überblick, der in die grundlegenden geschichtlichen und politischen Zusammenhänge einführt und die ideologischen Hintergründe erläutert. So werden also in knapper Form die theoretischen Grundlagen, die sowjetzonalen Gegebenheiten, die Vorgeschichte, Beginn, Verlauf und Abschluß der Kollektivierung geschildert, um somit eine Basis für den Hauptteil der Arbeit und die Beantwortung der zentralen Fragestellung zu schaffen. Des weiteren folgen einige notwendige Vorüberlegungen zum Widerstandsbegriff sowie eine Abhandlung zur Kirche als "letzte legale Trägerin von Opposition" im totalitären Staat. Im Anschluß an den Hauptteil der Arbeit erfolgt eine Darstellung der Gründe und Ursachen, die zu diesem mitunter erbitterten bäuerlichen Widerstand geführt haben. Den endgültigen Abschluß der Ausführungen bildet die Zusammenfassung mit einem Fazit zur Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität des Sozialismus auf dem Lande.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
I.Einleitung1
II.Von der Industrialisierung zur Zwangskollektivierung: Ein historischer Überblick5
1.Die geistigen Väter des Sozialismus und ihre Vorstellungen von der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 2488
Finger, Stefan: Widerstand gegen die Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR 1952-1961
/ Stefan Finger - Hamburg: Diplomarbeiten Agentur, 2000
Zugl.: Bonn, Universität, Staatsexamen, 1999
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Dipl. Kfm. Dipl. Hdl. Björn Bedey, Dipl. Wi.-Ing. Martin Haschke & Guido Meyer GbR
Diplomarbeiten Agentur, http://www.diplom.de, Hamburg 2000
Printed in Germany


1
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS ...1
I. EINLEITUNG...3
II.
VON DER INDUSTRIALISIERUNG ZUR ZWANGSKOLLEKTIVIERUNG:
EIN HISTORISCHER ÜBERBLICK ...7
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III.
DER WIDERSTAND DER LANDBEVÖLKERUNG GEGEN DIE
KOLLEKTIVIERUNGSMAßNAHMEN IN DER LANDWIRTSCHAFT ...31
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3.1
Forderungen, Meinungsäußerungen und offener Protest: Der verbale Widerstand
als Mindestmaß der Gegenwehr...37
3.2
Nonkonformes Verhalten, ziviler Ungehorsam und offene Resistenz als Verweigerung
jeglicher Kooperation ...42
3.3
Solidarischer Widerstand auf dem Lande: Die ,,Klasse der Bauern" hält zusammen ...46
3.4
Handgreifliche Verweigerung und kämpferische Abwehr von Übergriffen: Die
Landbevölkerung demonstriert Entschlossenheit...48
3.5
,,Stichagitationen" und tätlicher Widerstand: Die Bauernschaft geht in die Offensive ...50
3.6
Sabotage und ,,Diversion": Aktive Gegenwehr im Verborgenen ...53
3.7
Angebliche ,,Schädlingstätigkeit" und ,,fortgesetzte Wirtschaftsverbrechen": Der
Widerstand, der keiner war...55

2
3.8
Die Flucht aus der Heimat: Endgültige Verweigerung durch Entzug ...59
3.9
,,Eher gehe ich aufs Schafott, als daß ich in die Kolchose eintrete!" Suizid als
Symbol der Ablehnung, der Verweigerung und der Resistenz ...63
3.10
Gebrochener Widerstand und bezwungene Resistenz: Der Eintritt in die LPG...65
3.11
Erneutes Aufbegehren im ,,vollsozialistischen Staat": Austritte und Auflösungen
von LPGen...68
4. D
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G
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ANDBEVÖLKERUNG
...70
IV. ZUSAMMENFASSUNG ...72
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
...75
Q
UELLEN
-
UND
L
ITERATURVERZEICHNIS
...76
I. Quellen ...76
II. Schrifttum ...77
III. Tagespresse, Nachrichtenagenturen & Amtliche Meldungen ...85

3
I. Einleitung
Die vorliegende Staatsexamensarbeit mit dem Titel ,,Widerstand gegen die Kollekti-
vierung der Landwirtschaft in der DDR 1952-1961" befaßt sich im Schwerpunkt mit
dem Widerstand, welcher von Teilen der Landbevölkerung der Deutschen Demokra-
tischen Republik (DDR) gegen die Kollektivierungsmaßnahmen der Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands (SED) in den Jahren 1952 bis 1961 geleistet wurde. Es
handelte sich dabei um eine weitverbreitete Gegenwehr, die sich gegen den von der
II. Parteikonferenz der SED im Juni 1952 beschlossenen ,,Aufbau des Sozialismus"
auf dem Lande und der damit einhergehenden ,,Vergenossenschaftlichung" aller Pro-
duktionsmittel richtete. Schließlich sollte nach dem Willen der Partei- und Staatsfüh-
rung der gesamte bäuerliche Grund und Boden unter ,,Wahrung der unbedingten
Freiwilligkeit" in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG / LPGen)
zusammengeführt und somit ,,vergenossenschaftlicht" werden. Außerdem sollten die
Bauern und Landarbeiter jenen LPGen beitreten. Nicht eben wenige Landwirte folg-
ten diesem Aufruf, gründeten freiwillig Produktionsgenossenschaften und arbeiteten
fortan als linientreue Genossenschaftsbauern. Ein Großteil der Landbevölkerung je-
doch setzte sich gegen die geforderte Sozialisierung auf vielfältige Art und Weise zur
Wehr. Diese Gegenwehr ist es, die im Mittelpunkt der Betrachtungen der vorliegen-
den Staatsexamensarbeit stehen soll.
Das genaue Ziel der Untersuchungen liegt dabei in der Analyse, Typologisierung und
Darstellung jenes widerständigen Verhaltens, obgleich politischer Widerstand weder
genau definiert, noch absolut gemessen werden kann und allenfalls relativ und pro-
zessual einzuschätzen ist. Dennoch ist beabsichtigt, die Analyse des widerständigen
Verhaltens in der Gliederung umzusetzen, da die Unterteilung und die Abfolge der
einzelnen Darstellungen zwangsläufig von der Typologisierung der unterschiedlichen
Widerstandsarten abhängig ist. Die zentrale Fragestellung der Examensarbeit lautet
also: Auf welche Art und Weise hat die Landbevölkerung der DDR auf die von Partei
und Staat aufoktroyierte ,,Sozialisierung" ihres Eigentums reagiert und inwieweit läßt
sich das jeweilige Verhalten als Widerstand deuten bzw. typisieren?

4
Unter dem Begriff ,,Widerstand" sollen im folgenden sämtliche Formen nichtkonfor-
men, ablehnenden, verweigernden, abweichenden, resistenten, gegnerischen und op-
positionellen Verhaltens subsumiert werden, die als Aktion oder Artikulation deut-
lich machten, daß die Maßnahmen des Staates und der Partei von der Bevölkerung
als ihren Grundrechten und ihrer Menschenwürde zuwiderlaufend und folglich als
nicht akzeptabel angesehen wurden. Der Begriff des Widerstandes ist somit in die-
sem Zusammenhang sehr weit gefaßt. Er soll im Rahmen dieser Arbeit für all jene
Handlungen wie z.B. für den Protest, den zivilen Ungehorsam, den tätlichen Wider-
stand, die offensive Gegenwehr, die Sabotage, die Flucht und den Selbstmord stehen,
die ganz klar aufzeigen, daß es sich beim Beschluß zum ,,freiwilligen Aufbau des
Sozialismus" um einen von der SED initiierten staatlichen Zwang handelte, der von
weiten Teilen der Landbevölkerung entschieden abgelehnt wurde. Die daraus resul-
tierenden verschiedenen Arten des aktiven oder passiven, offenen oder heimlichen,
individuellen oder kollektiven Aufbegehrens der Landbevölkerung unterliegen in ih-
rer Darstellung einer Graduierung, die sich nach Ansicht des Verfassers an der Höhe
der Einsatzbereitschaft, des Mutes und der Wirkung und somit an der Intensität des
Widerstandswillens orientiert, den die handelnden Personen zur Wahrung ihrer
Grund-, Menschen- und Eigentumsrechte aufbrachten. Eine Graduierung, die jedoch
keinesfalls den Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erhebt.
Der Träger dieses Widerstandes soll im folgenden als ,,die Landbevölkerung" be-
zeichnet werden. Denn es waren nicht allein die Bauern, also die männlichen Besitzer
von Haus und Hof, die sich gegen die Vergenossenschaftlichung ihrer Produktions-
mittel sowie ihres Grund und Bodens empörten. Vielfach waren es auch deren Frauen
oder Kinder, manchmal auch deren Eltern oder Landarbeiter, die entweder persönlich
Widerstand leisteten oder den bäuerlichen Hausherren und Familienvater vom Bei-
tritt in die LPG abzubringen versuchten. Mit ,,Landbevölkerung" sind also jene Per-
sonen gemeint, die entweder in der Landwirtschaft tätig waren, zu deren Angehöri-
gen zählten oder sich in sonstiger Form von der Kollektivierung betroffen fühlten,
wie zum Beispiel auch die Pfarrer oder die Bürgermeister auf dem Dorfe. Wie bereits
erwähnt, soll die nicht zu unterschätzende Zahl regimetreuer bzw. vom sozialisti-

5
schen Gedankengut überzeugter bäuerlicher Elemente im folgenden nicht unter dem
Begriff der ,,Landbevölkerung" subsumiert werden, da sich die vorliegende Arbeit
ausschließlich mit den Trägern von Widerstand und Gegenwehr befaßt.
Der Widerstand gegen die Kollektivierung wurde in einem klar einzugrenzenden
Zeitabschnitt geleistet. Er begann mit dem Beschluß der SED zum ,,Aufbau des So-
zialismus" auf ihrer II. Parteikonferenz des Jahres 1952 und endete im wesentlichen
mit dem Bau der Mauer im August des Jahres 1961. Zwar war die Zwangskollekti-
vierung bereits im April 1960 offiziell abgeschlossen worden, doch fand das Gros der
Proteste, Unruhen und Sabotageakte erst ein Jahr später weitestgehend ein Ende.
Vereinzelte Symptome ungebrochener Gegnerschaft wurden sogar noch im Jahre
1963 verzeichnet. Somit soll sich das Hauptaugenmerk der Betrachtungen auf die
,,Kernzeit" der Sowjetisierung der Landwirtschaft richten, nämlich auf das unruhige
Jahrzehnt zwischen den Jahren 1952 und 1961.
Eher unbeachtet soll der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 bleiben, da sich der mas-
senhafte Protest der ostdeutschen Bevölkerung gegen die Politik von Partei und Re-
gierung in ihrer Gesamtheit richtete und weder allein von der Landbevölkerung initi-
iert war, noch in erster Linie die Bolschewisierung der Landwirtschaft anprangerte.
Auch wenn der 17. Juni bis heute ein Symbol des Widerstands- und Freiheitswillens
auch der ländlichen Bevölkerung ist, so läßt sich der landesweite Aufruhr dennoch
nicht der hier zu behandelnden Fragestellung unterordnen. Der Massencharakter des
Ereignisses und die Vielzahl seiner Motivationen, Ursachen und Ziele macht dies un-
möglich. Folglich soll der Tag des Volksaufstandes allenfalls im ,,Historischen Über-
blick" der Hausarbeit, nicht aber im eigentlichen Schwerpunkt näher erwähnt und un-
tersucht werden.
Nach der Einleitung folgt ein historischer Überblick, der in die grundlegenden ge-
schichtlichen und politischen Zusammenhänge einführen und die ideologischen Hin-
tergründe erläutern wird. Im Rahmen dieses zweiten Kapitels werden in knapper
Form die theoretischen Grundlagen, die sowjetzonalen Gegebenheiten, die Vorge-
schichte, Beginn, Verlauf und Abschluß der Kollektivierung geschildert, um somit

6
eine Basis für den darauffolgenden Hauptteil der Arbeit zu schaffen. Das in vier Un-
terabschnitte gegliederte dritte Kapitel bildet den Schwerpunkt der Ausführungen. In
ihm stehen gemäß der dieser Untersuchung zugrunde liegenden Fragestellung und
Zielsetzung die Darstellung und Typisierung der zutagegetretenen Formen des Wi-
derstands der Landbevölkerung im Mittelpunkt der Betrachtungen. Den Anfang ma-
chen einige notwendige Vorüberlegungen zum Widerstandsbegriff sowie eine Ab-
handlung zur Kirche als ,,letzte legale Trägerin von Opposition" im totalitären Staat.
Es folgt schließlich der eigentliche Kern der Untersuchungen: die elf typisierten
Formen des Widerstandes gegen die Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR.
Am Ende des Hauptteils befindet sich schließlich eine Darstellung der Gründe und
Ursachen, die zu diesem mitunter erbitterten bäuerlichen Widerstand geführt haben.
Den endgültigen Abschluß der Ausführungen bildet die Zusammenfassung mit einem
Fazit zur Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität des Sozialismus auf dem Lan-
de.
Zur verwendeten Literatur ist zu sagen, daß es zwar eine Vielzahl an Werken zum
Thema DDR im allgemeinen sowie zur Phase der Kollektivierung im speziellen gibt,
sich konkrete Beispiele widerständigen Verhaltens jedoch nur höchst selten nachwei-
sen lassen. Außer anhand der amtlichen Veröffentlichungen bundesdeutscher Mini-
sterien sowie der Schriften von Franzky, Fricke, Osmond und Werkentin (siehe Lite-
raturverzeichnis) konnten Einzelbeispiele individueller Gegenwehr infolgedessen nur
mit Hilfe der Meldungen der damaligen Tagespresse belegt werden. Allenfalls eine
Recherche im Bundesarchiv in Berlin oder in den diversen Partei-, Gerichts- und Kir-
chenarchiven sowie in der Lokalpresse hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu weite-
ren Erkenntnissen geführt, den Rahmen dieser Staatsexamensarbeit jedoch gesprengt.
So stützt sich der ,,Historische Überblick" dieser Arbeit in erster Linie auf Aufsätze
und Monographien und der Hauptteil auf Quellen wie den ,,Eigenberichten" des Mi-
nisteriums für gesamtdeutsche Fragen, Meldungen des ,,Informationsbüros West"
und auf eine Reihe von Zeitungsartikeln. Die genauen Angaben sind im Quellen- und
Literaturverzeichnis nachgewiesen, das am Ende der Hausarbeit auf eine Übersicht
der verwendeten Abkürzungen folgt.

7
II.
Von der Industrialisierung zur Zwangskollektivierung: Ein hi-
storischer Überblick
1.
Die geistigen Väter des Sozialismus und ihre Vorstellungen von der ge-
nossenschaftlichen Produktion
Einhergehend mit der sich rasch ausbreitenden ,,industriellen Revolution" und den
daraus resultierenden fundamentalen gesellschaftlichen Umwälzungen mehrten sich
im Laufe des 19. Jahrhunderts die Vertreter völlig neuartiger Gesellschaftsordnun-
gen. Der wohl bedeutendste unter ihnen, Karl Marx, vertrat die Ansicht, daß die sich
immer weiter verstärkende Maschinisierung eines Tages zwangsläufig zu derartig
kapitalintensiven Produktionsmitteln führen müsse, daß diese nur noch von einigen
wenigen ,,Monopolkapitalisten" unterhalten werden könnten.
1
Marx prophezeite eine
wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung, die den Arbeiter unweigerlich in
die Verelendung stürzen müsse, da das Ziel jeglicher kapitalistischen Produktion aus-
schließlich in der Maximierung der Gewinne der Produktionsmitteleigentümer läge.
2
Die einzige Möglichkeit, dieser drohenden Ausbeutung und Versklavung zu entge-
hen, erblickte Marx in der radikalen Vergesellschaftung sämtlicher Produktionsmittel
zu einer neuartigen Form der Gütergemeinschaft.
3
Die Arbeiter sollten sich von ihren
Ausbeutern befreien und sich zur ,,herrschenden Klasse" erheben.
4
Marx forderte al-
so eine revolutionäre Bewegung sämtlicher Arbeiter mit dem Ziel, die politische
Macht zu ergreifen, eine ,,Diktatur des Proletariats" zu errichten und die Produkti-
onsmittel der ,,Kapitalisten" in den gemeinschaftlichen Besitz einer ganzen Klasse zu
verbringen.
5
Doch nicht nur die Proletarier in den Städten und Fabriken rief er zu Vereinigung und
Solidarität auf, sondern auch jene auf dem Lande: die Bauern. Die Industrialisierung
1
Vgl. Hoffmann, Joachim: Zentralverwaltungswirtschaft am Beispiel der SBZ.
Frankfurt am Main, Berlin, Bonn, München 1966, S. 11.
2
Vgl. Krebs, Christian: Der Weg zur industriemäßigen Organisation der Agrarproduktion in der DDR.
Die Agrarpolitik der SED 1945-1960. Bonn 1989, im folgenden zitiert als ,,Krebs, Christian", S. 8.
3
Vgl. Kollmer, Michael: Idee und Wirklichkeit des Kommunismus.
Ein Abriß seiner Geschichte von Babeuf bis Stalin. Wien 1994, S. 23.
4
Vgl. Hauschild, Ingrid: Von der Sowjetzone zur DDR. Zum verfassungs- und staatsrechtlichen Selbstver-
ständnis des zweiten deutschen Staates. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris 1996, S. 41.
5
Vgl. Sik, Ota: Der dritte Weg. Die marxistisch-leninistische Theorie und die moderne

8
hatte in der Landwirtschaft zu einer dauerhaften Krise geführt.
6
Marx war davon
überzeugt, daß der technische Fortschritt auch in der Landwirtschaft zu einer drasti-
schen Überlegenheit der kapitalintensiven Großbetriebe führen müsse (Parallelitäts-
theorie),
7
der die kapitalschwachen Betriebe nicht gewachsen seien (Konzentration-
stheorie).
8
Früher oder später werde die Mehrzahl der Klein- und Mittelbauern eben-
so wie die Handwerker und Arbeiter in den Städten zu Lohnempfängern ,,verfallen" -
ohne Eigentum oder Bezug zu ihrem Werk.
9
Marx' enger Vertrauter Friedrich Engels
vertrat die Ansicht, daß sich gegen diesen ,,Verfall" nichts weiter unternehmen ließe,
als die Güter zu genossenschaftlichen Betrieben zusammenzulegen.
10
Er folgte damit
einer im damaligen Europa weitverbreiteten sozialistischen Tendenz.
11
An der deut-
lich höheren Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit des Großbetriebes wurde wenig
gezweifelt.
12
Außerdem forderten die Bauern schon seit langem eine grundlegende
Veränderung der Eigentums- und Besitzverhältnisse auf dem Lande.
13
So wurde also
bereits im Jahre 1875 folgender Passus in das Programm der Sozialdemokratischen
Arbeiterpartei in Gotha aufgenommen: ,,Die Produktivgenossenschaften sind für In-
dustrie und Ackerbau in solchem Umfang ins Leben zu rufen, daß aus ihnen die so-
zialistische Organisation der Gesamtheit entsteht."
14
Industriegesellschaft. Hamburg 1972, S. 365.
6
Vgl. Lehmann, Hans Georg: Die Agrarfrage in der Theorie und Praxis der deutschen und internationalen
Sozialdemokratie. Vom Marxismus zum Revisionismus und Bolschewismus. Tübingen 1970, S. XI.
7
Vgl. Zimmermann, Hartmut: DDR-Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985, S. 13.
8
Vgl. Merl, Stephan: Sowjetmacht und Bauern. Dokumente zur Agrarpolitik und zur Entwicklung der
Landwirtschaft während des ,,Kriegskommunismus" und der Neuen Ökonomischen Politik.
Berlin 1993, S. 15.
9
Vgl. Thieme, Jörg H.: Die sozialistische Agrarverfassung.
Ein Ausnahmebereich im Wirtschaftssystem der DDR. Stuttgart 1969, S. 3.
10
Vgl. Engels, Friedrich: Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland, in: Institut für
Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.): Karl Marx - Friedrich Engels. Werke.
Band 22, Berlin 1972, S. 483-505, S. 503.
11
Vgl. Weber, Adolf: ,,Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse und der Produktionsstruktur in der
Landwirtschaft der DDR", in: Deutscher Bundestag (Hg.): Materialien der Enquete-Kommission
,,Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland". Band II/4:
Machtstrukturen und Entscheidungsmechanismen im SED-Staat und die Frage der Verantwortung.
42. Sitzung, 12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages. Baden-Baden 1995, S. 2809-2888, S. 2810.
12
Vgl. Merl, Stephan: Hat sich der landwirtschaftliche Betrieb bewährt? Zum Vergleich von
Agrarentwicklung mit Agrarproblemen in der Sowjetunion und der DDR, in: Horn, Hannelore;
Knobelsdorf, Wladimir; Reiman, Michal (Hg.): Der unvollkommene Block.
Die Sowjetunion und Ost-Mitteleuropa zwischen Loyalität und Widerspruch.
Frankfurt am Main, Bern, New York, Paris 1988, S. 139-170, S. 141.
13
Vgl. Buchsteiner, Ilona: Bodenreform und Agrarwirtschaft der DDR. Forschungsstudie, in:
Landtag Mecklenburg-Vorpommern (Hg.): Zur Arbeit der Enquete-Kommission ,,Leben in der DDR,
Leben nach 1989 - Aufarbeitung und Versöhnung." Anträge, Debatten, Berichte.
Band 5, Schwerin 1998, S. 11-61, im folgenden zitiert als ,,Buchsteiner, Ilona", S. 12.
14
Programm der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, Gotha 1875, zitiert nach:
Weber, Adolf: Zur Agrarpolitik in der ehemaligen SBZ/DDR. Rückblick und Ausblick, in:

9
Ebenso wie Engels vertrat auch Karl Kautsky die Ansicht, daß sich der Bauer auf die
Grenzen seiner wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit zubewege und sich mit Neben-
tätigkeiten werde behelfen müssen, bis ihn am Ende das Schicksal des ganz und gar
abhängigen Proletariers ereilen werde.
15
Von ähnlich apokalyptischen Zukunftsvisio-
nen entsetzt, gründete Ferdinand Lassalle im Jahre 1863 in Leipzig den ,,Allgemei-
nen Deutschen Arbeiterverein" mit dem Anspruch, das Proletariat fortan politisch
organisieren und vertreten zu wollen. Produktivgenossenschaften nach den Vorstel-
lungen von Marx und Engels lehnte er ab. Kautsky hingegen vertrat hinsichtlich der
Genossenschaften eine völlig andere Position und bezeichnete sie als eine Form der
Arbeit, welche ,,die der menschlichen Natur entsprechendste sei"
16
. In folgender Hin-
sicht herrschte unter diesen vier wichtigsten Vertretern sozialistischen Gedankengu-
tes des 19. Jahrhunderts jedoch weitestgehend Einigkeit: ,,Mit der Entwicklung der
großen Industrie wird also unter den Füßen der Bourgeoisie die Grundlage selbst
weggezogen (...). Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats sind gleich unvermeid-
lich."
17
Ebenso stand außer Frage, daß der genossenschaftliche Zusammenschluß der
Bauern unbedingt vollkommen freiwillig sein müsse. Am Ende dieser Entwicklung
sollten alle ehemaligen Landarbeiter, Bauern und Großgrundbesitzer der gleicherma-
ßen besitzlosen und doch alle Produktionsmittel besitzenden Arbeiterklasse angehö-
ren und den Wohlstand der Allgemeinheit in Freiheit und Gleichheit mehren. Priva-
tes Eigentum an Produktionsmitteln wurde folglich als eine Art ,,menschliche Erb-
sünde"
18
angesehen. Dennoch war die angestrebte Form der genossenschaftlichen
Produktionsweise nur als Übergangslösung zu einer ,,höheren Form einer sozialisti-
schen Gesellschaft" gedacht. Wie diese höhere Staatsform jedoch konkret auszusehen
habe, wurde weder von Marx noch von Engels je ausgeführt.
19
Marx beließ es dabei,
die wünschenswerteste Gesellschaftsordnung als klassenlose Gesellschaft ohne Klas-
Merl, Stephan; Schinke, Eberhard (Hg.): Agrarwirtschaft und Agrarpolitik in der ehemaligen DDR
im Umbruch. Berlin 1991, S. 53-78, S. 55.
15
Vgl. Dreessen, Klaus: Die Bedeutung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften für die
Funktionstüchtigkeit des Planungssystems in der DDR und ihr Beitrag zum Wirtschaftswachstum.
Dissertation. Münster 1973, im folgenden zitiert als ,,Dreessen, Klaus", S. 36.
16
Kautsky, Karl: Die Sozialisierung der Landwirtschaft. Berlin 1919, S. 19.
17
Karl-Marx-Haus (Hg.): Engels, Friedrich; Marx, Karl: Das Kommunistische Manifest
(Manifest der Kommunistischen Partei). Von der Erstausgabe zur Leseausgabe. Trier 1995, S. 11.
18
Kruse, Joachim von (Hg.): Weißbuch über die ,,Demokratische Bodenreform" in der
Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Erweiterte Neuauflage, München/Stamsried 1988, S. 9.
19
Vgl. Todev, Tode; Brazda, Johann: Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften in

10
senwidersprüche zu beschreiben, in der im Grunde keine politische Macht mehr exi-
stiert.
20
Um die Jahrhundertwende griff Lenin das Prinzip der genossenschaftlichen Produk-
tion erneut auf und entwickelte daraus den ,,Leninschen Genossenschaftsplan". Die-
ser Genossenschaftsplan bildete die theoretische Basis, auf der sich der ,,Aufbau des
Sozialismus" auf dem Lande vollziehen sollte.
21
Die erste Stufe dieses Planes sah die
Bildung einfacher Genossenschaften vor, die zunächst nur einzelne Funktionen der
Betriebe wie z.B. den Absatz landwirtschaftlicher Produkte zu übernehmen hatten.
Die zweite Stufe erfaßte schließlich auch die Produktion in genossenschaftlicher Art
und Weise, aus der über weiterhin zu bildende Kooperationsformen schließlich die
kommunistische Gesellschaft erwachsen sollte.
22
In allen kommunistisch regierten Staaten galt diese hier nur in Ansätzen dargestellte
,,wissenschaftlich begründete Weltanschauung" unter der Bezeichnung ,,Marxismus-
Leninismus" als unumschränkt herrschende Ideologie. Ihr ,,offizielles" Ziel lag ent-
sprechend den Vorstellungen ihrer geistigen Väter in der Schaffung einer demokrati-
schen Gesellschaft der Gleichheit und der Gerechtigkeit ohne soziale Mißstände,
Ausbeutung oder Klassenunterschiede. In Wirklichkeit gelang es den de facto Herr-
schenden in allen kommunistischen Ländern jedoch über die gesamte Dauer ihres
Bestehens hinweg, den Marxismus-Leninismus zum Zwecke des eigenen Machter-
halts zu instrumentalisieren und ihn somit zu pervertieren und zu mißbrauchen.
23
Schließlich hatte Marx daran geglaubt, daß sich die Bauern von selbst und aus eige-
ner und freier Einsicht von ihren Unterdrückern befreien würden. Doch Lenin war
davon überzeugt, daß das ,,politische Klassenbewußtsein (...) in den Arbeiter nur von
außen hineingetragen werden [könne]"
24
. Dementsprechend entwickelte er die Lehre
von der ,,Partei neuen Typs". Er schuf den Grundsatz, daß nur eine kleine Gruppe
von zutiefst klassenbewußten und in die Lehren des Marxismus eingeweihten Weg-
Mittel- und Osteuropa. Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft. Göttingen 1994, S. 4.
20
Vgl. Marx, Karl: Misère de la philosophie. Paris 1946, S. 135.
21
Vgl. Autorenkollektiv unter der Leitung von Groschoff, Kurt; Heinrich, Richard:
Die Landwirtschaft der DDR. Berlin 1980, S. 50.
22
Vgl. Immler, Hans: Arbeitsteilung, Kooperation und Wirtschaftssystem.
Eine Untersuchung am Beispiel der Landwirtschaft in der BRD und in der DDR. Berlin 1973, S. 129.
23
Vgl. Weber, Hermann: Die Instrumentalisierung des Marxismus-Leninismus, in: Arbeitsbereich DDR-
Geschichte im Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung der Universität Mannheim (Hg.):
Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung. Berlin 1993, S. 160-170, S. 161.

11
bereitern über die nötige Einsicht ,,in den historischen Evolutionsprozeß"
25
verfüge
und somit zur ,,unfehlbaren" Führung der Arbeiterklasse avanciere. Aufgrund dieser
Einsicht verfüge diese ,,Avantgarde" z.B. über eine auf ,,wissenschaftlichen Grund-
sätzen" basierende zentralistische Wirtschaftsführung, die jeder anderen denkbaren
Wirtschaftsform deutlich überlegen sein müsse.
Dies ist die auf den Theorien und Vorstellungen der geistigen Väter des Sozialismus
basiendere ,,Legitimation", mit deren Hilfe die kommunistischen Parteien der sozia-
listischen Länder ihre Macht und ihren Führungsanspruch bis zum Zerfall des Kom-
munismus in Europa und in der Sowjetunion begründeten.
2.
Die Einführung des ,,stalinistischen Systems" in der Sowjetischen Besat-
zungszone Deutschlands
Mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht endete am 8. bzw.
9. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg in Europa. Deutschland wurde in vier Besatzungs-
zonen aufgeteilt und die Siegermächte USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich
übernahmen die oberste Regierungsgewalt.
26
Gemäß dem ,,Potsdamer Abkommen"
vom 2. August 1945 verpflichteten sie sich, die gesamte deutsche Bevölkerung ein-
heitlich zu behandeln und gemeinschaftlich die Grundlagen für dauerhaften Frieden
und Demokratie zu schaffen.
27
Dieses Ziel der zonenübergreifenden Besatzungspoli-
tik sollte durch einen ,,Alliierten Kontrollrat" sichergestellt werden.
28
Die UdSSR
verstieß jedoch bereits vier Wochen nach Kriegsende gegen das gemeinsame Ab-
kommen, indem sie am 9. Juni 1945 die ,,Sowjetische Militäradministration für
Deutschland" (SMAD) einrichtete, die ausschließlich den sowjetischen Weisungen
Folge leistete. Die Entwicklung in der sowjetisch besetzten Zone war dem Einfluß
24
Meyer, Fritjof: Staatsgründer Wladimir Iljitsch Lenin, in: Der Spiegel. Nr. 29/1999, S. 142-149, S. 144.
25
Rausch, Heinz: Macht und Herrschaft in der DDR, in: Weber, Jürgen: DDR-Bundesrepublik Deutschland.
Beiträge zu einer vergleichenden Analyse ihrer politischen Systeme. München 1980, S. 15-40, S. 24.
26
Vgl. Franzky, Astrid; Franzky, Hans: Die Enteignungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Landwirtschaft
von der Bodenreform bis zur Kollektivierung in der ehemaligen SBZ/DDR. Dokumentation 1991.
Burgwedel, Hannover 1991, im folgenden zitiert als ,,Franzky, Astrid; Franzky, Hans", S. 1.
27
Vgl. Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen (Hg.): Die Enteignungen in der Sowjetischen
Besatzungszone und die Verwaltung des Vermögens von nicht in der Sowjetzone ansässigen Personen.
Bonn 1956, S. 8.
28
Vgl. Schwerin, Manfred Graf von; Voigt, Dieter: Enteignung - Voraussetzung der kommunistischen
Diktatur der SBZ/DDR, in: Mertens, Lothar; Voigt, Dieter (Hg.): Opfer und Täter im SED-Staat.
Berlin 1998, S. 41-66, im folgenden zitiert als ,,Schwerin, Manfred Graf von", S. 44.

12
des Kontrollrates somit entzogen. Die deutschen Kommunisten hatten bereits 1944
geplant, Deutschland unter dem Schutz und der Führung Moskaus zu einem ,,Able-
ger" des sowjetischen kommunistischen Systems umzugestalten.
29
Das Ziel lag im
Aufbau eines
sowjetisierten deutschen Staates, der als möglicher späterer Bündnispartner eine Be-
reicherung der UdSSR darstellen sollte.
30
Demzufolge beabsichtigte die Führung der
,,Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD), die sich bis zum 30. April 1945 im
Moskauer Exil befunden hatte und die als erste Partei in der Sowjetischen Besat-
zungszone (SBZ) mit Hilfe der SMAD zugelassen wurde, alle weiteren sich in der
Sowjetzone gründenden Parteien in eine ,,Einheitsfront", in einen Block ,,antifaschi-
stisch-demokratischer" Parteien zu integrieren und somit das gesamte politische
Spektrum zu kontrollieren.
31
So entstand bereits am 14. Juli 1945 der sogenannte
,,Antifa-Block", in dem sich unter der Führung der KPD die Parteien SPD, CDU und
LDPD (Liberal-demokratische Partei Deutschlands) zusammenschlossen. Mit diesen
Blockparteien sollten Bevölkerungsgruppen ,,gebunden" werden, auf die die KPD als
Arbeiterpartei nicht zugreifen konnte. Da die zweite große Arbeiterpartei, die SPD,
jedoch auch nach ihrer Einbindung in den ,,Antifa-Block" immer noch in nicht ,,aus-
reichendem Maße" kontrolliert werden konnte, wurde sie am 21./22. April 1946 mit
der KPD zwangsvereinigt.
32
Ergebnis dieser Fusion war die ,,Sozialistische Einheits-
partei Deutschlands" (SED). Sie blieb bis zur Wiedervereinigung Deutschlands die
politisch dominierende Partei in der SBZ bzw. in der DDR.
Gemäß der marxistisch-leninistischen Ideologie und der stalinistischen Praxis ver-
stand die nun führende SED den Staatsapparat von Anfang an als ein Instrument, das
beliebig zum Zwecke der Schaffung sozialistischer Arbeits- und Lebensverhältnisse
29
Vgl. Neubert, Ehrhart: Politische Verbrechen in der DDR, in: Courtois, Stéphane; Werth, Nicolas;
Panné, Jean-Louis u.a.: Das Schwarzbuch des Kommunismus. Unterdrückung, Verbrechen und Terror.
4. Auflage, München 1998, S. 827-884, im folgenden zitiert als
,,Neubert, Ehrhart: Politische Verbrechen in der DDR", S. 838.
30
Vgl. Judt, Matthias: Deutschlands doppelte Vergangenheit: Die DDR in der deutschen Geschichte, in:
Judt, Matthias (Hg.): DDR-Geschichte in Dokumenten. Beschlüsse, Berichte, interne Materialien
und Alltagszeugnisse. Bonn 1998, S. 9-24, S. 12.
31
Vgl. Jessen, Ralph: Partei, Staat und ,,Bündnispartner": Die Herrschaftsmechanismen der
SED-Diktatur, in: Judt, Matthias (Hg.): DDR-Geschichte in Dokumenten. Beschlüsse, Berichte,
interne Materialien und Alltagszeugnisse. Bonn 1998, S. 27-43, S. 37.
32
Vgl. Lehmann, Hans Georg: Deutschland-Chronik 1945 bis 1995. Bonn 1995, S. 34.

13
einzusetzen war.
33
Die ersten Schritte zur Einführung des stalinistischen Herrschafts-
systems in der SBZ waren somit also getan,
34
obgleich öffentlich weiterhin die Ab-
sicht dementiert wurde, Deutschland in irgendeiner Form das Sowjetsystem aufzwin-
gen zu wollen.
35
Am aussagekräftigsten dürfte in diesem Zusammenhang folgender, von Wolfgang
Leonhard überlieferter Ausspruch Ulbrichts sein: ,,Es ist doch ganz klar: es muß de-
mokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben."
36
3.
Die ,,antifaschistisch-demokratische Bodenreform" in der Sowjetzone
Trotz der Zerstörungen, die der Zweite Weltkrieg auf dem Gebiet der späteren So-
wjetischen Besatzungszone mit sich gebracht hatte, war die allgemeine Ausgangs-
situation der Landwirtschaft dort nach Kriegsende insgesamt günstiger als die in den
westlichen Besatzungszonen.
37
Der erhebliche Zustrom an Flüchtlingen und Vertrie-
benen aus dem Osten machte es jedoch innerhalb kürzester Zeit erforderlich, Arbeit
und Unterkunft für Millionen von Menschen zu schaffen. Um diesen Zielen der Sied-
lungspolitik und zusätzlich auch der marxistisch-leninistischen Agrartheorie gerecht
zu werden, beschloß die ,,Einheitsfront" der Blockparteien am 14. Juli 1945 die so-
fortige Durchführung einer Bodenreform.
38
Das daraufhin eingeleitete Verfahren be-
stand im wesentlichen aus der entschädigungslosen Enteignung des Bodens sowie
des sonstigen Eigentums ehemals aktiver Nationalsozialisten, führender Repräsen-
tanten des nationalsozialistischen Regimes, Kriegsverbrecher und Gutsbesitzer mit
mehr als einhundert Hektar (ha) Land.
39
Begründet wurden diese Maßnahmen mit
33
Vgl. Wilke, Manfred: Vortrag ,,Die begrenzte Souveränität der SED und ihres sozialistischen Staates",
in:
Landtag Mecklenburg-Vorpommern (Hg.): Zur Arbeit der Enquete-Kommission ,,Leben in der DDR,
Leben nach 1989 - Aufarbeitung und Versöhnung." Anträge, Debatten, Berichte.
Band 2, Schwerin 1998, S.83-89, S. 87.
34
Vgl. Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR 1949-1989. 2., durchgesehene und
erw. Auflage, Bonn 1997, im folgenden zitiert als ,,Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition", S. 35.
35
Vgl. Autorenkollektiv unter der Leitung von Schöneburg, Karl-Heinz:
Errichtung des Arbeiter- und Bauernstaates der DDR 1945-1949. Berlin 1983, S. 17.
36
Leonhard, Wolfgang: Die Revolution entläßt ihre Kinder. Köln 1955, S. 365.
37
Vgl. Henning, Friedrich-Wilhelm: Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Deutschland.
Band 2: 1750 bis 1976. Paderborn 1978, S. 229.
38
Vgl. Bauerkämper, Arnd: Die Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone in
vergleichender und beziehungsgeschichtlicher Perspektive. Einleitung, in:
Bauerkämper, Arnd (Hg.): Junkerland in Bauernhand. Durchführung, Auswirkungen und
Stellenwert der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone. Stuttgart 1996, S. 7-19, S. 7.
39
Vgl. Bauerkämper, Arnd: Legitimer Eingriff oder machtpolitisches Diktat?

14
dem Argument, daß Fürsten, Junker, Großgrundbesitzer und Großbauern das Rück-
grat des deutschen Militarismus und Nationalsozialismus gewesen seien. So wurden
gemäß der Parole ,,Junkerland in Bauernhand" etwa 8.000 Familien innerhalb kürze-
ster Zeit radikal enteignet und umgesiedelt.
40
Mitunter wurden diese Menschen auch
verschleppt oder inhaftiert.
41
Anschließend wurden bis zum 1. Mai 1949 etwa
2.167.600 Hektar Land an
544.000 Empfänger verteilt, wobei über 210.000 Neubauernstellen geschaffen wur-
den.
42
Außerdem wurde ein Teil des Bodens für Mustergüter bereitgestellt, den soge-
nannten Volkseigenen Gütern (VEG) bzw. Volkseigenen Betrieben (VEB). Die VEG
hatten die Aufgabe, die bäuerlichen Betriebe mit Saatgut und Zuchtvieh zu versorgen
und dabei die Überlegenheit der ,,sozialistischen Wirtschaftsweise" (Planwirtschaft,
zentrale Versorgung mit Produktionsmitteln etc.) unter Beweis zu stellen und somit
eine gewisse Vorbildfunktion für die privatwirtschaftlich tätigen Landwirte zu erfül-
len.
Der beschlagnahmte Grund und Boden kam in einen Bodenfonds, aus dem anschlie-
ßend Landarbeitern, landlosen Bauern sowie Flüchtlingen oder Vertriebenen einzelne
Parzellen zugewiesen wurden. Die Größe der zugewiesenen Grundstücke schwankte
zwischen 5 und 10 Hektar. Sie waren unverkäuflich, nicht teilbar, pfändbar und auch
nicht zu verpachten oder zu vererben. Daher war das Bodenreformland weder priva-
tes, noch persönliches Eigentum, sondern im Grunde reines ,,Arbeitseigentum", das
den Neubauern einzig und allein zur Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt wurde.
Die Bauern waren folglich von Anfang an Landarbeiter auf einem Grund und Boden,
über den sie nicht verfügen durften.
43
Die aus Moskau ferngelenkte Führung der SBZ
Die Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone im Rückblick nach fünfzig Jahren, in:
Potsdamer Bulletin für Zeithistorische Studien. Heft 5, 1995, S. 64-69, S. 64.
40
Vgl. Schwerin, Manfred Graf von, S. 51.
41
Vgl. Becker, Heinrich: Dörfer heute. Ländliche Lebensverhältnisse im Wandel.
1952, 1972 und 1993/95. Bonn 1997, im folgenden zitiert als ,,Becker, Heinrich", S. 197.
42
Vgl. Kaapke, Jürgen: In der späteren DDR, in: Bauernverband der Vertriebenen e.V., Bonn;
Agrarsoziale Gesellschaft e.V., Göttingen (Hg.): Die Vertreibung der ostdeutschen Bauern und
ihre Eingliederung. Göttingen 1995, S. 29-31, im folgenden zitiert als ,,Kaapke, Jürgen", S. 30.
43
Vgl. Pätzold, Horst: Zersetzungsmaßnahmen im Zuge der Kollektivierung der Landwirtschaft, in:
Landtag Mecklenburg-Vorpommern (Hg.): Zur Arbeit der Enquete-Kommission ,,Leben in der DDR,
Leben nach 1989 - Aufarbeitung und Versöhnung." Anträge, Debatten, Berichte.
Band 5, Schwerin 1998, S. 163-200, im folgenden zitiert als
,,Pätzold, Horst: Zersetzungsmaßnahmen im Zuge der Kollektivierung", S. 167.

15
hatte ihre Ziele erreicht: Die einstige Macht der Gutsbesitzer war gebrochen, die Ver-
sorgung der Zonenbevölkerung mit Nahrungsmitteln gesichert und eine Vielzahl von
obdach- und arbeitslosen Flüchtlingen und Vertriebenen gesellschaftlich integriert.
44
Außerdem konnte sich die KPD fortan als Vertreter kleinbäuerlicher Interessen ge-
bärden. Doch sowohl die Alt- als auch die Neubauern blieben mißtrauisch. Schließ-
lich hatte die KPdSU kaum zwei Jahrzehnte zuvor im Zuge der Kollektivierung der
Landwirtschaft einen regelrechten Krieg gegen die eigene Bevölkerung geführt, der
Millionen sowjetischer Bauern das Leben gekostet hatte. Die politische Führung der
SBZ bemühte sich natürlich, Gerüchte oder Prophezeiungen dieser Art mit allen Mit-
teln zu entkräften: ,,Auch die von den Feinden der Bodenreform oft kolportierte Be-
hauptung, daß die KPD eine Kollektivierung der Bauernwirtschaften herbeiführen
will, entbehrt jeder Grundlage."
45
Und dennoch befürchteten weite Teile der Bauern-
schaft, daß es eines Tages zu einer solchen ,,zweiten Bodenreform" kommen würde.
4.
Der systematische Machtausbau der SED und ihre Reorganisation zur
,,Partei neuen Typus"
Die aus der Zwangsfusion von KPD und SPD hervorgegangene SED hatte als vor-
herrschende Partei des ,,antifaschistisch-demokratischen Blocks" bereits im Sommer
1946 durch die Unterstützung der SMAD faktisch die politische Führung der Sowje-
tischen Besatzungszone übernommen. Einfluß und ,,Zugriff" der Partei auf die ver-
schiedenen Bevölkerungsschichten hielten sich jedoch zunächst noch in Grenzen.
Deshalb bemächtigte sich die SED daraufhin der ,,Vereinigung der gegenseitigen
Bauernhilfe" (VdgB). Die VdgB war im Verlauf der Bodenreform aus Hilfskomitees
der Bauern hervorgegangen und sollte als bäuerliche Massenorganisation in erster Li-
nie eine wirkungsvolle ökonomische Hilfestellung beim Aufbau der Landwirtschaft
leisten. Seit dem Herbst 1946 bildeten die VdgB spezielle Stationen, an denen von
den Bauern Maschinen entliehen werden konnten, die sogenannten ,,Maschinen-
Ausleih-Stationen" (MAS). Alle ländlichen Genossenschaften und die VdgB mußten
den MAS sämtliche Traktoren, Maschinen, Geräte und Werkstätten zur Verfügung
44
Vgl. Bauerkämper, Arnd: Die Neubauern in der SBZ/DDR 1945-1952. Bodenreform und
politisch induzierter Wandel der ländlichen Gesellschaft, in:
Bessel, Richard; Jessen, Ralph (Hg.): Die Grenzen der Diktatur.
Staat und Gesellschaft in der DDR. Göttingen 1996, S. 108-136, S. 127.

16
stellen. Der Verkauf von landwirtschaftlichen Großmaschinen an Privatpersonen
wurde verboten. Ferner wurde das in den Volkseigenen Betrieben erzeugte Saatgut
sowie die Düngemittel und Brennstoffe ausschließlich über die VdgB und die MAS
verteilt.
46
Da aber in den Führungsposition der VdgB und den MAS viele Gefolgs-
leute der SED saßen und die Bauern von der ,,Maschinenzeit" der MAS abhängig
waren, stellten diese Organisationen ein wirksames politisches Instrument in den
Händen der Staatsführung dar. Mit anderen Worten waren sie ebenso wie die späte-
ren ,,staatlich-sozialistischen"
Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS) ,,der verlän-
gerte Arm der SED" auf dem Lande.
47
Um den trotz der Blockpolitik verbliebenen Einfluß der letzten ,,bürgerlichen" Par-
teien CDU und LDPD nochmals nachhaltig zu schwächen, riefen die SMAD und die
SED im ersten Halbjahr 1948 zwei weitere von SED-Kadern kontrollierte Konkur-
renzparteien ins Leben: die ,,Demokratische Bauernpartei" (DBD) und die National-
Demokratische Partei Deutschlands (NDPD). Diese Parteien sollten vor allem kleine-
re und mittlere Bauern sowie die einstigen Reichswehrsoldaten und NSDAP-
Mitglieder in den ,,unsichtbaren Einflußbereich" der SED und somit der Staatsfüh-
rung bringen. Gemeinsam mit dem der SED ohnehin treu ergebenen ,,Freien Deut-
schen Gewerkschaftsbund" (FDGB) wurden diese Parteien kurz nach ihrer Gründung
in den ,,Antifa-Block" aufgenommen, der sich im Sommer 1949 in ,,Demokratischer
Block der Parteien und Massenorganisationen" umbenannte. Weitere ,,verlängerte
Arme" der SED waren ,,demokratische Massenorganisationen" wie der ,,Demokrati-
sche Frauenbund" (DFD), die ,,Freie Deutsche Jugend" (FDJ) und der bereits er-
wähnte FDGB - um nur einige wenige zu nennen. Obgleich die Mitgliedschaft in die-
sen Organisationen prinzipiell freiwillig war, zog jegliches Fernbleiben mitunter
schwerwiegende Benachteiligungen nach sich. Als Beispiel war die Mitgliedschaft in
der FDJ zwingende Voraussetzungen der Zulassung zum Studium.
Neben dieser ,,Unterwanderung" gesellschaftlicher Organisationen war die SED aber
auch bestrebt, sich die zur Schaffung eines totalitären Systems nötige Kontrolle der
45
Pieck, Wilhelm: Junkerland in Bauernhand. Berlin 1955, S. 3.
46
Vgl. Deutscher Bundestag: Drucksache Nr. 4303: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für gesamt-
deutsche Fragen: Zwangsmaßnahmen gegen den Bauernstand in der sowjetischen Besatzungszone.
1. Wahlperiode, Bonn 1953, S. 2.
47
Vgl. Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen (Hg.):

17
Staatsgewalten anzueignen - allen voran die der Justiz. Daher begann man bereits
1946 mit der Ausbildung von Volksrichtern in einem derartigen Umfang, daß zu Be-
ginn der 50er Jahre 58,1% aller Richter und 73,9 aller Staatsanwälte diesen Nach-
kriegsschulungen entstammten und folglich regimetreu unterrichtet worden waren.
48
Nachdem die Staatsanwaltschaften unmittelbar dem Ministerrat unterstellt und oben-
drein die einstige Justizhoheit der einzelnen Länder abgeschafft worden war, hatte
die SED ihr Ziel erreicht.
49
Die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über Polizei und
Justiz war errungen und diente fortan in erster Linie dem Machterhalt der SED als
herrschender Partei.
An der Spitze von Partei und Staat stand bis zum Jahre 1971 der Generalsekretär des
Zentralkomitees Walter Ulbricht. Unter seiner Führung erfolgte die Abkehr von der
,,Sonderwegtheorie", also von dem bis 1948 beschrittenen besonderen deutschen
Weg zum Sozialismus. Er initiierte die Umgestaltung der SED zu einer ,,Partei neuen
Typus" gemäß dem sowjetischen Vorbild der KPdSU. Sie wurde zu einer Kader- und
Kampfpartei umfunktioniert, die vorgab, als Vorhut der Arbeiterklasse zu fungieren
und somit gemäß der marxistisch-leninistischen Ideologie das totale Herrschaftsmo-
nopol rechtmäßig innezuhaben. In der Partei wurde der ,,demokratische Zentralis-
mus", also das Prinzip der ,,freiwilligen" und straff disziplinierten Unterordnung aller
nachgeordneten Parteiorgane und sonstigen Organisationen unter die Führung des
Zentralkomitees eingeführt. Die spezifischen Aspekte dieses Organisations- und Füh-
rungsprinzips wie die Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit, das Verbot
jeglicher Fraktionsbildung sowie das Prinzip von Kritik und Selbstkritik stellten ei-
nen weiteren Schritt auf dem Weg zur Schaffung eines stalinisierten Satellitenstaates
der Sowjetunion dar.
50
Des weiteren waren es ausnahmslos staatliche Stellen, denen
die Lenkung und Koordinierung sämtlicher wirtschaftlicher Prozesse oblag. Fixiert
wurden die zu erreichenden Produktionsziele, geplant wurde der Einsatz der Produk-
tionsfaktoren, vorherbestimmt wurde die Verwendung der Produktion und die Ver-
teilung des Einkommens. Grundlegende Vorbedingung dieser zentralen Planwirt-
Die Sowjetisierung der Landwirtschaft in der Sowjetzone. Bonn, Berlin, o.J., S. 15.
48
Vgl. Pätzold, Horst: Zersetzungsmaßnahmen im Zuge der Kollektivierung, S. 185.
49
Vgl. Braun, Johannes: Volk und Kirche in der Dämmerung. Ein Einblick in die vier Jahrzehnte
des Sozialismus in der DDR. Leipzig 1992, S. 10.
50
Vgl. Schroeder, Klaus: Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR. München 1988, S. 59.

18
schaft war zwangsläufig die Abschaffung jeglichen privaten Eigentums an den Pro-
duktionsmitteln.
Mit dem Inkrafttreten der ostdeutschen Verfassung vom 3. Oktober 1949 wandelte
sich die Sowjetische Besatzungszone in den zweiten Deutschen Teilstaat, in die
,,Deutsche Demokratische Republik" (DDR). Mit der staatsrechtlichen Spaltung des
Landes in eine Bundes- und eine ,,Demokratische Republik" und der in der ehemali-
gen Sowjetzone abgeschlossenen ,,antifaschistisch-demokratischen Umwälzung" mit
ihren tiefgreifenden gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen, hatten
sich die beiden Teile Deutschlands bereits fünf Jahre nach dem Ende des Krieges po-
litisch, ideologisch und kulturell weit von einander entfernt.
51
5.
Der ,,Klassenkampf" gegen die Großbauern
Nach der Bodenreform begann im Jahre 1948 die zweite Phase der SED-
Agrarpolitik: der Kampf gegen die ,,Klasse der Großbauern". Als Großbauern galten
jene Landwirte, die zwischen 20 und 100 Hektar Landwirtschaftliche Nutzfläche
(LN) ihr Eigen nannten. Ulbricht lies verlauten, daß ,,besonders brutale Elemente der
Großbauern Anweisungen der amerikanischen und englischen Feinde unseres Volkes
durchgeführt und den Anbauplan und die Ablieferung sabotiert"
52
und somit die Ver-
sorgungskrise, die 1947/48 in der SBZ ausgebrochen war, mit Absicht herbeigeführt
hätten. Daraufhin wurden die Ablieferungsnormen für bäuerliche Betriebe mit großen
Landflächen zum 1. Januar 1949 drastisch erhöht. Im Falle der Nichterfüllung drohte
eine Anklage wegen ,,Sabotage", ,,Wirtschaftsvergehen" oder ,,Devastierung", die in
der Regel harte Strafen nach sich zog. Großbetriebe wurden hinsichtlich der Beliefe-
rung mit Maschinen, Düngemitteln und dem nötigen Saatgut systematisch vernach-
lässigt, von den ,,Volkseigenen Erfassungs- und Aufkaufbetrieben" (VEAB) jedoch
um so genauer kontrolliert. Mit den VEAB hatte die SED eine weitere Institution zur
Kontrolle der Bauernschaft ins Leben gerufen, da fortan nur noch von ihr landwirt-
schaftliche Erzeugnisse aufgekauft werden durften. Da die Bauern für den Pflichta-
51
Vgl. Huinink, Johannes; Mayer, Karl Ulrich: Einleitung, in: Huinink, Johannes; Mayer, Karl Ulrich;
Diewald, Martin u.a. (Hg.): Kollektiv und Eigensinn. Lebensverläufe in der DDR und danach.
Berlin 1995, S. 7-24, S. 15.
52
Krebs, Christian, S. 158.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1999
ISBN (eBook)
9783832424886
ISBN (Paperback)
9783838624884
Dateigröße
692 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn – Sozialwissenschaften
Note
1,7
Schlagworte
landwirtschaft agrarsoziologie kollektivierung
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