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Zeitmanagement im Zeitalter der globalen Gleichzeitigkeit

©2004 Diplomarbeit 90 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das tägliche Zusammenleben der Menschen, die Verrichtung der Arbeit, die gemeinsame Kommunikation, jegliche Tätigkeiten und Abläufe sind immer auch in ein Zeitraster eingebettet. So können wir z.B. messen, wie lange wir für eine Entfernung von A nach B benötigen, oder wie lange es von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang dauert. Unser heutiges Verständnis von Zeit hat einen Entwicklungsprozess durchlaufen.
Es war nicht selbstverständlich die Zeit in immer kleinere Einheiten zu unterteilen oder gar von Zeitknappheit zu sprechen. Der technologische Fortschritt und die Industrialisierung haben das Zeitverständnis der Menschen verändert und Globalisierung erst möglich gemacht. Das Übermitteln von Nachrichten über elektronische Leitungen geschieht heutzutage mit Lichtgeschwindigkeit. 1869 benötigte man für die Übermittlung eines Ereignisses von London nach Australien aufgrund fehlender technologischer Möglichkeiten 60 Tage, da die Information ihre Reise von A nach B per Schiff antreten musste.
Die Errichtung der Telegrafenverbindung London-Australien 1871 reduzierte diese Zeitspanne bereits auf max. 48 Stunden. 1918 sorgte die drahtlose Telegrafie dafür, dass Informationen zwischen London und Australien innerhalb weniger Sekunden ausgetauscht werden konnten. Auch bei der Personenbeförderung konnte man eine ähnliche Entwicklung beobachten. Dauerte es 1868 noch 60 Tage, um Personen von Großbritannien nach Australien zu transportieren, so reduzierte sich diese Zeit 1920 auf 13 Tage und ab den 1960er Jahren auf ca. 20 Stunden.
Dieser enorme Zeit-Gewinn als Folge des technologischen Fortschritts hat dazu geführt, dass wir uns nicht mehr wie früher nach den Gezeiten der Natur richten, sondern unsere Zeit individuell gestalten. Alles geschieht gleichzeitig und überall, so wird z.B. an der Börse rund um die Uhr gehandelt (schließt die Börse in Tokio, öffnet sie in London usw.) Unternehmen nutzen die Zeitverschiebung um 24h am Tag zu produzieren.
Call- Center sind stets erreichbar, indem sie Ihre Hotline je nach Bedarf an verschiedene Standorte mit unterschiedlichen Zeit-Zonen weiterleiten. Wir befinden uns in einem Zeitalter der globalen Gleichzeitigkeit, welches mit der Errichtung von Weitstreckentelegrafenverbindungen eingeläutet wurde und seinen vorläufigen Höhepunkt in der globalen Vernetzung durch das Internet erhält. Um heutzutage nicht den Überblick darüber zu verlieren, was, wann, wo und zu welcher Zeit getan werden muss, ist […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 8361
ID 8361
Walter, Marius: Zeitmanagement im Zeitalter der globalen Gleichzeitigkeit
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Hochschule der Medien (ehem. Hochschule für Druck und Medien Stuttgart (FH)),
Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Kurzfassung
2
Kurzfassung
Die vorliegende Arbeit behandelt das Thema Zeitmanagement im Zeitalter der globalen
Gleichzeitigkeit aus mitteleuropäischer Sicht. Zu Beginn erfolgt eine Einführung über
das Erleben und den Umgang mit der Zeit, in der zunächst die Entwicklung unseres
heutigen Zeitverständnisses erläutert wird und neben der Chronologie der Zeitmessung
auch unterschiedliche Zeitkulturen berücksichtigt werden. Anschließend wird ausführ-
lich auf die Methodik des klassischen Zeitmanagement eingegangen, ehe neue, ganz-
heitliche Zeit- und Lebensmanagementtechniken aufgezeigt werden, deren richtige An-
wendung, dem Einzelnen zu mehr persönlichem Zeitwohlstand und Lebensglück verhel-
fen sollen. Im Anschluss daran werden die wichtigsten Informations- und Kommunika-
tionssysteme vorgestellt, ohne die ein globaler Austausch von Informationen nicht mög-
lich wäre und es folgt eine Darstellung über die Auswirkungen, die sich daraus für unse-
re Gesellschaft ergeben haben.
Schlagwörter: Zeitmanagement, Zeitalter, globale Gleichzeitigkeit, Mitteleuropa, Zeit,
Zeitverständnis, Zeitmessung, Zeitkulturen, Zeitmanagementtechniken, Lebensmana-
gementtechniken, Zeitwohlstand, Informations- und Kommunikationssysteme, global,
Informationen, Gesellschaft
Abstract
The presenting paper treats the subject time management in an era of global simulta-
neousness considerated in a middle European way. The text starts with an introduction
about experience and treatment of time. It also shows a development concerning the
influence of time on our society. Next to the chronology of time measurement it also
considers different time cultures. Afterwards the text gives a detailed description of the
methodology of classic time management. The following presentation of a new way of
time and life management makes clear that a right application helps a single person to
enjoy a better personal understanding of time and way of life. The text also deals with
the most important information and communication systems, which are responsible for a
global exchange of information. In conclusion it follows a representation about the ef-
fect on our society.
Keywords: time management, era, global simultaneousness, middle European, time,
understanding of time, time measurement, time cultures, methods of time and life man-
agement, information and communication systems, global, information, society

Inhaltsverzeichnis 3
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung... 2
Abstract... 2
Inhaltsverzeichnis ... 3
Einleitung ... 5
1
Über das Erleben und den Umgang mit der Zeit ... 6
2
Die Vormoderne ... 7
2.1
Die Zeit der Moderne... 9
2.2
Postmoderne Zeiten ... 12
2.3
Zeitmessung... 15
2.3.1
Der Kalender... 15
2.3.2
Die Sonnenuhr ... 17
2.3.3
Die Wasseruhr ... 18
2.3.4
Mechanische Zeitmesser ... 19
2.3.5
Digital-Uhren... 21
2.3.6
Chronologie der Zeitmessung ... 22
2.4
Zeitbewusstsein... 24
2.4.1
Die Zeitperspektive... 25
2.4.2
Der Umgang mit der Zeit ... 25
2.4.3
Zeiterleben... 26
2.5
Zeitkulturen ... 27
2.6
Ereigniszeit und Uhrzeit... 31
3
Zeitmanagement ... 33
3.1
Philosophie und Methodik des klassischen Zeitmanagements ... 34
3.1.1
Zielsetzung ... 35
3.1.2
Erstellung von Plänen ... 37
3.1.3
Entscheidung ... 39
3.1.4
Realisierung... 43
3.1.5
Kontrolle ... 45
3.1.6
Information und Kommunikation ... 45
3.2
Kritik am klassischen Zeitmanagement... 48
3.3
Das neue Zeitmanagement in einer beschleunigten Welt... 50
3.3.1
Zeitmanagement als Speed-Management ... 50
3.3.2
Entschleunigung - das Langsamkeitsparadigma ... 51
3.3.3
Veränderungen im Zeitmanagement ... 52
3.3.4
Die Balance zwischen Schnelligkeit und Vergnügen ... 59

Inhaltsverzeichnis 4
3.3.5
Ganzheitliches Zeit- und Lebensmanagement... 60
3.3.6
Sieben Schritte zur persönlichen Zeitsouveränität ... 62
4
Globale Gleichzeitigkeit durch die elektronischen Medien... 68
4.1
Die Entwicklung von Kommunikationssystemen ... 68
4.1.1
Optische Telegrafie... 68
4.1.2
Elektrische Telegrafie ... 69
4.1.3
Telefonie ... 70
4.1.4
Der Funktelegraf ... 71
4.1.5
Hörfunk... 71
4.1.6
Fernsehen ... 72
4.2
Das Internet ... 72
4.2.1
Entstehung des Internet ... 73
4.2.2
Das World-Wide-Web ... 73
4.3
Groupware... 74
4.3.1
E-Mail... 74
4.3.2
Textkonferenzsysteme ... 74
4.3.3
Videokonferenzsysteme ... 75
4.3.4
Das Intranet ... 75
4.4
Auswirkungen auf die Gesellschaft ... 76
4.4.1
Globalisierung... 76
4.4.2
Outsourcing ... 76
4.4.3
Die Nonstop-Gesellschaft und ihr Preis ... 77
4.4.4
Alles zu seiner Zeit und an seinem Ort... 78
5
Fazit ... 79
Literaturverzeichnis... 80
Erklärung ... 88

Einleitung
5
Einleitung
Das tägliche Zusammenleben der Menschen, die Verrichtung der Arbeit, die gemeinsa-
me Kommunikation, jegliche Tätigkeiten und Abläufe sind immer auch in ein Zeitraster
eingebettet. So können wir z.B. messen, wie lange wir für eine Entfernung von A nach
B benötigen, oder wie lange es von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang dauert. Unser
heutiges Verständnis von Zeit hat einen Entwicklungsprozess durchlaufen. Es war nicht
selbstverständlich die Zeit in immer kleinere Einheiten zu unterteilen oder gar von Zeit-
knappheit zu sprechen. Der technologische Fortschritt und die Industrialisierung haben
das Zeitverständnis der Menschen verändert und Globalisierung erst möglich gemacht.
Das Übermitteln von Nachrichten über elektronische Leitungen geschieht heutzutage
mit Lichtgeschwindigkeit.
1869 benötigte man für die Übermittlung eines Ereignisses von London nach Australien
aufgrund fehlender technologischer Möglichkeiten 60 Tage, da die Information ihre
Reise von A nach B per Schiff antreten musste. Die Errichtung der Telegrafenverbin-
dung London-Australien 1871 reduzierte diese Zeitspanne bereits auf max. 48 Stunden.
1918 sorgte die drahtlose Telegrafie dafür, dass Informationen zwischen London und
Australien innerhalb weniger Sekunden ausgetauscht werden konnten. Auch bei der
Personenbeförderung konnte man eine ähnliche Entwicklung beobachten. Dauerte es
1868 noch 60 Tage, um Personen von Großbritannien nach Australien zu transportieren,
so reduzierte sich diese Zeit 1920 auf 13 Tage und ab den 1960er Jahren auf ca. 20
Stunden. (vgl. Payer, Internationale Kommunikationskulturen, Skript)
Dieser enorme Zeit-Gewinn als Folge des technologischen Fortschritts hat dazu geführt,
dass wir uns nicht mehr wie früher nach den Gezeiten der Natur richten, sondern unsere
Zeit individuell gestalten. Alles geschieht gleichzeitig und überall, so wird z.B. an der
Börse rund um die Uhr gehandelt (schließt die Börse in Tokio, öffnet sie in London
usw.) Unternehmen nutzen die Zeitverschiebung um 24h am Tag zu produzieren. Call-
Center sind stets erreichbar, indem sie Ihre Hotline je nach Bedarf an verschiedene
Standorte mit unterschiedlichen Zeit-Zonen weiterleiten.
Wir befinden uns in einem Zeitalter der globalen Gleichzeitigkeit, welches mit der Er-
richtung von Weitstreckentelegrafenverbindungen eingeläutet wurde und seinen vorläu-
figen Höhepunkt in der globalen Vernetzung durch das Internet erhält.
Um heutzutage nicht den Überblick darüber zu verlieren, was, wann, wo und zu welcher
Zeit getan werden muss, ist es sinnvoll sich mit Zeit- und Selbstmanagementtechniken
auseinanderzusetzen und diese in die eigene Tagesplanung zu integrieren.

1 Über das Erleben und den Umgang mit der Zeit
6
1
Über das Erleben und den Umgang mit der Zeit
,,Ich weiß nicht, was die Zeit ist. Ich weiß nicht, welches ihr wahres Maß ist, falls sie
überhaupt eines hat. Ich weiß, daß die Uhrzeit falsch ist: sie unterteilt die Zeit räumlich,
von außen. Die gefühlte Zeit, weiß ich, ist ebenfalls falsch: sie unterteilt nicht die Zeit,
sondern unsere Empfindung von der Zeit. Die Zeit der Träume ist gleichfalls falsch; in
ihnen streifen wir das eine Mal eine verlängerte, das andere Mal eine verkürzte Zeit
und, was wir erleben, ist übereilig oder langsam infolge irgendeines Vorgangs beim
Verfließen der Zeit, dessen Natur ich nicht kenne."
(Fernando Pessoa, Das Buch der Unruhe, S.253)
Das Zeitverständnis und der Umgang mit der Zeit, haben sich im Laufe der Jahrhunder-
te stets verändert. Nicht immer haben die Menschen über Zeit so gedacht, wie sie es
heute tun. Geißler unterscheidet hier zwischen einem vormodernen, einem modernen
und einem postmodernen Umgang mit der Zeit, betont aber gleichzeitig, dass diese Ein-
teilung eine europäische Sichtweise ist.
(vgl. Geißler, Vom Tempo der Welt)

2 Die Vormoderne
7
2
Die Vormoderne
1
Abbildung 1: Die Kornernte, Peter Brueghel, 1565
URL:http://redescolar.ilce.edu.mx/redescolar/proyectos/acercarte/como_ves/peterb1.jpg
(Zugriff: 22.04.2004)
Dieses Bild vermittelt dem Betrachter sehr anschaulich, wie Zeit in der Vormoderne
,,gelebt" wurde. Zeit, Ort und Handlung sind miteinander verwoben. Das Bild wirkt sehr
harmonisch, da das Naturzeitmaß eine Einheit bildet. Einerseits die äußere Natur, die
vorgibt, wann das Korn für die Ernte reif ist und zum anderen die innere Natur, die den
Hungrigen zum Essen veranlasst und den Ermüdeten ein wenig rasten lässt. Zeit so ur-
teilt Geißler, stellt für die Menschen auf diesem Gemälde kein Thema dar, da sie in das
Naturzeitmaß eingebettet sind. Sie haben keinen Anlass über Zeit zu diskutieren, son-
dern leben diese zum rechten Zeitpunkt. In der Vormoderne gab es Geißler zufolge noch
keinen Zeitdruck. Die Menschen orientierten sich an den periodischen Abläufen des
Kosmos und der Natur. Die Mehrheit der Bevölkerung lebte damals von der Landwirt-
1
Anmerkung: Geißler meint hier die Epoche bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.

2 Die Vormoderne
8
schaft. Der Lebensrhythmus des Alltags wurde durch die periodischen Abläufe des
Kosmos und der Natur stark beeinflusst.
,,Arbeit war Teil eines Alltags, dessen Sinn darin lag, das Leben ehrbar im Rahmen der
natürlichen und der sozialen Bedingungen und Voraussetzungen zu führen."
(Geißler, Vom Tempo der Welt, S.25)
Die Zeit war für die Menschen damals aufgabenbezogen strukturiert. Sie sahen keine
Notwendigkeit darin, ihre Zeit in immer kleinere Einheiten zu zerstückeln. Sie betrach-
teten die Zeit nicht als Ressource, die es zu optimieren galt. Die Menschen in Europa
waren geprägt von einem christlich-katholischen Ordnungsgedanken. Gott und die Na-
tur waren für sie die natürlichen Zeitgeber. Der "Wucher", damals bezeichnete man so
das verzinste Leihen von Geld über einen bestimmten Zeitraum, war verboten und galt
als Sünde. Man durfte mit "der Zeit" nicht handeln. Die Zeit wurde damals nicht gemes-
sen, sondern qualitativ benannt. Das was wir heute unter dem Begriff ,,Zukunft" verste-
hen, dieses Bewusstsein existierte in der damaligen Zeit in den Köpfen der Menschen
noch nicht. Man lebte bis zu Beginn des 18.Jahrhunderts nicht auf eine soziale, gesell-
schaftliche, individuelle Zukunft hin. Nach Musil setzt Zukunft neben der Erfahrung der
Wirklichkeit einen Sinn für Möglichkeit voraus, die Fähigkeit, ,,(...) alles, was ebenso
gut sein könnte, zu denken und das was ist, nicht wichtiger zu nehmen als das, was nicht
ist." (Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, S.16)
Dieses Verständnis hatte man in der Vormoderne, der Zeit der Wiederkehr und der
Wiederholungen noch nicht. Man erwartete die Dinge und Ereignisse. Man war gegen-
wartsorientiert und unterließ es, die eigene Neugierde zu befriedigen. ,,Schuster bleib
bei deinen Leisten", oder ,,Gut Ding will Weile haben" sind Redewendungen, die dieser
Weltanschauung entsprungen sind. Vergleicht man das Zeitbewusstsein von damals mit
unserem heutigen so kann man feststellen, dass die Leute sich eher Sorgen machten,
was im Jenseits auf sie zukam. Im Diesseits setzte man sich nicht unter Zeitdruck und
man bereitete sich auch nicht auf mögliche zukünftige Chancen oder Risiken vor. Da
die Alten die Stabilität der Lebens- und Arbeitsbedingungen gewährleisteten und Be-
ständigkeit repräsentierten, hatten sie das höchste soziale Ansehen. Man lernte traditi-
onsorientiert und wollte die von Gott gegebene Ordnung nicht dadurch stören, dass man
etwas Neues lernt. Die Menschen suchten Ihr Heil nicht in Ihrer persönlichen Selbst-
verwirklichung, etwa indem sie nach Bildung oder Karriere strebten, sondern vielmehr
in ihrer Erlösung durch Gott. Wenn wir also mit einer gewissen Sehnsucht in die Zeit
der Vormoderne zurückblicken, so liegt dass wie Geißler formuliert daran, dass das ver-
gangene Zeitalter Qualitäten besaß, die wir heute vermissen. ,,Die vormodernen Men-
schen unterscheiden sich von den heutigen insbesondere dadurch, dass diese ehemals
ein Leben führen konnten, ohne je über Zeit zu reden, ohne Zeit zu verplanen, beeinflus-
sen und sie permanent messen zu müssen." (Geißler, Vom Tempo der Welt, S.52)

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Diese Qualitäten waren jedoch auch mit Zwängen und Opfern verbunden. Die schutzlo-
se Auslieferung an Naturgewalten, Sesshaftigkeit, Armut und die starren sozialen Rege-
lungen waren Bedingungen, denen sich in der heutigen Zeit kein Mensch mehr freiwil-
lig aussetzen würde. Über die Zeit zu sprechen, Zeit zu planen, aber auch die eigene
Zukunft mitzugestalten sind Freiheiten, die der Mensch sich im Laufe der Jahre er-
kämpft hat und die er verteidigt. Allerdings hat auch diese Freiheit Ihren Preis, dessen
wir uns immer wieder bewusst werden, wenn wir uns mit der Zeit der Vormoderne be-
schäftigen.
2.1 Die Zeit der Moderne
Die Moderne löste die Epoche der Vormoderne Ende des 18.Jahrhunderts ab und reicht
bis ins 20.Jahrhundert hinein.
Abbildung 2: J. M. W. Turner: Rain, Steam and Speed:
The Great North Western Railway (1844)
URL:http://www.tigtail.org/TIG/TVM/X2/d.English/b.landscapes/turner/M/turner_rain
_steam_and_speed.jpg, (Zugriff: 22.04.2004)

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Dieses Gemälde veranschaulicht besonders gut den Übergang vom naturorientierten
zum technischen Zeitalter. Turner spielt hier mit den Farben, dem Licht und den Ge-
genständen, um auf eindrucksvolle Weise den Kampf zwischen Natur und neuer Tech-
nik zum Ausdruck zu bringen.
,,Durch die auf den Betrachter zurasende Eisenbahn verschwindet die klassische Land-
schaft im nebulösen Gemisch von Regen und Dampf. Die Landschaft wird durch die
technisch hergestellte Geschwindigkeit wegbeschleunigt. Der Takt der Maschine tritt an
die Stelle der rhythmischen Naturzeit."
(Geißler, Vom Tempo der Welt, S.56)
Ein signifikanter Unterschied besteht laut Geißler im Gegensatz zur Vormoderne darin,
dass speziell bei den Stadtbewohnern das Bedürfnis gestiegen ist,
,,..sich nicht mehr an der Natur, sondern an naturfernen abstrakten Maßen zu orientie-
ren. Die neuen Möglichkeiten der Zeitmessung durch die mechanische Uhr machten es
möglich, Zeit unabhängig vom menschlichen Handeln und distanziert von Erfahrungen
und Ereignissen zu bestimmen."
(vgl. Geißler, Vom Tempo der Welt, S.59)
Als Grund warum sich die Menschen von den Zeitgebern der Natur entfernten, nennt
Geißler die veränderten zeitlichen Besitzverhältnisse. Nachdem die Menschen im
17.Jahrhundert die Pendeluhr erfanden, die nicht mehr wie ihr Vorgänger die Sonnenuhr
den kosmischen Rhythmen, sondern der Mechanik des Taktes folgte, betrachteten die
Menschen nicht mehr Gott und die Natur, sondern sich selbst, die Wissenschaft und die
Wirtschaft als Eigentümer der Zeit. In den am Ausgang des Mittelalters neu gegründe-
ten Universitäten setzte sich der Nachwuchs des geistlichen Standes intensiv mit dem
Thema Zeit auseinander. Im Laufe des 14.Jahrhunderts wurde Zeit nicht mehr nur aus
philosophischer Sichtweise, sondern ebenso aus physikalischer Sichtweise erörtert. Man
verstand die Zeit als das Maß einer Bewegung zwischen einem Vorher und einem
Nachher. Damit war der Grundstein für die Idee des zeitlichen Fortschreitens gelegt, ab
dem 18.Jahrhundert auch ,,Fortschritt" genannt. Die Menschen waren der Zeit nicht
mehr ausgeliefert, sie konnten sie fortan messen. Mit der Ausweitung des Handels
musste man Zeit kalkulierbar, berechenbar machen. Die Zeit wurde wertvoll. Wer zu
einem günstigen Moment einkaufen und verkaufen wollte, musste ein genaues Zeitbe-
wusstsein haben. Auch die Einführung des Kredits zwang die Menschen dazu, genau
mit der Zeit zu rechnen. 1481 legten die Händler dem Stadtrat von Lyon folgende Peti-
tion vor:

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,,Es besteht ein starkes Bedürfnis nach einer großen Uhr, deren Klang von jedermann
in der ganzen Stadt gehört wird. Wenn man eine öffentliche Uhr einrichtet, werden
mehr Kaufleute zu den Messen kommen, die Bürger werden fröhlicher und zufriedener
leben und ein geordneteres Leben führen, und die Stadt wird an Schönheit gewinnen."
(Cipolla, Gezählte Zeit, S.41)
Die Uhren besaßen zwar noch keinen Minuten-Zeiger und gingen ungenau, man hatte
jedoch den zeitlosen Zustand hinter sich gelassen und die Zeit entdeckt. Waren in der
Vormoderne Natur- und Zeiterleben noch identisch, so orientierten sich die Menschen
zeitlich an neuen Zeitgebern, dem Geld und dem Maschinentakt. Die intensivierten
Handelsbeziehungen zwischen den Städten erforderten eine neue Form des Warentau-
sches. Man handelte nicht mehr wie in der Vormoderne nur gebrauchswertorientiert,
z.B. in dem man Wein gegen Getreide tauschte, sondern führte eine neue überregionale
Verrechnungseinheit, das Geld ein. Dadurch wurde die Welt berechenbarer. Man be-
gann damit, Arbeitszeit in Geld umzurechnen. ,,Zeit ist Geld" ist eine Parole, die zu
jener Zeit entstanden ist. Dieses Denken und Handeln setzte eine enorme Beschleuni-
gungsdynamik aller Arbeits- und Lebensverhältnisse in Bewegung. Entscheidungen und
Handeln wurden häufig mit Geld in Beziehung gesetzt, wodurch das Problem des Ma-
ßes entstanden ist, welches in der Vormoderne durch die Zyklen der Natur und durch
kirchliche Vorgaben gesteuert wurde. Geißler ist der Auffassung, dass Geld im Gegen-
satz zur Natur kein ,,Genug" kennt. Die Gleichung ,,Zeit ist Geld" und die damit ver-
bundene Maßlosigkeit verursachten ein Streben nach Schnelligkeit, Beschleunigung und
Zeitgewinn in allen Lebensbereichen in unserer heutigen Gesellschaft. Die Aufhebung
des Zinsverbots durch Papst Johannes XXII. im 14.Jahrhundert war Wegbereiter für die
Ökonomisierung der Zeit. Diese veränderte Zeitorientierung von Natur auf Geld ereig-
nete sich laut Geißler im 16. und 17.Jahrhundert. Die Zeit wurde neben der Stunde in
Minuten und Sekunden aufgeteilt. Der Zeithorizont der Menschen war nicht mehr von
Gewohnheiten und Traditionen geprägt, sondern von wissenschaftlichen Erkenntnissen
und technischen Innovationen. Dieser Perspektivenwechsel brachte zwar Güter-
wohlstand hervor, jedoch musste sich die Gesellschaft erstmals auch mit Zeitnotstand
auseinandersetzen. Da Ende des 19.Jahrhunderts jede Stadt eine unterschiedliche Uhr-
zeit besaß
2
, war es notwendig nationale und internationale Zeitkoordinationen durchzu-
führen. 1893 wurde die Standardzeit in Deutschland eingeführt und einige Zeit später
wurde der Globus in 24 Zeitzonen unterteilt. Für Geißler stellt dieser Akt bereits den
Beginn der Globalisierung dar. Auch die Kalender, jene zeitlichen Ordnungssysteme die
im Gegensatz zur Uhr über den Tag hinausgehen, wurden weiterentwickelt.
(vgl. dazu auch Kapitel 1.4.1)
2
Anmerkung: Geißler zufolge existierten in den USA 1860 noch dreihundert verschiedene Lokalzei-
ten.(vgl. Geißler, Vom Tempo der Welt, S.80)

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2.2 Postmoderne Zeiten
Geißler sieht die Neuzeit noch nicht als beendet, weist aber darauf hin, dass die Begriffe
,,Flexibilisierung", ,,Deregulierung" und ,,Globalisierung" den Weg in eine neue Zeit-
epoche weisen. In dieser Postmoderne sind es nicht mehr die Rhythmen, an denen wir
uns zeitlich orientieren können. Wir müssen mit unserer Zeit wirtschaften, mit ihr flexi-
bel umgehen, um uns in ihr und mit ihr zurechtzufinden. Es stellt sich für Geißler die
Frage: ,,In und mit welcher Zeit wollen wir leben?"
(Geißler, Vom Tempo der Welt, S.111)
Die im Laufe der Geschichte in den entwickelten Industrieländern, gewonnene Ent-
scheidungsfreiheit über die Zeit stellt für die Menschen zugleich ein Entscheidungs-
problem dar. Der Grund dafür, so Karlheinz Geißler,
,,(..)liegt nicht zuletzt darin, dass wir die größeren Freiheiten gegenüber vorgegebenen
Zeitordnungen nicht nur nutzen können, sondern sie auch zu nutzen gezwungen werden.
Das kostet Zeit. Mit der Eroberung neuer ungeahnter Möglichkeiten rasen und hetzen
wir uns nämlich immer auch neue Entscheidungsprobleme zusammen. "
(Geißler, Vom Tempo der Welt, S.112)
Aus diesem Grund braucht man immer mehr Zeit, um etwas mehr Zeit zu haben. Wir
müssen uns mit der Zeit beschäftigen, um unseren Zeitzwängen zu entkommen. Dies
können wir aber nicht durch eine permanente Beschleunigung erreichen.
,,Getrieben durch die Geschäfte und die Geschäftigkeit des Alltags machen wir uns auf
die Suche nach der gewonnenen Zeit. Bis wir schließlich- all der vielen Hetze müde-
fragen: Lohnen sich eigentlich die Zeitgewinne, zahlt sich der Aufwand aus, den wir mit
der ,,Zeit" betreiben?"
(Geißler, Vom Tempo der Welt, S.115 f)
Geißler belegt diese strukturellen Veränderungen vom modernen zum postmodernen
Zeitalter anhand von fünf Charakteristika:
· ,,Die Auflösung des sozialen Rhythmus"
Zeitlich strukturierte und verbindliche Standards, wie ,,Ladenöffnungszeiten" oder die
Länge der Arbeitszeit sind für das zeitliche Verhalten der Bevölkerung einschränkend,
aber dennoch stabilisierend, da sie Orientierungspunkte im Zeitfluss sind und die
Rhythmisierung des Alltags ermöglichen. Diese verlieren aber laut Geißler durch Flexi-
bilisierung, Deregulierung und Entstandardisierung an Bedeutung. Die in der Moderne
entstandenen Zeitformen und Zeitvorstellungen werden einem radikalen Wandel unter-
zogen. Dieses postmoderne Programm, welches die Flexibilisierung von sozialen und
individuellen Zeitrhythmen forcieren soll, zwingt die Menschen dazu, ihre Zeitmaße
selbst finden zu müssen und ohne orientierendes Zeitmaß leben zu können. Indikatoren

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für eine veränderte Zeitkultur sind die Ersetzung des Kalenders durch Zeitplanungssys-
teme und das Ablesen der Uhrzeit von Funkuhren, die äußerst präzise sind und ein
,,Vor- bzw. Nachgehen der Uhr" ausschließen.
· ,,Die Individualisierung von Zeitordnungen"
Der Einzelne muss die eigene Zeit täglich neu erfinden und ordnen. Neben einem Ge-
winn an Zeitsouveränität ist der Preis dafür aber der Zwang, stets zeitsouverän sein zu
müssen, auch wenn man dazu nicht in der Lage ist. Die Konsequenzen für unsere
selbstgestellte Zeitordnung müssen wir selbst tragen. Dies führt zu Zeitkonflikten, Unsi-
cherheiten und einem größeren Bedarf an zeitlicher Orientierung.
· ,,Die Zunahme von Zeitkonflikten"
Weil wir unsere Zeitordnung individualisieren, steigt die Vielfalt neuer Erlebnis- und
Erfahrungsmöglichkeiten. Da wir unseren Alltag aber zeitlich immer mehr optimieren
wollen, bringen uns Wartezeiten, Unterbrechungen und Staus in Zeitkonflikte. Dies
kann man an Flughäfen besonders gut beobachten. Es wird gehetzt und gehastet, mobili-
tätsbedingte Zeitgewinne wandeln sich in Zeitverluste, und die Schnelligkeit erhöht den
Zeitdruck auf die Beschleunigung von Anschlusshandlungen.
,,Immer mehr findet gleichzeitig statt und auch immer mehr zu einem Zeitpunkt, zu dem
man schon etwas anderes vorhat. ,,Zeit haben" heißt unter diesen Bedingungen: immer
zu wenig Zeit zu haben. Die Möglichkeiten, die wir uns zusammenrasen, sind immer
auch erhetzte zeitraubende Entscheidungsprobleme. So werden wir zunehmend häufiger
Opfer unserer eigenen Zeitfreiheit. Nicht mehr die Zeit, sondern unsere Zeitfreiheit be-
herrscht uns."
(Geißler, Vom Tempo der Welt, S.119)
· ,,Die Privatisierung der Zeitkoordination"
Zeitkoordination wird zur Aufgabe von Einzelpersonen, da sie über ihre Zeitordnung
selbst bestimmen. Deshalb löst die von dem Einzelnen zu leistende Synchronisation der
unterschiedlichen Zeitordnungen die natürlichen und sozialen Rhythmen ab. Zeitord-
nung muss zwischen Individuen-wollen diese nicht getrennt leben- immer neu verhan-
delt werden, da sie nicht mehr durch soziale Herrschaft oder Natur hergestellt wird. Das
kostet Zeit und lässt den Wunsch nach Beschleunigung aufkommen. Die neuen Kom-
munikationsmöglichkeiten (E-Mail, SMS, usw...) tragen diesem Rechnung. Lernange-
bote, Öffnungszeiten von Supermärkten, Ämtern, und öffentlichen Einrichtungen, sowie
das Fernsehprogramm, all diese Möglichkeiten verlangen eine zeitliche Koordination.

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,,Alle- ob wir das wollen oder nicht-, alle müssen wir zu Zeitmanagern und Zeitmana-
gerinnen werden. Nicht selten wird dabei die Qual der Wahl zur Wahl einer Qual. Und
diese heißt immer öfters: sich noch mehr Zeit für die Zeitkoordination nehmen zu müs-
sen."
(Geißler, Vom Tempo der Welt, S.120)
· ,,Steigender Aufwand an Zeitkoordination"
Geißler ist der Auffassung, dass für die Zeitkoordination zunehmend ein größerer Auf-
wand betrieben werden muss. Die reichhaltige Güterausstattung, die wir uns nicht zu-
letzt auch dadurch anschaffen konnten, weil wir Zeit gespart haben und durch dessen
Benutzung auch Zeit gespart wird, wie z.B. die Geschirrspülmaschine oder die Mikro-
welle, beansprucht aber auch Zeit für die richtige Handhabung, Instandhaltung und Ent-
sorgung. ,,Bedaure, habe leider keine Zeit", ist eine häufige Antwort derer, die aufgrund
ihrer zahlreichen Aktivitäten, die wiederum zeitlich koordiniert werden müssen, völlig
überfordert sind. Rundfunk, Fernsehen und das Internet prägen heute unser Verständnis
von Zeit und wie wir mit ihr umgehen. Wir lassen uns vom Radio wecken, verbringen
den Arbeitstag vor dem Computer und lassen den Abend vor dem Fernseher ausklingen.
Da für Geißler zumindest in der Informationsübermittlung das Ende der Beschleunigung
erreicht ist, sieht er in der Zeit-Verdichtung eine neue zeitökonomische Strategie zur
Steigerung der Geschwindigkeit. Indem man mehrere Dinge gleichzeitig tut, bzw. mög-
lichst viel an Information in die gleiche Zeitspanne einbindet, so die allgemeine Auffas-
sung, lässt sich die Zeit effizienter nutzen. Die Welt der Medien bietet hier eine uner-
schöpfliche Palette an Möglichkeiten. So kann man zusätzlich zum Radiohören die Ta-
geszeitung lesen, Internet-Surfen und Musik-Hören oder während der Autofahrt telefo-
nieren. Einerseits versuchen wir unsere Zeit möglichst effektiv und effizient zu nutzen,
andererseits wissen viele dann mit ihrer ,,eingesparten" Zeit nichts Sinnvolleres anzu-
fangen, als ,,in die Röhre zu gucken" und das im Schnitt drei Stunden täglich. Für Geiß-
ler ist dies ,,(...)auch eine Ablenkung von der ,,Leere" der Zeit, von der ,,Langeweile",
dem ereignislosen Verfließen der Zeit- und damit immer auch eine Ablenkung von sich
selbst. Der zunehmende Mediengebrauch dient offenbar nicht nur der Beschleunigung
des Lebens, sondern auch dazu, die wachsende ,,freie" Zeit zu strukturieren und ihr
einen wie auch immer gearteten Sinn zu geben."
(Geißler, Vom Tempo der Welt, S.125)

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2.3 Zeitmessung
Nachdem ich in den ersten drei Abschnitten einen ersten Überblick über die Entstehung
unseres heutigen mitteleuropäischen Verständnisses von Zeit vermittelt habe, möchte
ich nun zur Geschichte der Zeitmessung übergehen.
2.3.1 Der Kalender
Abbildung 3: Römischer Bauernkalender auf einem Stein im Museum Neapel (J. Plass-
mann, J. Pohle; Himmel und Erde, S. 441)
Negretti und De Vecchi bezeichnen den Kalender als das erste große von Menschen
erfundene Instrument der Zeitmessung. Im dritten vorchristlichen Jahrtausend waren es
ihrer Ansicht nach die Babylonier und Sumerer, die versuchten die Zeit zu messen. Sie
rechneten mit den Mondphasen und erkannten so, dass das Jahr aus 12 Mond- Monaten
bestand, die abwechselnd 29 und 30 Tage dauerten. Die vier Phasen eines Mond-

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Monats wurden dann später die Wochen. Es ergab sich jedoch eine Differenz von 11
Tagen zum Sonnenjahr, da man damals noch irrtümlicherweise davon ausging, dass die
Sonne sich um die Erde drehe. Die Ägypter versuchten dies zu verbessern, indem sie
das Jahr in 12 Mond-Monate einteilten, die aber je 30 Tage zählten und fügten 5 weitere
Tage hinzu. Dieses Jahr ging 6 Stunden, bevor die Sonne ihren Lauf beendet hatte, zu
Ende. Julius Cäsar führte im Jahre 46 v. Chr. den Julianischen Kalender ein. Er fügte
dem Jahr 90 Tage hinzu, um die Phasenverschiebung, die sich aufgrund der ungenauen
Berechnungen bislang ergeben hatte, zu korrigieren. Es folgte nun auf jedes vierte Jahr
ein zusätzlicher Tag, sodass die Ungenauigkeit der oben genannten 6 Stunden aufgeho-
ben war. Die christliche Zeitrechnung hat ihren Ursprung im 5. und 6. Jahrhundert. In
Rom waren es die Mönche Victorius von Aquitanien und Dionysius Exiguus, die das
Datum der Menschwerdung Christi, als Beginn ihrer Zeitrechnung festlegten. Diese
Zählung der Jahre trat in den folgenden Jahrhunderten immer stärker in den Vorder-
grund und setzte sich zu Beginn der Neuzeit endgültig gegen die alte Zeitrechnung
durch. Langsamer als die Zählung der Jahre nach Christus (prospektive Zeitrechnung)
setzte sich die Zählung der Jahre vor Christus durch (retrospektive Zeitrechnung). Zwar
tauchte sie bereits im Mittelalter auf, man rechnete mit ihr aber erst zu Beginn der Auf-
klärung. Ab dem 18.Jahrhundert rechnete man sowohl mit prospektiver als auch mit
retrospektiver Zeit. 1582 veranlasste Papst Gregor der XIII. eine Reform, die den
Schaltjahrzyklus des Julianischen Kalenders korrigierte. Nur diejenigen Säkularjahre,
welche man durch die Zahl 400 teilen konnte, wurden zu Schaltjahren. Am
24.November 1793 wurde von der Nationalversammlung in Frankreich ein revolutionä-
res Kalendersystem eingeführt, mit dem Ziel den Einfluss der Kirche über die Franzo-
sen abzuschaffen. Dieser Kalender ersetzte die christliche durch die republikanische
Zeitrechnung, die nicht mit der Geburt Christi, sondern mit dem Jahr 1792 begann. Das
Jahr wurde dem Dezimalsystem angeglichen und in zwölf Monate unterteilt. Ein Monat
bestand aus drei zehntägigen Zyklen, die man als Dekaden bezeichnete. Der Tag war in
zehn Stunden unterteilt, diese wiederum hatten je hundert Dezimalminuten. Die Minute
umfasste hundert Dezimalsekunden. Die Wochentage wurden nummeriert. Da der neue
Kalender im Gegensatz zum Gregorianischen Kalender die Zahl der Ruhetage von über
hundertachtzig auf sechsunddreißig reduzierte, zog er den Zorn des Französischen Vol-
kes auf sich.1806 führte Napoleon wieder den Gregorianischen Kalender ein, weil er
sein Volk zufrieden stellen wollte und weil er wusste, dass er dadurch die Gunst des
Papstes erlangen würde.
(vgl. Rifkin, Uhrwerk Universum, und dazu auch Nehrkorn, Die christliche Zeitrech-
nung)

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2.3.2
Die Sonnenuhr
Abbildung 4: Breuberger Sonnenuhr, Christian Borck
URL:http://www.uhrenhanse.de/sammlerecke/sonnenuhren/breuberg/bilder_breu/sonne
nuhr_breu1.jpg (Zugriff: 26.04.2004)
Levine bezeichnet die Erfindung der Sonnenuhr vor 5500 Jahren als eine der größten
Erfindungen der Menschheit. Die Menschen erkannten, dass ein aufrecht stehender Stab
einen längeren Schatten wirft, wenn die Sonne tiefer am Himmel steht. Die erste Son-
nenuhr bestand also aus einem Stab, den man in die Erde steckte, um daran den Stand
der Sonne und somit die Tageszeit ermitteln zu können. Die Menschen konnten sich
erstmals zu einem bestimmten Zeitpunkt verabreden, jedoch bestanden hier noch starke
Einschränkungen, da man vom Sonnenlicht abhängig war. Man wollte die Zeit sowohl
am Tage als auch in der Nacht messen, unabhängig vom Wetter und der Sonne.
(vgl. Levine, Eine Landkarte der Zeit)

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2.3.3 Die Wasseruhr
Abbildung 5: Eine Wasseruhr
URL:http://www.educanet.ch/group/bezsins/Lernenonline/GeschichteUhr/wasseruhren.
html (Zugriff:26.04.2004)
Fünfhundert Jahre nach den ersten Sonnenuhren erfand man die Wasseruhr. Ein Zeit-
raum wurde dadurch bestimmt, dass man die Menge Wasser maß, die aus einem Gefäß
tropfte. Es gab unzählige Formen dieser Wasseruhren. Eine ägyptische Wasseruhr etwa
bestand,
,,aus einem Alabastergefäß mit einer innen aufgezeichneten Skala und einem einzigen
Loch im Boden. Während das Wasser aus dem Loch tropfte, konnte das Vergehen der
Zeit durch das Sinken des Wasserspiegels von einer Markierung zur nächsten gemessen
werden."
(Levine, Eine Landkarte der Zeit, S.91)
Sie war für die alten Ägypter bis zur Erfindung der Pendeluhr um 1700 ein genaues
Zeitmessgerät für alle Tages- und Nachtzeiten. Während man die Sonnenuhren noch für
die Tagesstunden und um die Wasseruhren zu eichen benutzte, konnte man mithilfe der
Wasseruhren die Nachtstunden bestimmen. Bei den Römischen Gerichten wurde der
lateinische Begriff ,,aquam dare", übersetzt ,,Wasser zugestehen" ,meist dazu benutzt
den Rechtsanwälten Zeit einzuräumen, während ,,aquam perdere", ,,Wasser verlieren",
ein anderer Ausdruck für Zeitverschwendung war. Schwierigkeiten traten jedoch in käl-

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teren Regionen durch die veränderte Wassereigenschaft auf und auch das Verstopfen
oder Größerwerden des Loches, durch das die Wassermenge floss, beeinträchtigte eine
genaue Messung. Man versuchte die Abnutzung des Loches zu verhindern, indem man
Edelsteine einsetzte. Später ersetzte man die Flüssigkeit auch durch andere Materialien,
die flossen oder sich verbrauchten. Das Verbrennen von Öl oder das Abbrennen einer
Kerze, aber auch das Rinnen von Sand durch ein Stundenglas verfeinerten diese Metho-
de.
2.3.4 Mechanische Zeitmesser
Mechanische Zeitmesser hatten Ihren Ursprung im Europa des 14.Jahrhunderts. Es wa-
ren Geräte, die durch Gewichte angetrieben wurden. Sie waren allerdings nicht genauer
als die Wasseruhren und man erfand sie, um die Mönche
3
an die Gebetszeiten zu erin-
nern. Diese hatten sich zuvor der Stundenuhr angenommen, beklagten aber die um-
ständliche Handhabung. So musste ein Mönch die ganze Nacht wach bleiben, um das
Stundenglas zu bedienen, wollte man das gemeinschaftliche Ritual des Morgengebets
nicht versäumen. Die ersten mechanischen Uhren sollten zu festgelegten Zeiten eine
Glocke läuten. Sie hatten weder Zeiger noch Stundenmarkierung, die Zeit sollte ledig-
lich akustisch verkündet werden.
(vgl. Levine, Eine Landkarte der Zeit, und dazu auch Rifkin, Uhrwerk Universum)
3
Anmerkung: Whitrow meint hier die Mönche des Benediktinerorden, welcher im sechsten
Jahrhundert gegründet wurde. Die Benediktiner führten die Glocke ein, um sicherzustellen,
dass alle die Stunde des gemeinsamen Gebetes ausführen. (vgl. Rifkin, Uhrwerk Universum)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832483616
ISBN (Paperback)
9783838683614
DOI
10.3239/9783832483616
Dateigröße
6.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule der Medien Stuttgart – Information und Kommunikation
Erscheinungsdatum
2004 (Oktober)
Note
2,0
Schlagworte
zeitmanagement zeitkulturen zeit zeitmessung zeitbewußtsein
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Titel: Zeitmanagement im Zeitalter der globalen Gleichzeitigkeit
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