Lade Inhalt...

Zum Verhältnis von Staat und Medien in Spanien - Eine Folge der späten Demokratisierung?

©1998 Magisterarbeit 222 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Anschluß an die Wahl von José Maria Aznar zum neuen spanischen Ministerpräsidenten im Jahr 1996 kam es zu einem öffentlichen Eklat:
Aznar und seine Partei mußten sich den Vorwurf gefallen lassen, nur dank eines seit Jahren tätigenden Bündnisses aus Politik, Medien und Justiz an die Macht gekommen zu sein. Dieses Bündnis hatte über Jahre hinweg eine Kampagne gegen den ehemaligen Regierungschef González geführt, in der zahlreiche Unregelmäßigkeiten aufgedeckt wurden. Den Beweis für die Existenz dieses Bündnisses erbrachte Anfang 1998 eins seiner ehemaligen Mitglieder: der namhafte Journalist Luís María Anson. Er benannte in einem Interview freimütig die Namen der Beteiligten und deren Vorgehen. Damit war nun öffentlich nachzulesen, worüber lange nur hinter vorgehaltener Hand spekuliert worden war.
Die Ereignisse vor der 1996er Wahl waren aber nur der (vorläufige) Höhepunkt einer Entwicklung, die sich wie ein roter Faden durch die Beziehung von Staat und Medien in Spanien zieht. Dort wo die Medien als ‘vierte Macht’ im Staate die übrigen drei kontrollieren sollten, wurden sie oft zu deren Verbündeten. In Spanien war und ist es an der Tagesordnung, daß Journalisten Politik machen und Politiker sie dafür mit Begünstigungen belohnen. Die Grenzen zwischen Staat und Medien sind dadurch zusehends verwischt.
Das alles erinnert stark an die Jahre unter Franco, die ebenfalls geprägt waren durch mangelnde Gewaltentrennung und nicht vorhandene Pressefreiheit. Wie kommt es aber, daß Spanien aus seiner undemokratischen Vergangenheit scheinbar nichts gelernt hat?
Gang der Untersuchung:
Ziel der Arbeit ist es, die heutigen Verhältnisse in Beziehung zu setzen zur Zeit des Franquismus und zu hinterfragen, ob und inwieweit die vergleichsweise späte Demokratisierung des Landes verantwortlich ist für die heutige Situation.
Dazu wird zunächst die Zeit der Demokratisierung Spaniens mit Hilfe der Transitions- und Konsolidierungsforschung untersucht. Wie war ihr Verlauf, welche Akteure waren beteiligt, welche Strukturen hat sie, besonders im Bereich der Medien, hinterlassen? Dazu zählt u. a. eine Untersuchung der Verfassung von 1978 und der folgenden mediengesetzlichen Regelungen.
In einem zweiten Schritt wird die Rolle der Medien während und nach der Transition beleuchtet. Dabei geht es zum einen um die ehemals staatseigenen Medien und die Frage, ob ihnen eine Loslösung von staatlichen Eingriffen gelungen ist und zum anderen um die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 1290
Lenz, Kirsten: Zum Verhältnis von Staat und Medien in Spanien ­ Eine Folge der späten
Demokratisierung? / Kirsten Lenz - Hamburg: Diplomarbeiten Agentur, 1999
Zugl.: Hamburg, Universität, Magister, 1998
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der
Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der
Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung
in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine
Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den
Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig.
Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk
berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne
der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von
jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht voll-
ständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die Autoren oder Übersetzer
übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte
Angaben und deren Folgen.
Dipl. Kfm. Dipl. Hdl. Björn Bedey, Dipl. Wi.-Ing. Martin Haschke & Guido Meyer GbR
Diplomarbeiten Agentur, http://www.diplom.de, Hamburg 2000
Printed in Germany


I
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
IV
Abbildungsverzeichnis
VIII
Verzeichnis der Anhänge
IX
Vorwort
X
Abkürzungsverzeichnis (mit Übersetzung) und Erläuterung
IV
Abbildungsverzeichnis
VIII
Vorwort
IX
1.
Einleitung
1
1.1. Begründung des Themas
1
1.2. Aufbau der Arbeit
7
1.3. Forschungsstand und Quellenlage
9
2.
Die spanische `transición´ im Spiegel der Transitions- und
Konsolidierungsforschung
12
2.1. Begriffsabgrenzungen
15
2.2. Forschungsstand
20
2.3. Die spanische `transición´
26
2.3.1. Die Bedeutung struktureller Faktoren: Modernisierung
und Demokratisierung in Spanien
27
2.3.2. Der Einfluß politischer Akteure
30
2.3.3. Die Institutionalisierung der Demokratie
34
2.3.4. `El desencanto´: Die `transición´ und ihre Folgewirkungen
37
2.4. Die Verfassung von 1978
40
2.4.1. Die Stellung der Medien in der spanischen Verfassung
43
2.4.2. Weitere mediengesetzliche Regelungen
47
2.5. Der Konsolidierungsprozeß
52
2.5.1. Der Verlauf der spanischen Konsolidierung
55

II
2.5.2. Primäre Bedingungsfaktoren
59
2.5.3. Sekundäre Bedingungsfaktoren
62
2.5.4. Konsolidierung partieller Systeme
63
3.
Die Medien in der spanischen `transición´
78
3.1. Zeitungen/Zeitschriften
78
3.1.1. Oppositionelle Zeitungen/Zeitschriften
79
3.1.2. Private Zeitungen/Zeitschriften
81
3.1.3. `Prensa del Movimiento´
82
3.2. Hörfunk
83
3.2.1. Privater Hörfunk
83
3.2.2. Staatlicher Hörfunk
85
3.3. Fernsehen
87
3.4. Die Medien - ein Motor der `transición´?
88
4.
Das Verhältnis von Staat und Medien - eine Darstellung
paradigmatischer Ereignisse in der Entwicklung der
spanischen Medienlandschaft bis heute
91
4.1. Die Entwicklung im Sektor der Printmedien
93
4.1.1. Ein Überblick
93
4.1.2. `ABC´
99
4.1.3. `El País´
106
4.1.4. `El Mundo´
111
4.1.5. Ein Exkurs: die Nachrichtenagentur `EFE´
115
4.2. Die Entwicklungen im Hörfunksektor
116
4.2.1. Ein Überblick
116
4.2.2. Privater Hörfunk
118
4.2.3. Öffentlicher Hörfunk: Radio Nacional de España (`RNE´)
121
4.3. Die Entwicklung im Fernsehbereich
121
4.3.1. Ein Überblick
121
4.3.2. Öffentliches Fernsehen: Televisión Española (`TVE´)
124
4.3.3. Fernsehsender der Autonomen Gemeinschaften
127
4.3.4. Privatfernsehen
129
4.3.5. Digitales Fernsehen
132
4.4. Ein besonderer Aspekt der spanischen Medienlandschaft:
Die `Autonomías´- die Autonomen Regionen Spaniens
135

III
5.
Atado y bien atado?- Eine abschließende Bewertung des
Verhältnisses von Staat und Medien
136
5.1. Ein Exkurs: Relikte der Francozeit ­ ein Symbol für die
innere Einstellung?
137
5.2. Nachwirkungen der `späten Demokratisierung´
138
5.3. Post-transitorische Einflüsse
142
5.3.1. Schlußbetrachtung und Ausblick
143
Anhang A
146
Interviews mit spanischen Journalisten im Februar 1998 in Madrid
146
2. Interview mit Gonzalo San Segundo/`Cambio 16´
151
3. Interview mit Marian Hens/ `El Mundo´
164
4. Interview mit Carmelo Machín/ `TVE´
174
5. Interview mit Iñaki Gabilondo/ Cadena `SER´
184
Anhang B
194
Inhaltliche Programmaufteilung der Fernsehsender 1996 (in %):
194
Literaturverzeichnis
195
Verwendete spanische Periodika:
207
Verwendete deutsche Periodika:
207
Erklärung
208

IV
Abkürzungsverzeichnis (mit Übersetzung) und Erläuterung
A3
Antena 3 Televisión, privater Fernsehsender
Abb.
Abbildung
Abs.
Absatz
AP
Alianza Popular (Volksallianz), von ehemaligen
Funktionären des Francoregimes gegründete
rechtskonservative Partei, seit 1989 unter der Bezeichnung
PP
Art.
Artikel
bzw.
beziehungsweise
C33
Canal 33, katalanischer Sender der Gruppe CCRT
C9
Canal 9, valenzianischer Sender der Gruppe RTVV
C+
Canal Plus de España, Pay-Television Sender
CAR
Cadena Azul de Radiodifusión (blaue Radiokette),
falangistische Radiokette
CCRT
Corporació catalana de radió i televisió (katalanische Radio-
und Fernsehvereinigung), Betreiber der Radio- und Fernseh-
sender Kataloniens
CDS
Centro Democrático y Social (demokratisches und soziales
Zentrum), 1982 von Adolfo Suárez gegründete Partei mit
wechselnder politischer Ausrichtung
CE
Constitución Española (spanische Verfassung), besonders
als Zusatz hinter einer Artikelangabe (also z.B. Artikel 20
CE)
CE
Comunidad Europea, Europäische Gemeinschaft
CEE
Comunidad Económica Europea, Europäische Wirtschafts-
gemeinschaft
CES
Cadena de Emisoras Sindicales (Kette der gewerkschaft-
lichen Sender), Radiokette der franquistischen
Einheitsgewerkschaft

V
CIS
Centro de Investigaciones Sociológicas (Zentrum für
soziologische Studien)
CiU
Convèrgencia i Unió (Konvergenz und Union),
Parteienallianz der bürgerlichen Nationalisten in Katalonien
COPE
Cadena de Ondas Populares de España (Kette der
populären Wellen Spaniens), kircheneigener Radiosender
CGPJ
Consejo General del Poder Judicial (Oberster Rat der Rich-
terlichen Gewalt)
CSD Canal Satélite Digital (digitaler Satellitenkanal), digitaler
Fernsehsender der PRISA-Gruppe
CST
Canal Sur Television, andalusischer Sender
EE
Euskadiko Eskerra (Linke des Baskenlandes), sozialistisch-
nationalistische Partei des Baskenlandes
EG
Europäische Gemeinschaft
ERC
Esquerra Republicana de Catalunya (republikanische Linke
Kataloniens), sozialistisch-nationalistische Partei
Kataloniens
ETA
Euskadi Ta Askatasuna (Baskenland und Freiheit),
terroristische Untergrundorganisation zur Befreiung des
Baskenlandes
ETB 1
Euskal Telebista 1, baskischer Fernsehsender
ETB 2
s.o.
etc.
et cetera
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
f.
folgende
ff.
fortfolgende
FORTA
Federación de la Radio y Televisión Autonómica (Föderation
der Radio- und Fernsehsender der Autonomen Gemein-
schaften)
GAL
Grupos Antiterroristas de Liberación (antiterroristische
Befreiungsgruppen), von der Regierung eingesetzte, mit
terroristischen Mitteln kämpfende Organisation zur
Bekämpfung der ETA

VI
GC
Guardia Civil (Zivilgarde)
HB
Herri Batasuna (Volkseinheit), linksaktionistische baskische
Partei
INE
Instituto Nacional de Estadísticas (nationales
Statistikinstitut)
IU
Izquierda Unida (Vereinigte Linke), Bündnis der
kommunistischen Parteien im Parlament
MIT
Ministerio de Turismo y Información (Ministerium für
Tourismus und Nachrichtenwesen)
NATO
North Atlantic Treatment Organisation, Nordatlantisches
Verteidigungsbündnis
ONCE
Organización Nacional de Ciegos (Nationaler spanischer
Blindenverband)
OTAN
Organización del Tratado del Atlántico Norte, Nordatlanti-
sches Verteidigungsbündnis
PCA
Partido Comunista de Andalucía, andalusische
Kommunistische Partei
PCE
Partido Communista de España (Kommunistische Partei
Spaniens)
PNV
Partido Nacionalista Vasco, baskische nationalistische
Partei
PP
Partido Popular (Volkspartei), seit 1996 Regierungspartei
unter José María Aznar
PRISA
Promotora de Informaciones, Sociedad Anónima
(Verbreitung von Informationen, Aktiengesellschaft),
spanischer Medienkonzern, Herausgeber der Zeitschrift `El
País´
PSOE
Partido Socialista Obrero Español (Sozialistische
Arbeiterpartei Spaniens), von 1982-1996 Regierungspartei
unter Felipe González
REM
Red de Emisoras del Movimiento, Netz der Sender der
franquistischen Bewegung
RNE
Radio Nacional de España (nationales Radio Spaniens),
öffentlicher Radiosender

VII
RTVE
Ente Público Radiotelevisión Española (öffentliche
spanische Rundfunk- und Fernsehanstalt), Dachorganisation
von RNEund TVE
RTVV
Radiotelevisión Valenciana, Betreiber der Radio- und Fern-
sehsender Valencias
s.
siehe
S.
Satz
SER
Sociedad Española de Radiodifusión (Spanische
Rundfunkgesellschaft), gehört zur PRISA-Gruppe
sog.
sogenannte, -r, -s
STC
Sentencia del Tribunal Constitucional, Urteil des spanischen
Verfassungsgerichts
TV3
Televisió 3, Sender der Gruppe CCRT
TVE Televisión Española, öffentlicher Fernsehsender
TVG
Televisión de Galicia, galizischer Fernsehsender
TVM
Televisión de Madrid, Madrider Fernsehsender
UCD
Unión de Centro Democrático (Union des demokratischen
Zentrums), erste demokratisch gewählte Regierungspartei
von 1977-1982 unter Adolfo Suárez
u. a.
und andere
u. a.
unter anderem
usw.
und so weiter
VD
Vía Digital (digitaler Weg), digitaler Fernsehsender von
Telefónica und RTVE
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
z. B.
zum Beispiel

VIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Spanischen Regierungen 1977-1998
68
Abbildung 2: Parlamentswahlen 1977-1996
74
Abbildung 3: Die 10 größten Mediengruppen Spaniens nach ihren
Marktanteilen bei Tageszeitungen 1994
93
Abbildung 4: Auflagenzahlen der 5 größten Tageszeitungen
1975-1996
99
Abbildung 5: Marktanteile der Radiosender 1992-1996
118
Abbildung 6: Beteiligungen an privaten Hörfunksendern
120
Abbildung 7: Marktanteile der Fernsehsender 1993-1997
124
Abbildung 8: Beteiligungen an privaten Fernsehsendern (1998)
130
Abbildung 9: Beteiligungen an digitalen Fernsehsendern
134

IX
Vorwort
Für die freundliche Hilfe und Unterstützung bei der Planung und
Durchführung der Interviews im Februar dieses Jahres in Madrid, möchte
ich mich herzlich bedanken bei Jens Borchers und Günther Steinkamp
vom ARD-Studio in Madrid. Sie haben für mich ihre Adreßbücher geöffnet
und viele interessante Kontakte ermöglicht. Durch Ihre Vermittlung hatte
ich die Gelegenheit, mich mit spanischen Journalisten aus den
unterschiedlichsten Tätigkeitsbereichen und politischen Lagern über das
Thema meiner Arbeit zu unterhalten. So sind die fünf Gesprächspartner
zwar nicht repräsentativ für die Gesamtheit der spanischen Journalisten,
aber mit Sicherheit ein interessanter und illustrer Querschnitt.
Gesprochen habe ich mit Marian Hens, einer jungen, sehr motivierten
Redakteurin in der internationalen Nachrichtenabteilung von `El Mundo´,
Carmelo Machín Teres, dem Leiter der internationalen Nachrichtenredak-
tion von `TVE´, Gonzalo San Segundo, dem Chefredakteur des Nach-
richtenmagazins `Cambio 16´, Iñaki Gabilondo, dem leitenden Redakteur
und Moderator der Morgensendung bei `SER´ und Eduardo Sotillos, dem
ehemaligen Regierungssprecher von Felipe González und heutigen Re-
dakteur bei `RNE´.
Alle interviewten Personen gewährten mir sehr offen Einblick in ihre
persönlichen Erfahrungen mit den spanischen Medien und äußerten
freimütig ihre Ansichten zum Spannungsfeld zwischen Politik und Presse.
Die durch diese Gespräche gewonnenen Erkenntnisse und Innen-
ansichten waren für die Erstellung meiner Arbeit von großer Wichtigkeit.
Aus diesem Grund möchte ich allen erwähnten Personen noch einmal be-
sonders herzlich für ihre Offenheit und ihre Bemühungen danken.

1
1. Einleitung
1.1.
Begründung des Themas
`To a large extent the legacy of Francoism in broadcasting has remained in-
tact, particularly with regard to partisan political control of appointments and
news output.´
(López-Escobar/Faus-Belau 1985: 134)
Als am 23. Februar dieses Jahres die Zeitschrift `Tiempo´ erschien
1
, ging
ein Aufschrei durch die spanische Bevölkerung. Luis María Anson, vor-
mals Direktor der konservativen Tageszeitung `ABC´, verkündete in einem
groß angekündigten Exklusivinterview, worüber lange nur hinter vorge-
haltener Hand spekuliert wurde: Mit der Absicht die 14 Jahre währende
Ära González mittels einer groß angelegten Medienkampagne
2
zu been-
den, hatten sich führende Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Presse in
verschwörerischer Absicht zusammengeschlossen.
Nun war also öffentlich nachzulesen, daß hinter dem Wahlsieg der Partido
Popular und ihres Spitzenkandidaten José Maria Aznar, im März 1996, ein
seit Jahren tätiges Bündnis aus konservativen Kräften stand, quasi als
Gegenpol zur Regierung und den ihr nahestehenden, sozialistentreuen
Medien.
Die Taktik der beteiligten Akteure war dabei so genial wie wirkungsvoll:
Sie deckten alles auf, was der PSOE in den Jahren ihrer Amtszeit an
Fehlern und Unregelmäßigkeiten unterlaufen war und bauten es mit Hilfe
einer geschickten Strategie in der Presse zu einer endlosen Skandalge-
schichte auf.
Damit scheint der vorläufige Höhepunkt des nunmehr seit über 20 Jahre
währenden Konflikts zwischen konservativen und sozialistischen Medien
erreicht zu sein. Zu keinem vorherigen Zeitpunkt wurde der spanischen
1
`Tiempo de hoy´ Nr. 825 vom 23. Februar 1998 (die genaue Titelschlagzeile lautete: An-
son: das Geständnis).
2
Die Tageszeitung `El Mundo´ deckte über Jahre die Skandale der Regierung González
auf und brachte sie in einer Art `Fortsetzungsroman´ als Aufmacher auf der Titelseite.
Mehr zu diesem Punkt in Kapitel 4.

2
Bevölkerung so offensichtlich vor Augen geführt, wie weitreichend und
tiefgreifend die Beziehungen zwischen Staat und Medien in Spanien sind.
Daß die jeweilige Regierungspartei stets massiv Einfluß bei den öffentli-
chen Sendern genommen hat, war allgemein bekannt. Daß sich aber
mittlerweile auch auf Seiten privater Medien Bündnisse formiert hatten,
die große Bereiche des öffentlichen Lebens durchzogen, war ein Schock
für die spanische Öffentlichkeit. Plötzlich kamen Dinge ans Tageslicht, die
man wohl seit der Francodiktatur für abgeschlossen hielt: ein Zusammen-
spiel freundschaftlich, wirtschaftlich, ideologisch oder sonstwie verbunde-
ner Personen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens, deren ge-
meinsame Zielsetzung war, die Regierung der PSOE unter Felipe Gon-
zález zu beenden. Die Methoden reichten dabei von innerer und äußerer
Zensur in den Medien, über Einflußnahme wirtschaftlicher oder ideeller Art
bis zu Verleumdung, Erpressung und sonstigen Formen des Amtsmiß-
brauchs. Beim `Kopf´ dieser Verschwörung handelte es sich beispielswei-
se um einen ehemaligen Bankdirektor
3
. Dieser plante sogar, über dieses
erste Ziel hinaus, das bisherige Parteiensystem abzuschaffen, und selber
neuer Regierungschef zu werden. In einem ersten Schritt ist ihm sein Plan
sogar geglückt, denn die Mithilfe von Teilen der Justiz hatte er sich bereits
gesichert. Eine kleine Gruppe von konservativ gesinnten Richtern arbei-
tete Hand in Hand mit den Medien, indem sie die aufgedeckten Fälle juri-
stisch aufrollte und so Nahrung für weitere Berichterstattung gab. Dies ist
ein Indiz dafür, daß das Ausmaß der Verschwörung weit über den Me-
dienbereich hinausging. Die Gewaltenteilung verschob sich teilweise so
stark, daß die Judikative die Aufgaben der Legislative und teilweise sogar
der Exekutive übernahm. Die Presse, die als ständiger Verbündeter der
Judikative agierte, partizipierte an diesem Machtzuwachs und stieg von
der vierten zur ersten Macht im Staat auf (vgl. Cernuda/Jáuregui: 317 ff.).
Wer nun denkt, der Krieg sei mit dem Gewinn der Wahl durch die PP be-
endet, der irrt: die nächsten Schlachten sind schon im Gange. Und auch
vor dem oben beschriebenen `Super-GAU´ gab es genug Hinweise auf
die enge Beziehung von Staat und Medien in Spanien. Als ein Beispiel sei
3
Die Rede ist von Mario Conde, dem mittlerweile inhaftierten, ehemaligen Direktor der
Banesto Bank.

3
hier nur die Stellung des öffentlichen Rundfunks angesprochen, der sich
nie ganz aus dem Schatten der Vergangenheit lösen konnte und immer
wieder zum Instrument in der Hand der jeweiligen Machthaber wurde (vgl.
Holznagel 1996: 85).
Sowohl auf die neuerlichen Entwicklungen, als auch auf die bisherigen
Fälle soll später noch im Detail eingegangen werden.
Es wird jedoch bereits an dieser Stelle deutlich, daß etwas schief liegt im
Verhältnis von Staat und Medien in Spanien. Wie auch aus den im An-
hang veröffentlichten Interviews mit spanischen Journalisten deutlich wird,
sind Praktiken wie Zensur in den verschiedensten Formen, legale oder il-
legale Einflußnahme seitens der Regierung oder auch seitens einiger Me-
dienunternehmer an der Tagesordnung.
Somit stellt sich die Frage nach dem G r u n d dieser ungewöhnlichen
Beziehung mit ihren täglich neuen Auswüchsen.
Außerdem drängt sich nach der bisherigen Schilderung der Lage noch ei-
ne weitere Frage auf. Die Zeit, in der die Medien ausschließlich in der
Hand des Staates lagen, ist zwar schon 20 Jahre her, aber im Gegensatz
zu anderen westeuropäischen Demokratien ist Spaniens Demokratie ver-
gleichsweise jung
4
. Die Verfassung feiert am 29.12. dieses Jahres ihren
zwanzigsten Geburtstag. Davor aber hatten Franco und sein Regime das
Land über 40 Jahre unter permanenter Kontrolle, nicht zuletzt auch die
Medien. Der Großteil der Presse war Staatseigentum und auch die weni-
gen privaten Medien wurden ständig kontrolliert und bei Nichtgefallen
zensiert oder die weitere Veröffentlichung verboten.
Das bedeutet, daß zwei ganze Generationen von Spaniern und Spanie-
rinnen noch unter einem autoritären Regime und seiner Einheitspresse
aufgewachsen sind und sich erst langsam an die veränderte Situation
nach 1975 gewöhnen mußten. Zieht man weiterhin in Betracht, daß kein
harter Wechsel stattfand, sondern eher ein gelenktes `Hinübergleiten´ in
die Demokratie und daß Medien und Politiker vor, während und nach der
`transición´
5
eng zusammengearbeitet haben, dann wird klar, daß viele der
4
Daher die Bezeichnung `späte Demokratisierung´ im Titel der Arbeit.
5
`Transición´ (Transition) ist die spanische Bezeichnung für den Prozeß der Demokrati-
sierung nach Francos Tod.

4
alten Strukturen und Akteure auch nach Beendigung des Franquismus er-
halten bzw. aktiv blieben.
Die Frage nach dem Grund der heutigen Situation kann also nur vor dem
Hintergrund dieser besonderen historisch-politischen Entwicklung beant-
wortet werden. Das soll nicht heißen, daß ausschließlich das Nachwirken
der Francodiktatur verantwortlich gemacht werden kann. Vielmehr soll es
darum gehen, diese `Relikte´ aus einer Reihe von möglichen Ursachen
ausfindig zu machen, sie zu benennen und zu analysieren, warum es in
dieser, wenn auch relativ jungen Demokratie immer noch Elemente gibt,
die an das autoritäre Francoregime erinnern.
Somit stellt sich zwangsläufig die Frage nach den Folgen eines Über-
gangs zur Demokratie:
Welche Voraussetzungen müssen vorhanden sein, um eine Demokratie
möglich zu machen? Wie ist der Verlauf der Demokratisierung? Welche
Faktoren wirken wie und mit welchen Folgen auf das alte und das neue
politische System ein? Welche Folgen hat die autoritäre Vergangenheit
auf das demokratische System? Welche Folgen hatte die spezielle Form
des Übergangs zur Demokratie in Spanien? Welche Bedeutung hat die
autoritäre Vergangenheit und welche der Prozeß der Demokratisierung
auf die Medienlandschaft?
Schon seit dem Zusammenbruch einiger Demokratien zwischen den bei-
den Weltkriegen beschäftigt sich die Forschung über Systemwechsel mit
den Gründen für das Scheitern von Demokratien (`breakdown´-
Forschung). Mit dem Einsetzen erfolgreicher Redemokratisierungen in
Südeuropa ab Mitte der 70er Jahre bildete sich ein neuer Zweig der Sy-
stemwechselforschung aus: die Transitionsforschung. Sie beschäftigt
sich, je nach Ansatz mit unterschiedlicher Herangehensweise, mit allen
Aspekten des Übergangs von einem autoritären zu einem demokratischen
System. Mit zunehmender Bestandsdauer der neuen Demokratien bildete
sich ein weiterer Forschungszweig aus: die Forschung über die Konsoli-
dierung von Demokratien. Transitions- und Konsolidierungsforschung ge-
hen allerdings, gerade was die Forschung über die Demokratisierungen in
Südeuropa betrifft, oft Hand in Hand, da diese Prozesse nur schwer von-
einander zu trennen sind.

5
Mit Hilfe der Erkenntnisse aus der Transitions- und Konsolidierungsfor-
schung soll also analysiert werden, inwieweit tatsächlich aus dem autoritä-
ren Francoregime für das heutige Verhältnis von Staat und Medien ver-
antwortlich sind, bzw. in welchem Maße der spanische Staat und die spa-
nische Medienlandschaft als demokratisch konsolidiert gelten können.
Der Transitions- und Konsolidierungsforschung ist, obwohl es sich noch
nicht um eine fertige Theorie handelt, in diesem Fall der Vorzug vor der
reinen System- oder Handlungstheorie zu geben, da jedenfalls die neue-
ren Ansätze bemüht sind, eine Verbindung der Analyse sowohl struktu-
reller Rahmenbedingungen als auch handlungstheoretischer Elemente mit
Akteursbezug herzustellen. Mit der Welle von Demokratisierungen ab
Mitte der 70er Jahre hat sich auch das Verlangen nach einer allgemein-
gültigen Definition von Demokratie verstärkt. Daher spiegeln sich beson-
ders in den verschiedenen Studien der Konsolidierungsforschung auch
die unterschiedlichen demokratietheoretischen Ansätze wider. Der jeweili-
ge Ansatz bestimmt dabei maßgeblich die Frage, ob eine Demokratie als
konsolidiert gelten kann oder nicht. Diesen Studien ist in jedem Fall der
Vorzug zu geben vor rein demokratietheoretischen Ansätzen ohne Bezug
zur Systemwechselforschung. Das grundlegende Problem moderner De-
mokratietheorie ist, daß sie dazu tendiert sich allein mit dem Thema zu
beschäftigen, wie bereits bestehende Demokratien funktionieren und we-
niger wie Demokratien überhaupt entstehen und welche Probleme sie da-
bei zu bewältigen haben. Die Demokratietheorie ist an sich also nicht ge-
nug `problematized´ (Schmitter 1994: 536) und gibt zuwenig Auskunft
über mögliche Defekte einer jungen Demokratie und woher sie stammen.
Ein weiterer Grund ist die Aktualität der Ansätze aus der Transitions- und
Konsolidierungsforschung, denn schließlich haben sich diese Ansätze
nicht im luftleeren Raum entwickelt, es handelt sich dabei vielmehr um
den Versuch, Antworten auf drängende soziale und politische Fragen zu
finden. Aufgrund der Vielzahl der politischen Umbrüche seit Mitte der 70er
Jahre (angefangen von Südeuropa über Lateinamerika bis zu Osteuropa,
Asien und Afrika) stand und steht die Transitions- und Konsolidierungsfor-
schung deshalb permanent im Zentrum der aktuellen sozialwissenschaftli-
chen Debatte.

6
Aufgrund der bisher aufgeworfenen Problemfelder stellen sich für die vor-
liegende Arbeit folgende Leitfragen:
· Erstens: Handelt es sich bei der Beziehung zwischen Staat und Medien
in Spanien um eine strukturell bereits vorgegebene Beziehung? Wenn
ja: Wie sind ihre institutionellen Grundlagen? Wie ist beispielsweise die
Stellung der Medien in der Verfassung (vor allem soll hier natürlich
nach vorhandenen Ungenauigkeiten und Lücken gesucht werden) Wel-
che Vorgaben macht das spanische Medienrecht? Was für eine Me-
dienpolitik betreibt der spanische Staat?
· Zweitens stellt sich die Frage nach der auf der Akteursebene angesie-
delten Form der Beziehung. Wer sind die beteiligten medienpolitischen
und staatlichen Akteure?
· Drittens muß eine sehr wesentliche Frage beantwortet werden: die
nach der Entstehung, in diesem Fall nach der historischen Entwicklung
dieses besonderen Verhältnisses. Wie der Titel schon antizipiert, bildet
diese Frage einen zentralen Bestandteil der Arbeit. Inwieweit läßt sich
also eine andere Besonderheit Spaniens, nämlich seine politische Ent-
wicklung in den letzten 20-25 Jahren verantwortlich machen für die
heutige Situation?
Die Beantwortung der drei Fragen wird sich an vielen Punkten über-
schneiden, da die Antworten oft multikausal sind. So ist beispielsweise die
Frage nach der strukturellen Grundlage der Beziehung auch vor dem
Hintergrund der Transition und Konsolidierung der spanischen Demokratie
zu beantworten, denn diese Strukturen stehen oft in Zusammenhang mit
der autoritären Vergangenheit des Landes.
Bei allen diesen Fragen liegt implizit immer auch eine vergleichende Ebe-
ne vor, vor deren Hintergrund sich die besondere spanische Situation ab-
hebt. Zur Verdeutlichung sollen daher an geeigneter Stelle Beispiele an-
derer europäischer Staaten (insbesondere Deutschland) herangezogen
werden.
Dessen ungeachtet hat die spanische Medienlandschaft in fast allen Be-
reichen, wenn auch mit Verspätung und einigen Querelen, zum europäi-

7
schen Standard aufgeschlossen: der staatliche Rundfunk ging in die öf-
fentliche Hand über und private Fernsehanbieter wurden zugelassen. Die
Welle der ausländischen Investitionen, die Konzentrationstendenz und die
neuen kommunikationstechnischen Errungenschaften wie Digital- (nicht
ohne vorhergehenden, heftigen Kampf) oder Kabelfernsehen machten
auch vor Spanien nicht halt. Schließlich hat auch das Multi-Medieazeitalter
in Spanien Einzug gehalten und zwar auch hier nicht ohne die `üblichen´
Startprobleme, wie der Kampf um den `richtigen´ Decoder oder der Ver-
such, dem Streben nach weltweiter Vernetzung einen `elektronischen Na-
tionalismus´ entgegenzusetzen, belegen. So hat bislang jede technische
Neuerung im Medienbereich für heftige politische Auseinandersetzungen
zwischen wechselnd besetzten Allianzen aus Politikern und Medienver-
tretern gesorgt.
Gleichwohl, oder gerade deshalb, bleibt die Frage bestehen, wie es trotz
des schnellen Aufschließens Spaniens zum Rest Europas zu diesen im-
mer wiederkehrenden Problemen und Verflechtungen kommen konnte,
die mittlerweile kennzeichnend sind für das besondere Verhältnis zwi-
schen Staat und Medien in Spanien.
1.2.
Aufbau der Arbeit
Kapitel 2 dient vor allem dem besseren Verständnis der besonderen histo-
risch-politischen Situation Spaniens aus dem Blickwinkel der Transitions-
und Konsolidierungsforschung. Dazu soll zunächst der Forschungsstand
der Systemwechselforschung kurz dargelegt werden (Punkt 2.2.). Dabei
geht es hauptsächlich um die verschiedenen Ansätze der Transitions- und
Konsolidierungsforschung, da die `breakdown´-Forschung (Forschung
über Zusammenbruch von politischen Systemen) für die Arbeit weniger
von Belang ist. Im nächsten Schritt (Punkt 2.3.) geht es um die spanische
`transición´: ihren Verlauf, die Bestimmung struktureller und akteursbe-
stimmter Einflüsse und ihre Auswirkungen. Ein wichtiger Aspekt jeder de-
mokratischen Transition ist die neue Verfassung. Unter Punkt 2.4. soll die
spanische Verfassung von 1978 besonders auf ihre Bedeutung für die
weitere Entwicklung der Medien untersucht werden, sowie auch deren
weitere Ausgestaltung durch die wichtigsten Mediengesetze.

8
Unter Punkt 2.5. soll dann noch einmal näher auf die Konsolidierung der
spanischen Demokratie eingegangen werden. Die Konsolidierung ist ein
wesentlich komplexerer Prozeß als die Transition. Nach einer kurzen Se-
quenzierung des Verlaufs, geht es dann vor allem um die Bestimmung der
verschiedenen Bedingungsfaktoren, die auf die einzelnen Teilsysteme der
Konsolidierung einwirken. Auf diese Weise entsteht ein Bild des heutigen
Spaniens, in dem die verschiedenen Defekte auf der System- und der
Akteursebene sichtbar werden. Es geht also weniger um die Beantwor-
tung der Frage, ob die spanische Demokratie insgesamt als konsolidiert
gelten kann, sondern vielmehr darum, die Herkunft der verschiedenen
Bedingungsfaktoren und ihre Auswirkungen auf die verschiedenen Teilsy-
steme des Konsolidierungsprozesses zu ermitteln. Dies ist schließlich von
zentraler Bedeutung für die Beantwortung der Frage, ob, durch welche
Faktoren und in welchen Bereichen, die heutige Situation zwischen Staat
und Medien auf die späte Demokratisierung zurückgeführt werden kann.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den Entwicklungen im Medienbe-
reich unmittelbar vor, während und nach der `transición´ bis ca. 1982. Die
Fragestellung ist dabei zweigleisig angelegt: zum einen geht es um den
Einfluß der Transformationsprozesse auf die Medien, zum anderen um
den Einfluß der Medien auf den Prozeß der Demokratisierung.
Im vierten Teil steht die Entwicklung im Medienbereich ab ca. 1982 bis
heute im Mittelpunkt. Zunächst soll ein kurzer Abriß der allgemeinen Ent-
wicklung in den verschiedenen Medien-Teilbereichen einen Überblick ge-
ben. Im folgenden werden dann bestimmte Medien und Journalisten, die
als kollektive oder einzelne Akteure einen besonderen Einfluß auf diese
Entwicklung und die heutige Situation gehabt haben, einzeln vorgestellt.
Die Darstellungen sind zwar in sich chronologisch geordnet, erheben aber
keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es geht vielmehr um die Darstellung
und Analyse einiger ausgewählter Beispiele, die das besondere Verhältnis
zwischen Medien und Staat beispielhaft dokumentieren (wie z.B. das Ver-
halten der Medien angesichts des Putschversuchs von 1981, die Fehde
zwischen `El País´ und `El Mundo´, die Einführung des Privatfernsehens,
die Einflußnahme der Regierung in den öffentlich-rechtlichen Medien, das
Verhalten der Medien angesichts der Wahlen von 1996 und angesichts

9
der GAL-Skandale und schließlich die Querelen um die Einführung des
Digitalfernsehens).
Im fünften Kapitel sollen die unterschiedlichen Faktoren, die Einfluß auf
die Entwicklung der Beziehung zwischen Staat und Medien gehabt haben,
noch einmal systematisch dargestellt werden. Das sind zunächst die in
Kapitel zwei ermittelten Relikte der Francozeit, bzw. der besonderen Form
des Übergangs zur Demokratie. Dannach geht es um die Einflüsse, die
nicht-transitionsbedingt sind. Für enorme Veränderungen in diesem Be-
reich haben z.B. die fortschreitende technische Entwicklunge, die Aus-
richtung auf marktwirtschaftliche Bedingungen, die zunehmenden Kon-
zentrationstendenzen oder der Einfluß internationaler Medienunterneh-
men gesorgt.
Aufgrund dieser `Aufschlüsselung´ soll dann eine abschließende Bewer-
tung der Situation vorgenommen werden auf deren Basis auch ein Blick in
die Zukunft der Beziehung von Medien und Staat gegeben werden kann.
1.3.
Forschungsstand und Quellenlage
`Causality has always been a central concern in media studies. The question
of causality in the case of Spanish media and the politics of transition can be
asked simply: are the media decisive causes of the political transition to de-
mocracy? And, simply reversed: are the politics of transition decisive causes
of media transformation?´ (Maxwell, Richard 1995: xix)
Über erste Frage, welche Rolle die Presse für die Demokratisierung ge-
spielt hat, ist vergleichsweise viel geschrieben worden. In der ersten Zeit
nach der Beendigung der Francodiktatur erschienen in aller Regel ruhm-
reiche Beschreibungen der Medien im Transitionsprozeß nach dem Motto:
`die Presse - Motor der Demokratisierung´. Später wurden dann auch kri-
tische Betrachtungen herausgegeben, die allenfalls einem sehr kleinen
Teil der Presse noch eine aktive Rolle im Kampf um die Demokratie be-
scheinigten (vgl. dazu: Bischoff 1991: 453 oder Maxwell, Richard 1995:
xx)
6
.
6
Unter Punkt 3.4. soll trotzdem auch auf diesen Aspekt eingegangen werden, da das
Verhalten während der `transición´ auch wesentlichen Einfluß auf das heutige Selbstver-
ständnis von Journalisten hatte.

10
Doch der umgekehrten Fragestellung, welche Auswirkungen die Demo-
kratisierung auf die Medienlandschaft hatte, haben sich bislang nur weni-
ge Autoren gewidmet. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die
Reihe `Grandes Temas´ (wichtige Themen), herausgegeben vom Verlag
`Ediciones de hoy´ (Madrid), die in regelmäßigen Abständen das politi-
sche Geschehen in Spanien unter die Lupe nimmt. Die Autoren sind häu-
fig Journalisten. In dieser Reihe erschienen drei Bücher, die sich jeden-
falls teilweise mit dem Thema befassen.
7
Diese Werke sind jedoch mit
Vorsicht zu genießen, denn leider macht die allgemein vorherrschende
rechts-links Spaltung der Medien auch vor dem Buchmarkt nicht halt.
Die Werke sind, je nach politischer Ausrichtung ihrer Autoren (oder dem
Medium, für das sie arbeiten), mehr oder weniger der einen bzw. der an-
deren parteipolitischen Seite zuzuordnen. Das Werk von Losantos enthält
ein Kapitel, daß sich speziell mit der Situation der Medien befaßt. Be-
zeichnenderweise trägt das Kapitel den Titel: `Von Franco zu Polanco´
8
.
Die Intention des Autors, Polanco in eine Reihe mit Franco zu stellen, wird
also schon in der Überschrift deutlich. Das Werk von Jáuregui und
Ménendez streift das Thema Medien nur am Rande. Ebenso das Buch
von Santos, daß sich zwar mit den Mißständen im Medienbereich be-
schäftigt, ohne jedoch die `Wurzel des Übels´ ermitteln zu wollen. Eine
weitere kritische Bestandsaufnahme, speziell zum Thema Relikte der
7
Dabei handelt es sich um die Titel:
1. Jáuregui, Fernando/Menéndez, Manuel Angel (1995): Lo que nos queda de Franco.
Símbolos, Personajes, Leyes y Costumbres, veinte años después, Madrid. Auf deutsch
übersetzt lautet der Titel: Was uns von Franco bleibt. Symbole, Persönlichkeiten, Gesetze
und Gewohnheiten, 20 Jahre später. Dieses Werk ist streift alle Bereiche des spanischen
Lebens und ist weniger eine systematische Analyse als vielmehr eine Sensibilisierung ge-
genüber den immer noch vorhandenen `Rückständen´. Fernando Jáuregui arbeitet bei
dem privaten Hörfunksender `Onda Cero´ und schreibt für die Agentur `Fax Press´. Ma-
nuel Angel Menéndez war unter Franco Redakteur diverser oppositioneller Zeitschriften
und arbeitet jetzt als Fernsehredakteur für Tele 5.
2. Jiménez Losantos, Federico (1993): La Dictadura Silenciosa. Mecanismos Totalitarios
en nuestra Democracia, Madrid. Dieser Titel lautet auf deutsch: Die stille Diktatur. Totali-
täre Mechanismen in unserer Demokratie. Dieses Buch ist von einem Redakteur der
monarchistisch-konservativen Tageszeitung `ABC´ verfaßt und dementsprechend
`rechtslastig´ (s. auch Fußnote Nr. 9).
3. Santos, Félix (1995): Periodistas (Journalisten); Madrid. Félix Santos war Redakteur
der Zeitschrift `Cuadernos para el Diálogo´ und Leiter der Pressestelle der Madrider Ge-
meindeverwaltung. Heute arbeitet er als Korrespondent des Europarats.

11
Francodiktatur im Medienbereich, ist interessanterweise, obwohl in einer
englischen Zeitschrift erschienen, von zwei spanischen Autoren verfaßt
worden
9
.
Ansonsten gibt es einige Werke, die die Situation der Presse zwar kritisch
beleuchten, die Mißstände jedoch nicht in Beziehung zur Franco-Ära set-
zen. Der weit verbreitete Widerwillen, sich mit der Vergangenheit ausein-
anderzusetzen, ist ein Phänomen, dem man in vielen Bereichen und Si-
tuationen des spanischen Lebens begegnet. Auf die konkreten Erschei-
nungsformen und die Gründe soll später genauer eingegangen werden.
Gerade im Zusammenhang mit der konzertierten Aktion zur Beendigung
der sozialistischen Regierung gibt es weitere Veröffentlichungen, die
ebenfalls die politischen Ansichten ihrer Autoren widerspiegeln. Es han-
delt sich hierbei zum einen um Werke der `Asociación de Escritores y
Periodistas Independientes (AEPI)´, zu deutsch der Vereinigung unab-
hängiger Schriftsteller und Journalisten. Eben diese Vereinigung wurde
1994 mit der alleinigen Zielsetzung gegründet, die Ära González zu been-
den. Sie war bis zum Wahlsieg der PP im Jahr 1996 eine wichtige Basis
der Medienaktivitäten gegen die Regierung
10
. Die `andere Seite´ wird ver-
treten durch einen Politikprofessor der `Universidad Complutense´ in Ma-
8
Jesús de Polanco ist Eigentümer der Mediengruppe PRISA.
9
Es handelt sich dabei um den bereits eingangs zitierten Artikel von Esteban López-
Escobar und Angel Faus-Belau: `Broadcasting in Spain: A History of Heavy-handed State
Control.´ Leider stammt er bereits aus dem Jahr 1985, als der Bezug der bestehenden
Mißstände in der Medienlandschaft sicherlich noch größer und offensichtlicher war als
heute.
10
Das wichtigste Werk dieser Autorengruppe ist: Luis María Anson et al. (1996): Contra el
Poder, Madrid. Auf deutsch übersetzt heißt der Titel: `Gegen die Gewalt´. Es handelt sich
dabei um eine Reihe von Aufsätzen, die alle für die Beendigung der Regierung González
plädieren. Neben dem bereits erwähnten Anson gehören eine Reihe weiterer bekannter,
konservativer Schriftsteller und Journalisten zu den Autoren, u.a. der Moderator der Mor-
gensendung des Radiosenders `Onda Cero´, Luis del Olmo und Mitarbeiter des kirchli-
chen Radiosenders `COPE´ wie Antonio Herrero, Antonio Burgos und José Luis Balbín.
Desweiteren gehören zur Gruppe: José Luis Gutiérrez, Direktor der Tageszeitung `Diario
16´; der Chefredakteur von `El Mundo´, Pedro J. Ramírez; der frühere Herausgeber der
monarchistischen Zeitung `ABC´, Luis María Anson; der Verfasser der Meinungskolumne
von `ABC´, Federico Jímenez Losantos; der Schriftsteller und Autor einer Meinungsko-
lumne in `El Mundo´, Francisco Umbral; Pablo Sebastián, der unter dem Pseudonym `Au-
rora Pavón´ ebenfalls eine Meinungskolumne bei `El Mundo´ verfaßt; Raúl del Pozo,
Verfasser einer Meinungskolumne bei `Diario 16´ und José Luis Martín Prieto, Redakteur
bei `El Mundo´.

12
drid, der ausgewiesener PSOE-Anhänger ist und nebenher ebenfalls als
Journalist arbeitet. Sein Werk zum Thema heißt: `El alarido ronco del ga-
nador´, was auf deutsch soviel bedeutet wie: `Das heisere Schreien des
Gewinners´, bezogen auf den Gewinner der 96er Wahl, José María Aznar
(Cotarelo: 1996). Desweiteren gibt es ein Werk von zwei Journalisten
(Cernuda/Jáuregui 1996), ebenfalls bei `Ediciones de Hoy´ erschienen,
das um eine neutrale und kritische Kommentierung der Ereignisse bemüht
ist. Dieses Werk macht einen vergleichsweise objektiven Eindruck.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil meiner Quellen sind die von mir durch-
geführten Interviews mit spanischen Journalisten im Februar 1998 in Ma-
drid. Abgesehen von dem Interview mit Iñaki Gabilondo, in dem es mir nur
möglich war, einige Zwischenfragen zu stellen, während er eigentlich zu
einem anderen Thema interviewt wurde, habe ich alle anderen Ge-
sprächspartner anhand eines Fragebogens befragt. Dies hat mir ermög-
licht die verschiedenen Antworten in einen direkten Bezug zueinander zu
setzen. An gegebener Stelle soll daher nicht nur aus den Interviews zitiert
werden, sondern auch ein Vergleich einzelner Antworten vorgenommen
werden. Dieses ist mit Sicherheit sehr aufschlußreich, da die Sicht der
Dinge stark differieren kann, je nachdem welcher politischen Gruppierung
und welcher Generation die interviewten Journalisten angehören.
Ich habe alle Interviews verschriftlicht und übersetzt der Arbeit als Anhang
(Anhang A) angefügt.
2. Die spanische `transición´ im Spiegel der Transitions- und Kon-
solidierungsforschung
Als um 1975 die diktatorischen Regime Südeuropas stürzten, konnte nie-
mand ahnen, daß Portugal, Griechenland und Spanien Vorreiter einer
Entwicklung sein würden, die wie kaum eine andere zu globalen politi-
schen Veränderungen geführt hat. Beginnend mit der portugiesischen
Nelkenrevolution nahm ein Zyklus demokratischen Umbruchs seinen Lauf,
der inzwischen über den Mittelmeerraum hinaus Lateinamerika und Ost-
europa sowie eine beachtliche Reihe von Ländern in Afrika und Asien er-
faßt hat. Mit der Entstehung neuer Demokratien in Südeuropa ab Mitte der

13
70er Jahre, setzte auch eine wahre Flut theoretischer, vergleichender und
einzelfallorientierter Analysen politischer Systemwechsel ein.
Die Bildung einer allgemeingültigen Theorie steht dabei allerdings noch
aus, obwohl es erste Ansätze dazu gibt (vgl. Sandschneider 1996: 24ff.).
Der Forschungsstand für den südeuropäischen und lateinamerikanischen
Raum gestaltet sich dabei unterdessen besser als beispielsweise der für
die postkommunistischen Länder Osteuropas. Bedingt durch den größe-
ren zeitlichen Abstand seit der Beendigung der autoritären Herrschaft und
die hauptsächliche Beschränkung der Regimewechsel auf die politisch-
institutionelle Dimension
11
, sind die Demokratisierungsprozesse wesentlich
weiter fortgeschritten als in den anderen Ländern.
Dadurch ist auch die Forschungssituation inzwischen sowohl monogra-
phisch wie sektoral und vergleichend weiter vorangekommen und in ihren
methodischen Ansätzen breiter differenziert. Die für Südeuropa und La-
teinamerika vorliegenden Ansätze der Systemwechselforschung haben
durch ihre empirische Erprobung eine gewisse theoretische Dominanz er-
obert. Das kommt der Analyse des theoretischen Hintergrunds der vorlie-
genden Arbeit, die sich ja explizit mit dem Fall der spanischen Demokrati-
sierung befaßt, natürlich zugute.
Wesentlich ist, daß bei der Untersuchung eines Wechsels von einem au-
toritären zu einem liberal-demokratischen System verschiedene Dimen-
sionen angemessen berücksichtigt werden:
· Die Makroebene, auf der mit Hilfe der systemtheoretischen Ansätze
Strukturmodelle zur Erfassung und vergleichenden Analyse unter-
schiedlicher Transformationsprozesse entwickelt werden.
· Die Mesoebene, auf der mit Hilfe der Analyse der Rolle von Institutio-
nen (also im weiteren Sinne z.B. auch Medien) und Eliten im Demokra-
11
In jüngster Zeit rücken die Transformationen gesellschaftlicher Bedingungen vermehrt
in den Mittelpunkt des Interesses, da die Umbrüche in Osteuropa die Bahnen eines `le-
diglich´ politischen Regimewandels verlassen. Untersuchungsgegenstand sind vor allem
die tiefgreifenden Strukturreformen, die die Voraussetzungen für den Umbruch in Osteu-
ropa bildeten (vgl. hierzu: von Beyme, Klaus (1991): Politischer Systemwandel in Osteu-
ropa - Übergang zur Demokratie, in: Geyer, D. (Hrsg.): Europäische Perspektiven der

14
tisierungsprozeß eine Verbindung zwischen Makro- und Mikroebene
geschaffen wird.
· Die Mikroebene, auf der der Transformationsprozeß mit Hilfe akteurs-
theoretischer Ansätze analysiert werden soll.
(Vgl. Sandschneider 1996: 25)
Dazu ist es nötig, die Erklärungspotentiale sowohl der Handlungs- als
auch der Systemtheorie zu nutzen. Entgegen der bisherigen Forschungs-
situation, die sich entweder der einen oder der anderen Theoriealternative
verschrieben hatte, sprechen neuere Ansätze nicht mehr von einer `Kon-
kurrenzsituation´ zwischen den beiden Theorien, sondern gehen davon
aus, daß `ihre heuristischen Potentiale häufig komplementär sind und sich
die Ansätze keineswegs gegen einen wechselseitigen Anschluß sperren.´
(Merkel 1996: 321).
Generell ist bei den neueren Ansätzen auch eine Abkehr von isolierten
Länderanalysen zugunsten einer systematisch-vergleichenden Untersu-
chung verschiedener Demokratisierungswellen, bzw. Großraumstudien
(Südeuropa, Lateinamerika, Osteuropa etc.) zu verzeichnen.
Im folgenden soll nun zunächst eine Übersicht über die wichtigsten Studi-
en und den heutigen Forschungsstand gegeben werden.
Aufgrund der Vielzahl der theoretischen und methodologischen Ansätze
hat sich inzwischen eine verwirrende Terminologie herausgebildet, die es
nötig macht, vor dem Einstieg in den Forschungsstand eine Begriffsklä-
rung und -differenzierung vorzunehmen, um so einem Verlust der begriffli-
chen Schärfe vorzubeugen.
Anhand der verschiedenen Ansätze soll dann, soweit das möglich ist, der
modellhafte Verlauf einer Transition und der anschließenden Konsolidie-
rung beschrieben werden. Im nächsten Schritt geht es dann um den spe-
zifischen Fall der spanischen `transición´ bzw. um seine Einordnung in
den internationalen und historischen Kontext erfolgreicher Transitionen
und Konsolidierungen. Dabei steht die Beantwortung der Frage im Vor-
dergrund, inwieweit Spanien die Bedingungen einer liberalen Demokratie
erfüllt und wo Defekte liegen. Die Gründe für diese Defekte sollen beson-
Perestroika, Tübingen).

15
ders unter dem Gesichtspunkt ermittelt werden, ob sie transitionsbedingt
sind oder nicht.
2.1.
Begriffsabgrenzungen
Begriffe wie Demokratisierung, Liberalisierung, Systemwandel, System-
wechsel, Systemzusammenbruch, Transition und (System-) Transformati-
on bezeichnen scheinbar gleiche Abläufe und werden nicht selten auch
synonym verwendet. Nimmt man auch noch fremdsprachige Termini wie
transformation, replacement, transplacement (s. Huntington 1991), tran-
saction, breakdown, und extrication (s. Share/Mainwaring 1984) aus dem
Englischen oder reforma, ruptura und transición aus dem Spanischen hin-
zu, ist die Verwirrung perfekt. Hinzu kommt, daß viele Begriffe nicht origi-
när der Politikwissenschaft entstammen und daher in ihrem ursprüngli-
chen Kontext wiederum eine völlig andere Bedeutung haben können. Im
folgenden soll dieses `nicht-politikwissenschaftliche´ Bedeutungsfeld je-
doch weitgehend ausgeklammert werden.
Grundlegend für das Verständnis der hier aufgeführten Termini ist die
Differenzierung in die beiden miteinander verschränkten Dimensionen der
Transformation politischer, sozialer und ökonomischer Systeme:
a) w a s wird transformiert? Handelt es sich `nur´ um die Regierung, um
das Regime, den Staat oder gar das gesamte politische System?
b) w i e wird transformiert? In welcher Form, d. h. in welchem Tempo oder
welchen Schritten verläuft die Transformation und welche Akteure sind
an ihr beteiligt?
Zunächst soll die Frage nach dem Gegenstand der politischen Transfor-
mation beantwortet werden:
Robert Fishman (1990: 427ff.) weist auf die Notwendigkeit hin, zwischen
den verschiedenen politischen Ordnungsbegriffen zu unterscheiden.

16
Nach Fishman ist ein Regime die dauerhaftere Form politischer Herrschaft
als eine Regierung, aber weniger dauerhaft als ein Staat
12
. Die von
Fishman verwendete Triade von Regierung, Regime und Staat liegt quer
zum Begriff des Systems, da es die Funktion aller drei Ordnungsformen
einschließt. Auch andere wichtige Vertreter der Transitionsforschung, wie
z.B. Guillermo O'Donnell, Philippe Schmitter und Laurence Whitehead
(1986) haben den Regime- dem Systembegriff vorgezogen.
Klaus von Beyme und Dieter Nohlen haben schließlich den Begriff des
Sytemwechsels in die deutschsprachige Transformationsdiskussion ein-
gebracht. Sie wählten diesen Begriff bewußt als Zeichen der Abgrenzung
zur bisherigen Forschungssituation, da mit der Untersuchung der Zusam-
menbrüche in Osteuropa nach 1989 noch eine weitere Dimension in der
Analyse hinzugekommen ist: die des sozio-ökonomischen Wandels. Da
im Zusammenhang der bis dato untersuchten Zusammenbrüche im we-
sentlichen die politisch-institutionelle Ebene im Vordergrund stand, ist der
Systembegriff den unterschiedlichen Transformationsebenen angemes-
sener. Wolfgang Merkel (1996: 10ff.) weist darauf hin, daß der Begriff des
Systemwechsels zum einen umfassender sei, als der des Regime- oder
Staatswandels. Zum andern ist er aber auch spezifischer, da er eine Un-
tersuchung der Interdependenzen zwischen den verschiedenen politi-
schen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Teilsystemen mehr in den
Mittelpunkt der Untersuchung rückt. Zudem ist er ideologisch neutraler, als
der im deutschen Sprachgebrauch (im Gegensatz zum französischen oder
englischen) negativ besetzte Begriff des Regimes.
Damit stellt sich jetzt die Frage nach dem w i e, nach dem Ablauf der
Transformation. Handelt es sich um einen Zusammenbruch, eine Trans-
formation, einen Wechsel oder einen Wandel?
12
Als Regime bezeichnet Fishman die formelle und informelle (also nicht notwendiger-
weise institutionalisierte) Organisation der politischen Machtzentren und ihre jeweils be-
sonders ausgeformten Beziehungen zur Gesellschaft. Ein Staat ist demgegenüber ge-
kennzeichnet durch die Verfügung über die Zwangsmittel um eine Gesellschaft zu regie-
ren und die nötigen Ressourcen aus ihr zu ziehen.

17
Systemzusammenbruch bezeichnet nur den ersten Teil des Systemwech-
sels, nämlich den des Scheiterns der alten politischen Ordnung, womit
aber über den weiteren Prozeß, die Entstehung und die Bewährung der
neuen Ordnung noch nichts ausgesagt wird.
Regimewandel genau wie Systemwandel bezeichnen im Gegensatz zum
Systemwechsel nicht die Auflösung der alten und den Aufbau einer neuen
politischen Ordnung, sondern vielmehr die Anpassung, die Adaption des
alten Regimes, bzw. Systems an eine veränderte Umwelt.
Systemtransformation bezeichnet schließlich alle intentionalen Verände-
rungen eines Systems und seiner Komplementärsysteme, im Gegensatz
zum Systemwechsel, der allein auf strukturelle Veränderungen abzielt.
Der Begriff der Systemtransformation schließt in seiner analytischen
Breite Systemwechsel, Systemwandel und Systemzusammenbruch mit
ein.
Der Begriff der Transformation erfreut sich vor allem seit den Umbrüchen
in Osteuropa großer Beliebtheit, und ist daher vor allem in neueren Sy-
stemwechselstudien zu finden. Generell ist er ein Sammelbegriff für Um-
gestaltungsprozesse unterschiedlichster Art. Er bezeichnet `umfassende,
teilweise säkulare sozioökonomische und kulturelle Veränderungen, die
zu den Bedingungsfaktoren der Regimewechsel und Demokratisierungs-
prozesse gehören und kurz- mittel- oder langfristig auf diese einwirken´ (s.
Puhle 1996: 173). Die häufige Verwendung verdankt er offensichtlich der
Tatsache, daß er als Begriff neutral, d.h. nicht ideologisch vorbelastet ist
(vgl. Sandschneider 1996: 23). Entsprechende originär deutsche Begriffe
sind Umgestaltung oder Umwälzung, wobei der erste Begriff eine eher ak-
tive und der zweite eine eher passive Konnotation hat. In der eng-
lischsprachigen Literatur wird der Begriff transformation verwendet.
Der Begriff der Transition hingegen bezeichnet weniger die Vielzahl der
prozeßhaften Veränderungen als vielmehr, jedenfalls im politikwissen-
schaftlichen Kontext, den konkreten, in der Regel relativ kurzen Wechsel
von einer politischen Ordnung zur anderen. Die allgemein anerkannte De-
finition lautet: `Eine Transition ist die kritische Phase, die von der Auflö-
sung eines autoritären Regimes zur Errichtung einer Demokratie führt´
(vgl. O'Donnell/Schmitter 1986: 6). Der entsprechende deutsche Begriff ist

18
Übergang. Genauso wie der Transformationsbegriff ist er ungerichtet und
ideologisch unbelastet. Seine Beliebtheit verdankt er sicherlich auch der
sprachübergreifenden Verständlichkeit. Im spanischen Sprachgebrauch
ist `la transición´ schließlich zum Synonym für die Demokratisierung des
Landes (meistens einschließlich der Konsolidierungsphase) nach Francos
Tod geworden. Trotzdem hat der Begriff auch in Spanien seine nicht-
politikwissenschaftliche Bedeutung behalten.
Der Begriff der Demokratisierung ist gekennzeichnet durch seinen klaren
Bezug zum Demokratiebegriff. Dieser wiederum war in einem solchen
Maße erfolgreich, daß er sich als Schlüsselbegriff moderner Politikwissen-
schaft nahezu unangefochten in der politischen Semantik und im allge-
meinen Sprachgebrauch etablieren konnte. Dadurch erfreut sich auch der
Begriff der Demokratisierung, bzw. der democratization, vor allem auch im
allgemeinen Sprachgebrauch großer Beliebtheit. Einerseits ist es ein sehr
weit gefaßter Begriff, da er über den eigentlichen Systemwechsel (s. un-
ten) hinaus auch den Prozeß der Konsolidierung (s. unten) und der
Transformation (s. unten) einzelner sozialer, ökonomischer und kultureller
Umweltbedingungen einer Demokratie mit einschließt. Das bedeutet, daß
auch dann von Demokratisierung gesprochen werden kann, wenn bereits
demokratische Strukturen vorliegen und diese weiter ausgebaut werden
13
.
Andererseits ist durch den eindeutigen semantischen Bezug zum Demo-
kratiebegriff die Richtung des Umgestaltungsprozesses bereits vorgege-
ben. Im Gegensatz dazu sind die anderen bislang aufgeführten Begriffe
nicht auf die Herstellung einer Demokratie ausgerichtet, sie können ge-
nauso den Umgestaltungsprozeß von einer Demokratie zu einem autoritä-
ren oder totalitären Regime bezeichnen.
Der Begriff der Demokratisierungsforschung wird jedoch synonym mit dem
der Systemwechselforschung verwendet.
Der Begriff der Liberalisierung (bzw. engl.: liberalization) wird verwendet,
wenn von politischen oder sozialen Veränderungen im Sinne von ver-
mehrter Selbstbestimmungsfähigkeit der Individuen oder größerer Freiheit
13
Bezogen auf den Titel der Arbeit halte ich Demokratisierung jedoch für den angemes-
senen, da verbreiteteren und allgemein verständlicheren Begriff. Durch den Zusatz `nach
Franco´ wird deutlich, auf welches Ereignis Bezug genommen wird. Implizit ist somit klar,
daß es sich um einen Systemwechsel handelt.

19
gegenüber dem Staat (wie z.B. einer weniger strikten Anwendung der
Zensur, der Ermöglichung von gewerkschaftlicher Organisation, der Frei-
lassung politischer Gefangener etc.) die Rede ist. Diese Veränderungen
können jedoch auch innerhalb eines nicht-demokratischen Systems statt-
finden und müssen nicht zwangsläufig die Errichtung einer Demokratie mit
sich bringen (vgl. Linz/Stepan: 1996: 3).
Aufgrund einer Reihe wichtiger amerikanischer Studien auf dem Gebiet
der Systemwechselforschung hat sich außerdem ein englisches Fachvo-
kabular herausgebildet. Dazu gehören z.B. Begriffe wie replacement oder
transplacement, die von Huntington (1991) geprägt wurden, in der Ab-
sicht, verschiedene Kategorien von Übergängen zur Demokratie zu unter-
scheiden. Replacement steht für die Ablösung des alten autoritären, bzw.
totalitären Regimes durch die Opposition, daß sich zumeist durch die Ab-
wesenheit oder die Schwäche von Reformern ausgezeichnet hat. Oftmals
kommt es nach einer solchen Ablösung zu erneuten Kämpfen innerhalb
des neuen Regimes. Transplacement bezeichnet die Errichtung einer
Demokratie in Zusammenarbeit von altem Regime und Opposition, wobei
die Regierung zwar bereit ist, über einen Regimewechsel zu verhandeln,
aber nicht willens ist, ihn selber vorzunehmen. Huntington benutzt auch
den Begriff der Transformation und bezeichnet damit den von den Macht-
habern des autoritären Regimes initiierten und geleiteten Übergang zur
Demokratie (also z.B. Spanien), wobei er selber den Unterschied zu
transplacements als schwammig und schwer differenzierbar bezeichnet.
Auch die spanische Forschungsliteratur hat eine Reihe weiterer fremd-
sprachlicher Begriffe in die Diskussion eingebracht, wie z.B.: ruptura
(Bruch), reforma oder ruptura/reforma pactada. Ruptura ist die Bezeich-
nung für einen Bruch mit den alten Institutionen, an dem das alte Regime
weder beteiligt ist, noch ihn kontrollieren kann, er entspricht also dem re-
placement-Begriff von Huntington. Reforma ist der begriffliche Gegenpol
zu ruptura und bezeichnet einen allein durch das alte Regime geleiteten
Wechsel. Reforma ist das spanische Synonym für Huntingtons Begriff der
transformation. Reforma, bzw. ruptura pactada steht für eine Mischform
der beiden Begriffe, d.h. es findet eine Absprache zwischen oppositionel-

20
len Kräften und altem Regime statt. Er entspricht Shares Begriff der `tran-
sition through transaction´ (s. unten).
Alle diese Begriffe entstammen dem Versuch, Namen für bestimmte Ty-
pen von Transitionen zu erstellen. Eine allgemeingültige Typologie der
verschiedenen Transitionen existiert bislang jedoch nicht. Bei all diesen
Typologisierungen handelt es sich vielmehr um Versuche, eine sehr kom-
plexe Realität vereinfacht darzustellen. Der Vollständigkeit halber soll hier
auch kurz die Typologie von Donald Share (vgl. Share 1987: 530) erwähnt
werden. Er kommt zu der Erstellung von vier Hauptkategorien, die er
`transition through rupture´, `transition through protracted revolutionnary
struggle´, `incremental democratization´ und `transition through transac-
tion´ nennt. Die ersten beiden werden ohne Beteiligung des alten Regimes
durchgeführt und die letzteren durch oder mit Beteiligung des alten Regi-
mes, wobei Spanien in die Kategorie `transition through transaction´ fällt.
2.2.
Forschungsstand
Die Forschung über Systemwechsel setzte Anfang der achtziger Jahre mit
der Pionierstudie von Dankwart Rustow (Rustow 1970) ein, nachdem es
bereits zwischen den beiden Weltkriegen erste Ansätze zur Erklärung der
Zusammenbrüche einiger europäischer Demokratien gegeben hatte.
Die Forschung über Systemwechsel (genau wie der Systemwechsel an
sich) teilt sich in die folgenden drei Teilbereiche, bzw. Phasen auf (vgl.
von Beyme/Nohlen 1991):
· die Ursachen über den Zusammenbruch von Regimen, bzw. Systemen.
Aus der institutionellen Perspektive handelt es sich um die Entdifferen-
zierung, bzw. Deinstitutionalisierung des alten politischen Systems.
Am meisten untersucht wurde zunächst der Zusammenbruch von De-
mokratien, im englischen breakdown of democracy genannt, daher
auch die Bezeichnung breakdown-Forschung. Über den breakdown of
dictatorship hingegen ist bis Anfang der 80er Jahre weit weniger ge-
forscht worden. Dieser Aspekt soll im weiteren Verlauf der Arbeit nicht
weiter behandelt werden.

21
· die Transitionsforschung. Sie untersucht die verschiedenen Übergänge
zur Demokratie. Das allgemeine Erkenntnisinteresse kann in der Frage
zusammengefaßt werden kann, welche Faktoren in welcher Reihenfol-
ge den Übergang von einem nicht-demokratischen (also im vorliegen-
den Fall eines autoritären) zu einer bestimmten Form eines demokrati-
schen Regimes bedingen. Dieser Forschungszweig beschäftigt sich mit
der Reinstitutionalisierung der neuen politischen Ordnung, da die
Gründung des neuen politischen Systems einhergeht mit der Einrich-
tung neuer Institutionen. Die Verbindungen zum nächsten Teilbereich
sind daher sehr eng, da die neu gegründeten Institutionen die Vorga-
ben für die folgende Konsolidierung der Demokratie darstellen. Den
Abschluß des in der Transition herrschenden institutionellen Vakuums
stellt die Verabschiedung der neuen Verfassung dar.
· Die Konsolidierungsforschung. Sie beschäftigt sich mit der Sicherung
neuer demokratischer Systeme. In diesen Forschungszweig fällt die
Untersuchung der Verfestigung, Legitimierung und Stabilisierung der
demokratischen Strukturen und Institutionen.
Die Studien zur Systemwechselforschung lassen sich außerdem je nach
Forschungsgegenstand in drei Kategorien unterteilen:
· Erstens gibt es die Studien, die sich dem Thema allein auf einer theo-
retischen Ebene und ohne empirischen Bezug nähern, wie z.B. die
demokratietheoretischen Studien, die sich mit der Frage auseinander-
setzen, was Demokratie idealerweise ausmacht und warum sie ande-
ren Regierungsformen überlegen ist (normativer Ansatz), bzw. welche
Bedingungsfaktoren für bestimmte Typen von Demokratien verantwort-
lich sind und wie diese funktionieren (empirisch-deskriptiver Ansatz).
Sie bilden einen wichtigen Bestandteil der Analyse von Systemwech-
seln, denn nur die systematische Verknüpfung demokratietheoretischer
Aspekte mit regional- oder länderspezifischen Analysen kann den kom-
plexen Transformationsprozessen gerecht werden. Deshalb muß an
dieser Stelle dann später der Bogen gespannt werden zu den Spezifika
des jeweiligen Landes, bzw. der jeweiligen Region, um Einsichten in die

22
wahrscheinlichen Verläufe zu gewinnen, die Transitionen und Konsoli-
dierungen nehmen können. Dazu zählen folgende Studien: Schmit-
ter/Karl (1991), Lawson (1993) oder Maravall (1995). Auch über das
Thema der Konsolidierung existieren Studien ohne (oder mit sehr we-
nig) empirischen Bezug, wie die von Morlino (1994).
In diese Kategorie gehören ebenfalls Studien, die sich der Frage des
richtigen Ansatzes für die Systemwechselforschung gewidmet haben,
wie z.B.: Sandschneider (1996), Bos (1996), Merkel (1996).
· Zweitens existieren eine Anzahl vergleichender Studien, die Transitio-
nen und Konsolidierungen, bzw. deren Einzelaspekte in verschiedenen
Ländern, meist desselben Großraums, vergleichen (z.B. Südeuropa,
Lateinamerika, Osteuropa und in jüngster Zeit auch Afrika und Asien).
Zu den Standardwerken der vergleichenden Transitionsforschung für
den südeuropäischen Raum gehören z.B. die Studien von O'Donnell /
Schmitter /Whitehead (Hrsg.) (1986). Desweiteren gibt es Studien von:
Kohler (1981), Baloyra (1987), Puhle (1996).
Zahlreiche Studien haben sich der vergleichenden Konsolidierungsfor-
schung für den südeuropäischen Raum gewidmet, wie z.B.: Pridham
(1990), Mainwaring (1992), O'Donnell (1992) oder sich mit deren Teil-
aspekten befaßt, wie z.B. Liebert/Cotta (1990), Liebert (1995), Agüero
(1995) oder Morlino (1995). Für den südeuropäischen Bereich sind die
Arbeiten des `Social Science Research Council´ (z.B. Gunther / Dia-
mandorous /Puhle 1995) von besonderer Bedeutung, der seit 1988 die
Konsolidierung der verschiedenen Staaten Südeuropas in vergleichen-
der Absicht analysiert hat
14
. Eine Reihe der Untersuchungen zu den la-
teinamerikanischen Demokratisierungen berufen sich auf die Erfahrun-
gen aus Südeuropa, besonders der spanischen, und enthalten somit
eine `regionenübergreifende´ vergleichende Komponente (z.B. Dia-
mond/Linz/Lipset (1990)). In letzter Zeit sind ebenfalls Studien erschie-
nen, die den osteuropäischen Raum mit den Erfahrungen aus der spa-
nischen Transition vergleichen (z. B. Pridham (1995), Linz/Stepan
14
Wie in den meisten vergleichenden Studien wurde auch hier diachron verfahren, aber
Italien mit einbezogen. Die untersuchten Länder sind: Spanien, Portugal, Italien und Grie-
chenland.

23
(1996) ). Dies ist insofern interessant, als überprüft werden kann, in-
wieweit die Erkenntnisse, die aus der spanischen Transition gewonnen
wurden tatsächlich ihrem heuristischen Anspruch gerecht wurden, all-
gemeingültige Aussagen und Prognosen über künftige Demokratisie-
rungen zu treffen. Bislang hat sich jedoch noch keine Studie dieser
Überprüfung gewidmet.
· Drittens gibt es die bereits erwähnten Areastudien, die sich allein mit
der Transition und/oder Konsolidierung eines einzelnen Landes bzw.
deren Teilaspekten befassen. Insgesamt und in seinen Einzelaspekten
außerordentlich gut untersucht worden ist sowohl der spanische Tran-
sitions-, als auch der spanische Konsolidierungsprozeß. Besonders der
Fall der spanischen Transition ist aus vielerlei Gründen besonders
gründlich erforscht worden und hat aufgrund seines Verlaufes oft zur
Bildung realtypischer Muster inspiriert
15
. Doch auch die spanische Kon-
solidierung ist sowohl als ganzes, als auch in ihren Einzelaspekten gut
untersucht worden. Damit hebt sich die spanische Forschungssituation
von der der anderen südeuropäischen Länder deutlich ab, da sich die
Studien über diese Länder zumeist nur mit dem reinen Transitionspro-
zeß beschäftigt haben. Es gibt also innerhalb der Areastudien zu Spa-
nien noch einmal drei unterschiedliche Schwerpunkte: Den ersten
Schwerpunkt bilden diejenigen Studien, die sich allein dem Prozeß der
Transition gewidmet haben, wie z.B. Share (1986, 1987), Preston
(1987) und Powell (1996). Zu diesem Schwerpunkt existieren vor allem
eine Fülle von Werken spanischer Autoren, wie z.B. von Maravall / San-
tamaría (1986), Rodriguez Ibañez (1987), Tezanos/Cotarelo/de Blas
(Hrsg.) (1989); Navarro (1990) oder Arango (1995). Besonders hervor-
heben möchte ich in diesem Zusammenhang das Werk von Seco Ser-
rano (1994), der anhand von zahlreichen Zeitungsartikeln verschiede-
ner spanischer Tageszeitungen die `transición´ dokumentiert hat. Die-
ses Buch stellt jedoch keinen Beitrag zur Transitions- oder Konsolidie-
rungsforschung dar.
15
S. hierzu beispielsweise: Lijphart, Arend (1990): The Southern European Examples of
Democratization: Six Lessons for Latin America. In: Government and Opposition N°
25/1990, S. 68-84.

24
Einen zweiten Schwerpunkt bilden die Studien, die sich speziell mit
dem Konsolidierungsprozeß auseinandersetzen, wie z.B. Cotarelo
(1992).
Einen dritten Schwerpunkt bilden die monographischen Studien, die
sich nur mit einem bestimmten Aspekt des Transitions- bzw. Konsoli-
dierungsprozesses beschäftigt haben, wie z.B. dem Rückzug des Mili-
tärs aus der Politik (s. hierzu: Agüero (1995) ), der Institutionalisierung
der neuen demokratischen Ordnung (s. hierzu z.B. die Aufsätze von
Rüb (1996), Merkel/Sandschneider/Segert (1996), Kraus (1996).
Als weiteres und vielleicht entscheidendes Kriterium zur Differenzierung
der verschiedenen Studien sind die zugrunde liegenden, genuin sozial-
wissenschaftlichen, Theoriealternativen zu nennen: die System- und die
Handlungstheorie. Die beiden Theoriealternativen haben die Transforma-
tionsforschung der letzten 35-40 Jahre geprägt. Dabei gab es in der Präfe-
renz einer der beiden Theoriealternativen klar getrennte, zeitliche `Wellen´
(vgl. Huntington 1991).
Auf die makrosoziologisch-funktionalistisch oder makrosoziologisch-
strukturalistisch geprägten Ansätze der Systemtheorie der fünfziger und
sechziger Jahre, auf die hier im einzelnen nicht näher eingegangen wer-
den soll, folgten in den achtziger Jahren vor allem mikropolitologisch-
akteurstheoretisch geprägte Ansätze. Dazu gehören beispielsweise die
Arbeiten von O'Donnell/Schmitter/Whitehead (Hrsg.) (1986), Przeworski
(1986, 1992) und Schmitter (1992). Erst in den späten achtziger und frü-
hen neunziger Jahre kam es zu einer gleichwertigen Koexistenz beider
Theorietypen und es erschienen eine Reihe von Studien, die sich um Be-
rücksichtigung sowohl system- wie handlungstheoretischer Elemente be-
mühten. Ihre erklärte Zielsetzung war es nun, die Erklärungsdefizite der
einen Theorie durch die andere aufzufangen. Dazu zählen z.B. Huntington
(1991) und Merkel (1996).
Die wechselnde Präferenz der einen bzw. der anderen Theorie ist dabei
im historischen Kontext der Entstehung der jeweiligen Studien zu sehen.
Die ersten beiden Wogen der dritten `Demokratisierungswelle´ (vgl. Hun-

25
tington 1991), also jene, die in Südeuropa und Lateinamerika die autoritä-
ren Regime `wegschwemmten´, verlangten eher nach einer akteurszen-
trierten Analyse, wie im folgenden sichtbar wird, als nach einer makroso-
ziologisch angelegten, systemtheoretischen Untersuchung. Die Ende der
achtziger Jahre einsetzende dritte Woge dieser Demokratisierungswelle,
die die Regime Osteuropas erfaßte, ist hingegen wiederum zugänglicher
für systemtheoretische Erklärungen, da hier die von den alten Regimen
verhinderte funktionale Differenzierung
16
für das Scheitern der Modernisie-
rung der Gesamtgesellschaft verantwortlich gemacht werden kann.
Auch Sandschneider (Sandschneider 1996: 25f.) setzt auf der Ebene sy-
stemtheoretischer Theorien an, mit dem Ziel: `einen tragfähigen Ansatz zu
schaffen, der in der Lage sein muß, regional und zeitlich unterschiedliche
Transformationsvorgänge analytisch so zu erfassen, daß (...) eine Trans-
formationstheorie erkennbar wird, die nicht nur ex post beschreibend,
sondern vielleicht sogar ex ante erklärend eingesetzt werden kann.´
Dabei `ist es allerdings zunächst notwendig, den Universalitätsanspruch
der Systemtheorie in Frage zu stellen und zu klären, welchen generellen
Wert systemtheoretische Ansätze in der Transformationsforschung haben
können, bzw. wo andere Erklärungsansätze größeren analytischen Nutzen
aufweisen.´ Das zeigt, daß auch `eingefleischte´ Akteurs- bzw. Sy-
stemtheoretiker verstärkt um eine Aufdeckung der Defizite ihrer `eigenen
Theorie´ bemüht sind, verbunden mit dem Bestreben auch Elemente der
jeweils anderen Seite mit einzubeziehen (vgl. Sandschneider (1996), Bos
(1996)).
Der Versuch, aus den verschiedenen Ansätzen eine einheitliche Theorie
zu bilden, gestaltet sich jedoch schwierig, da, wie bereits erwähnt, die Sy-
stemtheorie auf einer ganz anderen Ebene ansetzt als der akteurstheore-
16
Der Begriff der `funktionalen Differenzierung´ entstammt der strukturell-funktionalen
Systemtheorie Parsons (Talcott Parson (1969): Evolutionäre Universalien der Gesell-
schaft. In: Zapf, Wolfgang (Hrsg.): Theorien des Sozialen Wandels, Köln/Berlin, S. 55-
74.), wonach sich die Entwicklung einer traditionellen zu einer modernen Gesellschaft in
der Ausdifferenzierung von Teilsystemen manifestiert. Diese Differenzierung betrifft z.B.
die Teilsysteme Wirtschaft/Politische Herrschaft, Politisches System/`Civil Society´ und
Soziale Normen/Religiöse Normen.

26
tische Ansatz. Der systemtheoretische Ansatz, der auf der Ebene politi-
scher Ordnung ansetzt (Makroebene) hat eher die Tendenz `über das Ziel
hinauszuschießen´ und zu wenig auf den konkreten Fall und seine Be-
sonderheiten einzugehen (s. Punkt 2.3.1.), während der akteurstheoreti-
sche Ansatz oft zu sehr im Detail hängenbleibt und zu wenig um verglei-
chende oder allgemeine Erkenntnis bemüht ist (s. Punkt 2.3.2.). Rüb
(1996: 111ff.) betont daher die Notwendigkeit eines `Bindeglieds´ zwi-
schen beiden Ansätzen, das er in der Herausbildung politischer Institutio-
nen sieht. Einige Studien haben sich bereits mit der Frage nach den Vor-
und Nachteilen bestimmter institutioneller Ausprägungen beschäftigt, wie
z.B. bestimmten Regierungs- oder Wahlsystemen (Liebert/Cotta (Hrsg.)
(1990), Lijphart (1990) oder Linz (1990)). Der Nachteil dieser Studien ist,
daß sie Institutionen als unabhängige Variablen betrachten und nicht als
Folge von Konsens- und Konfliktprozessen politischer Akteure einerseits
und struktureller Gegebenheiten andererseits. Des weiteren haben die
neuen, demokratischen Institutionen wiederum maßgeblichen Einfluß auf
das Handeln der gesellschaftlichen und politischen Akteure und damit auf
die Frage ob sich eine postautoritäre Demokratie konsolidieren kann oder
nicht. Daher soll unter Punkt 2.3.3. noch einmal gesondert auf die Be-
deutung von Institutionen eingegangen werden, zu denen im weiteren
Sinne ja auch die Medien zu rechnen sind.
2.3.
Die spanische `transición´
`The spanish transition is unique in terms of the military's secondary role ,
the low level of violence, the degree of agreement among the transition's
protagonists, and a mechanism of transition based on the monarchy. These
factors made the breakdown of the regime coincidental with the endgame of
the transition, led to a smooth implementation, and made Spain perhaps the
only case in which one may properly speak of `transition from
above.´(Baloyra 1987: 15)
In der Literatur wird die spanische `transición´ stets als Paradebeispiel des
von `oben´ geleiteten und zwischen alten und neuen Eliten ausgehandel-
ten Übergangs beschrieben. Diese Form einer `reforma/ruptura pactada´,
bzw. einer `transition through transaction´ wirft jedoch eine wichtige Frage
auf:

27
Wie konnte es angesichts des wachsenden Unmuts der spanischen Be-
völkerung und ihrem Drang nach mehr Demokratie zum Ende der Ära
Franco trotzdem zu einem Übergang kommen, der für das alte Regime
nicht in einer Niederlage endete, wie es in Portugal oder Griechenland der
Fall war, sondern zu einer Transition, bei der die autoritären Kräfte sogar
maßgeblich an der Herausbildung des neuen politischen Systems beteiligt
waren?
Zur Beantwortung dieser Frage ist es unabdingbar, zumindest summa-
risch die Hauptursachen für das Ende des autoritären Francoregimes und
die wesentlichen Momente der nachfranquistischen `transición´ zu be-
leuchten, um so zu einem angemessenen Verständnis der Genese eines
paktierten Übergangs zur Demokratie und seinen Konsequenzen für die
daraus resultierende Entstehung einer neuen politischen Ordnung und der
Entwicklung eines demokratischen spanischen Staates zu kommen.
2.3.1. Die Bedeutung struktureller Faktoren: Modernisierung und
Demokratisierung in Spanien
Die Modernisierungspolitik am Ende des Francoregimes (ab den 60er
Jahren) hat Spanien zu einem enormen Entwicklungsschub verholfen.
Dank des wachsenden Einflusses der technokratischen Opus Dei-
Anhänger
17
innerhalb der franquistischen Führungselite, vollzog das Land
eine drastische Veränderung der Wirtschafts- und Erwerbsstruktur und
verzeichnete dadurch spektakuläre Wachstumsraten. In dieser Zeit war
Spanien einem tiefgreifenden sozialen Wandel unterworfen, der es in kur-
zer Zeit von einem Agrarland in ein Industrie- und Dienstleistungsland
verwandelte. Der daraus resultierende Umbau der Klassenstruktur (Indu-
strieproletariat, städtische Mittelschicht) ist die erste zu verzeichnende
Veränderung des strukturellen Hintergrunds im spätfranquistischen Spa-
nien. Dieser Umbau hat seinen unmittelbaren Ausdruck in der zunehmen-
den Ablehnung der repressiven Haltung des Regimes gefunden. Es kam
auch zu einer kulturellen Öffnung und dem verstärkten Verlangen nach
17
Der 1928 in Spanien gegründete katholische Laienorden des Opus Dei hat auch über

28
Demokratie. Dies wiederum begünstigte die Arbeit oppositioneller Grup-
pen. Die Gruppierungen, in denen sich zum Ende der Francozeit Wider-
stand gegen das Regime regte, stammten vor allem aus den Bereichen
von Universitäten, Arbeiterschicht (z.B. illegale Gewerkschaften) und Tei-
len der katholischen Kirche. Hinzu kam der sich immer weiter verstärken-
de Druck seitens der seit jeher oppositionell agierenden `historischen Na-
tionalitäten´
18
. Besonders das Baskenland und Katalonien sahen jetzt ihre
Chance gekommen, sich aus der Jahrzehnte währenden Unterdrückung
durch Franco zu befreien, was sich unter anderem in einer Welle des Ter-
rors durch die ETA in den Jahren 1970-73 zeigte (der auch Carrero Blan-
co zum Opfer fiel). Es fehlte jedoch die richtige Koordinierung dieser
Kräfte, denn es kam zu keinem Zeitpunkt zu einem Zusammenschluß der
studentischen, gewerkschaftlichen, kirchlichen oder nationalistischen Be-
wegungen. Es kam also weder zu einer konzertierten Demokratiebewe-
gung `von unten´, noch zu einer Massenmobilisierung, die den Sturz des
alten Regimes hätte bewirken können. Vor allem die Landbevölkerung
außerhalb der Hochburgen der Opposition in Madrid, Barcelona und dem
Baskenland blieb politisch inaktiv.
Kraus (1996: 37) stellt in diesem Zusammenhang fest, daß `die Erklä-
rungskraft nackter ökonomischer Faktoren für Prozesse politischer Mo-
dernisierung (...) eher begrenzt ist´ und selbst `objektivierbare sozioöko-
nomische Kategorien nicht automatisch in kollektives Handeln umschla-
gen´.
Wichtig ist hingegen, daß es auch schon vor der `transición´ Ansätze einer
Zivilgesellschaft gab. Die institutionelle Differenzierung von Staat und Zi-
vilgesellschaft, die eine weitere wichtige strukturelle Variable für die Ent-
stehung einer Demokratie darstellt, gelang jedoch erst mit der Verab-
schiedung der neuen Verfassung.
Somit war die politische Situation des Spätfranquismus gekennzeichnet
von `einer fortschreitenden Erosion des Repressionspotentials des Regi-
die Franco-Ära hinaus Einfluß im gesellschaftlichen Leben behalten.
18
Bei den `historischen Nationalitäten´ handelt es sich um die Bevölkerung der Regionen,
die hinsichtlich ihrer historischen und sprachlich-kulturellen Entwicklung eine Sonderstel-
lung innerhalb Spaniens einnehmen. Dazu zählen das Baskenland, Katalonien und Gali-
zien. Auch Andalusien nimmt aufgrund seiner besonderen sozio-ökonomischen Proble-

29
mes, einer stetigen Verringerung seines sozialen Rückhalts und einem
wachsenden Zerfall seines inneren Zusammenhalts´ (s. Maravall / Santa-
maría 1985: 86). Es war aber auch weniger der direkte Einfluß der er-
wähnten Gruppen, der zum Ende des Francoregimes beigetragen hat,
sondern vielmehr das Zusammentreffen dieser schleichenden Krise der
Politikanpassung mit den Richtungskämpfen innerhalb des Regimes, das
sich nicht über die politischen Konsequenzen in Bezug auf die sozio-
ökonomische Modernisierung des Landes einigen konnte (s. Punkt 2.3.2.).
Ein weiterer Faktor, der zur Schwächung des Francoregimes beigetragen
hat, war sicher die Unfähigkeit des Regimes, die Wirtschaftskrise nach
1973 zu überwinden. Diese Krise, die eigentlich einschneidende und da-
her unpopuläre Reformen nötig gemacht hätte, konnte das Regime jedoch
aufgrund seiner Legitimitätskrise nicht mehr durchführen. Es entstand ein
wahrer `Reformstau´. Das durch Industrie- und Finanzkapital aus der Zeit
des Wirtschaftswunders in den 50er und 60er Jahren neu erstarkte Groß-
bürgertum erwartete jedoch eine Beseitigung dieser Mißstände und dar-
über hinaus eine politische Anpassung an die westlichen Demokratien,
um die im Regimetyp begründeten wirtschaftlichen Beschränkungen auf-
zuheben und dadurch die Bedingungen für eine Aufnahme in die Europäi-
sche Gemeinschaft zu schaffen. Bei den bis dato geführten Verhandlun-
gen (ab 1966) hatten sich die politische Struktur des Landes und die lan-
ganhaltende wirtschaftliche Isolation als besondere Hindernisse erwiesen.
1970 kam dann das erste Präferenzabkommen zustande, das ein leichtes
Anwachsen des spanischen Warentauschs mit der EWG zur Folge hatte.
Diese ab Mitte der 60er Jahre einsetzende Ausrichtung Spaniens auf eine
institutionelle Verflechtung mit der westlichen Welt, z.B. mit der NATO
(bereits 1972 sah der Gesamtplan der spanischen Seestreitkräfte eine
uneingeschränkte Kooperation mit der Nordatlantischen Allianz vor), war
für die Transition (mehr als für die Konsolidierung) eine wichtige Hilfe.
Diese `vorinstitutionellen´ Bedingungen (Kraus 1996: 13) haben für die
weitere Entwicklung Spaniens eine wichtige Rolle gespielt.
Exogene Faktoren, etwa in Form von direkter Einflußnahme durch andere
Staaten (vergleichbar mit der Situation Deutschlands nach dem zweiten
matik eine Sonderstellung ein.

30
Weltkrieg) waren jedoch praktisch nicht vorhanden. Die spanische Transi-
tion war zu großen Teilen ein endogener Prozeß, in dem nur vereinzelt
auch exogene Faktoren zum Tragen kamen (z.B. die wohlwollende Aner-
kennung und teilweise Honorierung der politischen Umgebung der Dikta-
tur, wenn diese ein paar Schritte in Richtung Demokratie unternahm). Aus
diesem Grund kommt, im Gegensatz zu anderen Ländern, dem struktu-
rellen Faktor der transnationalen Machtverhältnisse nur marginale Be-
deutung zu, denn krasse Situationen der Dependenz mindern generell die
Ressourcen zur gesellschaftlichen Selbststeuerung.
2.3.2. Der Einfluß politischer Akteure
Eine tragende Rolle für den Ablauf der spanischen Transition spielte das
Verhalten der politischen Akteure, wobei die bereits geschilderten struktu-
rellen Faktoren gleichsam als Grenzen der politischen Handlungsmöglich-
keiten fungierten und so einen Problemdruck erzeugten, den die Akteure
bei ihren Strategien berücksichtigen mußten.
Hinzu kam, daß sich auf der politischen Handlungsebene eine für den Be-
ginn der `transición´ besonders gravierende Konstellation abzeichnete:
das Francoregime war fast 40 Jahre an der Macht und als ein Hauptpro-
blem zum Ende der Ära Franco gestaltete sich die ungeklärte Nachfolge-
regelung. Dementsprechend wird der Tod des Diktators im November
1975 in der Literatur einheitlich als der Beginn der `transición´ angegeben.
Nachdem Franco fast 40 Jahre als uneingeschränkter `caudillo´ (Heerfüh-
rer, Anführer) in Spanien geherrscht hatte, war die ganze politische Linie
des Landes, vielleicht auch aus Mangel einer anderen Ideologie, quasi
identisch mit seiner Person. Franco verfügte dann, daß der Kronprinz
Juan Carlos seine Nachfolge antreten sollte, in dem Glauben, daß sich
dieser durch die Erziehung unter seinen Augen von der antifranquisti-
schen Haltung seines Vaters
19
gelöst hätte. Der König war zu diesem
Zeitpunkt jedoch ein junger, politisch unerfahrener Mann, der seine Ziele
erst im Laufe der Zeit entwickelte und von denen vor Francos Tod nichts
19
Juan Carlos Vater, Don Juan de Borbón, mußte 1947 abdanken und ins Exil nach Por-
tugal gehen. Sein Sohn wuchs jedoch in Spanien auf. Er wurde in Francos Familie aufge-
nommen und von ihm erzogen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1998
ISBN (eBook)
9783832412906
ISBN (Paperback)
9783838612904
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Unbekannt
Note
2,0
Schlagworte
spanische medien demokratisierung franco interviews journalisten
Zurück

Titel: Zum Verhältnis von Staat und Medien in Spanien - Eine Folge der späten Demokratisierung?
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
book preview page numper 41
222 Seiten
Cookie-Einstellungen